Read Ebook: Reden an die deutsche Nation by Fichte Johann Gottlieb
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Ebook has 62 lines and 17060 words, and 2 pages
Diese Reden beschw?ren noch in andern R?cksichten euch Denker, Gelehrte, Schriftsteller, die ihr dieses Namens noch wert seid. Eure Klagen ?ber die allgemeine Seichtigkeit, Gedankenlosigkeit und Verflossenheit, ?ber den Klugd?nkel und das unversiegbare Geschw?tz, ?ber die Verachtung des Ernstes und der Gr?ndlichkeit in allen St?nden m?gen wahr sein, wie sie es denn sind. Aber welcher Stand ist es denn, der diese St?nde insgesamt erzogen hat, der ihnen alles Wissenschaftliche in ein Spiel verwandelt, und von der fr?hesten Jugend an zu jenem Klugd?nkel und jenem Geschw?tze sie angef?hrt hat? Wer ist es denn, der auch die der Schule entwachsenen Geschlechter noch immerfort erzieht? Der in die Augen fallendste Grund der Dumpfheit des Zeitalters ist der, dass es sich dumpf gelesen hat an den Schriften, die ihr geschrieben habt. Warum lasst ihr dennoch immerfort euch so angelegen sein, dieses m?ssige Volk zu unterhalten, unerachtet ihr wisst, dass es nichts gelernt hat und nichts lernen will; nennt es Publikum, schmeichelt ihm als eurem Richter, hetzt es auf gegen eure Mitbewerber, und sucht diesen blinden und verworrenen Haufen durch jedes Mittel auf eure Seite zu bringen; gebt endlich selbst in euren Rezensieranstalten und Journalen ihm so Stoff wie Beispiel seiner vorschnellen Urteilerei, indem ihr da ebenso ohne Zusammenhang, und so aus freier Hand in den Tag hinein urteilt, meist ebenso abgeschmackt, wie es auch der letzte eurer Leser k?nnte? Denkt ihr nicht alle so, gibt es unter euch noch Bessergesinnte, warum vereinigen sich denn nicht diese Bessergesinnten, um dem Unheile ein Ende zu machen? Was insbesondere jene Gesch?ftsm?nner anbelangt; diese sind bei euch durch die Schule gelaufen, ihr sagt es selbst. Warum habt ihr denn diesen ihren Durchgang nicht wenigstens dazu benutzt, um ihnen einige stumme Achtung f?r die Wissenschaften einzufl?ssen, und besonders dem hochgeborenen J?nglinge den Eigend?nkel beizeiten zu brechen, und ihm zu zeigen, dass Stand und Geburt in Sachen des Denkens nichts f?rdert? Habt ihr ihm vielleicht schon damals geschmeichelt, und ihn ungeb?hrlich hervorgehoben, so traget nun, was ihr selbst veranlasst habt!
Sie wollen euch entschuldigen, diese Reden, mit der Voraussetzung, dass ihr die Wichtigkeit eures Gesch?fts nicht begriffen h?ttet; sie beschw?ren euch, dass ihr euch von Stund an bekannt macht mit dieser Wichtigkeit, und es nicht l?nger als ein blosses Gewerbe treibt. Lernt euch selbst achten, und zeigt in eurem Handeln, dass ihr es tut, und die Welt wird euch achten. Die erste Probe davon werdet ihr ablegen durch den Einfluss, den ihr auf die angetragene Entschliessung euch geben, und durch die Weise, wie ihr euch dabei benehmen werdet.
Diese Reden beschw?ren euch F?rsten Deutschlands. Diejenigen, die euch gegen?ber so tun, als ob man euch gar nichts sagen d?rfte, oder zu sagen h?tte, sind ver?chtliche Schmeichler, sie sind arge Verleumder eurer selbst; weiset sie weit weg von euch. Die Wahrheit ist, dass ihr ebenso unwissend geboren werdet, als wir andern alle, und dass ihr h?ren m?sst und lernen, gleich wie auch wir, wenn ihr herauskommen sollt aus dieser nat?rlichen Unwissenheit. Euer Anteil an der Herbeif?hrung des Schicksals, das euch zugleich mit euren V?lkern betroffen hat, ist hier auf die mildeste, und wie wir glauben, auf die allein gerechte und billige Weise dargelegt worden, und ihr k?nnt euch, falls ihr nicht etwa nur Schmeichelei, niemals aber Wahrheit h?ren wollt, ?ber diese Reden nicht beklagen. Dies alles sei vergessen, so wie wir andern alle auch w?nschen, dass unser Anteil an der Schuld vergessen werde. Jetzt beginnt, so wie f?r uns alle, also auch f?r euch, ein neues Leben. M?chte doch diese Stimme durch alle die Umgebungen hindurch, die euch unzug?nglich zu machen pflegen, bis zu euch dringen! Mit stolzem Selbstgef?hl darf sie euch sagen: ihr beherrschet V?lker, treu, bildsam, des Gl?cks w?rdig, wie keiner Zeit und keiner Nation F?rsten sie beherrscht haben. Sie haben Sinn f?r die Freiheit und sind derselben f?hig; aber sie sind euch gefolgt in den blutigen Krieg gegen das, was ihnen Freiheit schien, weil ihr es so wolltet. Einige unter euch haben sp?terhin anders gewollt, und sie sind euch gefolgt in das, was ihnen ein Ausrottungskrieg scheinen musste gegen einen der letzten Reste deutscher Unabh?ngigkeit und Selbst?ndigkeit; auch weil ihr es so wolltet. Sie dulden und tragen seitdem die dr?ckende Last gemeinsamer Uebel; und sie h?rten nicht auf, euch treu zu sein, mit inniger Ergebung an euch zu hangen, und euch zu lieben, als ihre ihnen von Gott verliehenen Vorm?nder. M?chtet ihr sie doch, unbemerkt von ihnen, beobachten k?nnen; m?chtet ihr doch, frei von den Umgebungen, die nicht immer die sch?nste Seite der Menschheit euch darbieten, herabsteigen k?nnen in die H?user des B?rgers, in die H?tten des Landmanns, und dem stillen und verborgenen Leben dieser St?nde, zu denen die in den h?hern St?nden seltener gewordene Treue und Biederkeit ihre Zuflucht genommen zu haben scheint, betrachtend folgen k?nnen; gewiss, o gewiss w?rde euch der Entschluss ergreifen, ernstlicher denn jemals nachzudenken, wie ihnen geholfen werden k?nne. Diese Reden haben euch ein Mittel der Hilfe vorgeschlagen, das sie f?r sicher, durchgreifend und entscheidend halten. Lasset eure R?te sich beratschlagen, ob sie es auch so finden, oder ob sie ein besseres wissen, nur, dass es ebenso entscheidend sei. Die Ueberzeugung aber, dass etwas geschehen m?sse, und auf der Stelle geschehen m?sse, und etwas Durchgreifendes und Entscheidendes geschehen m?sse, und dass die Zeit der halben Massregeln und der Hinhaltungsmittel vor?ber sei: diese Ueberzeugung m?chten sie gern, wenn sie k?nnten, bei euch selbst hervorbringen, indem sie zu eurem Biedersinne noch das meiste Vertrauen hegen.
Euch Deutsche insgesamt, welchen Platz in der Gesellschaft ihr einnehmen m?get, beschw?ren diese Reden, dass jeder unter euch, der da denken kann, zuv?rderst denke ?ber den angeregten Gegenstand, und dass jeder daf?r tue, was gerade ihm an seinem Platze am n?chsten liegt.
Es vereinigen sich mit diesen Reden und beschw?ren euch eure Vorfahren. Denket, dass in meine Stimme sich mischen die Stimmen eurer Ahnen aus der grauen Vorwelt, die mit ihren Leibern sich entgegengestemmt haben der heranstr?menden r?mischen Weltherrschaft, die mit ihrem Blute erk?mpft haben die Unabh?ngigkeit der Berge, Ebenen und Str?me, welche unter euch den Fremden zur Beute geworden sind. Sie rufen euch zu: vertretet uns, ?berliefert unser Andenken ebenso ehrenvoll und unbescholten der Nachwelt, wie es auf euch gekommen ist, und wie ihr euch dessen und der Abstammung von uns ger?hmt habt. Bis jetzt galt unser Widerstand f?r edel und gross und weise, wir schienen die Eingeweihten zu sein und die Begeisterten des g?ttlichen Weltplans. Gehet mit euch unser Geschlecht aus, so verwandelt sich unsre Ehre in Schimpf, und unsre Weisheit in Torheit. Denn sollte der deutsche Stamm einmal untergehen in das R?mertum, so war es besser, dass es in das alte gesch?he, denn in ein neues. Wir standen jenem und besiegten es; ihr seid verst?ubt worden vor diesem. Auch sollt ihr nun, nachdem einmal die Sachen also stehen, sie nicht besiegen mit leiblichen Waffen; nur euer Geist soll sich ihnen gegen?ber erheben und aufrechtstehen. Euch ist das gr?ssere Geschick zuteil geworden, ?berhaupt das Reich des Geistes und der Vernunft zu begr?nden, und die rohe k?rperliche Gewalt insgesamt, als beherrschendes der Welt, zu vernichten. Werdet ihr dies tun, dann seid ihr w?rdig der Abkunft von uns.
Auch mischen in diese Stimmen sich die Geister eurer sp?tern Vorfahren, die da fielen im heiligen Kampfe f?r Religions- und Glaubensfreiheit. Rettet auch unsre Ehre, rufen sie euch zu. Uns war nicht ganz klar, wof?r wir stritten; ausser dem rechtsm?ssigen Entschlusse, in Sachen des Gewissens durch ?ussere Gewalt uns nicht gebieten zu lassen, trieb uns noch ein h?herer Geist, der uns niemals sich ganz enth?llte. Euch ist er enth?llt, dieser Geist, falls ihr eine Sehkraft habt f?r die Geisterwelt, und blickt euch an mit hohen klaren Augen. Das bunte und verworrene Gemisch der sinnlichen und geistigen Antriebe durcheinander soll ?berhaupt der Weltherrschaft entsetzt werden, und der Geist allein, rein und ausgezogen von allen sinnlichen Antrieben, soll an das Ruder der menschlichen Angelegenheiten treten. Damit diesem Geiste die Freiheit werde, sich zu entwickeln und zu einem selbst?ndigen Dasein emporzuwachsen, daf?r floss unser Blut. An euch ist's, diesem Opfer seine Bedeutung und seine Rechtfertigung zu geben, indem ihr diesen Geist einsetzt in die ihm bestimmte Weltherrschaft. Erfolgt nicht dieses, als das letzte, worauf alle bisherige Entwicklung unsrer Nation zielte, so werden auch unsre K?mpfe zum vor?berrauschenden leeren Possenspiele, und die von uns erfochtene Geistes- und Gewissensfreiheit ist ein leeres Wort, wenn es von nun an ?berhaupt nicht l?nger Geist oder Gewissen geben soll.
Es beschw?ren euch eure noch ungeborne Nachkommen. Ihr r?hmt euch eurer Vorfahren, rufen sie euch zu, und schliesst mit Stolz euch an an eine edle Reihe. Sorget, dass bei euch die Kette nicht abreisse: machet, dass auch wir uns eurer r?hmen k?nnen, und durch euch, als untadeliges Mittelglied, hindurch uns anschliessen an dieselbe glorreiche Reihe. Veranlasset nicht, dass wir uns der Abkunft von euch sch?men m?ssen, als einer niedern, barbarischen, sklavischen, dass wir unsre Abstammung verbergen oder einen fremden Namen und eine fremde Abkunft erl?gen m?ssen, um nicht sogleich, ohne weitere Pr?fung, weggeworfen oder zertreten zu werden. Wie das n?chste Geschlecht, das von euch ausgehen wird, sein wird, also wird euer Andenken ausfallen in der Geschichte: ehrenvoll, wenn dieses ehrenvoll f?r euch zeugt; sogar ?ber die Geb?hr schm?hlich, wenn ihr keine laute Nachkommenschaft habt, und der Sieger eure Geschichte macht. Noch niemals hat ein Sieger Neigung oder Kunde genug gehabt, um die Ueberwundenen gerecht zu beurteilen. Je mehr er sie herabw?rdigt, desto gerechter steht er selbst da. Wer kann wissen, welche Grosstaten, welche treffliche Einrichtungen, welche edle Sitten manches Volkes der Vorwelt in Vergessenheit geraten sind, weil die Nachkommen unterjocht wurden, und der Ueberwinder, seinen Zwecken gem?ss, unwidersprochen Bericht ?ber sie erstattete.
Es beschw?ret euch selbst das Ausland, inwiefern dasselbe nur noch im mindesten sich selbst versteht und noch ein Auge hat f?r seinen wahren Vorteil. Ja, es gibt noch unter allen V?lkern Gem?ter, die noch immer nicht glauben k?nnen, dass die grossen Verheissungen eines Reichs des Rechts, der Vernunft und der Wahrheit an das Menschengeschlecht eitel und ein leeres Trugbild seien, und die daher annehmen, dass die gegenw?rtige eiserne Zeit nur ein Durchgang sei zu einem bessern Zustande. Diese, und in ihnen die gesamte neuere Menschheit, rechnet auf euch. Ein grosser Teil derselben stammt ab von uns, die ?brigen haben von uns Religion und jedwede Bildung erhalten. Jene beschw?ren uns bei dem gemeinsamen vaterl?ndischen Boden, auch ihrer Wiege, den sie uns frei hinterlassen haben; diese bei der Bildung, die sie von uns als Unterpfand eines h?hern Gl?cks bekommen haben -- uns selbst auch f?r sie, und um ihrer willen zu erhalten, so wie wir immer gewesen sind, aus dem Zusammenhange des neu entsprossenen Geschlechts nicht dieses ihm so wichtige Glied herausreissen zu lassen, damit, wenn sie einst unsers Rates, unsers Beispiels, unsrer Mitwirkung gegen das wahre Ziel des Erdenlebens hin bed?rfen, sie uns nicht schmerzlich vermissen.
Alle Zeitalter, alle Weise und Gute, die jemals auf dieser Erde geatmet haben, alle ihre Gedanken und Ahnungen eines H?hern, mischen sich in diese Stimmen und umringen euch, und heben flehende H?nde zu euch auf; selbst, wenn man so sagen darf, die Vorsehung und der g?ttliche Weltplan bei Erschaffung eines Menschengeschlechts, der ja nur da ist, um von Menschen gedacht und durch Menschen in die Wirklichkeit eingef?hrt zu werden, beschw?ret euch, seine Ehre und sein Dasein zu retten. Ob jene, die da glaubten, es m?sse immer besser werden mit der Menschheit, und die Gedanken einer Ordnung und einer W?rde derselben seien keine leeren Tr?ume, sondern die Weissagung und das Unterpfand der einstigen Wirklichkeit, recht behalten sollen, oder diejenigen, die in ihrem Tier- und Pflanzenleben hinschlummern, und jedes Auffluges in h?here Welten spotten: -- dar?ber ein letztes Endurteil zu begr?nden, ist euch anheimgefallen. Die alte Welt mit ihrer Herrlichkeit und Gr?sse, sowie mit ihren M?ngeln, ist versunken, durch die eigne Unw?rde und durch die Gewalt eurer V?ter. Ist in dem, was in diesen Reden dargelegt worden, Wahrheit, so seid unter allen neueren V?lkern ihr es, in denen der Keim der menschlichen Vervollkommnung am entschiedensten liegt, und denen der Vorschritt in der Entwicklung derselben aufgetragen ist. Gehet ihr in dieser eurer Wesenheit zugrunde, so gehet mit euch zugleich alle Hoffnung des gesamten Menschengeschlechts auf Rettung aus der Tiefe seiner Uebel zugrunde. Hoffet nicht und tr?stet euch nicht mit der aus der Luft gegriffenen, auf blosse Wiederholung der schon eingetretenen F?lle rechnenden Meinung, dass ein zweites Mal, nach Untergang der alten Bildung, eine neue, auf den Tr?mmern der ersten, aus einer halbbarbarischen Nation hervorgehen werde. In der alten Zeit war ein solches Volk, mit allen Erfordernissen zu dieser Bestimmung ausgestattet, vorhanden, und war dem Volke der Bildung recht wohl bekannt und ist von ihnen beschrieben; und diese selbst, wenn sie den Fall ihres Unterganges zu setzen vermocht h?tten, w?rden an diesem Volke das Mittel der Wiederherstellung haben entdecken k?nnen. Auch uns ist die gesamte Oberfl?che der Erde recht wohl bekannt, und alle die V?lker, die auf derselben leben. Kennen wir denn nun ein solches, dem Stammvolke der neuen Welt ?hnliches Volk, von welchem die gleichen Erwartungen sich fassen liessen? Ich denke, jeder, der nur nicht bloss schw?rmerisch meint und hofft, sondern gr?ndlich untersuchend denkt, werde diese Frage mit Nein beantworten m?ssen. Es ist daher kein Ausweg: wenn ihr versinkt, so versinkt die ganze Menschheit mit, ohne Hoffnung einer einstigen Wiederherstellung.
Die folgende Liste enth?lt die vorgenommenen ?nderungen.
Vierte Rede: S. 66: erlassen -> erfassen S. 70: den -> denn F?nfte Rede: S. 75: Ganze -> Ganzes Sechste Rede: S. 98: er -> es Achte Rede: S. 124: letzen -> letzten Zehnte Rede: S. 175: dass -> das Elfte Rede: S. 192: allerhochsten -> allerh?chsten Vierzehnte Rede: S. 235: dass -> das
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