Read Ebook: Was ich geschaut: Novellen by Troll Borosty N Irma Von
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Ebook has 805 lines and 40563 words, and 17 pages
Was ich geschaut.
Novellen
von
Irma von Troll-Borosty?n?.
Wien. Pest. Leipzig.
A. Hartleben's Verlag.
Alle Rechte vorbehalten.
K. u. k. Hofbuchdruckerei Carl Fromme in Wien.
Inhaltsverzeichniss.
Seite
Erl?st! 3
Justus 16
Fallendes Laub 30
Franzi's Weihnacht 44
Der Weg zum Herzen 55
Weder Gl?ck noch Stern 65
Der Unwiderstehliche 75
Schwer gepr?ft 107
>>Es fiel ein Reif in der Fr?hlingsnacht<< 124
Der kleine Geiger 132
Die Harfenspielerin 140
Sein Bild 151
Erl?st!
Mit dem Versprechen, am anderen Tage wiederzukommen, hatte sich der Arzt verabschiedet und Gabriele blieb allein am Bette ihres kranken Kindes. Es lag in heftigem Fieber; auf den lieblich gerundeten, vollen Wangen brannten hochrothe Flecken und die sonst so fr?hlichen, dunkelblauen Augen blickten schmerzlich und wie hilfesuchend auf das kummervolle Antlitz der Mutter, die sich zwang, es freundlich anzul?cheln.
Der kleine Erich war w?hrend der f?nf Jahre seines Daseins niemals krank gewesen. Vor wenigen Tagen zeigte er eines Morgens Mattigkeit und Unlust, seinen gewohnten Spielen zu obliegen. Dann klagte er ?ber Schmerzen im Kopfe und in der rechten Seite der Brust beim Athemholen. Fiebersymptome traten auf; er wurde zu Bett gebracht, und der herbeigerufene Arzt konnte es den Eltern nicht verhehlen, dass der Fall -- eine hochgradige Entz?ndung des rechten Lungenfl?gels -- ein sehr bedenklicher sei.
Jetzt sass die Mutter am kleinen Bettchen des Knaben und streichelte hin und wieder mit weicher Hand ?ber seinen blonden Lockenkopf, den er unruhig auf den Kissen hin und her w?lzte. Mit ?ngstlicher Aufmerksamkeit beobachtete sie die kurzen, raschen Athemz?ge, den fliegenden Puls des Kindes und verfolgte zugleich den vorr?ckenden Zeiger an der gegen?berh?ngenden Wanduhr, um den rechten Augenblick nicht zu vers?umen, ihm, der ?rztlichen Vorschrift gem?ss, viertelst?ndlich die Arznei zu verabreichen.
Wie ein dumpfes Brausen drang der L?rm des grossst?dtischen Lebens und Treibens durch die geschlossenen Doppelfenster des Krankenzimmers. Die Vorh?nge waren zugezogen, und die mit einem gr?nen Papierschirm bedeckte Lampe verbreitete eine milde Helle in dem weiten Gemache.
Draussen lag noch das graue Licht der schwindenden Abendd?mmerung ?ber den Strassen. Es war ein unfreundlicher M?rztag, und ein rauher Nordost wirbelte einen trockenen, hustenreizenden Staub auf. Die Damen, die sich in leichten Fr?hlingstoiletten herausgewagt hatten, bedauerten es lebhaft, ihre warmen, winterlichen Umh?llungen zu Hause gelassen zu haben.
Ein elegant gekleideter, noch junger Mann schritt quer ?ber die Strasse dem Hause zu, in welchem der kranke Knabe lag. Es war Otto von Brauneck, der Vater des Kindes. Nachdem er an der Eingangsth?r geschellt und der Diener ihm ge?ffnet hatte, trat er durch das Vorzimmer in den Salon, um in sein neben demselben gelegenes Arbeitszimmer zu gelangen.
>>Was ist das? -- Sind noch keine Vorbereitungen getroffen?<< fragte er den Diener, indem er an der Schwelle stehen blieb und einen ?berraschten Blick durch den unerleuchteten Raum schickte. >>In l?ngstens einer Stunde werden die G?ste eintreffen, und es ist nichts in Ordnung gebracht. Sollte meine Frau keine Anordnungen getroffen haben?<<
>>Die gn?dige Frau meinte, der Empfang w?rde heute nicht stattfinden,<< erkl?rte der Diener.
>>Und warum nicht?<<
>>Ich glaube -- des Kranken wegen.<<
>>Ach, das Kind wird in seiner Ruhe nicht gest?rt werden. Schlagen Sie den Spieltisch in meinem Zimmer auf, statt im Salon, und besorgen Sie rasch alles n?thige. Kaltes Buffet -- einige Flaschen Bordeaux aus dem Keller -- hier, nehmen Sie!<<
Mit diesen Worten reichte Brauneck dem Diener eine Banknote und schritt in sein Zimmer. Nachdem der Diener die Kerzen angez?ndet und sich entfernt hatte, schloss Brauneck seinen Schreibtisch auf, entnahm demselben ein Spiel Karten, pr?fte sie und steckte sie zu sich. Einige Minuten sp?ter trat er in das Zimmer seines Sohnes.
Gabriele hob den Kopf empor und warf einen traurigen Blick auf ihren Gatten, der sich mit langsamen und auf dem schweren Teppich ger?uschlosen Schritten n?herte.
>>Wie geht es dem Kleinen?<< fragte er leise, indem er seine Frau mit leichtem Kopfnicken begr?sste.
>>Um nichts besser,<< erwiderte Gabriele noch leiser. >>Das Fieber steigert sich.<<
>>War der Doctor hier?<<
Fl?sternd wiederholte sie die Weisungen des Arztes. >>Im Laufe der Nacht,<< so hatte er sich ge?ussert, >>w?rde die Krisis eintreten. Sollte das Fieber nach Mitternacht noch st?rker werden, so m?ge man ihn unbedingt nochmals holen lassen.<<
>>Rege Dich nicht so auf,<< sagte Brauneck, als er bemerkte, wie ihre Augen sich mit Thr?nen f?llten. >>Erich ist ein kr?ftiger Junge; es liegt kein Grund zu so grosser Sorge vor.<<
Gabriele antwortete nicht. Der Knabe aber, der die fl?sternden Stimmen geh?rt, schlug die Augen auf.
Ein Ausdruck von Freude glitt ?ber sein Gesichtchen.
>>Ach, Papa, bist Du endlich gekommen,<< sagte er. >>Ich f?rchtete schon, Du k?mest nicht mehr.<<
Der Vater beugte sich zu dem Kinde herab und dr?ckte einen Kuss auf seine brennende Stirn.
>>Warum h?tte ich denn nicht kommen sollen?<< erwiderte er l?chelnd. >>Freilich bin ich gekommen und habe Dir auch etwas mitgebracht. Einen wundersch?nen Wald und allerlei Gethier darin. B?ren, W?lfe, F?chse. Wenn Du wieder gesund bist, dann gehen wir miteinander auf die Jagd.<<
>>Ja, dann spielen wir Jagd miteinander,<< bekr?ftigte der Kleine. >>Mama, Du und ich, alle Drei. Ich bin der J?ger, Du und Mama, Ihr m?sst das Wild vor mir zu verstecken suchen.<<
>>Du wirst aber alle Thiere todtschiessen, und am anderen Tage werden sie trotzdem wieder lebendig sein, damit Du sie wieder erschiessen kannst,<< erg?nzte Brauneck.
Erich lachte, aber ein heftiger Hustenanfall unterbrach seine Heiterkeit, und die h?bschen Z?ge seines Gesichtchens verzogen sich schmerzhaft.
>>Jetzt aber musst Du still liegen, mein Kind, nicht sprechen,<< fuhr Brauneck fort, als der Anfall vor?ber war. >>Sonst wirst Du nicht gesund, und wir k?nnen nicht zusammen Wild und J?ger spielen.<<
Der Knabe war ersch?pft in die Kissen zur?ckgesunken und schloss die Augen. Gabriele tr?ufelte ihm einen L?ffel voll Medicin zwischen die trockenen, heissen Lippen; dann sassen die beiden Gatten eine Weile schweigend an seinem Lager. Da schlug die Uhr acht, und Brauneck schnellte von seinem Sitze empor.
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