Read Ebook: Katharina von Bora: Geschichtliches Lebensbild by Thoma Albrecht
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Ebook has 1256 lines and 103564 words, and 26 pages
Wenn heutzutage ein armes M?dchen aus besseren St?nden versorgt werden soll, das nicht auf grosse Mitgift und darum auf Verheiratung rechnen und somit dem nat?rlichen weiblichen Beruf, dem Familienleben, voraussichtlich entsagen muss, so kommt es in eine Anstalt und bildet sich zur Lehrerin oder dergleichen aus. Im Mittelalter kam so ein armes Fr?ulein, dessen Ausstattung die schmalen Erbg?ter der Stammhalter und Schwestern noch mehr geschm?lert h?tte, zur Versorgung ins Kloster. Die alten Kl?ster wurden so Versorgungsanstalten. Es waren adelige Stifter, fromme Anstalten der Vorfahren, worin ,,ehrsame" Jungfrauen Gott dienen und f?r die Seelen der Lebenden und Verstorbenen beten sollten. Statt des jetzigen ,,geistigen" Berufs zum Wirken in der Welt f?r lebendige Menschen diente damals der ,,geistliche" Beruf zur Verehrung Gottes und der Heiligen, zum ewigen Seelenheil der Lebenden, namentlich aber der toten Anverwandten im Fegefeuer. Statt der heutigen freien und doch nicht immer freiwilligen Entschliessung zu einem selbstgew?hlten Beruf, der freilich immer nur bedingungsweise und auf Zeit ergriffen wird, galt es damals die ,,ewige" unwiderrufliche ,,Vergel?bdung" auf Lebenszeit; statt der ,,Emanzipation", welche einer ausser dem Familienleben stehenden Jungfrau heute mehr oder weniger wartet, harrte ihrer damals die ,,Klausur", die Einschliessung in die Klostermauern in einem streng geschlossenen Verband, dem ,,Orden", unter dem straffen Bande der ,,Regel", der Klostersatzungen.
Nach Begabung und Neigung zu diesem geistlichen Beruf wurde da wenig gefragt, und es konnte auch keine R?cksicht darauf genommen werden. Dazu war in diesen Zeiten die elterliche Autorit?t, namentlich ?ber T?chter, viel zu gross, und der Familiensinn in solchen adeligen H?usern war ein zu stark ausgepr?gter, als dass sich ein Glied in individueller Neigung gegen das Herkommen und die Familiensitte wie gegen die Forderungen der Existenzbedingungen seines Geschlechts aufgelehnt h?tte. Nach den kirchlichen Bestimmungen galt der Grundsatz: ,,Einen M?nch macht entweder die elterliche Vergel?bdung oder die eigene Einwilligung", also in erster Linie die Bestimmung der Eltern! Diese hielten es eben f?r eine standesgem?sse Versorgung und zugleich f?r einen ,,guten seligen Stand", wie eine Nonne aus dieser Zeit erkl?rt.
Zudem wurden die T?chter in einem Alter in das Stift gethan, wo von einer Willensentscheidung gar keine Rede sein konnte. Die M?dchen waren noch Kinder. Der Eintritt konnte schon im sechsten Lebensjahr geschehen; viele kamen auch sp?ter hinein, wenn sich die Familienverh?ltnisse durch Wachstum der Kinderzahl, Tod der Mutter und dergleichen anders gestalteten. Aber auch in noch fr?herem Alter wurden ,,Kostkinder" aufgenommen, welche dann auch oft Klosterjungfrauen wurden.
,,Es ist eine hohe Not und Tyrannei, dass man leider die Kinder, sonderlich das schwache Weibervolk und junge M?dchen in die Kl?ster st?sset, reizet und gehen l?sst" -- so ?ussert sich Luther gerade ?ber das Kloster, worin sich Katharina von Bora befand, und ruft entr?stet aus: ,,O die unbarmherzigen Eltern und Freunde , die mit den Ihren so schrecklich und greulich verfahren!"
Nicht anders erging es auch der Tochter aus dem verarmten Hause Bora. Katharina ward ins Kloster geschickt -- gefragt wurde das Kind nat?rlich nicht; es geschah ,,ohne ihren Willen", wie denn Luther im allgemeinen von ihr und ihren Mitschwestern von Verstossung ins Kloster redet und von Zwang. Er fragt bei dieser Gelegenheit seine Zeitgenossen: ,,Wie viel meinst du, dass Nonnen in Kl?stern sind, die fr?hlich und mit Lust ungezwungen ihren Gottesdienst thun und Orden tragen? Unter tausend kaum eine. Was ist's, dass du solches Kind l?sst also sein Leben und alle seine Werke verlieren?"
Katharina kam vielleicht schon mit dem 6. Lebensjahr ins Kloster; denn in ihrem sechsten Lebensjahr verschreibt Jan von Bora auf Lippendorf alle seine G?ter allda seiner -- vielleicht in diesem Jahr geheirateten zweiten -- Ehefrau. Jedenfalls war Katharina im zehnten Lebensjahr schon Klosterjungfrau; und zwar nicht mehr die j?ngste, sondern die zweitj?ngste von den Aufgenommenen und blieb noch lange Jahre die vorletzte in der Reihe der Schwestern.
Das Kloster Nimbschen hat eine h?bsche Lage. Eine Stunde unterhalb, nachdem die beiden Mulden, die Zwickauer von S?den und die Freiberger von Osten her zusammengeflossen sind zu der grossen Mulde, erweitert sich das enge Flussthal zu einer viertelstundebreiten ebenen Aue, welche die Form eines l?nglichen Blattes hat und eine halbe Stunde lang ist. Am Ostufer zieht sich eine schroffe Felswand aus Porphyr hin, an welche das Muldebett sich anschmiegt; im Westen begrenzt eine niedrige, sanfter ansteigende, waldbewachsene H?gelkette den Werder. Ueber der n?rdlichen Blattspitze, die scharf durch die zusammenr?ckenden Felsw?nde abschliesst, erhob sich eine Burg und jenseits der Thalsperre, ungesehen von der Aue aus, liegt die Stadt Grimma; an dem obern Ende der Aue, unmittelbar am Fusse des westlichen Waldh?gels, stand das Kloster. Es war also abgelegen von der Welt, abgeschlossen durch die beiden H?gelreihen, nur mit dem Blick auf die stille ruhige Aue. Dr?ben floss die Mulde ungesehen tief in ihren Ufern, ?berragt von der Felswand, h?ben erhob sich der h?gelige Klosterwald. Nordw?rts davon schimmerte ein ziemlich grosser Teich, welcher die leckere Fastenspeise barg.
Aus dem H?gel unmittelbar neben dem Kloster waren die schmutzig braunen Porphyrsteine gebrochen, mit welchen die Mauern und Klostergeb?ude aufgebaut waren; ein Graben an diesem H?gel hin verhinderte noch mehr den unbefugten Zutritt.
Das Klostergeb?ude war sehr umfangreich, denn so eine alte Cisterzienser-Abtei bildete eine Welt f?r sich: nach alter Regel musste das Kloster alle seine Bed?rfnisse selber durch eigene Wirtschaft befriedigen. Daher gab es neben dem eigentlichen ,,Gotteshaus", wie ein geistliches Stift genannt wurde, noch allerlei Wirtschaftsgeb?ude: St?lle f?r Pferde, Rinder, Schweine, Gefl?gel mit den n?tigen Knechten und M?gden, Hirten und Hirtinnen f?r F?llen, K?he, Schafe , Schweine und G?nse; ferner M?her, Drescher, Holzhauer, eine ,,K?semutter". Das Kloster selbst zerfiel in zwei Geb?udekomplexe: ,,die Propstei" und die ,,Klausur". Die Propstei schloss sich um den ?usseren Klosterhof und umfasste die Wohnung des Vorstehers oder Propstes, eines ,,Halbgeistlichen", welcher mit ,,Ehren" angeredet wurde, dann die Behausung des Verwalters oder Vogts samt dem Schreiber; ferner das ,,Predigerhaus", in welchem die zwei ,,Herren an der Pforte", d.i. M?nche aus dem Kloster Pforta, als Beichtv?ter wohnten, denn Pforta hatte die Oberaufsicht ?ber Nimbschen. Ein Brauhaus, Backhaus, Schlachthaus, Schmiede, M?hle, K?che und Keller waren noch da, worin die verschiedenen Klosterhandwerker hausten und hantierten; auf dem Thorhaus sass der Thorw?rter Thalheym. Ein ,,Hellenheyszer" hatte die Oefen zu besorgen.
Es war eine gar umfangreiche Wirtschaft und ein grosses Personal: 40-50 Leute waren in der Klosterzeit Katharinas von Bora t?glich ,,?ber den Hof" zu speisen; und dazu mussten L?hne gezahlt werden, vom Oberknecht mit 4 Schock 16 Groschen und Vorsteher mit 4 Schock an bis zur G?nsehirtin, welche nur 40 Groschen bekam.
Um alle diese Personen zu besolden und neben den Klosterfrauen zu speisen, brauchte es nat?rlich grosser Eink?nfte an Geld, Getreide, H?hnern, Eiern u.s.w. von den Klosterd?rfern und H?fen, ausser den Klosterg?tern, die vom Klosterpersonal selbst bewirtschaftet wurden. Ferner hatten die Bauern noch gar manche Fronden mit Ackern, D?ngen, Dreschen, M?hen und Heuen, Schneiden, Holzmachen, Hopfen pfl?cken, Flachs und Hanf raufen, riffeln und r?sten, Schafscheren, Jagdfron wof?r teilweise Essen und Trinken, bei der Jagd auch Geld gereicht wurde.
Die Nonnen selbst wohnten in der ,,Klausur", einem zweiten Geb?udekomplex, welcher im Viereck um einen kleinen Hof gebaut war und aus der Kirche, dem Refektorium , dem Dormitorium und dem Konvent bestand. Die Abtei, die Wohnung der Aebtissin, welche nicht zur Klausur geh?rte, war zwischen dieser und dem Propsthofe.
Hier im Kloster lebten nun einige vierzig T?chter adeliger H?user aus verschiedenen Gegenden des kurf?rstlichen und herzoglichen Sachsen. Dazu kamen noch ein halb Dutzend ,,Konversen" oder Laienschwestern, die um Gottes willen, d.h. umsonst dienten. Ferner mehrere bezahlte ,,Kochmeide", darunter eine K?chin, und die ,,Frauen-Meid", d.h. die Dienerin der Aebtissin. Diese hatte ausserdem noch zwei Knaben zu ihrer Verf?gung, die nat?rlich im ?ussern Klosterhof wohnten und zu Kleidern und Schuhen zusammen 1 Schock j?hrlich erhielten.
Die adeligen Klosterfrauen bildeten die Sammlung, den Konvent und hiessen daher auch Konventualinnen. Das war eine kleine weibliche Adelsrepublik, die sich in allen Dingen selbst regierte nach der ,,Regel", den Gesetzen, auf die sie eingeschworen waren -- bloss unter Oberaufsicht ihres Visitators, des Abtes von Pforta, der aber auch nur auf Grund der Regel anordnen und r?gen konnte. Die Regel war die des hl. Bernhard, eine etwas strengere Abart derjenigen der gew?hnlichen alten Benediktinerinnen.
Mit Ehrfurcht nahten die Schwestern der Aebtissin, sie war die Domina , die ehrw?rdige Mutter, und die draussen wenigstens nannten sie ,,Meine gn?dige Frau." Im Jahr 1509, also kurz nachdem Katharina von Bora in Nimbschen eingetreten war, starb die alte Aebtissin Katharina von Sch?nberg, und Katharinas Verwandte, Margarete von Haubitz, wurde zur Aebtissin gew?hlt und feierlich vom Abt Balthasar aus Pforta in ihr Amt eingef?hrt.
Nach der Aebtissin kam an W?rde die Priorin , einerseits die Stellvertreterin und Geh?lfin derselben, andererseits aber auch die Vertreterin und Vertrauensperson des Konvents. Auf sie folgte die ,,Kellnerin", die ,,Bursarin" die K?sterin, die Sangmeisterin , die Siech- und Gastmeisterin.
Die Schwesternschaft, in welche die junge Katharina eintrat, hatte einen gleichartigen gesellschaftlichen Rang: sie waren alle aus dem kleinen Adel und vielfach mit einander verwandt oder gar Schwestern: so die zwei Haubitz, die zwei Schwestern Zeschau und Margarete und Ave von Sch?nfeld, wozu noch eine Metze Sch?nfeld kam, welche 1508 Siechenmeisterin und sp?ter Priorin wurde. Aber die einen waren wohlhabend mit einem ordentlichen Leibgeding an Geld und Naturalien, die anderen arm, vielleicht nur bei dem Eintritt und bei der Einsegnung mit einem kleinen Geschenke von ihren Verwandten abgefunden. Der Wohlstand scheint nicht ohne Einfluss auf die amtliche Stellung gewesen zu sein; denn es ist doch wohl nicht Zufall, dass die am reichsten Verleibgedingte, Margarete von Haubitz, zur Aebtissin gew?hlt wurde. Auch das Alter war ein gar verschiedenes: da war die 70 j?hrige Ursula Osmund, die an hundert Jahre alt wurde, und die zehnj?hrige Katharina von Bora und die beiden jungen Sch?nfeld, welche in ?hnlichem Alter standen. Lange Zeit wurden gar keine neuen Jungfrauen in das Stift aufgenommen: von 1510 bis 1517 blieben Katharina und Ave die letzten, vielleicht weil die Zahl 50 ?berschritten war und die Eink?nfte des Klosters nicht mehr Personen ertrugen. Dass die Klosterfrauen auch an Wesen, Charakter und Temperament verschieden waren, ist nat?rlich; aber alle geistige Individualit?t wurde durch die Klosterregel und Klosterzucht ebenso ausgel?scht, wie die leibliche Verschiedenheit durch die gleiche Tracht: Nonnen tragen auch eine geistige Uniform. Dazu sind Freundschaften verboten. Von irgend einer Eigenheit einer Schwester erf?hrt man nichts. Nur die Aebtissin Margarete von Haubitz ist sp?ter charakterisiert als: ,,ehrliches , frommes, verst?ndiges Weibsbild".
Zun?chst wurde das junge M?dchen eingef?hrt in die Ordensregel und den Gottesdienst, wurde gew?hnt an kl?sterliches Benehmen und an geistliches Denken und Wesen, auch unterrichtet in einigen Kenntnissen und Fertigkeiten. In Nimbschen wird keine besondere Novizenmeisterin genannt; es war nur vom Abt bei der Einf?hrung der neuen Aebtissin 1509 im allgemeinen aufs neue als Ordensregel eingesch?rft: ,,Weil es ein Werk der Fr?mmigkeit und Barmherzigkeit ist, die Ungelehrten gelehrter zu machen, wollen wir, dass diejenigen, welche mehr verstehn unter den Jungfrauen, die andern zu belehren und unterrichten sich bestreben, in dem Bewusstsein, dass sie einen grossen Lohn f?r diese M?he empfangen, und dass sie durch diese Besch?ftigung viel Leichtfertigkeit vermeiden, wozu die ausgeladene Jugend geneigt ist." Nat?rlich sollten aber alle Aelteren den Jungen mit gutem Beispiel vorangehen.
Es galt sodann in Kleidung und Haltung, in Geb?rde und Rede sich das rechte nonnenhafte Wesen anzueignen. ,,Am Ort der Busse", musste man ,,die gr?sste Einfachheit der Kleidung zeigen, sich weder mit weltlichen Gew?ndern schm?cken, noch auch mit den Fransen der Pharis?er", sondern die Kutten bis an die Schultern herausziehen. Das Angesicht mussten die Novizen lernen stets zu neigen. ,,Denn die Scham ist die H?terin der Jungfrauschaft, der k?stlichen Perle, welche die geistlichen T?chter bewahren sollen. So sollen sie mit Seufzen und Beklagen der verlorenen Zeit die Ankunft des himmlischen Br?utigams erwarten welcher seine Verlobten, -- die im Glauben und hl. Profess stets des Herrn harren, -- mit Frohlocken in sein Brautgemach f?hrt."
,,Damit sie sich aber nicht mit dem Laster des Eigentums beflecken, welches in der Religion das schlimmste und verdammlichste und ein Netz des Teufels ist, sollen sie bei Strafe der Exkommunikation alle Geschenke von Freunden und andern draussen nicht als ihr Recht beanspruchen, sondern der Aebtissin reichen, und dem?tig von ihr das N?tige begehren."
Die Vorgesetzten assen zwar am besonderen Tisch und hatten bessere Speisen und Getr?nke: so bekamen sie echtes Bier, dagegen die Konventualinnen nur ,,Kofent" , aber gleichm?ssige Behandlung aller Klosterjungfrauen in Speisen und Getr?nken waren der Aebtissin zur Pflicht gemacht, und die Mahlzeiten liessen nach herk?mmlicher Klostersitte nichts zu w?nschen ?brig. ,,Festmahlzeiten und Erg?tzlichkeiten" waren den Schwestern unter sich von der Aebtissin erlaubt.
Diese Ordnungen, zu welchen in Nimbschen bei Einf?hrung der neuen Aebtissin der Abt-Visitator eine Art Hirtenbrief als Erl?uterung und Erg?nzung der Ordensregel gegeben hatte, wurden alle Vierteljahre kapitelweise im Konvent gelesen und durch die Aebtissin oder Priorin Punkt f?r Punkt erkl?rt, damit jede Klosterjungfrau -- namentlich aber die Neulinge -- aus sich selbst die kl?sterliche Lebensweise und Lebenseinrichtung ann?hmen.
In solche strenge Klosterzucht wurde nun das junge M?dchen eingef?hrt. Wenn auch die Praxis -- wie sich bei jeder Visitation zeigte, namentlich in der Verordnung von unn?tzen Reden -- von der Theorie abwich, so war doch zu dieser Zeit ein stramme ernstliche Einhaltung der Ordensregel in Nimbschen durchgef?hrt. Man hatte n?mlich gerade um 1500 auch hier wie in anderen Kl?stern eine ,,Reformation" der zerfallenen Klosterordnung erstrebt.
Mit ihrem 15. Jahre also wurde Katharina von Bora nach dem Herkommen der Sammlung von der Aebtissin ,,angegeben" und von dem Konvent angenommen. Unter feierlichen Zeremonien in der Kirche wurden ihr die Haare abgeschnitten, die mit Weihwedel und Rauchfass besprengten und ber?ucherten heiligen Kleider angethan: die weisse Kutte ?bergezogen, der weisse Weiler ) ums Haupt geschlungen; auf diesem wurde der Himmelsbraut der weisse Rosenkranz aufgesetzt und der Heiland im Kruzifix als Br?utigam in die Arme gelegt, dann hat sie ihm durch Opferung des Kranzes ewige Reinigkeit verheissen und geschworen. Darauf fiel die Postulantin der Reihe nach der Aebtissin und jeder der einzelnen Klosterfrauen dem?tig zu F?ssen, wurde von ihnen aufgehoben und mit einem Kusse als Schwester in die Gemeinschaft aufgenommen.
Jetzt kam Katharina unter die strenge Zucht einer ?lteren Klosterfrau und musste in dieser Probezeit im Ernst all die vielen Dinge ?ben in Haltung und Gang, in Geb?rde und Rede, welche eine Nonne auf Schritt und Tritt zu beobachten hat, wenn sie nicht gegen die Regel s?ndigen und daf?r Busse erleiden will. So erz?hlt eine Nonne: ,,Das Probejahr geschahe nur, dass wir Ordensweise lernten und uns versuchten, ob wir zum Orden t?chtig".
Endlich, im Jahre 1515, ,,Montags nach Francisci Confessoris", d.h. am 8. Oktober, war Katharinas ,,eynseghnug". Da musste sie ,,Profess thun", d.h. das ewig bindende Klostergel?bde ablegen. Es wird ihr gegangen sein wie jener anderen Nonne, die um diese Zeit auch eingesegnet wurde und von sich erz?hlt: ,,Am Abend vor meiner Profession sagte mir die Aebtissin vor der ganzen Versammlung im Kapitel: man solle mir die Schwierigkeit der Regel vorlegen und mich fragen, ob ich das gesinnet w?re zu halten? w?re aber nicht von n?ten, denn ich h?tte mich in der Einkleidung genugsam verpflichtet. Und wenn ich gleichwohl gefragt worden w?re, h?tte ich doch nichts sagen d?rfen, h?tte mir auch nichts geholfen." Die Einsegnung ging vor sich und zwar war Katharina von ,,Bhor" als einzige auf diesen Tag geweiht. Sie spendete dabei dem Kloster von dem wenigen, was sie vermochte, 30 Groschen.
Zwar nicht widerwillig, aber doch wie sie sp?ter sagte, ohne ,,ihren Willen" wurde Katharina als Tochter des sel. Vaters Bernhard verpflichtet. Trotzdem aber hat sie sich in die Klosterregel nicht nur gef?gt, sondern auch ,,hitzig und emsig und oft gebetet".
Das entspricht ihrer gesamten entschiedenen Natur, wie sie sich sp?ter ausgereift zeigt. Sie war ja gelehrt worden, durch ,,gute Werke", insbesondere durch Klosterwerke, erwerbe man sich himmlische G?ter und geldliches Verm?gen und einen hohen seligen Sitz im Jenseits; also strengte sie alle Kraft und allen Fleiss an, solchen Reichtum zu erwerben und durch geistliche Uebungen sich einen guten Platz im Himmel zu verdienen. Was sie sp?ter als Frau einmal angriff, das erstrebte sie auch mit der ganzen Gewalt und Z?higkeit ihres Willens, und so wird sie es auch im Kloster gehalten haben als Nonne. Zudem pflegen junge Klosterleute, namentlich weibliche, die eifrigsten zu sein in der Uebung der Pflichten, auch wenn sie nichts von Schw?rmerei an sich haben.
Und was hatte nun die junge Nonne f?r hohe Werke und heilige Pflichten zu thun?
Fast das gesamte Leben im Kloster f?llten geistliche Uebungen aus, ihr ganzes Tagewerk war Beten, Singen, Lesen, H?ren erbaulicher Dinge, ,,da", wie es in einer Klosterregel heisst, ,,alle Klausur und geistliche Leute erdacht und gemacht sind, dass sie unserm Herrn und Gott dienen und f?r Tote und Lebende und alle Gebresthafte Bitten f?llen". Das waren nun ausser dem Messesingen und den privaten Gebeten noch besonders die gemeinsamen 7 Gebetszeiten, die Horen: Matutin, Terz, Sext, Non am Morgen, Vesper und Komplet am Abend mit Psalmen, Martyrologien, Ordensregeln. Auch n?chtliche Gottesdienste wurden begangen: Metten und Vigilien. Und sogar w?hrend des Essens, wo Stillschweigen geboten war, wurde vorgelesen aus einem Erbauungsbuch. Abwechselnd hatte Katharina auch selbst diese Vorlesung zu halten und musste dann nachspeisen.
Welchen Eindruck diese Vorschriften auf ein nat?rlich f?hlendes und religi?ses Gem?t machen mussten, h?ren wir aus einem sp?teren Bericht: ,,Da D. Martinus der Nonnen Statuten las, die gar kalt geschrieben und gemacht waren, seufzte er sehr und sprach: ,,Das hat man m?ssen hochhalten und hat dieweil Gottes Wort vermisset! Sehet nur, was f?r eine Stockmeisterei und Marter der Gewissen im Papsttum gewest ist, da man auf die horas canonicas und Menschensatzungen drang, wie Hugo geschrieben, dass wer nur eine Silbe ausliesse und nicht gar ausbetete, m?sste Rechenschaft daf?r geben am j?ngsten Gericht."
Ob Katharina je ein Amt in dem Konvent bekleidet hat, wissen wir nicht; jedenfalls konnte dies nur ein niederes, etwa das einer ,,Siechenmeisterin" sein. Wahrscheinlich aber war sie noch zu jung, als dass bei so vielen Vorg?ngerinnen an sie die Reihe gekommen w?re.
Kleider aus und Kleider an Ist alles, was die Deutschherrn than.
-- so tr?ge verfloss das Leben der Nonnen nicht. Konnten sie sich doch mit weiblichen Handarbeiten abgeben wie Spinnen von dem Ertrag der grossen Schafherden f?r die wollene Bekleidung, namentlich aber mit Stickereien, wie Altardecken, Messgew?nder, Teppiche, Fahnen u.s.w., in Nimbschen, wohl auch in Pforta f?r die Kirche der dortigen M?nche und vielleicht auch f?r den Bischof von Meissen, unter dem das Kloster stand. So hat jedenfalls auch Schwester Katharina manche kunstvolle Stickerei verfertigt, wenn auch die mancherlei Handarbeiten, welche heutzutage da und dort von Luthers K?the gezeigt werden, wohl alle nicht echt sind.
Eine gewisse Unterhaltung gew?hrte noch die Besichtigung und Instandhaltung der zahllosen Reliquienst?cke, welche in der Nimbscher Kirche aufgespeichert waren, und welche es galt zu schm?cken und in Ordnung zu halten. Es waren da an den 12 Alt?ren in Kreuzen, Monstranzen, Kapseln, Tafeln wohl vierhundert hl. Partikeln. So von Christi Tisch, Kreuz und Krippe, Kleid und Blut und Schweisstuch, vom Stein und Boden, wo Jesus ?ber Jerusalem weinte, im Todesschweiss betete, gegeisselt sass, gekreuzigt ward, gen Himmel fuhr; vom Haar, Hemd, Rock, Grab der hl. Jungfrau; von den Aposteln allerlei Knochen, auch Blut Pauli, vom Haupt und Kleid Johannes' des T?ufers; von vielen Heiligen, bekannten und unbekannten: den 11000 Jungfrauen, der hl. Elisabeth von Th?ringen, der hl. Genoveva, dem hl. Nonnosus, der hl. Libine Z?hne, H?nde, Arme, Knochen, Schleier, Teppiche --, ferner Partikeln von der S?ule Christophs, vom Kreuz des Sch?chers u.a..
Aber auch hier hatten die Seniorinnen, u.a. auch Magdalena von Bora, die Obhut ?ber die hl. Kapseln.
Vor allen diesen Reliquien wurden bestimmte Antiphonien gesungen, was eine gewisse Abwechslung in dem t?glichen Gottesdienst gab.
Eine Abwechslung in dem ewigen Einerlei brachten auch die vielen Festtage, Bittg?nge und Prozessionen im Kreuzgang und auf dem Kirchhof.
Eine grosse Sache war die Visitation des Klosters durch den Abt von Pforta -- freilich auch eine kostspielige: der Abt mit seinen Begleitern musste abgeholt und wieder heimgebracht und unterwegs und im Kloster verk?stigt, auch herk?mmlich mit Erkenntlichkeiten bedacht werden. Bei der Visitation gab's eine Untersuchung aller Missst?nde, ein Verh?r aller einzelnen Schwestern und schliesslich einen oft scharfen Bescheid.
Es kamen auch an den hohen Festtagen und deren Oktaven Wallfahrer ins Kloster, denn dieses hatte von verschiedenen Kirchenf?rsten Abl?sse, wenn auch nur 40t?gige, erlangt f?r Besucher und Wohlth?ter des Klosters, f?r Anh?rung von Predigten und Kniebeugen beim Avel?uten.
Allerdings nahm die Aebtissin, wenn sie einmal ausreiste, eine und die andre Schwester mit; aber freilich an die j?ngern Klosterfrauen kam das wohl schwerlich. Da ging es nach Grimma, ins nahe St?dchen, oder auch ins ferne Torgau, die kurf?rstliche Residenz an der Elbe, wo gerade das grossartige Schloss Hartenfels gebaut wurde. Dort hatte das Kloster mancherlei Besitzungen an Aeckern und Wiesen und musste mit eigenem Geschirr Getreide holen, w?hrend die Stadt verschiedene Gebr?ude Bier selbst bringen musste. Mit diesen Fuhren wurde aber auch manches, was in Torgau verkauft oder gekauft war, hin und zur?ck gebracht. Eingekauft wurde vor allem bei dem Ratsherrn und Sch?ffer Leonhard Koppe, z.B. Tonnen Heringe, Kiepen voll Stockfische, Hechte, F?sser Bier, Aexte. Namentlich geschahen solche Eink?ufe zu Martini, wo ,,Meine gn?dige Frau", die Aebtissin, mit einer w?rdigen Jungfrau die Zinsen einnahm, in der Herberge auch einige Groschen ,,zu vertrinken" gab und bei Koppe einkaufte und die Rechnung pers?nlich bezahlte.
Katharina erlebte auch im Kloster noch die Vorboten des Bauernkriegs. Die Klosterd?rfer hatten zw?lferlei Fronden. Von diesen trotzten die Bauern sich schon vorher vier ab, waren aber auch damit noch nicht zufrieden, so dass der neue Propst sich nach Rat und Hilfe umsehen musste.
Das waren die kleinen und kleinlichen Eindr?cke und Ereignisse, die in das Leben der Nimbscher Jungfrauen und der Katharina von Bora eingreifend, die glatte Oberfl?che ihres beschaulichen Daseins leicht kr?uselten. Das waren die einf?rmigen Besch?ftigungen, mit denen sie die Zeit, die langen Tage, Wochen und Jahre m?hsam hinwegt?uschten. Solche einseitigen Interessen und Anschauungen beherrschten den Gesichtskreis eines jugendlichen Geistes. Wie das Klosterleben die k?rperliche Kraft eines jungen Menschenkindes zur?ckhielt, so musste es auch die aufstrebende Willenskraft erschlaffen. Die Klostermauern beengten nicht nur das ?ussere Gesichtsfeld, sie machten auch das geistige Auge kurzsichtig. Wenn auch die g?hnende Langeweile demjenigen nicht zu Bewusstsein kam, der von nichts anderem wusste, so musste doch der Geist nach Eindr?cken lechzen, so dass das Sprichwort begreiflich wird, welches den Klosterbewohnern die Sehnsucht nach Erlebnissen zuschreibt: ,,Neugierig wie eine Nonne". Und die st?ndige Aufgabe, ,,das Leben in sich abzut?ten", konnte bei einer gesunden Natur erst recht die Frage erwecken, was Leben sei. Wenn bei dem Mann im Kloster der Verstand sich heisshungrig auf die Wissenschaft werfen konnte, so blieb die eigent?mliche Lebenskraft des Weibes, das Gem?t hier unbefriedigt.
Gewiss die allermeisten dieser adligen Fr?ulein hatten es ?usserlich angesehen im Kloster besser, behaglicher, luxuri?ser als daheim im beschr?nkten Haushalt der Eltern oder eines eigenen Gatten; und das Ansehen, das eine gottgeweihte Jungfrau in den Augen des Volkes und besonders der Kirche, und nicht zum wenigsten in dem eigenen Bewusstsein hatte, war viel gr?sser als dasjenige, das eine arme Edelfrau draussen in der Welt finden konnte. Aber der ganze Zwang der Unnatur und die K?nstlichkeit all dieser Verh?ltnisse musste, wenn auch ohne klares Bewusstsein, auf einen wahrhaften und gesunden Geist dr?cken.
Nur das eine Gef?hl konnte die Nonne ?ber alle Zweifel, alle Entsagung, alle Pein, alle Langeweile des Klosterlebens hin wegheben: das Bewusstsein, ein gottwohlgef?lliges Werk zu thun, sich ein besonderes Verdienst vor Gott zu erwerben, sich die zeitliche Heiligkeit und die ewige Seligkeit zu versichern. Aber wie dann, wenn diese Grundbedingung alles Nonnentums, dieser Grundpfeiler alles Klosterlebens ersch?ttert und untergraben wurde, ja sich selbst als morsch und faul erwies? Dann musste das ganze Geb?u zusammenst?rzen, dann musste eine gegen sich aufrichtige und willensstarke Natur die Konsequenzen ziehen und ein Leben verwerfen und verlassen, das als heiliger und seliger Beruf erschienen war und bisher den ganzen Menschen erf?llt hatte.
Und dieser Fall trat bei Katharina ein. Aber freilich ihr verst?ndiger, n?chterner Sinn wird sie auch davor bewahrt haben, in krankhafter Schwermut sich ungl?ckselig zu beklagen oder sich hinauszusehnen in eine verschlossene Welt.
Es musste ihr erst die M?glichkeit sich ?ffnen, den Klostermauern zu entrinnen, und das pflichtm?ssige Recht, es zu d?rfen; dann aber erwachte auch ihre ganze Thatkraft und mit aller Macht des Willens und Verstandes setzte sie auch durch, was erreichbar und recht war.
Die Flucht aus dem Kloster
Kaum ein Jahr hatte Schwester Katharina das Nonnengel?bde abgelegt, da schlug der Augustinerm?nch Martin Luther in Wittenberg die 95 S?tze wider den Ablass an. Nach einem Jahr stellte er sich dem Gesandten des Papstes in Augsburg zur Verantwortung. Wieder ein Jahr sp?ter war die grosse Redeschlacht mit Eck zu Leipzig. Am Ende des folgenden Jahres verbrannte Luther die Bannbulle und im Fr?hjahr 1521 stand er vor Kaiser und Reich in Worms.
Diese die Kirche und die ganze christliche Welt aufregenden Ereignisse drangen auch in die Kl?ster und erregten auch dort die Geister; dies um so mehr, weil der Urheber all dieser gewaltigen K?mpfe selbst ein Klosterbruder war, und zwar ein Augustiner, der dem Orden der alten Benediktiner verwandt war und darum als Vork?mpfer dieses wider die gegnerischen Genossenschaften der ketzerrichterischen Dominikaner angesehen und schon darum mit einer gewissen Sympathie betrachtet wurde.
Aber noch tiefer in das Leben und die Gedankenwelt der Klosterbewohner schnitten die Schriften ein, welche der Wittenberger M?nch und Doktor in diesen grossen Jahren schrieb. Schon die Disputation von ,,Kraft und Wert des Ablasses" ?ber die 95 Thesen ging die Nonnen in Nimbschen besonders an; denn auf ,,Kraft und Wert des Ablasses" ruhte ja ein sehr grosser Teil ihres geistlichen Verm?gens: der Gottesdienst an jedem Festtag, ja das Kniebeugen beim Avel?uten brachte jedesmal vierzig Tage Ablass ein. Aber noch n?her sollten ihre Person und ihren besonderen Beruf weitere Schriften ber?hren.
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