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Read Ebook: Im grünen Tann by Achleitner Arthur

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Ebook has 963 lines and 57861 words, and 20 pages

Im gr?nen Tann

Schwarzwaldnovellen

von Arthur Achleitner

Berlin

Verein der B?cherfreunde

Schall & Grund

Inhalt

Die Herzogskerze Giftkl?rle Der Pelagier

Die Herzogskerze

?ber den ,,toten B?hl", einen Teil der Hochebene im s?dlichen Schwarzwald Badens, braust der Herbstwind in langen St?ssen; es seufzt der Tann in den niederen Lagen, oben aber auf der kahlen H?he ?chzen die wenigen alten knorrigen Buchen und am einsam ragenden Kruzifix bebt die Holzfigur des Heilandes, nachdem Regen und Wind die Holzn?gel gelockert und die Befestigung m?rbe gemacht haben. ?d und rauh, unwirtlich ist dieser Strich badischen Schwarzwaldlandes, den der Volksmund selbst bezeichnend den ,,toten B?hl" nennt, weil die H?gelreihe wahrhaftig an den Tod der Natur gemahnt, heimgesucht von scharfem Westwind und h?ufigem starken Schneefall, der schon auf die alten Strohd?cher der Waldd?rfer f?llt, wenn dr?ben am glitzernden Rhein, im sonnigen Garten des badischen Unterlandes Wiesen und Matten noch im sp?tsommerlichen Glanze prangen. Einzelne Gemarkungsnamen verraten nur zu deutlich die Selbstkritik der W?ldler ?ber ihre engste, selten verlassene Heimat; hier heisst ein Wiesengrund das ,,elende L?chle", dort eine felsendurchsetzte, von Bergf?hren umwucherte Fl?che das ,,?de Land". Und verschlossen, rauh wie seine Heimat ist auch der Hauensteiner in dieser alten Gemarkung mit seiner z?hen Anh?nglichkeit an die alten Zeiten, an die sagenhaften alten ,,Handfesten und Privilegy" des Grafen Hans, an sie Einung und mittelalterliche Reichsunmittelbarkeit mit ihren schweren K?mpfen gegen Obrigkeit und neues Recht. ,,Hotzen" heissen die Bewohner des Hauensteiner Waldgrundes nach ihrer k?nstlich gef?lteten Pluderhose, die oft zehn bis zw?lf Ellen Tuch beansprucht, wenn die nach Geschmack und Brauch der st?mmigen alemannischen W?ldler sein soll. Der ?ber die unwirtlichen H?hen brausende Wind erz?hlt den W?ldlern manches von goldener Freiheit, die auf den her?berblinkenden Schweizer Bergen herrscht, er singt in kraftvoller Weise von Unabh?ngigkeit, wie sie in den Urkantonen des Nachbarlandes gedeiht; nichts aber dringt herein in den Tannichtschatten und in das Waldesweben von neuer, anderer Zeit, und unber?hrt bleibt der Hauensteiner vom Getriebe einer fremden Welt.

Immer sch?rfer bl?st der Wind aus West; schwarzgrau verhangen ist das Firmament, schon wirbeln einzelne Flocken ?ber den ,,toten B?hl" als Vorboten des fr?hen Winters mit seiner unerbittlich strengen Herrschaft, so er sich einmal eingenistet hat im ?den Waldstrich, der hochgelegenen Heide und in den wuchtigen Steinfeldern. Immer dringlicher r?ttelt der Wind an den m?chtigen moosumwucherten Strohd?chern des einsam im ,,toten B?hl" liegenden D?rfchens Hochsch?r, als will er der Bedachung St?cke entreissen und fort in die L?fte f?hren, den armen W?ldlern zum Trutz. Besonders w?tet die Windsbraut um das einsam seitw?rts dem D?rflein stehende Wirtshaus, dessen vergilbtes Schild kaum noch erkennen l?sst, dass einst die drei K?nige aus dem Morgenland Schutzpatrone f?r zechende Hotzen gewesen sind. Die Hochsch?rer haben denn auch v?llig auf die morgenl?ndischen Wirtshausk?nige vergessen und lieber dem daneben stehenden abgeworbenen Lindenbaum zu Ehren die weltverlassene Rastst?tte zum ,,d?rren Ast" benamset, wo ein S?uerling verabreicht wird, der selbst grimmig verrissene Schuhe wieder zusammen zu ziehen in der Lage ist. Das sturmumtoste Wirtshaus ist geflickt, wo man es nur betrachtet; geflickt durch eingef?gte Strohb?scheln das uralte verwitterte Dach, geflickt die eingedr?ckten Fensterscheiben durch Papierverklebung; die Th?ren zeigen g?hnende L?cher, durch welche der H?henwind wohl luftig pfeift und den Qualm des Herdfeuers vergn?glich durch den Flur jagt bis hinter zum Tenn und durch das wackelige Scheuerthor hinaus auf die ,,Einfahr". Grimmig gr?hlt und r?ttelt der Sturmwind am Hausger?t im ,,Schild", im freien Raum, der noch vom vorgehenden Dach ?berw?lbt ist; doch mag es hier knattern und krachen, ?chzen und poltern, das Get?se lockt weder den Wirt zum ,,d?rren Ast", noch sonst einen Inwohner aus dem Hause hervor, und das Streulaub kann im tollsten Getriebe um das Haus wirbeln, niemand wird den Hausen etwa mit Tannicht biegen oder mit Steinen beschweren, um einer Entf?hrung vorzubeugen. Streitpeterle, der Wirt zum ,,d?rren Ast" hat wichtigere Dinge im Kopf, als sich um solche geringf?gige Sachen zu k?mmern; er hockt drinnen in seiner Stube und br?tet nach ?ber eine Angelegenheit, die sein Sohn ihm heute morgen br?hwarm aus Waldshut hinterbrachte, so eine vertrakte Neuerung, wie sie in letzter Zeit mehrfach die W?ldler ?berraschten und zum sinnieren veranlagten. Mit Amt und um eine Sache ,,uszuprobyre" auch mit dem Hofgericht zu Freiburg zu prozessieren, ist f?r den alten Peter eine Kleinigkeit und ob seiner Prozesslust, die sein Hab und Gut allm?hlich aufgesaugt, hat der ,,d?rre Ast"-Wirt auch den Vulg?rnamen ,,Streitpeterle" wegbekommen, was ihn diesmal stumm und nachdenklich macht ist die Botschaft, dass die Regierung eine Feuerschauordnung verf?gt und angeordnet haben solle, dass durch bestellte Schornsteinfeger die Kamine selbst in den Waldd?rfern und Ein?dh?fen untersucht und gekehrt werden m?ssen. Peterle hatte anfangs seinen flachshaarigen Buben, den zwanzigj?hrigen Jak?ble mit weit ausgerufenen Augen und offenem Mund angestarrt, ohne ein Wort aus dem Schlund zu bringen. F?r ihn war die Neuigkeit so ?berw?ltigend, als wenn Jobbeli etwa gemeldet h?tte, der ,,Salpeterhannes" sei wieder lebendig geworden und habe die Einung zu den Waffen gegen die vorder?sterreichische Regierung gerufen, wiewohl Haus Albiez schon an die achtig Jahre im Grabe ruht.

In einem Schwarzwaldhaus, in einem Einungsgeh?ft die Esse kehren! Und noch dazu bei Peter Gottstein, der sich aufs Protestieren und Prozessieren besser versteht als all' die gelahrten Herren von Freiburg bis Mannheim! Aber es wird nichts daraus! Hat der alte Gaugraf Hans von Hauenstein keinen Rauchfangkehrer gehabt, so kann der Streitpeterle solchen um vier Jahrhunderte sp?ter auch entbehren, zumal auch erst ausprobyret werden muss, ob die Appenzeller und Graub?ndener ihre Kamine fegen lassen oder ob sothane Verf?gung ein uralte Rechte verletzender Eingriff der Regierung sei, welch' letztere den Hotzen nichts zu befehlen habe. Also sinniert Peterle vor sich hin und schiebt von Zeit zu Zeit die schwielige Rechte in sein buschiges Grauhaar, wie wenn er seinen Gedanken oben an der Sch?deldecke Luft machen wollte. Und zeitweilig knurrt er und beisst die Zahnstumpen aufeinander. Dann springt er auf, schreitet auf ein Regal aus Tannenholz zu, in dem sich feins?uberlich geordnet dicke Aktenst?sse befinden und tr?gt nun Fascikel um Fascikel auf den rohgef?gten Tisch, um nachzuschlagen, ob sich darinnen etwas vorfinde, worein man sich zu einem kr?ftigen Protest einh?ngen k?nne. Aber soviel Peter auch bl?ttert in den Schriften, Nummer um Nummer durchnimmt, es findet sich nichts von Schlotfegerei. Gerichtsbeschl?sse, alte Hofentscheide von Grossvaterszeiten her, unangenehme Sachen mit ihren Erinnerungen an die ungl?cklich verlaufenen Salpetererkriege und Prozessakten, kostspielige Schriftst?cke, die Peters sch?nste K?he und ?cker verschlungen und ihn schier arm gemacht haben. Und nach Durchsicht seiner Registratur kommt Peterle folgerichtig in seinem Gedankengang zu dem Schluss: ,,Enthalten seine wohlgeordneten Akten nichts von einer Feuerbeschau und Schlotfegerei, so k?nne sothane Verordnung unm?glich Rechtens sein." Und daher nimmt Peter einen Bogen Kanzleipapier, taucht die verstaubte Feder in die halb eingetrocknete Tinte und kritzelt mit dem knisternden G?nsekiel nieder: ,,Beschluss! Von einer Verpflichtung, meinen Kamin durch ein fremdes Organ fegen zu lassen, findet sich in den Akten seit Grossvaters Zeit her nichts vor, war auch niemals Brauch im Hauensteinschen Land. Daher wird sothaner Neuerung die Zustimmung verweigert und jeder fremde Schlotfeger hinausgeworfen, so er sich heraufwagt. Auch wird ihm Atzung und Trunk in der Gaststube nicht verabreicht. Gegeben am Evaristustage Anno 1805. Peter Gottstein."

Mit vieler M?he hat Peterle diesen ,,Beschluss" zu Papier gebracht und sodann seinen Akten beigegeben. F?rmlich erleichtert erhebt er sich, bringt die Fascikel wieder Nummer f?r Nummer in das Regal und spricht vor sich hin: ,,Und nun soll es Einer probyre, der Peterle wird zu handle wisse bi Gott!"

Im selben Augenblick wird die Th?re ge?ffnet und ein zierlicher M?dchenkopf luegt herein. Es ist des Wirtes Thrinele, die beim Anblick des Vaters und der Akten erschrocken stammelt: ,,Aber ?tti, schon wieder hascht mit den alten Papieren zu schaffen?"

,,Das hat dich nichts zu k?mmern, Thrinele! Auch verstehst du davon nichts! Das ist meine Sache, die ich ausprobyre werde bis zur letzten Instanz!" Thrinele ist v?llig in die Stube getreten und schreitet wie das Bachstelzlein auf den Vater zu, auf dessen Arm sie ihre Rechte legt und schmeichelnd bittet, es m?ge ?tti durch neues Prozessieren nicht sich und alle v?llig ins Ungl?ck bringen. Zugleich sucht das schmucke M?del durch vorsichtiges Fragen herauszukriegen, was denn abermals die Prozesslust des streits?chtigen Vaters geweckt habe. Peter poltert denn auch rasch heraus, dass aus der beh?rdlichen Schlotfegerei nichts werde, so lange er seine Arme r?hren und auf den Beistand der gleichgesinnten B?hler rechnen k?nne.

Thrinele vermag nicht sogleich zu erfassen, worum es sich aufs neue handle und fragt: ,,Schlotfegerei, was soll das bei uns? Das isch in unserer Gegnig nit Brauch gsi!"

,,Der alte Graf Hans wird sich im Grabe umdrehen, wenn er vernehmen k?nnte, was f?r Neuerungen es giebt auf dem Wald! Aber es wird solche bei Gott nicht nicht geben! Noch leben treue Anh?nger der heiligen Salpeterersache, f?r die wir leben und sterben!"

,,Ach ?tti! Lass' doch ab von solcher Sache! Sie hat sich ?berlebt und nur Ungl?ck gebracht in unser Land!"

,,Schweig' Maidli! Eine Sache, f?r die so viele W?ldler das Leben gelassen, M?nner wie Wyberv?lker, ?berlebt sich nicht, sie stirbt nicht, so wenig wie unser alter Glauben! Wir wollen frei bleiben und treu der Kirche, alles andere ist eitel und f?r uns nicht von Rechtens! Und in meinen Rauchfang wird kein Franzose, kein ?sterreicher, wie kein anderer klettern! So wahr der alte Gott lebt und ich Peter Gottstein heisse!"

,,Ist's denn aber auch wahr, dass wirkliche Schlotg?cksler in den Wald kommen sollen?"

,,Frili isch's wahr! Der Jak?ble hat die Kunde mitgebracht von Waldshut und andere Botschaft dazu, dass die W?lderchnabe ohne Ausnahm' Soldate werden m?sse und die Alten neue Steuern, Accise zahle! Gott verdamm' mi, daraus wird nichts, sag' ich!"

,,?tti, ich mein', das Schlotg?ckslen w?r' aber doch noch zu ertragen!"

,,Nein! Das wird nur der Anfang sein und alles andere kommt noch nach!"

,,Wenn das Schlotfegen uns aber nichts kostet, mein ich --"

,,Nichts kosten, haha! Ausziehen werden sie uns und schinden, bis die letzte Ziege aus 'm Haus ist! Das haben unsere Vordern erlebt mit dem Waldpropst wie mit 'm Vogt zu jeglichen Zeiten! Drum schw?r' ich: Eher werd' ich zum Chilchhof getragen, bevor mir ein Fremder in den Schlot steigt! Und die F?si sollen knattern wie zu Hannes Zeiten!"

Erschreckt wirst sich Thrinele an Vaters Brust und sucht ihn zu beruhigen mit dem Hinweis, dass ein Schlotg?cksler doch wahrlich nicht ein Blutvergiessen und sonstiges Unheil wert sei.

Noch poltert der Alte: ,,Der G?cksler frili nit!" da schreit des Wirtes blonder Jak?ble wie besessen zur Th?re herein: ,,Sie kommen!" und prasselt wieder zur?ck und durch den Flur ins sturmdurchtoste Freie.

Augenblicklich st?sst Peter sein Maidli von sich und zetert nach der F?si, um den G?cksler geb?hrend mit einem Schrothagel begr?ssen zu k?nnen. Wie umgewandelt ist Thrinele, verschwunden jegliche Sanftmut, ein entschlossener Zug tritt in ihrem zarten Gesichtchen hervor und scharf fordert sie den ?tti auf, Gewalt zu unterlassen. Doch schon greift der Wirt nach der Flinte, die in einer Ecke h?ngt, immer scharf geladen, da wirst sich Thrinele ihm entgegen, reisst das Gewehr samt dem Nagel herunter, mit zitternder Hand schl?gt sie den Hahn zur?ck, dreht den Lauf dem Fenster zu und dr?ckt blitzschnell ab. Dichter Pulverdampf erf?llt die Stube, klirrend fallen die Scheibenscherben auf das Pflaster vor dem Hause. Verdutzt blickt der Alte auf seine so urpl?tzlich resolut gewordene Tochter und auf das abgeschossene Gewehr. Thrinele stellt wortlos die Waffe in die Ecke und verl?sst die Stube. Dann folgt ihr Peter, unschl?ssig, wie er nun den Feind abwehren soll. Und da ist sie auch schon die G?cksler-Kommission: ein Beamter in Uniform mit langem Schlepps?bel und einer Aktentasche, einen gewaltigen Dreispitz mit Federbusch auf dem Kopf, und neben ihm der Rauchfangkehrer in schwarzer Adjustierung mit Kratzeisen und der Leiter auf der rechten Schulter. Des Alten Sohn Jak?ble beguckt die seltsame Kommission ungef?hr mit der Andacht, mit welcher eine Kuh das neue Scheunenthor beschaut, indes Thrinele vor dem gestrengen Kommiss?r einen Knicks macht und nach seinem Begehr fragt. Z?gernd ist auch der Vater n?hergetreten, der seine F?uste in den Sack gesteckt, um seinen Ingrimm nicht ?usserlich zu schnell erkennen zu lassen. Es funkeln seine Augen ohnehin verr?terisch genug und die zusammengekniffenen Lippen k?nden keineswegs Liebe und Sanftmut.

Mit schnarrender Stimme verk?ndet der Beamte das neue Edikt betr. den Schlotkehrzwang und fordert Unterwerfung und Einlass f?r seinen schwarzen Begleiter im Namen des Grossherzogs von Baden. Sodann fragt der Federbuschtr?ger, sich zum Alten wendend, was der Schuss zu bedeuten hatte. Peter zieht sein Gesicht in h?hnische Grimasse, Thrinele jedoch giebt schnell die Antwort, dass das Gewehr sich zuf?llig entladen und der Schuss keineswegs der anr?ckenden Kommission gegolten habe.

,,So so! Na, ist Euer Gl?ck! K?nftig spritzt aber keinem Beamten Schrot ins Gesicht, so Ihr nicht Bekanntschaft mit Eisenmeister und Galgen machen wollt. -- ?ffnet also und lasst den Kaminfeger ein zur Arbeit! Bei Euch, Peter Gottstein soll im oberen Wald begonnen werden!"

N?hertretend fragt Peter: ,,Warum bei mir zuerst?"

,,Weil Ihr die wichtigste Person am ,,toten B?hl" seid!"

Geschmeichelt steht Peter eine Weile und kratzt sich hinter'm Ohr. Was soll er thun? Dass man ihn mit seinem Einfluss auf die W?ldler respektiert, ihm gewissermassen den Vorrang sogar beim Schlotfegen einr?umt, schmeichelt ihm nicht wenig; aber er ist gewohnt, just das Gegenteil zu thun, was von ihm verlangt wird, und deshalb neigt er eher zu einer Verweigerung hin, es juckt ihn seine Protestleidenschaft. Auch ist sicher anzunehmen, dass die Salpeterer am toten B?hl ?berall den Schwarzen hinauswerfen und das Kaminfegen verweigern, wenn der Peter hierzu das leuchtende Beispiel gegeben haben wird. Und wenn der dicke Federbuschmann mit hinausgeworfen w?rde aus jeglichem Salpetererhofe, m?sste das ein k?stlicher Anblick sein, f?glich aber ein Merks f?r die Freiburger Regierung, dass noch der alte Geist der Freiheit und Unabh?ngigkeit herrsche auf den Schwarzwaldh?hen. Auf gew?hnlichem Wege jedoch die Kommission unverrichteter Dinge vom ,,d?rren Ast" wegzuschieben, d?ucht Petern in seiner F?hrerw?rde zu harmlos, vom Geh?ft des Streitpeterle d?rfen die Kommissionsleute nicht gew?hnlich gehen, sie m?ssen h?pfen, wie besessen rennen und ein Andenken an den ,,d?rren Ast" mitnehmen, das ihnen das Wiederkommen verleidet.

Der Beamte wiederholt die Aufforderung und schwingt dabei die Aktenmappe, um seiner Wichtigkeit gr?sseren Nachdruck zu geben. ?ber Peters Gesicht huscht ein h?hnisches L?cheln, grinsend sagt er: ,,Wenn ich nicht will, kommt Ihr mir nicht ins Haus! Ich will Euch aber einlassen, so Ihr da mit Eurem Federbusch auch mit hinauf in den Schlot steiget!"

Erschrocken prallt der Beamte zur?ck und stottert: ,,Wie? was? Seid Ihr verr?ckt? Ich -- ich -- habe oben nichts zu thun -- das ist des Kaminfegers Sache!"

Auch Thrinele kann das Lachen ?ber die drollige Erscheinung des Federbuschmanns und dessen Schrecken nicht verbeissen und kichert vor sich hin, indessen Jobbeli in Vorahnung eines Spasses die Hausth?re angelweit aufreisst und durch eine linkische Armbewegung zum Eintritt einladet.

Peter besteht darauf, dass der Kommiss?r unter der Esse auf den Vollzug der Kehrordnung warten m?sse, andernfalls lasse er den Schornsteiner nicht ein. Dem Beamten ist es zu thun, den Streitpeterle 'rum zu bekommen, auf dass er bei den ?brigen Waldbauern nicht auf Widerstand st?sst. Vielleicht ist es lediglich eine Marotte des eigensinnigen Hotzen, und Peter ist ja der gr?sste Starrkopf der W?ldler. Auch tobt der Wind so grimmig um den B?hl, dass der Aufenthalt selbst in der russigen K?che vorzuziehen sein wird. So entschliesst sich denn der Kommiss?r zum Eintritt und hinter ihm und den Schornsteiner dr?ngen die Andern nach ins Haus. Schon hinter der Th?r beginnt der Federbuschmann zu husten, der Qualm des glimmenden Herdfeuers benimmt ihm schier den Atem. Der Schwarze meint, das Feuer m?sse ausgel?scht werden, sonst k?nne er nicht in den Rauchfang aufsteigen.

Mit Entschiedenheit aber fordert Peter nun sofortigen Beginn der ,,Regierungsth?tigkeit" des Schornsteiners und droht im Weigerungsfalle mit gewaltsamer Entfernung der ganzen Kommission. Das Faceletto vor den Mund haltend, giebt der Kommiss?r Befehl, den Schlot zu kehren, und gehorsam steigt der Schwarze auf seiner Leiter in die Esse.

Kaum ist der Schornsteiner oben verschwunden, packt Peter blitzschnell einen Bund trockenen Reisigs und wirft es auf die glimmende Glut, und Jobbeli beeilt sich augenblicklich, des Vaters Beispiel kr?ftig und flink nachzuahmen. Gierig z?ngeln die Flammen auf, es prasselt das Reisig wie Zunder, im Nu ist die K?che raucherf?llt und in dicken Schwaden steigt der Qualm in den Schlot. Vergebens poltert der Kommiss?r gegen solch' boshaftes Beginnen und wischt sich die brennenden Augen aus; doch die Gottsteins k?mmern sich nicht den Pfifferling um das Gezeter und werfen immer neues Reisig auf die prasselnde Glut. Nur Thrinele thut nicht mit und fl?chtet vor Qualm und Rauch hinweg in ihre Stube. Ihr Beispiel ahmt hustend, schier erstickend der Bebuschte nach und st?rmt ins Freie. Gleich darauf rasselt der Schornsteiner die Esse herab, bet?ubt vom Qualm und krachend f?hrt er mitten in die aufspritzende, funkenspr?hende Glut des Herdfeuers, wor?ber Peter und Jak?ble ein wahres Freudengeheul anstimmen und sich die Seiten halten vor Lachen ?ber das sie h?chlich belustigende Schauspiel. Wie besessen springt der Schwarze aber vom Herd hinweg, heulend vor Schmerz und st?rmt ins Freie, eine schwarze F?hrte ziehend im frischgefallenen Neuschnee. Br?llend vor Vergn?gen st?rzen Peter und Jak?ble ihm nach, um das Auge zu weiden an der rasenden Flucht der geprellten Kommission, bis der dicke Kommiss?r mit dem wackelnden Federbusch und hinterdrein der toll springende Schwarze hinter den H?usern von Hochsch?r verschwinden.

Gegen die neunte Abendstunde hat es zu schneien aufgeh?rt. Die Wolken sind verzogen, klar ist der Himmel, bes?t von mildstrahlenden Sternen, und der Mond sendet sein Silberlicht herab auf den ?berzuckerten Tann und die weissschimmernden B?hlh?hen des Schwarzwaldes. Das Kreuz auf dem toten B?hl wirst vom magischen Licht ?bergossen, einen langen Schatten auf den schneeigen Grund und geisterhaft strecken die entlaubten Buchen ihre ?ste gen Himmel. Es flimmert die ?de Landschaft im glitzernden Schmuck winterlichen Geflockes, und gegen die Helle am B?hl sticht schaurig das Schwarz der Tannenw?lder ab mit ihrer unheimlichen Finsternis und geheimnisvollen Starrheit. Der Wind hat sich gelegt; still ist's weit um, tot und leer. Nur zeitweise rutscht in kleinen Ballen der Neuschnee von den Tannengipfeln tiefer herab auf die ?ste und von der weissen Last befreit schnellen die Zweige wieder hinauf zur normalen Lage. Das giebt ein knisterndes Ger?usch im sonst kirchenstillen Tann, das sich zum dumpfen Get?se verst?rkt, wenn die gr?sser gewordene Schneelast durchbrechend auf den Waldboden aufschl?gt. Schneestaub quillt dann f?r einen Augenblick auf, alles verh?llend; dann aber legt sich der weisse Staub, schwarz ragt die befreite Tanne auf in schauriger Hoheit und n?chtlicher Majest?t.

Vom Kirchturm zu Hochsch?r schl?gt es zehn Uhr nachts in langgedehnten T?nen. Wohl blinken die Fenster der wenigen H?user des kleinen Dorfes im Mondenschein, doch ist jegliches Licht erloschen. Die D?rfler sind wohl l?ngst zur Ruhe gegangen und schlafen den Schlaf des Gerechten, mit Ausnahme vielleicht jener Hochsch?rer, die dem D?rflein den ?blen Ruf eingebracht haben, von dem Scheffel schreibt: ,,So einem in der Umgebung nachts in dem Keller eingebrochen und Kartoffeln geholt, oder ihm das frischgeschlachtete Schweinlein aus dem Kamin ausgef?hrt wird, so heisst's: es wird den Weg alles Fleisches nach Hochsch?r gegangen sein." Von einigen H?uschen l?sen sich richtig schwarze Gestalten ab, hochgewachsene M?nner, die dunklen ?berwurf, wallende M?ntel und auf dem Kopf gewaltige Pelzm?tzen tragen. Schweigend stapfen diese Gestalten alle einem Ziele zu: hinauf zum Kreuz am toten B?hl. Und auch von anderen Seiten her pilgern M?nner dicht vermummt gegen Frost und K?lte; die einen durch den Tann von Gebisbach her, andere von Altenschwand und Hottingen, von S?geten, jenem D?rflein, von dem es heisst: Hochsch?r und S?geten giebt eine Tr?geten , und von Herrischried. Seltsam d?ster heben sich die Gestalten ab vom glitzernden Schnee, schier geisterhaft in ihren schwarzen M?nteln und hohen M?tzen. Von allen Seiten klimmen und steigen sie den toten B?hl hinan, schweigend, ernst, feierlich, und stellen sich im Kreise um das Kreuz auf, vor dem sie die M?tzen l?fteten und das Knie beugten, zugleich das Kreuz auf der Brust schlagend. Doppelt und dreifach wird der Menschenring auf der B?hlh?he, die M?nner stehen wie die Mauern im rasch zusammengetretenen Schnee und harren der kommenden Dinge im gespenstischen Mondenschein, die Augen auf den Christus am Kreuze gerichtet.

Und wie die Uhr von Hochsch?r die Geisterstunde schl?gt, hebt einer aus der n?chtlichen Versammlung an zu sprechen: ,,Im Namen der heiligen Jungfrau Maria. Gottwilche! ."

,,Gottwilche!" t?nt es mit ged?mpfter Stimme in dem dreifachen Menschenring.

Streitpeter ist's, der den Willkomm ausgesprochen als der Vertrauensmann der Salpeterer am toten B?hl, der die Versammlung einberufen hat zur Besprechung wichtiger Dinge, und der nun den Ring verl?sst, sich an den Kreuzstamm stellt und zu reden beginnt: ,,Gott wilche! 's isch e gheimi Sach, die mer han z' verhandle heroben am toten B?hl. Sin Ihr alle da, die ich g'lade han zur Geischterstund? Die M?nner von Gebisbach, Altenschwand, Hottingen, S?geten, Hochsch?r und Herrischried?"

Mit dumpfer Stimme melden sich die Verschworenen aus den ausgerufenen Orten.

,,Sind annere aus 'm Wald aach noch chomme?"

,,Ja! Ich, ?gidius Riedmatter von Kuchelbach bin aach chomme!" ruft ein alter Mann aus dem dritten Ring.

Tiefe Bewegung geht durch die Menschenreihen, summendes Gefl?ster der ?berraschung, dass sich ein Salpeterer auch aus dem Albthal eingefunden, der dr?ben F?hrer ist und Hauptverfechter der heiligen Sache.

Peter fordert Riedmatter auf, ans Kreuz zu treten und der Versammlung zu sagen, was er als richtiger Salpeterer auf dem Herzen habe.

Die M?nner treten etwas zur Seite, um den alten Riedmatter durchzulassen, und mit festem Schritt tritt derselbe auf das magisch beleuchtete Kreuz, entbl?sst das von weissem Haar umrahmte Haupt und spricht mit kr?ftiger Stimme: ,,Im Namen der heiligen Jungfrau Maria seid gegr?sst, Salpeterer! Was ich euch han ze sage, isch kurz und b?ndig das: Wer ich bin, wisset ihr alle! Und mir, ?gidius Riedmatter isch in stiller Nacht der Geischt des Salpeterhannes, Albiez' Geischt wirklich und wahrhaftig erschienen, und selbiger Geischt hat mich eingeweiht und bezeichnet als Hannesle's Nachfolger in der F?hrerschaft der Salpeterer. Ich soll den Kampf aufnehmen und f?hren wie einst der Hannes selber! Und dem Mahnruf des Geischtes han ich Folge geleistet und dr?ben im Albthal mein heilig und schweres Amt ?bernommen. Heute in verschwiegener Nacht am Kreuz des toten B?hl bin ich erschienen und frage euch, ihr Mannen des Murgthales: Wollt Ihr mitk?mpfen f?r die heilige Sache?"

,,Ja! Wir wollen, im Namen des dreieinigen Gottes f?r die Freiheit unseres Volkes und f?r unseren Glauben!" t?nt es rauh, aber feierlich aus dem dreifachen Menschenringe.

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