bell notificationshomepageloginedit profileclubsdmBox

Read Ebook: Die Frauenfrage: ihre geschichtliche Entwicklung und wirtschaftliche Seite by Braun Lily

More about this book

Font size:

Background color:

Text color:

Add to tbrJar First Page Next Page

Ebook has 1724 lines and 219312 words, and 35 pages

Die Frauenfrage

ihre geschichtliche Entwicklung und wirtschaftliche Seite

Von Lily Braun

Leipzig

Verlag von S. Hirzel

Meinem Mann und meinem Sohn.

Vorwort.

Auf Grund vielj?hriger Arbeit habe ich den Versuch unternommen, die Frauenfrage in ihrem ganzen Umfang einer Darstellung zu unterziehen. Meinen Ausgangspunkt bezeichnet das f?r ihr Verst?ndnis entscheidende Moment der wirtschaftlichen Lage der Frau. Von welcher Seite man auch das weitverzweigte Problem betrachte, die realen Existenzbedingungen des weiblichen Geschlechts innerhalb der Gesellschaft bilden f?r die Vergangenheit wie f?r die Gegenwart den orientierenden Ariadnefaden, ohne den das Urteil fehl gehen muss. Nur indem man die ?konomischen Thatsachen nach der ihnen zukommenden Bedeutung wertet, erschliesst sich der Zusammenhang der Frauenfrage mit der sozialen Frage, deren integrierender Bestandteil sie ist.

Mein Buch giebt zun?chst eine gedr?ngte Geschichte der Entwicklung der Frauenfrage und der Frauenbewegung von den ?ltesten Zeiten bis zum 19. Jahrhundert. In eingehender Darstellung behandelt es sodann die wirtschaftliche Seite der Frauenfrage, schildert die ?konomische Lage der Frau in den wichtigsten Kulturl?ndern, bespricht die sozialpolitische Gesetzgebung, kritisiert sie, stellt die Grenzen ihres Einflusses fest und wirft einen Ausblick auf die Bedingungen, unter denen eine organische L?sung der Frauenfrage m?glich ist.

Dem vorliegenden Band, der ein in sich abgeschlossenes Ganzes bildet, wird ein zweiter folgen, der die zivilrechtliche und ?ffentlichrechtliche Stellung der Frau, die psychologische und ethische Seite der Frauenfrage zum Gegenstand hat.

Wie weit mir die Aufgabe gelungen ist, steht dahin, und wird sachkundige Kritik entscheiden. Eines aber darf ich geltend machen: dass die Darstellung auf einem umfassenden Studium der Litteratur, insbesondere auch, soweit es sich um die Ermittelung der thats?chlichen Zust?nde handelt, auf der Benutzung der amtlichen Statistiken, staatlichen wie privaten Enqueten, kurz so weit als m?glich auf quellenm?ssigen Untersuchungen beruht.

Lily Braun.

Inhalt.

Vorwort

ERSTER ABSCHNITT.

Die Periode des Mutterrechts.--Die Blutgemeinschaftsfamilie und die Schw?gerschaftsverb?nde.--Die Entwicklung zur Monogamie.--Die Gesetzgebung in Bezug auf die Frauen.--Platos und Aristoteles' Stellung zur Frauenfrage.--Die Frauenfrage im r?mischen Reich.--Die Stellung der Frauen bei den Germanen.

Christus und die Frauen.--Das kanonische Recht.--Die r?misch-katholische Kirche in Bezug auf die Frauenfrage.--Die Nonnenkl?ster und ihre Bildung.--Die Folgen der Reformation f?r das weibliche Geschlecht.

Die h?rigen Frauen in Burgen und Kl?stern.--Die Prostitution im Mittelalter.--Das z?nftige Handwerk und seine Stellung zur Frauenarbeit.--Weibliche Genossenschaften und Beginenkonvente.--Der Ausschluss der Frauen aus den Z?nften.--Die Anf?nge der industriellen Entwicklung.

Frauenbildung in der italienischen Renaissance.--Die ber?hmten Frauen Spaniens.--Christine de Pisan und die Bildung der Frauen Frankreichs.--Der erste deutsche Vork?mpfer der Frauenbewegung.--Die gelehrten Frauen und ihre Neigung zur Mystik.--Die Erziehungspl?ne Mary Astells.--Die "gelehrten Frauenzimmer" des 18. Jahrhunderts.--Die franz?sische Salondame.--Rousseaus Einfluss auf die Frauen.

Die franz?sischen Frauen in Philosophie und Politik.--Die Vork?mpferinnen der Frauenemanzipation in Amerika.--Talleyrand und das Recht der Frauen auf Bildung.--Die franz?sischen Arbeiterinnen und ihre Forderungen.--Die Frauenvereine w?hrend der Revolution.--Olympe de Gouges.--Aufl?sung der Frauenvereine durch den Konvent.--Condorcets Verteidigung der Frauenrechte.--Mary Wollstonecraft.--Hippels "b?rgerliche Verbesserung der Weiber".

ZWEITER ABSCHNITT.

Die wirtschaftliche Seite der Frauenfrage.

Anf?nge einer Erziehungsreform unter dem Gesichtspunkt beruflicher Arbeit: F?nelons Reform der M?dchenerziehung.--Basedow und Karoline Rudolphi ?ber die Erziehung der T?chter.--Die Erziehungsreform in England und Amerika.--Der Einfluss der Klassiker auf deutsche Frauenbildung.--Das Eindringen der Frauen in b?rgerliche Berufssph?ren: in Amerika,--in England,--in Frankreich,--in Deutschland.--Die Anf?nge der deutschen Frauenbewegung.--Die Bestrebungen f?r Frauenbildung und Frauenarbeit in neuester Zeit: in den Vereinigten Staaten,--in England,--in Frankreich,--in Russland,--in Schweden,--in D?nemark,--in Holland und Belgien,--in der Schweiz,--in Italien,--in Spanien und Portugal,--in Oesterreich,--in Deutschland.

Das numerische Uebergewicht des weiblichen Geschlechts ?ber das m?nnliche.--Das Verh?ltnis der Knaben- und M?dchengeburten in b?rgerlichen und proletarischen Familien.--Die Verheiratbarkeit nach den Altersstufen.--Statistik der verheirateten und der ledigen Frauen--Der Knaben?berschuss bei der Geburt.--Die gr?ssere Sterblichkeit der M?nner.--Der R?ckgang der Heiratsziffern und seine Ursachen.--Statistik der erwerbsth?tigen Frauen.--Statistik der Frauenarbeit in b?rgerlichen Berufen.--Die verheirateten Frauen in b?rgerlichen Berufen.--Die wirtschaftliche Lage der Lehrerinnen.--Die L?hne der Handelsangestellten.--Die B?hnenk?nstlerinnen und die weiblichen Journalisten.

Der Unterschied der Geschlechter in Bezug auf die K?rperkr?fte.--Das weibliche Gehirn.--Der Einfluss der Geschlechtsfunktionen auf die Berufsth?tigkeit.--Mutterschaft und Frauenarbeit.--Die Zerst?rung der Weiblichkeit durch die Berufsth?tigkeit.--Der Unterschied der Geschlechter in Bezug auf die geistige Bef?higung.--Das weibliche Genie und seine Zukunft.

Die technische Revolution im Anfang des 19. Jahrhunderts.--Die Zunahme der Frauenarbeit infolge der Einf?hrung der Maschinen.--Der Kampf der Arbeiter gegen die Maschine.--Der Kampf der M?nner gegen die Frauenarbeit.--Die Entwicklung der modernen Hausindustrie.--Frauenl?hne um die Mitte des 19. Jahrhunderts.--Arbeiterwohnungen.--Die sanit?ren Zust?nde in den ersten Fabriken.--Die Lage der Landarbeiterinnen um die Mitte des 19. Jahrhunderts.--Die Entwicklung der Dienstbotenfrage.--Proletarische Frauenarbeit im Handel.

Das numerische Verh?ltnis der proletarischen Frauenarbeit zur b?rgerlichen.--Das Wachstum der proletarischen Arbeit im Verh?ltnis zum Wachstum der Bev?lkerung.--Das numerische Verh?ltnis der m?nnlichen zu den weiblichen Arbeitern.--Die Frauenarbeit nach Berufsabteilungen, ihre Zu- resp. Abnahme.--Das Tempo des Wachstums der Frauenarbeit in der Industrie.--Die proletarische Frauenarbeit in Alleinbetrieben.--Die mithelfenden Familienangeh?rigen.--Die Verteilung der Frauenarbeit in der Industrie je nach den Berufsarten.--Die Statistik der Hausindustrie: in Deutschland,--in Oesterreich,--in Frankreich,--in Belgien--Die Abnahme der h?uslichen Dienstboten.--Die Altersgliederung der Arbeiterinnen.--Der Familienstand der Arbeiterinnen.--Die Zunahme der Arbeit verheirateter Frauen.

Die Arbeiterinnenbewegung ein Bestandteil der Arbeiterbewegung.--Die Nur-Frauengewerkschaften.--Die Trennung der deutschen Arbeiterinnenbewegung von der b?rgerlichen Frauenbewegung.--Die gewerkschaftliche Organisation der Arbeiterinnen: in Deutschland,--in Oesterreich,--in England,--in Frankreich,--in den Vereinigten Staaten. Die Schwierigkeit der Organisation der Frauen und ihre Gr?nde.--Die Mittel zur Besiegung der Organisationsunf?higkeit der Frauen.--Die Teilnahme der Frauen an der genossenschaftlichen Bewegung.--Die Sozialdemokratie und die Arbeiterinnenbewegung.--Die politischen Erfolge der deutschen Arbeiterinnenbewegung.--Die Stellung der Arbeiterinnenbewegung zur b?rgerlichen Frauenbewegung.--Die positiven Aufgaben der Arbeiterinnenbewegung.

Die Wohlth?tigkeitsbestrebungen und die soziale Hilfsarbeit.--Die prinzipielle Ablehnung des Arbeiterinnenschutzes durch die b?rgerliche Frauenbewegung.--Die Sozialreform und ihre Vertretung innerhalb der b?rgerlichen Frauenbewegung.--Die Stellung des Bundes deutscher Frauenvereine zur Arbeiterinnenfrage.--Die Haltung der Frauenrechtlerinnen gegen?ber der Dienstbotenfrage.--Die Organisation der Arbeiterinnen durch die b?rgerliche Frauenbewegung.--Die Wirkungen der b?rgerlichen Frauenbewegung in Bezug auf die Arbeiterinnen.

Erster Abschnitt.

Die Entwicklungsgeschichte der Frau nimmt in der allgemeinen Menschheitsgeschichte, wie sie uns von Kindheit an ?berliefert wird, einen verschwindend kleinen Raum ein. Es ist vor allem eine Geschichte der Kriege und daher eine der M?nner, die wir unserem Ged?chtnis haben einpr?gen m?ssen. Erst in neuester Zeit scheint sich fast unmerklich ein Umschwung vorzubereiten. Neben die politische tritt die Kulturgeschichte, neben die Thaten und Abenteuer der F?rsten und Helden des Schwertes tritt das Leben und Leiden des Volks und seiner geistigen F?hrer. Der nat?rliche menschliche Egoismus hatte der Geschichtschreibung einen Klassencharakter verliehen. Die Herrschenden und Gebildeten sahen ?ber ihren Kreis nicht hinaus; wie man in den Feldzugsberichten nur von dem Heerf?hrer als dem Sieger spricht, ihm allein Lorbeeren weiht und Denkm?ler baut, und die Tausende, die eigentlich die Schlachten schlugen, wenig beachtet, so wurde auch das Volk, der Tr?ger der Menschheitsgeschichte, ?ber denjenigen fast vergessen, die, beg?nstigt von Gl?ck oder von der Begabung, weithin sichtbar aus der Masse hervorragten. Die fortschreitende ?konomische Entwicklung befreite diese Masse mehr und mehr aus ihrem Sklavenverh?ltnis, und w?hrend auf der einen Seite die Unterschiede zwischen Reichtum und Armut sich versch?rften, wurde andrerseits eine gewisse Gleichheit der Bildung und Aufkl?rung bef?rdert. Mit der Sklaverei und der Leibeigenschaft verschwand der Absolutismus: das zum Selbstbewusstsein erwachte Volk erhob Anspruch auf das Recht, bei der Bestimmung ?ber sein Wohl und Wehe mitzusprechen, und gedieh zu einem Machtfaktor, mit dem gerechnet werden muss. Als es anfing, sich bemerkbar zu machen, wurde es von der Wissenschaft gleichsam erst entdeckt, man begann, sein Leben, F?hlen und Denken in Vergangenheit und Gegenwart zu erforschen, und er?ffnete damit ein Gebiet, das einen fast unersch?pflichen Reichtum neuer Erkenntnis in sich birgt.

Einen ?hnlichen Werdegang wie das Volk hat auch die Frau durchmessen. Sie steht jetzt in allen Kulturl?ndern auf dem Punkt, sich ihre wirtschaftliche, rechtliche und sittliche Gleichberechtigung zu erk?mpfen. Nur f?r denjenigen, der die Entwicklungsgeschichte kennt, der weiss, welch langen, m?hevollen Weg sie bis zu diesem Punkt zur?cklegen musste, wird die grosse, weit ?ber ihr Geschlecht hinausreichende Bedeutung dieses Emanzipationskampfes klar. Aus der Tiefe des weiblichen Wesens und seiner Geschichte ist die Frauenfrage herausgewachsen, und sie muss bis in ihre Wurzeln hinein verfolgt werden, um die ganze Schwierigkeit der in ihr enthaltenen Probleme zu erkennen und die richtigen Mittel zu ihrer L?sung zu finden.

Die Entwicklungsgeschichte des weiblichen Geschlechts stellt sich, soweit wir auf historischem Boden stehen, als eine lange, im Dunkeln sich abspielende Leidensgeschichte dar. Aber auch wenn wir diesen Boden verlassen und uns auf Grund gelehrter Forschungen ein Bild des Lebens der Frau in grauer Vorzeit zu machen versuchen, finden wir sie immer in einem Zustand der Enge und Begrenztheit des pers?nlichen Daseins. Er war zun?chst durch die Natur ihres Geschlechts selbst begr?ndet. Die Mutterschaft beschr?nkte ihre Bewegungsfreiheit und machte sie schutzbed?rftig, obgleich--was wir berechtigt sind anzunehmen--die Geschlechtsfunktionen weit weniger als heute mit pathologischen Erscheinungen sich verbanden. Das kleine Kind jedoch bedurfte infolge seiner v?lligen Unselbst?ndigkeit der m?tterlichen F?rsorge und w?hrend der Mann--in welcher Periode der Menschheitsentwicklung immer--ungehindert durch Geschlechtsbeschr?nkungen seinen Trieben folgen konnte, erschien es als das erste, dem Menschen zum Bewusstsein kommende Naturgesetz, dass die Mutter an das Kind gefesselt war. Es machte die Frau im Vergleich, zum Mann von vornherein unfrei; es lud ihr Lasten und Leiden auf, die niemand ihr abnehmen konnte. Es trug aber auch den Keim der Entwicklung aller Zivilisation und aller Sittlichkeit in sich.

Die Mutterliebe, jenes urspr?nglichste Gef?hl, war die erste Erhellung moralischer Finsternis. Durch die Mutterliebe ging vom Weibe jede Erhebung der Gesittung aus. Denn nicht der Bund zwischen Mann und Weib war, wie uns viele glauben machen wollen, die erste, unumst?ssliche Vereinigung, sondern der Bund zwischen Mutter und Kind.

Die Entstehung des neuen Lebens aus dem Weibe war zugleich das erste Mysterium, das sich dem Menschen offenbarte. In den Mythologieen vieler V?lker finden wir daher die Spuren g?ttlicher Verehrung des weiblichen Prinzips in der Natur: In der G?ttin Isis beteten die Aegypter die fruchtbare Erde an. Neith, deren geheimnisvoller Tempel in Sais stand, war die Personifikation der m?tterlichen, geb?renden Kraft. Von der Urmutter Themis erf?hrt Zeus das nur ihr bekannte Geheimnis des Alls. Ueber Odin, den G?ttervater und alle G?tter der Germanen stehen. Die Schicksalsg?ttinnen, die Nornen. Gunnl?d, ein Weib, verwahrt den Trank der h?chsten Weisheit; durch sie erst wird er Odin zu teil.

Aber die Bedeutung des Weibes als Mutter, die Urgemeinschaft zwischen Mutter und Kind liegt nicht nur der primitiven Religion, sondern auch dem primitiven Recht zu Grunde. F?r das nat?rliche, durch keinerlei Kl?geleien beirrte Rechtsbewusstsein war das Kind Eigentum der Mutter, die es unter ihrem Herzen trug, an ihrer Brust ern?hrte, seine ersten Schritte leitete, ihm Obdach und Nahrung gab. Es ist daher nicht zu verwundern, dass sich ?bereinstimmend bei zahlreichen V?lkern eine Periode des geltenden Mutterrechts nachweisen l?sst.

Vielfach ist diese Bezeichnung so verstanden worden, als ob sie mit Weiberherrschaft identisch w?re, und es giebt sogar Vork?mpfer der Frauenbewegung, die in der Gyn?kokratie das goldene Zeitalter der Freiheit und Gleichheit des weiblichen Geschlechtes preisen, das verlorene Paradies, das wieder gefunden werden muss. Wer dagegen die Forschungen Morgans, Bachofens und anderer n?chtern pr?ft, vor dessen Augen erscheint die Zeit des Mutterrechts ohne jede poetische Verkl?rung als ein Zustand primitivster Kultur f?r Mann und Weib, und er findet keinerlei Zeichen daf?r, dass das Weib eine "Oberherrschaft" nach unseren Begriffen ausge?bt hat.

Versuchen wir es, uns ein Bild jenes Zustandes zu machen. Nach jahrtausendelanger Entwicklung hat sich der Mensch aus dem Tierreich losgel?st; er ist aus den Baumwipfeln, wo er sich zum Schutz vor den wilden und st?rkeren Tieren vermutlich aufgehalten hat, zur Erde herabgestiegen und hat den ersten Triumph seines entwickelten Geistes gefeiert, indem er nicht nur den Stein gegen die Bedroher seines Lebens schleudern lernte, sondern ihn durch Bearbeitung zur Waffe gestaltete. Nun wird der Verfolgte zum Verfolger. Wohl kann das Weib, wie er, jagen und k?mpfen, giebt es doch noch heute wilde V?lkerschaften, in denen die Geschlechter einander an Kraft nicht nachstehen, aber sobald sie Kinder gezeugt hat, ist sie an sie gebunden. Dadurch entsteht zugleich die erste Arbeitsteilung; die Frau baut das sch?tzende Dach f?r sich und ihren hilflosen S?ugling; in die Felle der Tiere, die der Mann erlegt, h?llt sie instinktiv das kleine frierende Gesch?pf und gewinnt dadurch die Anregung, schliesslich auch f?r sich ein deckendes und w?rmendes Kleidungsst?ck zu schaffen. Sie muss, wenn die Nahrungsquelle in ihrer Brust versiegt, den Hunger ihrer Kinder auf andere Weise stillen, und so lernt sie die Mahlzeit zubereiten, indem sie nicht nur das Fleisch des Wildes, der Fische und V?gel dazu verwendet, das ihr der Mann von seinen Jagdz?gen bringt, sie benutzt auch die Knollen, K?rner und Fr?chte, die sie selbst findet, und gewinnt schliesslich die Fertigkeit, sie f?r den Gebrauch anzupflanzen.

Die Frau wurde immer sesshafter und der Mann, dessen Leben sich zwischen Kampf und Jagd abspielte, sah ihre H?tte bald als den Zufluchtsort an, wo er nicht nur zu fl?chtiger Ruhe einkehrte und Obdach, Nahrung und Kleidung fand, sondern wo er auch seine Beute verwahren konnte. Noch anziehender wurde die H?tte f?r den Mann und noch wichtiger die Gebundenheit der Frau, als die Menschheit das Feuer kennen und sch?tzen lernte. Wahrscheinlich ist es ihr durch die Z?ndkraft des Blitzes bekannt geworden, und es wurde wie ein Heiligtum--ein echtes Geschenk des Himmels--geh?tet, weil die Fertigkeit, es selbst hervorzurufen, erst in weit sp?terer Zeit erworben wurde. Die nat?rliche H?terin und Bewahrerin des Feuers war die Frau. Und so war es nicht der dem Urmenschen so h?ufig angedichtete Familiensinn oder die Liebe zu Weib und Kind--Gef?hle, die nur die Produkte einer h?heren Kultur sein k?nnen--, welche ihn an den h?uslichen Herd immer wieder zur?ckzogen, sondern lediglich die rohen, physischen Bed?rfnisse.

Von einer Ehe in unserem Sinn war nat?rlich keine Rede; dem regellosen Geschlechtsverkehr folgte die sogenannte Blutgemeinschaftsfamilie, in der die einzelnen Generationen sich nicht mehr miteinander vermischten. Bei der geringen numerischen Ausdehnung, die die Menschheit urspr?nglich gehabt haben muss, ist zur Befriedigung des Geschlechtstriebs die Vermischung von Blutsverwandten selbstverst?ndlich. Ebenso selbstverst?ndlich ist es aber auch, dass diese Form der Familie nicht auf irgend welchen Vorschriften beruhte, sondern sich vielmehr von selbst aufl?ste, sobald sie durch ihre Gr?sse im Bereich des m?tterlichen Herdes weder Raum noch ausreichende Nahrung fand. Die Aufgabe der Blutgemeinschaftsfamilie und die Entstehung der Schw?gerschaftsverb?nde ist nicht auf eine h?here sittliche Erkenntnis zur?ckzuf?hren, sondern auf die uralten Triebkr?fte der Natur; Hunger und Liebe. Daraus entstand die Sitte und aus der Sitte die Moral einer jeden Zeit.

Auch die neue Familienform kannte die Ehe nicht. Der Mann des einen Stammes, der sich mit der Frau des anderen verband, heiratete sozusagen alle ihre Schwestern mit; der Begriff der Keuschheit und der ehelichen Treue war beiden Geschlechtern fremd. Infolgedessen wurde ein v?terliches Recht an den Kindern nicht geltend gemacht, sie geh?rten ausschliesslich der Mutter, die sie geboren hatte, und deren Stamm. Der Mann f?hrte das Weib nicht wie ein pers?nliches Eigentum in sein Haus, sondern er kam in das ihre. Wie wir gesehen haben, ist dieser Rechtszustand, der zur Zeit der Blutgemeinschafts- wie der Punaluafamilie der herrschende war, nicht auf eine hohe moralische Wertsch?tzung der Frau zur?ckzuf?hren, sondern auf die urspr?ngliche Differenz der Geschlechter und auf wirtschaftliche Ursachen, er hatte auch keine Machtstellung der Frau zur Folge, sondern er legte vielmehr den Grund zu der feststehenden Meinung, dass das Arbeitsgebiet der Frau allein auf das Haus zu beschr?nken sei.

Mit der Ausbildung des Handwerks in seinen verschiedenen Zweigen, mit der Zunahme der Bebauung des Bodens--lauter Arbeitsarten, die im Bereiche des urspr?nglichen Hauswesens lagen und daher haupts?chlich der Frau zufielen--, wurde die Frau dem Manne immer unentbehrlicher. Er selbst war, je dichter sich die Erde bev?lkerte, immer mehr in K?mpfen mit den Nachbarn oder mit den Volksst?mmen, durch deren Land er als Nomade zog, verwickelt. Zun?chst waren es nur K?mpfe um die t?gliche Nahrung, um die Jagdgr?nde; als er es aber verstand, die Tiere nicht nur zu erlegen, sondern zu z?hmen und zu z?chten, da k?mpfte er f?r den Schutz und um die Vergr?sserung seines Besitzes. In fr?heren Perioden, wo er nichts besass, als was er t?glich gebrauchte, hatte er den gefangenen Feind entweder get?tet, oder als Gleichen und Freien in seine Blutsfreundschaft aufgenommen, jetzt, wo er mehr besass, als er gebrauchte, bedurfte er der Arbeitskr?fte in seinem Dienst, daher machte er den Feind zu seinem Untergebenen. So entwickelte sich im unmittelbaren Gefolge der Entstehung des Privateigentums die Sklaverei. Aber ehe noch der erste Sklave sich unter der Knute des Herrn beugen musste, war das Weib, die Mutter seiner Kinder, zur ersten Sklavin geworden.

Die Frau war, wie wir gesehen haben, infolge der angedeuteten Verh?ltnisse, von jeher die geschickteste Arbeiterin gewesen. Durch sie erst wurde aus dem, was der Mann erjagte oder erk?mpfte, ein Gebrauchsgegenstand. Je mehr sich nun der Besitz vergr?sserte, desto wichtiger wurde ihre Arbeitskraft; sie war auf den Stufen primitivster Kultur auch eine erwerbende gewesen, verwandelte sich aber mit den steigenden Bed?rfnissen immer mehr zu einer nur erhaltenden und umwandelnden. Der Mann wurde zum Erwerber. Die H?tte, die das Weib einst zusammenf?gte, war nichts als ein Obdach, das alle im Notfall benutzen konnten, das Haus, das aus Steinen geschichtet oder aus behauenen Bl?cken aufgerichtet wurde und Waffen, Vorr?te, Erz und Felle barg, war ein wertvoller Besitz. Das Wild, das der Mann fr?her t?glich erlegte, war nichts als ein Mittel, den Hunger zu stillen; die Herden, die jetzt auf seinem Boden weideten, repr?sentierten ein Kapital, das durch M?nnerf?uste gegen den Nachbarn gesch?tzt werden musste. Und die Kinder, die fr?her das unbestrittene Eigentum der Mutter waren, wurden zu wertvollen Arbeitskr?ften und Kampfgenossen f?r den Vater. Es kam aber noch ein sehr wichtiger Umstand hinzu. Der Besitz hatte n?chst der Habsucht jenen Egoismus gezeitigt, der ?ber den Tod hinaus reicht und dem Fremden das Erworbene auch dann nicht zufallen lassen will: der Besitzende w?nschte rechtm?ssige Erben f?r seinen Besitz.

Das Mutterrecht musste dem Rechte des Vaters weichen. Als Arbeiterin und als Mutter rechtm?ssiger Kinder hatte das Weib einen Wert bekommen, der sich dadurch ausdr?ckte, dass sie vielfach gekauft, d.h. gegen Vieh, Waffen oder Erz eingetauscht wurde. Man beraubte sie jeglicher Freiheit, die grausamsten Strafen standen auf ihrer Untreue, denn ihr Gebieter musste sich die m?glichste Sicherheit verschaffen, dass sie ihm legitime Erben gebar.

Der f?r die Entwicklung der Menschheit so bedeutungsvolle Fortschritt zur Einzelehe war daher f?r die Frau zun?chst nichts als eine Station auf ihrem Kreuzesweg. Denn die monogame Familie entstand nicht infolge der Erkenntnis ihres h?heren sittlichen Werts, sondern auf Grund ?konomischer R?cksichten. Die Monogamie bestand nur f?r die Frau, wie die Tugend der Gattentreue auch nur von der Frau gefordert wurde.

Sich, wie es h?ufig geschieht, ?ber diese einseitige Monogamie und ?ber die nur dem Weibe auferlegte Verpflichtung der Treue sittlich zu entr?sten, hiesse ihren Ursprung verkennen, der nicht in der Niedertracht des m?nnlichen Geschlechtes, sondern in den wirtschaftlichen Verh?ltnissen zu suchen ist.

Recht und Sitte, die auf ihrem Boden erwuchsen, wurden von Religion und Gesetz sanktioniert. Da besonders im Orient alles Recht, von der Manava an bis zum Koran, als g?ttliches Gesetz betrachtet wurde und auf religi?ser Basis ruhte, so war das Sklavenverh?ltnis des Weibes hier das festeste und ?berdauerte alle Zeiten. Alle Vorschriften, die sich mit ihr, ihren Pflichten und Rechten besch?ftigen, lassen sich dahin zusammenfassen, dass sie nur als Mutter legitimer Kinder, vor allem der S?hne, eine Existenzberechtigung hat. Das Interesse des Vaters an rechtm?ssigen Leibeserben, das in der patriarchalischen Familie seinen st?rksten Ausdruck fand, erweiterte sich bald zum Interesse des Staates an einer gen?genden Zahl kampff?higer M?nner. Die Heirat war eine Pflicht gegen?ber dem Staat, daher wurden z.B. in China in jedem Fr?hjahr die unverheirateten M?nner von 30 und Frauen von 20 Jahren einer harten Bestrafung unterworfen, und es bestanden genaue gesetzliche Vorschriften ?ber die ehelichen Pflichten zum Zweck der Kindererzeugung. Bei den Indern konnte eine unfruchtbare Frau im achten Jahre der Ehe mit einer anderen vertauscht werden, eine, deren Kinder gestorben waren, im zehnten, eine, die nur T?chter geboren hatte, im elften Jahre. Der Israelit hatte die Pflicht, eine unfruchtbare Frau zu verstossen oder mit ihrer Magd Kinder zu zeugen, die unter Beistand der rechtm?ssigen Gattin zur Welt kamen und dadurch als legitime Erben anerkannt wurden. So sagte Sarah, die kinderlose, zu Abraham: "Lege dich zu meiner Magd, ob ich doch vielleicht aus ihr mich bauen m?ge." Und obwohl bei allen V?lkern des Orients die Untreue der Frau mit dem Tode bestraft werden konnte, wurde sie zu einer religi?sen Pflicht, sobald die Frau kinderlos blieb. Sie musste sich in Indien einem Mitglied der Familie des Mannes unter religi?sen Ceremonien vor den Augen ihrer Angeh?rigen hingeben; sie fiel in Israel, wenn ihr Gatte starb, ehe sie ihm Kinder geboren hatte, seinem ?ltesten Bruder zu, damit er dem Verstorbenen noch Nachkommen zeuge. Sie war des Mannes unbeschr?nktes Eigentum und stand auch insofern auf derselben Stufe mit den Sklaven, als es ihr verboten war, eigenes Verm?gen zu besitzen. Die heiligen Gesetze Indiens erkl?ren ausdr?cklich, dass alles, was eine Frau oder ein Sklave etwa erwirbt, selbst?ndiges Eigentum des Herrn ist, "dem sie geh?ren". Von Geburt an bis zum Tode sind die Frauen vollst?ndig unfrei; als M?dchen sind sie von ihrem Vater, als Frauen von ihrem Gatten, als Witwen von ihren S?hnen oder Blutsverwandten abh?ngig.

Aus alledem geht hervor, dass die Frauen im Orient nur ein Werkzeug zur Fortpflanzung des Geschlechtes waren. Ausserhalb ihres einzigen Berufes, dem der Mutterschaft, hatten sie keinerlei Wert und Bedeutung, ja sie wurden so ausschliesslich als Werkzeug, als Mittel zum Zweck betrachtet, dass von jener ehrf?rchtigen Verehrung, welche die in den Phantasiegestalten zahlreicher G?ttinnen personifizierte Mutterschaft unter den V?lkern des Abendlandes genoss, im Orient, mit Ausnahme von Aegypten, nichts zu finden ist. Auch als Mutter wurde hier das Weib verachtet und zwar um so mehr, wenn sie statt des einzig erw?nschten Sohnes eine Tochter gebar. Die J?din, die einen Knaben zur Welt brachte, blieb sieben Tage unrein; war ihr Kind ein M?dchen, so blieb sie es vierzehn Tage. Sie mochte von noch so hoher Abkunft und die Mutter eines bl?henden Geschlechtes sein, sie blieb immer ein unheiliges, von Staat und Religion nur als ein notwendiges Uebel gekennzeichnetes Gesch?pf. Dieser Auffassung entsprach auch der Mythus von der Stammmutter Eva, von der alle S?nde und alles Ungl?ck der Menschheit ausging. Das Weib, sagte Manu, ist niedertr?chtig wie die Falschheit selbst, es muss wie Kinder und Geisteskranke mit der Peitsche oder dem Strick gez?chtigt werden. Nur der Mann hat, nach dem Glauben der Chinesen, eine unsterbliche Seele; Brahma verbietet dem Weibe, die Veda, das heilige Buch der Inder, zu lesen; der Koran lehrt, dass die Pforten des Paradieses den Frauen ewig verschlossen bleiben; mit den Kindern und Sklaven stehen die Hebr?erinnen auf einer Stufe, wenn auch ihnen die Ber?hrung des Gesetzes nicht gestattet ist. Der Talmud sch?tzt die Ehre der Frau nach ihrem Verm?gen, denn nur dann gilt sie als rechtm?ssige Gattin, ihre Kinder als legitime Erben, wenn sie eine Mitgift in die Ehe bringt, andernfalls ist ihre Verbindung mit dem Mann nur ein Konkubinat.

Die Kulturentwicklung der alten orientalischen V?lker stand schon weit genug im Banne des Begriffs vom "heiligen" Eigentum, um das Verbrechen, arm zu sein, durch Schande zu strafen. Gross war daher die Zahl der armen Weiber, die mit ihrer Arbeitskraft ihren Leib verkaufen mussten. So hart aber auch das Los der als M?gde und Sklavinnen in strengem Dienstverh?ltnis zu ihrem Herrn stehenden Frauen war, ein merkbarer Unterschied zwischen dem der beg?terten und der rechtm?ssigen Gattinnen war nicht vorhanden; das weibliche Geschlecht als Ganzes stand gleichm?ssig tief.

Gegen?ber den Orientalen sind wir gewohnt, die Griechen f?r die Repr?sentanten einer bedeutend h?heren Kultur zu halten. Nehmen wir jedoch die Stellung der Frau zum Massstab f?r unser Urteil, so muss es ganz anders lauten, denn sie weist neben kaum bemerkbaren Fortschritten sogar erhebliche R?ckschritte auf.

Die Familie war im Orient ein Staat f?r sich gewesen, der Vater der Patriarch, der K?nig darin. Sie wurde in Griechenland fast bedeutungslos, denn der Staat ?bernahm viele ihrer wichtigsten Funktionen; der Familienvater war nicht mehr Herrscher, sondern Unterthan, seine B?rgerpflichten entrissen ihn vollkommen seiner H?uslichkeit, sein Leben als Gesetzgeber, Soldat, Advokat, Philosoph und K?nstler spielte sich ausserhalb des Hauses ab, dessen Gesch?fte und Obliegenheiten er ausschliesslich der Gattin und den Sklaven ?berliess. Eines freien Mannes waren sie unw?rdig und wurden um so verachteter, je mehr die Sklaverei zu einem wichtigen Faktor im sozialen Leben sich entwickelte. W?hrend der Orientale, besonders der Israelit, in der Arbeit keine Schande sah und die Z?chtung und H?tung der Herden zu seinen Pflichten geh?rte, w?hrend der Schwerpunkt seines Lebens in seiner Familie, seinem Besitztum lag, und die Frau ihm dadurch, trotz aller Unterdr?ckung, menschlich n?her stand, sank sie in Griechenland vollst?ndig in die Reihen der Sklaven hinab.

Add to tbrJar First Page Next Page

 

Back to top