Read Ebook: Chr. M. Wieland's Biographie by D Ring Heinrich
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Ebook has 218 lines and 40328 words, and 5 pages
Einige Monate fr?her, als der "Anti-Ovid", im Mai 1752, entstanden Wielands "moralische Erz?hlungen." Bereits am Schluss des Jahres 1751 hatte er seine "moralischen Briefe" herausgegeben. Von seinen bisherigen Gedichten unterschieden sich die hier genannten weniger durch ihren Gehalt, als durch die Form. F?r die "moralischen Briefe" hatte Wieland Alexandriner, f?r die "moralischen Erz?hlungen" reimlose Jamben gew?hlt, und f?r den "Anti-Ovid" ein freies Versmass in wiederkehrenden Reimen. Unter solchen Besch?ftigungen lebte Wieland weniger in der wirklichen Welt, als in dem Reich der Ideale, das ihm seine Phantasie vorzauberte. Seine Zukunft schien ihn wenig zu k?mmern. In einer Art von Selbstcharakteristik, die er noch w?hrend seines Aufenthalts in T?bingen in einem Briefe an seine geliebte Sophie entwarf, gestand er, trotz seiner mannigfachen Fehler, sich "ein gutes Herz und einigen Geist" zu, dabei glaubte er mit Wahrheit versichern zu k?nnen, dass es "sein Geist gewesen, der sein Herz zu einem so guten gemacht habe."
Im Juni 1752 war Wieland aus T?bingen wieder in das elterliche Haus nach Biberach zur?ckgekehrt. Lebhaft misbilligte sein Vater die Art und Weise, wie er bisher seine Studien betrieben hatte. Ueber dem Versemachen hatte er seinen k?nftigen Beruf fast g?nzlich aus den Augen verloren. Einer sogenannten Brodwissenschaft sich zu widmen, war ihm gar nicht in den Sinn gekommen. Sehr abgeneigt war er daher dem v?terlichen Plan, sich in G?ttingen der Laufbahn eines akademischen Docenten zu widmen. Wieland meinte, dass er dazu, wie zu manchem Andern, gar nicht passe. Er hoffte wohl noch einen Wirkungskreis zu finden, der mit seinen F?higkeiten und Neigungen mehr harmonirte. Einer Lehrstelle an einem Gymnasium glaubte er gewachsen zu seyn. Sein sehnlichster Wunsch war eine Professur an dem Carolinum zu Braunschweig, besonders deshalb, weil er dadurch mit G?rtner, Ebert, Zachari? u.a. talentvollen M?nnern, die in dem genannten Institut Lehrstellen bekleideten, in n?here Ber?hrung zu kommen hoffte. Zur Erf?llung seines Lieblingswunsches zeigte sich jedoch keine Aussicht.
Von dem peinlichen Gef?hl, seinen Eltern durch weitere Unterst?tzung beschwerlich zu fallen, ward Wieland befreit durch eine Einladung Bodmer's, zu ihm nach Z?rich zu kommen. Er hatte den jungen Autor, nach den poetischen Versuchen, die ihm Wieland gesendet, sehr liebgewonnen. Gegen die Reise nach der Schweiz, die im Herbst 1752 angetreten werden sollte, hatte Wielands Vater nichts einzuwenden. Er glaubte vielmehr, dass eine solche Entfernung seinen Sohn in mannigfacher Hinsicht heilsam seyn m?chte, besonders auch in Bezug auf seine Herzensangelegenheit, von der er sich keinen sonderlichen Ausgang versprach. Wieland aber wollte Biberach nicht verlassen, ohne seine geliebte Sophie noch einmal gesehen zu haben. Manche Umst?nde traten ein, die seine Hoffnung von einer Zeit zur andern verz?gerten. Er versank dar?ber, wie er sich in einem seiner Briefe ?usserte, "in einen Zustand von Unth?tigkeit und Verdriesslichkeit, der ihm oft zur Last ward." Eine Beurtheilung von Bodmer's "Noachide" half ihm die langweilige Zeit einigermassen verk?rzen.
Genussreiche Tage versprach sich Wieland von dem Leben in Z?rich. Da er seine dortigen Freunde nicht so bald wieder verlassen wollte, so w?nschte er in der Schweiz durch eine Hofmeisterstelle sich die Mittel zu seiner Subsistenz zu sichern. Noch eh' er nach Z?rich abgereist war, wandte er sich deshalb schriftlich an Bodmer's Freund, den Rathsherrn Schinz, und bat ihn um seinen Rath. In Bodmer's anmuthig gelegener Wohnung, wo er am 13. October 1752 eintraf, fand er einen freundlichen Empfang. Ehrfurcht, Liebe und Dankbarkeit fesselten ihn bald an den Mann, der durch Mittheilung seiner literarischen Sch?tze und durch seine belehrenden Gespr?che sehr g?nstig auf Wieland einwirkte. Mit seiner Denk- und Empfindungsweise harmonirte Bodmer's einfaches Leben, seine Zur?ckgezogenheit von der Welt und die Neigung zu literarischen Besch?ftigungen. Auch nachdem sie l?ngere Zeit zusammen gelebt, trat in ihrem freundschaftlichen Verh?ltniss keine wesentliche St?rung ein. Noch in sp?tern Jahren nannte Wieland jene Periode die gl?cklichste seines Lebens.
Noch immer trug sich Wieland mit dem Gedanken, seine geliebte Sophie einst ganz die Seinige nennen zu k?nnen. Dass die Schwierigkeiten, zu ihrem Besitz zu gelangen, sich noch geh?uft hatten, ahnte er nicht. Versunken in seine poetischen Tr?ume, f?hlte er sich tief ersch?ttert durch einen Brief, in welchem Sophie ihr bisheriges Verh?ltniss zu ihm f?r aufgel?st erkl?rte. Dies Schreiben, das er zu Anfang des December 1753 erhielt, meldete ihm zugleich Sophiens Verm?hlung mit dem Churmainzischen Hofrath de la Roche. Diesem geistreichen und allgemein geachteten Manne hatte sie aus Gehorsam gegen ihre Eltern ihre Hand gereicht, und die Stimme ihres Herzens, die noch immer f?r Wieland sprach, wenig beachtet.
Die innige Theilnahme seiner Freunde musste ihm dies harte Schicksal ertragen helfen. Mit gr?sserer Selbst?berwindung, als sich von seiner reizbaren Gem?thsart erwarten liess, billigte er in einem Briefe an die Geliebte ihren Entschluss, und w?nschte ihr aufrichtig Gl?ck zu ihrer Verbindung. Oft aber kehrte ihm noch die Klage um den Verlust seiner Sophie wieder. Auf ihren dereinstigen Besitz mochte er wohl mitgerechnet haben, als er einen Plan entwarf zur Errichtung einer Privaterziehungsanstalt, oder, wie er sie selbst nannte, einer "Akademie zur Bildung des Verstandes und Herzens junger Leute." Durch das peinliche Gef?hl, als Bodmer's Haus- und Tischgenosse seinem G?nner noch l?nger zur Last zu fallen, ward Wieland bewogen, 1754 bei einem Herrn v. Grebel in Z?rich eine Hauslehrerstelle anzunehmen. Weder die ausgezeichnete Achtung, die er in seinem neuen Verh?ltniss genoss, noch die grosse R?cksicht, die man auf seine kleinen Eigenheiten nahm, konnte in ihm den Schmerz um den Verlust seiner Geliebten mildern. Er sah sich in seinen sch?nsten Hoffnungen get?uscht, und versank in einen Tr?bsinn, den nichts zu erheitern vermochte. In dieser Stimmung nahm er seine Zuflucht zu philosophischen Studien. Mit grosser Anstrengung las er fast Tag und Nacht in Plato's Werken. Auch die Schriften mehrerer Mystiker und die Lebensbeschreibungen von Heiligen geh?rten zu Wielands damaliger Lect?re. Dadurch neigte er sich zu einer immer strengern Ascetik hin. In solcher Stimmung schrieb er einem Freunde: "So einsiedlerisch ich hier Vielen scheine, bin ich es doch noch lange nicht so, wie ich es gern seyn m?chte. Melden Sie mir doch, ob es keine W?ste in Ihrer Gegend giebt. Ich habe schon seit manchen Jahren grosse Lust, ein Eremit zu werden; denn ich versichre Sie im Ernst, dass ich der Thorheiten der Welt und meiner eigenen herzlich m?de bin."
Wieland hatte damals alle Anlage, ein religi?ser Schw?rmer zu werden. Die Lect?re von Youngs Nachtgedanken und von Klopstocks Mesias war geeignet, jene Stimmung zu unterhalten, und ihn ?ber die Grenzen eines ruhigen Forschens weit hinaus zu f?hren. Sein Eifer f?r Glauben und Fr?mmigkeit kannte kein Maass und Ziel, und Toleranz war ihm ein v?llig fremder Begriff. Ueber Ovid, Anakreon, Tibull und mehrere franz?sische und englische Dichter, besonders aber Chaulien, Gay und Prior, sprach er in seinen 1754 herausgegebenen "Sympathien" ?ffentlich ein Verdammungsurtheil aus. Auf ?hnliche Weise eiferte Wieland in den 1755 geschriebenen "Empfindungen eines Christen" gegen die "schw?rmerischen Anbeter des Bacchus und der Venus." Den Oberconsistorialrath Sack in Berlin, dem er dies Werk zugeeignet hatte, forderte er dringend auf, "das Aergerniss zu r?gen, das jene leichtsinnigen Witzlinge angerichtet."
Ein milderer Ton, doch eine eigent?mliche mystische Richtung war vorherrschend in mehrern "Hymnen" Wielands, von denen er sp?ter nur den "Hymnus auf Gott" in seine Werke aufnahm. Mit seinen "Erinnerungen an eine Freundin" dem Inhalt nach verwandt war Wielands "Timoklea", eine Frucht seiner philosophischen Studien, besonders der Lect?re des Plato und Shaftsbury. Wieland's "Platonische Betrachtungen ?ber den Menschen" dankten ebenfalls jenen Studien ihren Ursprung. In diesen Schriften sowohl, als in zwei Aufs?tzen, die er selbst als "Visionen" bezeichnete, in dem "Gesicht des Mirza" und in dem "Gesicht von einer Welt unschuldiger Menschen" sprach Wieland mit ergreifender W?rme von der Tugend, Sch?nheit und Liebe im edelsten Sinne des Worts.
In seiner "Ank?ndigung einer Dunciade f?r die Deutschen" unternahm er einen kritischen Feldzug gegen Gottsched, den damaligen Tonangeber des ?sthetischen Geschmacks und gegen seine Anh?nger. Aus der leidenschaftlichen Reizbarkeit seiner Natur versank er wieder in eine Art von Abspannung des Geistes, die mitunter einen sehr hohen Grad erreichte. "Ich verschlummere", schrieb er 1756 einem Freunde, "wider meinen Willen einen grossen Theil meiner Existenz. Ich f?hle, dass mein Leib immer schw?cher wird, und dass sowohl meine sehr bl?den Augen, als mein Gehirn dem denkenden Wesen oft versagen. Zuweilen w?nsche ich, dass ich ein halbes Dutzend munterer Seelen h?tte, die der meinigen subordinirt w?ren, und die alles das nach meinem Sinne ausf?hrten, was ich nicht kann. Dergleichen W?nsche sind fast alles, was mir von meiner ehemaligen jugendlichen Lebhaftigkeit ?brig geblieben ist."
Seinem Tr?bsinn ward Wieland entrissen, als er seinen bisher auf Bodmer und dessen Freunde beschr?nkten Umgang allm?lig erweiterte. Geneigter als bisher ward er wieder den Freuden des geselligen Lebens. Ausser dem bekannten Fabeldichter Meyer von Knonau, geh?rten Gessner, der Verfasser der Idyllen, sp?terhin auch Zimmermann, der Autor des ber?hmten Buches ?ber die Einsamkeit, zu Wielands vertrautesten Freunden. Mit Frauenzimmern verkehrte er wenig; er war sogar ihrem Umgange v?llig abgeneigt. Seine geliebte Sophie hatte ihn verw?hnt, an das weibliche Geschlecht Anspr?che zu machen, die nicht jedes M?dchen erf?llen konnte.
Diese tr?be Lebensansicht kehrte ihm noch oft wieder. Erst gereiftere Jahre, gr?ssere Erfahrung und eine gr?ndlichere Welt- und Menschenkenntniss bewirkten eine merkw?rdige Ver?nderung in Wielands Wesen. Er schien heiterer gestimmt. Seine Weiberscheu hatte sich verloren, und dem Platonismus in der Liebe huldigte er nicht mehr so unbedingt als fr?her. Auch sein hartes und unbilliges Urtheil ?ber mehrere alte und neuere Dichter nahm er zur?ck. Auf seine eigenen literarischen Erzeugnisse hatte jene Sinnes?nderung den wohlth?tigsten Einfluss. Er beurtheilte seine Arbeiten mit nachsichtsloser Strenge. Seinen Roman "Araspes und Panthea", zu welchem ihm eine Erz?hlung Xenophon's den Stoff dargeboten hatte, nannte er in einem seiner damaligen Briefe "eine unreife und unvollendete Geburt." Entschiedenen Antheil nahm er an der deutschen B?hne. Fleissig wohnte er den theatralischen Vorstellungen der Ackermannschen Schauspielertruppe bei, die damals durch die Drangsale des siebenj?hrigen Krieges aus Deutschland vertrieben, l?ngere Zeit in der Schweiz und namentlich in Z?rich sich aufhielt. In seinem Trauerspiel "Johanna Gray" machte Wieland den ersten dramatischen Versuch. Statt der Alexandriner, des bisher allgemein ?blichen Versmasses, w?hlte er die f?nff?ssigen Jamben f?r seine Trag?die. Sie ward am 20. Juli 1758 zum erstenmal in Winterthur, und sp?ter auch an andern Orten nicht ohne Beifall aufgef?hrt.
Das Resultat dieser Studien war Wieland's erste politische Schrift: "Gedanken ?ber den patriotischen Traum, die Eidgenossenschaft zu verj?ngen." Diese Schrift erschien, w?hrend Wieland sich noch fleissig mit seinem "Cyrus" besch?ftigte. Eine neu aufkeimende Idee drohte dies Epos zu unterbrechen. Durch Lucian und Swift begeistert, entwarf Wieland den Plan zu einem satyrischen Roman. Unter dem Titel: "Lucian's des J?ngern wahrhafte Geschichten", wollte er in diesem, auf drei B?nde berechneten Werke zwei Republiken, einen Staat verst?ndiger Bienen, die seltsame Regierung, Sitten und Gebr?uche eines Volks, Pagoden genannt, und ?hnliche wunderbare Dinge schildern. Die Ausf?hrung dieser Idee unterblieb. Von seinem "Cyrus" hatte er indessen die ersten f?nf Ges?nge beinahe vollendet, und bei gr?sserer Gem?thsruhe w?rde dies Werk noch rascher fortgeschritten seyn.
Was ihn sehr bek?mmerte, war die Sorge um seine fernere Subsistenz in Z?rich. Seine bisherigen Z?glinge hatten anderweitige Bestimmungen erhalten, und Wieland musste daher an seine eigene Zukunft denken. Eine Zeit lang besch?ftigte ihn die Idee der Herausgabe einer Wochenschrift, von deren Ertrag er in Z?rich leben zu k?nnen hoffte. In einem seiner damaligen Briefe ?usserte Wieland: er wolle alle seine Kr?fte zusammennehmen, um jener periodischen Schrift die h?chste Vollkommenheit zu geben. Aber seine sch?nsten Stunden, meinte er, geh?rten doch dem "Cyrus". Um sich in ungest?rter Einsamkeit mit diesem Gedicht besch?ftigen zu k?nnen, kam er auf den Gedanken, sich wieder in seine Heimath zu begeben. Einen bestimmten Lebensplan schien er an die R?ckkehr in das elterliche Haus nicht gekn?pft zu haben.
Der Wunsch, einige Jahre in v?lliger Musse und Unabh?ngigkeit zu leben, machte ihn gleichg?ltig gegen mehrere zum Theil vortheilhafte Antr?ge zu ausw?rtigen Lehrstellen. L?ngere Zeit schwankte Wieland, ob er sich nach Marseille begeben sollte, um dort in der sehr angesehenen Familie Semandi Unterricht zu ertheilen. Seine Unentschlossenheit ward vermehrt durch einen Antrag Zimmermanns, der ihn dem Rathsherrn v. Sinner in Bern zum Erzieher seines einzigen Sohnes empfohlen hatte. Sein Empfang in Bern, wohin er sich am 13. Juni 1759 begab, ?bertraf in jeder Hinsicht seine Erwartungen. Gleichwohl behagte ihm das neue Verh?ltniss, in das er getreten war, nicht lange. Er liebte zu sehr die Einsamkeit, um f?r sie Ersatz zu finden in den Gesellschaftskreisen, in die er wider seinen Willen hineingezogen ward. Unmuthig ?usserte er sich dar?ber in mehreren Briefen. Aber auch seine Lehrerstelle behagte ihm nicht. Zum Unterricht, besonders in den ersten Elementen, schien ein Geist nicht geschaffen, der, wie Wieland selbst ?usserte, "den Cyrus denken, und mit Shaftsbury, Diderot und Rousseau wetteifern wollte." Bereits nach einem Vierteljahre, im September 1759, gab er seine Hauslehrerstelle wieder auf.
Eine Art von Erwerbsquelle er?ffnete sich Wieland durch philosophische Vorlesungen, die er "gegen ein j?hrliches Honorar von 200 Kronen" einigen J?nglingen aus angesehenen Familien hielt. Er hatte an Freiheit und an Zeit viel gewonnen, da jene Vorlesungen ihm t?glich nur zwei Stunden raubten. Demungeachtet r?ckte sein mehrfach erw?hntes Epos, der "Cyrus" nur langsam fort. Entmuthigt durch den geringen Beifall, den die von ihm mitgetheilten Proben fanden, entwarf er den Plan zu einem philosophischen Gedicht ?ber den Landbau. Die Ausf?hrung unterblieb jedoch. Das einzige Product, das er w?hrend seines Aufenthalts in Bern vollendete, war sein mit grossem Beifall aufgef?hrtes Trauerspiel "Clementine von Porretta." Aus seinem Lieblingsschriftsteller Richardson hatte Wieland den Stoff zu dieser Trag?die gesch?pft. Ein Held, wie Grandison, musste ihn vor vielen andern interessiren zu einer Zeit, wo ihn das Gef?hl einer Liebe ergriffen hatte, die eben so platonisch, als jemals, und nicht minder schw?rmerisch war.
Eine reizende Bernerin, Mariane Fels, war l?ngst schon die K?nigin seines Herzens, als Julie Bondeli, die Tochter eines Diakonus in Bern, ihr den Sieg streitig machte. Julie war, glaubw?rdigen Zeugnissen und ihrem noch erhaltenen Portrait in Lavater's Physiognomik zufolge, eine der h?sslichsten ihres Geschlechts. Was die Natur ihr indess an Reizen versagt, hatte sie ihr durch Geistesgaben reichlich verg?tet. Die gelehrtesten M?nner ihrer Zeit erkannten dies, und standen mit ihr in Briefwechsel. Das Ger?cht sagte von ihr, dass sie mehr gelesen und studirt, als irgend ein Frauenzimmer, und mit ausgebreiteten Kenntnissen in den verschiedenartigsten wissenschaftlichen F?chern ein sehr richtiges Urtheil verbinde. Darin f?hlte sich Wieland nicht get?uscht, als ihn die Neugier trieb, sie kennen zu lernen. Von dem begeisternden Eindruck, den Julie auf ihn machte, gab er in mehreren Briefen Rechenschaft. "Nie hab' ich," schrieb er unter andern, "ein Frauenzimmer gesehen, das bei einer ausserordentlichen Gleichheit der Gem?thsart, bei dem heitersten Humor und der gr?ssten moralischen Simplicit?t, die nur in ihrem Alter m?glich scheint, mehr Lebhaftigkeit und unersch?pfliche Resourcen im Umgange gehabt h?tte, als sie. In diesen St?cken ist Sophie noch weiter hinter ihr, als Julie in Absicht der Sch?nheit hinter Sophie'n ist. Der aufgekl?rteste Geist, den ich je an einem Frauenzimmer gesehen habe, und ein Herz, das der edelsten Freundschaft w?rdig ist."
In einem sp?tern Briefe gestand Wieland, dass Julie weder eine Idee, noch Empfindung von der Liebe zu haben scheine, die in Romanen und Trag?dien herrsche. Sie wolle Freunde haben, sie halte die Freundschaft f?r eine vern?nftige und best?ndige Liebe, und weil sie nicht anders geliebt seyn wolle, so hasse sie alles, was den Schein einer ?berspannten, fanatischen Leidenschaft trage. "Ich selbst," schrieb Wieland, "bin, wie ich glaube, in Absicht der Liebe der Einzige in meiner Art, und ich bin stolz genug zu glauben, dass meine Art zu lieben der Liebe der Geister wirklich so nahe kommt, als es unter dem Monde m?glich ist. Ich liebe alle wahrhaft tugendhaften Frauen eben so sehr, wie ich die Tugend lieben w?rde, wenn sie sichtbar w?re. Das sind keine Grosssprechereien. Wenn die Weisheit, die Tugend, die moralische Venus, eine weibliche Gestalt annimmt, so muss freilich der Instinct, der uns zu diesen lieblichen Gesch?pfen zieht, sich unter die reine geistige Liebe mischen, die unserem Geiste f?r das wahre Sch?ne, Gute und Erhabene nat?rlich ist. Aber darin besteht mein Privilegium, dass, wenn mein Gegenstand eine Julie ist , die Liebe der Engel sich nat?rlicher und ungezwungener Weise zu der thierischen verh?lt, wie eine Weltkugel zu einem Sonnenstaube." Diesem Briefe f?gte Wieland noch die charakteristische Aeusserung bei: "Wir sind ?bereingekommen, dass jedes das Andere nach seiner eigenen, ihm nat?rlichen Weise, ohne den mindesten Zwang lieben solle -- ich mit Enthusiasmus, weil meine Natur es so mit sich bringt, sie ohne Enthusiasmus, aus gleichem Grunde. Ich weissagte ihr, sie w?rde noch so gut Enthusiast werden, als ich; sie zweifelte und sagte, sie w?nsche es, um mich gl?cklich machen zu k?nnen."
Lebhaft besch?ftigte sich Wieland oft mit dem Gedanken an eine eheliche Verbindung. Er gestand, alles in der Welt, was nicht mit den Grunds?tzen der Rechtlichkeit streite, unbedenklich thun zu wollen, wenn er dadurch zu Juliens Besitz gelangen k?nnte. "Sie w?rde," schrieb er, "mich unaussprechlich gl?cklich machen. Aber ich sehe keine M?glichkeit. Ich m?sste auf eine sehr anst?ndige und vorteilhafte Art etablirt seyn, wenn ich berechtigt seyn sollte, eine solche Pr?tension zu machen, und bisher ist kein Anschein zu einem solchen Etablissement." Worauf sich Wielands W?nsche beschr?nkten, schilderte er in einem seiner damaligen Briefe mit den Worten: "Ich bin nicht f?r das gemacht, was man Welt nennt. Alle ihre Erg?tzlichkeiten sind innere Plagen f?r mich, obgleich ich aus Gewohnheit daran Antheil nehme und vergn?gt dabei scheine. Freiheit, Musse, Einsamkeit, ein Freund und eine Freundin bei mir -- das ist die Situation, nach der mich d?rstet, und zu der ich nie gelangen werde."
Das St?dtchen Zopfingen, im Kanton Bern gelegen, hielten Wielands Freunde f?r den passendsten Ort, um, wie er damals willens war, eine mit einer Buchdruckerei verbundene Buchhandlung zu errichten. W?hrend er sich auf diese Weise einen anst?ndigen Unterhalt zu verschaffen hoffte, wollte er zugleich auf die Bildung seiner Zeitgenossen kr?ftig einwirken durch interessante Verlagsartikel, zu denen er vorz?glich Uebersetzungen der Classiker, des Virgil, Horaz, Xenophon, Theokrit u.a. seiner Liebligsschriftsteller rechnete. Auch durch einzelne St?cke aus der Philosophie und sch?nen Literatur hoffte er das Interesse des Publikums zu fesseln. Die bessern K?pfe Deutschlands f?r eine periodische Schrift zu gewinnen, war ein Gedanke, der, schon fr?her entstanden, wieder in ihm auftauchte. Wieland wollte in jenem Journal unter andern ein Gem?lde des Menschen entwerfen, nach den verschiedenen N?ancen, die er durch das Klima, die Religion, Staatseinrichtung u.s.w. erhalte; er wollte zeigen, dass der Mensch gebildet werden m?sse, und dass die meisten Gesetzgeber und Moralisten sich bisher auf diese Kunst nicht gar zu wohl verstanden h?tten. Auch Biographieen und Charakteristiken ausgezeichneter M?nner des Alterthums sollten in seinem Journal einen Platz finden.
Mehrere Aufs?tze, die er f?r seine Zeitschrift bestimmt, hatte Wieland theils ausgearbeitet, theils den Plan dazu entworfen, als ein Brief seiner Mutter ihn mit der Nachricht einer bestimmten Anstellung zu Biberach ?berraschte. Seiner Vaterstadt, von der er acht Jahre getrennt gewesen, in dem ihm angewiesenen Wirkungskreis so viel als m?glich zu n?tzen, war der feste Entschluss, mit welchem Wieland am 20. M?rz 1760 die Schweiz und seine dortigen Freunde verliess, in dankbarer R?ckerinnerung an die frohen Jahre, die er in ihrer Mitte verlebt hatte. Schmerzlich war ihm vor allen der Abschied von Julie Bondeli. Nur die Hoffnung ihres Besitzes konnte ihn tr?sten.
Mit nicht zu grellen Farben hatte Wieland, noch vor seiner Abreise aus der Schweiz, einigen seiner Freunde die Verh?ltnisse geschildert, die ihn in seiner Vaterstadt erwarteten. Zum ersten Male musste er, so fremd dies auch seiner Natur war, eine Rolle spielen in den mannigfachen politischen Intriguen, welche die Wahl eines B?rgermeisters in Biberach herbeif?hrte. Wieland hatte dort die ziemlich eintr?gliche Stelle eines Kanzleidirectors erhalten. Abgesehen davon, dass dies Amt seinen Neigungen durchaus nicht entsprach, f?rchtete er bereits nach zwei Jahren jene Stelle wieder zu verlieren durch einen langwierigen Prozess zwischen den evangelischen und katholischen Rathsmitgliedern seiner Vaterstadt. Von dem Wankelmuth seiner Freunde und G?nner machte Wieland die tr?bsten Erfahrungen. Mehrere seiner damaligen Briefe enthielten r?hrende Gest?ndnisse seiner unsichern Lage und seiner durch heftige Gem?tsbewegungen sehr ersch?tterten Gesundheit. Mit Schmerz ergriff ihn der oft wiederkehrende Gedanke, was er in einer andern Stellung, in Verh?ltnissen, die den Musen g?nstiger w?ren, h?tte leisten k?nnen. In einem Briefe vom 16. M?rz 1763 ?usserte Wieland: "Ich m?chte zuweilen eine Satyre wider die beste Welt schreiben, wenn ich mir vorstelle, dass kein anderer Platz in der Welt f?r mich seyn soll, als eine Stadtschreiber-, Consulenten- und Rathsherrnstelle in diesem kleinen schw?bischen Reichsst?dtchen. Denn es ist noch nicht entschieden, welche von diesen drei Personen, die sich ungef?hr gleich gut f?r mich schicken, ich noch werde vorstellen m?ssen."
In so trauriger Lage trat oft die Erinnerung an die Vergangenheit und an seinen Aufenthalt in der Schweiz vor Wielands Seele. Rastlos sann er auf Mittel, sich aus Verh?ltnissen zu befreien, die seinen Neigungen so wenig entsprachen, und ihm uns?glichen Verdruss bereiteten. Mitunter kam ihm die Idee, um eine Professur an einem Gymnasium in Berlin, Breslau, Gotha oder andern bedeutenden Orten sich zu bewerben. Die Eink?nfte einer solchen Stelle, meinte Wieland, w?ren zwar gering, aber daf?r sei ihm desto mehr Musse geg?nnt, und er k?nne arbeiten, was er wollte. Selbst die sp?rliche Zeit, die ihm in Biberach seine Amtsgesch?fte g?nnten, konnte er nicht so n?tzlich, als er wohl gew?nscht hatte, f?r sich verwenden. Ueberall stiess er auf Hindernisse, die sich seiner h?hern Ausbildung entgegenstellten. Am schmerzlichsten f?hlte er in seiner Vaterstadt den Mangel einer bedeutenden Bibliothek.
"Hier gehen meine Talente f?r das Publikum verloren," klagte Wieland in einem Briefe an Zimmermann. "Unter solchen Zerstreuungen, bei einem solchen Amte, ohne Aufmunterung, was kann ich da thun? Wenn ich auch Zeit und Gem?thsruhe und Muth genug h?tte, etwas zu unternehmen, so verbietet mir der einzige Umstand, dass wir keine Bibliotheken haben, alle Unternehmungen von Wichtigkeit. Ich bin gen?thigt, immer aus mir selbst herauszuspinnen. Es sind schon viele Jahre her, dass ich mit einer philosophischen Geschichte nach einem besondern Plan schwanger gehe. Die Art, wie ich nunmehr ein solches Werk ausf?hren w?rde, d?rfte es zu einem n?tzlichen und angenehmen, vielleicht unentbehrlichen Buche machen. Ohne eine Bibliothek von den vollst?ndigsten und kostbarsten B?chern zur Hand zu haben, ist an ein solches Werk nicht zu denken. Sollte es nicht Schade seyn, dass es nur darum unterbleiben soll, weil ich zu Biberach und nicht in Berlin oder an einem andern Orte bin, wo eine ?ffentliche B?chersammlung mir die Folianten und Quartanten darbietet, die man bei einer solchen Arbeit alle Augenblicke zum Nachschlagen braucht?"
Unter solchen Umst?nden blieb ihm kein Trost, als zu seinen trocknen und verdriesslichen Amtsarbeiten wieder zur?ckzukehren. Er unterzog sich diesen Arbeiten mit einer seltenen Ausdauer und Gewandtheit, die jedoch keine andere Folge f?r ihn hatte, als dass seine erprobte Th?tigkeit noch mehr und fast ?berm?ssig in Anspruch genommen ward. Oft fand ihn die Mitternacht noch an seinem Schreibtisch, wo er den Concipienten und den Copisten in Einer Person vorstellen musste, als sich die Arbeiten h?uften. Dies war vorz?glich 1764 der Fall, wo der fr?her erw?hnte Process durch zwei kaiserliche Commissarien, die aus Wien nach Biberach gekommen waren, g?tlich ausgeglichen ward.
Den Gedanken an eine eheliche Verbindung mit Julie Bondeli hatte Wieland aufgegeben. Beide schienen sich in dem, was sie eigentlich f?r einander f?hlten, get?uscht zu haben. In ihrem Verh?ltnisse war eine Spannung eingetreten, welche Juliens Eifersucht veranlasst, und Wielands Reizbarkeit bis zu einem so hohen Grade gesteigert hatte, dass ein v?lliger Bruch fast unvermeidlich schien. In einem Briefe an Zimmermann rechtfertigte sich Wieland gegen allerlei Beschuldigungen, die, wie er ?usserte, "nur durch Niedrigkeit und Bosheit ihm h?tten angedichtet werden k?nnen." Ungeachtet mancher sehr leidenschaftlicher Aeusserungen, die ihm sein Unmuth ?ber Juliens Benehmen eingab, blickte doch auch wieder das Gef?hl noch nicht ganz erloschener Z?rtlichkeit aus mehreren Stellen seines Briefes hervor. Entschlossen ?usserte er jedoch am Schlusse seines Schreibens: "Ich werde allein bleiben, und so lange es Gott gef?llt, ein Leben fortschleppen, das bei einer ununterbrochenen Folge von Unannehmlichkeiten, ohne Beimischung eines wahren Vergn?gens, kurz genug seyn wird."
Eine ruhige Ueberlegung musste ihm sagen, dass es ein bedenklicher Schritt sei, in seiner damaligen Lage sich zu verheirathen. Ungeschw?cht erhielt sich jedoch Zeitlebens ein herzliches Freundschaftsverh?ltniss zwischen Wieland und Julie Bondeli. "Den Beweis einer h?hern f?r ihn sorgenden Vorsehung" glaubte Wieland, nach seiner eignen Aeusserung, in dem Zusammentreffen mannigfacher Umst?nde zu finden, die f?r sein Lebensschicksal entscheidend wurden. In dem kaum eine Stunde von Biberach entfernten Marktflecken Warthausen lernte Wieland den Grafen von Stadion kennen, in dessen n?chster Umgebung er den Churmainzischen Hofrath de la Roche, den Gatten seiner geliebten Sophie fand. Nach einem Raum von zehn Jahren begegnete ihm auf seinem Lebenswege seine ehemalige Braut, die ihm nun mit der innigsten herzlichsten Freundschaft entgegenkam. Ein gleicher Empfang ward ihm auch von ihrem Gatten zu Theil, einem vielseitig gebildeten Manne, der sich in seinen "Briefen ?ber das M?nchswesen", auch als Schriftsteller von einer beachtenswerthen Seite gezeigt hatte. Wielands Charakter gereichte es zur Ehre, dass er in mehreren Briefen unpartheiisch die Verdienste eines Mannes anerkannte, der ihm seine Geliebte entrissen hatte.
Zu dem geselligen Kreise, in welchen Wieland eingetreten war, geh?rten, ausser den bereits genannten Personen, des Grafen Stadion ?lteste Tochter, eine Gr?fin v. Schall und deren Schwester, eine Stiftsdame in Buchau. Sehr wohl f?hlte sich Wieland, wenn er von Biberach, wo er durchaus keine angemessene Gesellschaft fand, nach Warthausen eilte, um dort einige Tage zuzubringen. F?r Geist und Herz fand er in seinen neuen Umgebungen volle Befriedigung. Fleissig benutzte er die an literarischen Sch?tzen reiche Bibliothek des Grafen Stadion. Hatte Wieland den Morgen sich mit dieser B?chersammlung besch?ftigt, so unternahm er einen Spaziergang durch die reizende Umgegend, bis ihn die Tafel zu einem k?stlichen Mahle einlud. Lesen und Gespr?che der verschiedensten Art verk?rzten ihm den ?brigen Theil des Tages, welchen Abends gew?hnlich eine musikalische Unterhaltung beschloss.
Was Wieland jenem Kreise besonders verdankte, war die Erweiterung seiner Welt- und Menschenkenntniss, die durch sein zur?ckgezogenes Leben in Biberach, wo er den gr?ssten Theil des Tages an seinen Actentisch gefesselt war, nicht sonderlich hatte gef?rdert werden k?nnen. Der feine Weltton trat ihm in dem Umgange mit geistreichen M?nnern und liebensw?rdigen Frauen ?berall entgegen, zu einer Zeit, wo er in das praktische Leben eingetreten und zu der Ueberzeugung gekommen war, dass er, von den Tr?umen seiner Phantasie befangen, sich die Wirklichkeit ganz anders gedacht, als er sie jetzt fand.
Nach jenem freundlichen Asyl zog ihn aber auch seine Jugendgeliebte, die sich noch immer den fr?hern Platz in seinem Herzen bewahrt zu haben schien. Reizbar und f?r Liebe empf?nglich, mochte es ihm manchen Kampf kosten, das ?usserst zarte Verh?ltniss zu Sophien in der Reinheit zu bewahren, wie es sich, glaubw?rdigen Zeugnissen zufolge, fortw?hrend erhielt. Wieland war sogar f?hig, mit seiner Liebe und ?ber sie zu scherzen, was er unter andern in einem Briefe that, in welchem er mit der feinsten, gegen sich selbst gerichteten Ironie, Sophien eine Art von Liebeserkl?rung machte. In einem freundschaftlichen Verh?ltnisse stand er mit ihrem Gatten, der sich, ohne die merkw?rdige Ver?nderung, die in Wielands ganzem Wesen vorgegangen war, schwerlich so innig an ihn angeschlossen haben w?rde. In einem damaligen Briefe gestand Wieland, dass er nichts von dem mehr sei, was er gewesen, "weder Enthusiast, noch Hexametrist, noch Ascet, Prophet und Mystiker. Seit geraumer Zeit sei er von alle dem zur?ckgekommen, und bef?nde sich ganz nat?rlich auf dem Punkte, von dem er vor zehn Jahren ausgegangen."
An seinen Freund Zimmermann schrieb Wieland dar?ber: "Was am meisten dazu beigetragen hat, diese Verwandlung, oder, wenn Sie wollen, diese Herstellung meiner urspr?nglichen Gestalt, woraus die Magie des Enthusiasmus mich verdr?ngt hatte, zu bewirken, das war haupts?chlich die Unzahl von Misgeschick, Noth und Plagen, die mich seit der R?ckkehr in mein Vaterland verfolgte. Da f?hlte ich das Nichts all' der grossen Worte, all' der gl?nzenden Phantome, die in einer s?ssen Einsamkeit oder an der Seite einer Gyon oder Rowe so verf?hrerische Reize haben f?r ein empfindsames Herz, wie das meinige, und f?r eine Einbildungskraft, die um so th?tiger war, da sie mich f?r alles, was den Sinnen abging, entsch?digen musste."
Zu einer heitern und ruhigen Gem?thsstimmung konnte gleichwohl Wieland noch immer nicht gelangen, seit er, wie er sich in einem seiner Briefe dar?ber ausdr?ckte, "aus den Wolken auf die Erde herabgestiegen" oder mit andern Worten seine idealen Tr?ume mit der rauhen Wirklichkeit vertauscht hatte. Seine Lage, seine Gesch?fte waren geeignet, seinen Unmuth zu n?hren und zu steigern. Vergebens suchte er Trost in dem Studium der Philosophie, das ihn damals ernsthaft besch?ftigte. Er wandte sich wieder zu poetischen Sch?pfungen, und entwarf zu einer Zeit, wo seine Verstimmung den h?chsten Grad erreicht zu haben schien, den Plan zu seinem Roman "Agathon." Die Vollendung dieses Werks erfreute ihn, weil er dadurch zu der Ueberzeugung gelangte, dass die Schwungkraft seines Geistes noch nicht so gel?hmt w?re, als er geglaubt hatte. Die erste Idee zu seinem Roman hatte ihm der "Ion" des Euripides gegeben. Aber Wieland hatte in seinem Helden sich selbst geschildert, nicht blos dem Charakter, sondern auch den Hauptsituationen und dem ganzen Streben nach. Mit Grund konnte er daher in einem seiner Briefe behaupten: "Agathon sei eine wirkliche Person, die er vor allen am genauesten kenne." Nur die Nebenumst?nde hatte er erfunden. Agathon's Seelengeschichte war im Wesentlichen Wielands eigene, und eine der treuesten Selbstschilderungen.
Noch ehe die vier Theile des "Agathon" vollst?ndig erschienen, hatte Wieland einen andern Roman, den "Don Sylvio von Rosalva" herausgegeben. Nach seinem eignen Gest?ndnisse war die Besch?ftigung mit diesem satyrischen Roman das einzige Mittel gewesen, ihn zu erheitern zu einer Zeit, wo Missgeschick, Plagen und schmerzliche Empfindungen von allen Seiten auf ihn eingedrungen waren. Durch die Schilderung erg?tzlicher Thorheiten suchte Wieland das Gef?hl seiner Uebel zu mildern und abzustumpfen. Cervantes war damals sein Lieblingsschriftsteller. Durch das wiederholte Lesen des "Don Quixote" kam ihm die Idee, nach jenem Muster die herrschenden Modethorheiten zu verspotten, und besonders dem Aberglauben einen t?dtlichen Stoss zu versetzen.
Eine seiner wichtigen literarischen Arbeiten war die von ihm unternommene Uebersetzung Shakspeares. Sie erschien in den Jahren 1762-1768 zu Z?rich in acht Octavb?nden. Schon w?hrend seines dortigen Aufenthalts hatte Wieland den grossen brittischen Dichter n?her kennen gelernt. Die Bibliothek des Grafen Stadion in Warthausen bot ihm die H?lfsmittel dar, jenen Dichter auch in Deutschland, wo man ihn bisher noch wenig kannte, durch eine Uebersetzung einzuf?hren. Es war ein k?hnes Unternehmen, dessen Wichtigkeit er wohl nicht ganz erwogen haben mochte, als er nach seinen Aeusserungen in der Vorrede zu seiner Uebersetzung "jene Arbeit mitten unter allen Arten von Gesch?ften und Zerstreuungen fortsetzen zu k?nnen glaubte." F?r Wielands Geist war diese Besch?ftigung von dem g?nstigsten Einfluss. Mit gereifterer Weltanschauung, die ihm durch den grossen Britten geworden war, neigte er sich immer mehr zur romantischen Poesie. In Shakspeare's Humor glaubte er den Hauptgrund zu finden, weshalb dieser Schriftsteller, ungeachtet Sprache, Sitten und Geschmack seit der Zeit, in der er lebte, sich wesentlich ver?ndert, doch noch immer unter seinen Landsleuten den Reiz der Neuheit behalten habe und f?r sie noch immer weit anziehender sei, "als alle neuern Schriftsteller, die nach franz?sischen Modellen gearbeitet h?tten."
Die durch Shakspeare zuerst in Wieland geweckte Vorliebe f?r das Humoristische erhielt neue Nahrung durch einen andern englischen Autor. Es war Sterne oder Yorik, wie er sich auf dem Titel einiger seiner Schriften nannte. Fast noch von keinem Werke war Wieland so ergriffen worden, als von dem unter dem Titel: "Tristram Shandy's Leben und Meinungen" damals erschienenen Roman jenes Schriftstellers. Noch in sp?tern Jahren war Wieland unersch?pflich im Lobe jenes Werks.
Seine ?ussern Lebensverh?ltnisse hatten sich allm?lig g?nstiger gestaltet. 1764 war er zum wirklichen Kanzleidirector ernannt worden. Mannigfachen Verdriesslichkeiten und l?stigen Arbeiten ?berhoben, schien seine Existenz im Wesentlichen mehr gesichert zu seyn, als fr?her. Wie er sein Verh?ltniss als Stadtschreiber in Biberach betrachtete, schilderte er in einem Briefe an den Buchh?ndler Gessner in Z?rich, dem er zugleich meldete, dass er nicht abgeneigt sei, sich n?chstens zu verheirathen.
"Ich habe nun," schrieb Wieland, "auf all' mein Lebelang ein zwar ziemlich m?hseliges, aber doch eintr?gliches und honorables Amt -- ein Umstand, der allezeit die Basis von meiner Ruhe ausmacht, und mich ?ber die niederschlagenden Nahrungssorgen hinwegsetzt. Nun geht mir von den Bed?rfnissen des menschlichen Lebens nichts ab, als ein Weib, und da ich durch den Tod meines Bruders die Ehre habe, der Einzige von meiner Familie zu seyn, so werde ich von meinen lieben alten Eltern ?ber diesen Punkt so sehr in die Enge getrieben, dass ich bald gen?thigt seyn werde, in die ganze Welt um ein Weib auszuschreiben. Hier findet sich keine f?r mich, denn ich sollte eine h?bsche, gescheidte, muntere, und wo m?glich eine reiche Frau haben, und die drei oder vier Jungfrauen, welche hier, Standes halber, ein Recht an mich haben k?nnten, sind nicht f?r mich. Ich wollte, dass sich in den dreizehn hochl?blichen Kantonen ein artiges M?dchen f?nde, das so viel christliche Liebe h?tte, einen ehrlichen Biberachschen Kanzleidirector, der ganz h?bsche Verse macht, von seinem Amt ungef?hr tausend Gulden Eink?nfte und die z?rtlichste Seele von der Welt hat, gl?cklich zu machen. Wenn Sie ein solches M?dchen wissen, lieber Freund, so recommandiren Sie mich, ich bitte gar sch?n."
Am 7. November 1765 meldete Wieland seine Verm?hlung. "Ich habe," schrieb er, "ein Weib genommen, oder eigentlicher zu reden, ein Weibchen: denn es ist ein kleines, wiewohl in meinen Augen ganz artiges, liebensw?rdiges Gesch?pf, das ich mir, ich weiss selbst nicht recht wie, von meinen Eltern und guten Freunden habe beilegen lassen." Wieland berichtete zugleich: seine Frau stamme aus einem Augsburger Kaufmannshause, das unter dem Namen Jakob Hillebrandt's selige Erben der merkantilischen Welt nicht unbekannt sei." "Meine Frau," schrieb Wieland, "hat wenig oder nichts von schimmernden Eigenschaften, auf welche ich, vermuthlich, weil ich Anl?sse gehabt habe, ihrer satt zu werden, bei der Wahl einer Gattin nicht gesehen habe. Sie ist, mit Haller zu reden, gew?hlt f?r mein Herz, und meinen W?nschen gleich -- ein unschuldiges, von der Welt unangetastetes, sanftes, fr?hliches, gef?lliges Gesch?pf, nicht so gar h?bsch, aber doch h?bsch genug f?r einen ehrlichen Mann, der gern eine Frau f?r sich selbst hat -- eine Pr?tension, welche man bei den grossen Sch?nheiten vergebens macht."
Mehrere seiner damaligen Briefe schilderten, wie gl?cklich sich Wieland nach seiner Verheirathung f?hlte. Sehr richtig hatte er sich beurtheilt, als er meinte: "wenn er sich nur erst in seinem neuen Stande werde zurecht gesetzt haben, so sollten hoffentlich die Musen, falls sie anders jemals einen Antheil an den Geburten seines Gehirns gehabt, nichts dabei verlieren." Durch manche l?stige Amtsarbeiten ward ihm die Poesie verleidet. Immer jedoch kehrte er mit erneuter Liebe wieder zu ihr zur?ck. Mehrere seiner damaligen literarischen Erzeugnisse entstanden auf dem Rathhause, in der Kanzleistube, mitten unter dem Andrang der l?stigsten und trockensten Amtsgesch?fte. Die Fruchtbarkeit seines Geistes war nie gr?sser gewesen, als in dieser Periode seines Lebens. Ausser der Vollendung des "Agathon" schrieb Wieland damals seine "Komischen Erz?hlungen" . 1768 erschien sein Gedicht "Musarion", zwei Jahre sp?ter "Idris und Zenide"; hierauf die erste H?lfte des "Neuen Amadis" und ein Theil des Gedichts: "die Grazien." In einem Briefe an Gessner gestand Wieland: "der poetische Taumelgeist habe ihn so m?chtig ergriffen, dass er seine Mussestunden nicht besser auszuf?llen wisse, als mit Reimen."
Zu manchen poetischen Entw?rfen, mit denen sich Wieland besch?ftigte, geh?rte die bald wieder aufgegebene Idee, Alexander den Grossen zum Helden eines epischen Gedichts zu w?hlen. L?nger verweilte er bei dem Entwurf eines Gedichts, welches unter dem Titel "Psyche" die reinste Bl?the der wahren Philosophie und zugleich eine "kritische Naturgeschichte unsrer Seele" enthalten sollte. Gegen den ihm gemachten Vorwurf, in mehreren seiner Gedichte einen zu muthwilligen, sarkastischen Ton angestimmt zu haben, suchte sich Wieland zu rechtfertigen. "Ich gestehe", schrieb er, "die Ironie ist meine Lieblingsfigur, und ich schmeichle mir, einiges Talent daf?r zu haben. Freilich ist's ein ziemlich gef?hrliches Talent; zum Gl?ck aber hat mich die Natur mit einem guten und redlichen Herzen begabt. Mein Menschenhass ist nur gemacht. Ich liebe von Natur die Menschheit und die Menschen, und wenn ich auch ?ber die Gebrechen der Einen, und die Schwachheiten der Andern spotte, so geschieht's in der Regel freundlich und in der Absicht, ihnen scherzend heilsame Wahrheiten zu sagen, die man zuweilen geradezu nicht zu sagen pflegt."
Grosse Sensation erregte die Keckheit, womit Wieland den Platonismus in der Liebe, dem er fr?her gehuldigt hatte, mit allen Waffen des Witzes bek?mpfte. Die Stimme der ?ffentlichen Kritik warnte vor der Tendenz seiner Schriften, weil sie ein Gift enthielten, das, je s?sser, um so gef?hrlicher sei. Mit Bedauern sprach man von dem Missbrauch seiner grossen und seltenen Talente, und ging selbst so weit, ihn als einen Dichter zu bezeichnen, der die Liebe von der Wollust gar nicht mehr zu unterscheiden scheine. Wieland's "Agathon" war in Z?rich verboten worden. F?r den "Don Sylvio von Rosalva" hatte er in Ulm einen Verleger suchen m?ssen. Am h?rtesten lauteten die ziemlich ?bereinstimmenden Urtheile ?ber Wielands "Komische Erz?hlungen."
Mit dem innern Bewusstsein der moralischen Reinheit seiner Gef?hle musste sich Wieland tr?sten, als ihn der grundlose Verdacht traf, der Unm?ssigkeit und Wollust ergeben zu seyn. War ihm auch der Platonismus in der Liebe verd?chtig geworden, so konnte er doch f?r keinen Epikur?er im schlimmsten Sinne des Worts gelten. Dass er in seinen neuen poetischen Werken der Sinnlichkeit das Wort zu reden schien, war ein blosses Spiel seiner Phantasie. Er dachte sich nichts Arges bei den ihm zur Last gelegten Schilderungen, die ihm unter beschwerlichen Amtsgesch?ften Trost und Erheitrung gew?hrten. Keinen unwesentlichen Antheil an der Tendenz seiner damaligen Producte hatte auch die Wahl seiner Lect?re. Lucian, Horaz, Cervantes, Ariost und besonders Sterne, waren seine Lieblingsschriftsteller.
An der Seite seiner Gattin Dorothea Hillenbrandt f?hlte Wieland sich sehr gl?cklich, obgleich sie, seinem eignen Gest?ndniss nach, keine "Musarion" war. In einem Raum von funfzehn Jahren hatte er so manche Erfahrungen in der Liebe gemacht, dass er sie wohl im Stillen einer Musterung f?r werth hielt. Schon in fr?herer Zeit hatte Wieland den Plan entworfen, eine "philosophische Geschichte der Liebe" zu schreiben. Dieser Plan blieb unausgef?hrt; aber er bot ihm den Stoff zu seinem Gedicht "Idris und Zenide," in welchem er beabsichtigte, die verschiedenen Arten der Liebe gegen einander in Contrast zu stellen, und zu diesem Behuf verschiedene Charaktere in eigent?mlichen Situationen sich entwickeln zu lassen. Im Wesentlichen unver?ndert kehrte die Idee, die dem erw?hnten Gedicht Wielands zu Grunde lag, in seinem "Neuen Amadis" wieder, mit dem er sich gleichzeitig besch?ftigte. Ariost's rasender Roland war sein Vorbild. Den Sieg der Natur ?ber die Schw?rmerei, der Wahrheit ?ber die Heuchelei zu verherrlichen, war nach Wielands eignen Worten die Aufgabe, die er sich bei seinem "Neuen Amadis" stellte. Von dem Muster, das ihm bei diesem Gedicht vorgeschwebt hatte, entfernte er sich in seinen "Grazien." Nach seinen eignen Aeusserungen wollte er in diesem Gedicht "den Uebergang des Menschen aus dem Naturstande zur Stufe einer verfeinerten Bildung" schildern.
Von dem Eindruck, den seine Schriften auf das Publikum machten, erfuhr Niemand weniger, als Wieland selbst. Aus den ?ffentlichen Kritiken, die oft parteiisch und befangen waren, konnte er jenen Eindruck nicht kennen lernen. Es lag aber auch in seinen Verh?ltnissen, dass er ?berhaupt mit dem Gange der Literatur unbekannt blieb. Die meiste Zeit brachte er in der Kanzlei, in den Rathssessionen und an seinem Actentisch zu, ohne am Abend eine andere Gesellschaft zu finden, als an einem Kartentisch oder in h?uslichen Cirkeln, wo er seine Literaturkenntniss eben nicht sonderlich erweitern konnte. Durch Gewohnheit f?hlte er sich nicht unbehaglich in diesem einf?rmigen Lebenskreise, und aus seiner scheinbaren Verstimmung blickte oft ein unverw?stlicher Humor hervor. "Wenn ich," schrieb er, "auch zuweilen schwerm?thig werde, und mit dem Strumpfband in der Hand mich nach einem tauglichen Nagel umzusehen anfange, so besinne ich mich doch allemal so lange, bis wieder nichts daraus wird -- ein ?berzeugender Beweis, dass ich noch etwas in meinem Zustande finde, das der Versuchung, mich aufzuh?ngen, wenigstens das Gleichgewicht h?lt."
Wegen seiner Zukunft, wenn sich sein Blick dahin verirrte, konnte Wieland unbesorgt seyn. Durch P?nktlichkeit und unerm?dete Berufstreue hatte er sich die Achtung und das Vertrauen seiner Obern erworben. Seine ?konomischen Verh?ltnisse ?berhoben ihn der Sorgen. Noch nie hatte sich der Wunsch in ihm geregt, seine Lage mit einer andern zu vertauschen. Er wusste es daher anfangs seinen Freunden wenig Dank, als sie ihm eine andere Stellung zu verschaffen suchten, die, wie sie glaubten, mit seinen F?higkeiten und Neigungen mehr harmonirte.
In der letzten Zeit seines Aufenthalts in Biberach besch?ftigten ihn mancherlei schriftstellerische Pl?ne, die er in Erfurt zu realisiren hoffte. Er wollte unter andern "Briefe ?ber die Literatur" schreiben, und sie "in kleinen B?ndchen in die Welt fliegen lassen." Die Musse, welche ihm seine Kanzleigesch?fte irgend g?nnten, benutzte er zu einer Revision seiner poetischen Schriften, die damals neu gedruckt werden sollten. L?ngst zerfallen mit seinem fr?heren Freunde Bodmer, der sogar Spottgedichte gegen ihn gerichtet hatte, folgte Wieland, der sch?nen Vergangenheit sich dankbar erinnernd, nur den Eingebungen seines Herzens, als er jene Sammlung "seinen alten und ehrw?rdigen Freunden, dem Herrn Kanonikus Breitinger und dem Herrn Professor Bodmer" mit einer f?r beide sehr schmeichelhaften Dedication widmete.
Auf seinen Freund, den Professor Riedel, beschr?nkte Wieland seinen Umgang. Mit den ?brigen Lehrern der Erfurter Hochschule kam er in wenige Ber?hrung. Den Freuden des geselligen Lebens, die nie besondern Reiz f?r ihn gehabt, sich in Erfurt fast g?nzlich zu entziehen, ward ihm nicht schwer. Ersatz daf?r bot ihm seine freundliche Gartenwohnung im Gasthofe zum Schwan, hinter dem Schottenkloster. Dies Asyl befriedigte in jeder Hinsicht seine m?ssigen W?nsche. Er f?hlte sich gl?cklich, seiner Familie, sich selbst und den Musen ungest?rter leben zu k?nnen, als es seine Verh?ltnisse in Biberach gestattet hatten. Sein Lehramt er?ffnete er mit Vortr?gen ?ber die Geschichte der Menschheit, nach einem bekannten Werke von Iselin ?ber diesen Gegenstand. Sp?terhin hielt er Vorlesungen ?ber die Geschichte der Philosophie, las ?ber die allgemeine Theorie der sch?nen K?nste, und erkl?rte einige Lustspiele des Aristophanes und die Briefe des Horaz. Auch gab er eine historisch-kritische Uebersicht der besten griechischen, lateinischen, italienischen, franz?sischen und englischen Schriftsteller.
Am liebensw?rdigsten zeigte sich Wieland in seinem Familienkreise. In einem Briefe an seine Freundin Sophie la Roche gestand er, dass er "das Vergn?gen, mit seinen kleinen Kindern zu spielen, allem Vergn?gen der Welt vorziehe." Das meinte er den Grazien zu verdanken, die ?berhaupt f?r ihn "sehr wesentliche Gottheiten" w?ren. Bei Uebersendung des unter diesem Namen von ihm verfassten Gedichts, das er 1770 vollendet hatte, schrieb Wieland: "Die Grazien thun mir unendlich viel Gutes; sie geben meinen Gedichten Reiz, mir zuweilen Heiterkeit und noch ?fter Zufriedenheit mit meinem Zustande; kurz, sie sind meine Schutzg?ttinnen, und ich werde ihnen bis zum letzten Lebensaugenblicke dienen."
So suchte sich Wieland als humoristischer Schriftsteller, wof?r er gelten wollte, und nach seinen Anlagen auch wohl gelten konnte, von den Fesseln zu befreien, die den Flug seines Geistes hemmten, und sich zugleich ?ber den in seinen Schriften angestimmten Ton zu rechtfertigen, den die ?ffentliche Meinung mit der W?rde eines Professors der Philosophie f?r nicht vertr?glich zu halten schien. Er ?usserte sich dar?ber mit den Worten: "Man glaubt hier, die Geistesschwere, gew?hnlich Gravit?t genannt, sei eine wesentliche Eigenschaft eines akademischen Lehrers, und man kann oder will nicht sehen, dass ein Autor, der f?r das Publikum und f?r Menschen von Geist schreibt, nicht wie ein Schulmeister schreiben darf."
Dieser Aeusserungen ungeachtet, glaubte Wieland doch seinen Beruf als Professor auch in literarischer Hinsicht rechtfertigen zu m?ssen. Der Entwurf, eine "Geschichte des menschlichen Geistes" zu schreiben, die er dem Churf?rsten von Mainz zueignen wollte, blieb zwar unausgef?hrt. Aber Bruchst?cke einer solchen Geschichte waren gewissermassen alle Werke Wielands, die in den Jahren 1770-1772 entstanden. Das Studium der Natur des Menschen ward sein angelegentlichstes Gesch?ft. In den Aufs?tzen: "Was ist Wahrheit?" und "Welchen Zweck hat die Philosophie?" hatte er sich zwei wichtige Fragen vorgelegt, ohne sich jedoch einzubilden, dass er mit den kurzen Antworten, die er darauf gab, seinen Gegenstand ersch?pft habe. Seinen "Betrachtungen ?ber Rousseau's urspr?nglichen Zustand des Menschen," f?gte Wieland, gewissermassen als Erg?nzung, einen Aufsatz bei: "Ueber die Behauptung, dass ungehemmte Ausbildung der menschlichen Gattung nachtheilig sei." Den Contrast zwischen den von Rousseau ge?usserten Ideen und der Beschaffenheit der menschlichen Natur wollte Wieland durch Beispiele noch anschaulicher machen. Zu diesem Behuf schrieb er ausser einem Roman, "Koxkox oder Kikequetzel" betitelt, die "Reisen und Bekenntnisse des Priesters Abulfauaris."
Ohne seine fast g?nzliche Zur?ckgezogenheit und den anhaltendsten Fleiss h?tte Wieland w?hrend seines dreij?hrigen Aufenthalts in Erfurt so viel als Schriftsteller nicht leisten k?nnen, wie er wirklich leistete. Ueberdies ward er oft unterbrochen in seinen literarischen Besch?ftigungen theils durch Arbeiten, die ihm die churmainzische Regierung ?bertrug, theils durch Aufforderungen zu zweckm?ssigen Vorschl?gen, wie der Flor der Universit?t zu bef?rdern seyn m?chte. Unter diesen mannigfachen Gesch?ften war er nicht der Sorge ?berhoben, mit seiner Familie anst?ndig leben zu k?nnen. Sein Gehalt war m?ssig, und von seinen Vorlesungen, so zahlreich sie auch besucht wurden, hatte er wenig Gewinn. Auch ohne innern Trieb h?tte er zur Feder greifen m?ssen. Nur von seinem anhaltenden Fleiss, nicht von der Gnade seines F?rsten, hoffte Wieland, nach seinen eigenen Aeusserungen, eine Verbesserung seiner Lage.
In einem Briefe Jacobi's, welchem Wieland im M?rz 1771 in Ehrenbreitenstein, wo er sich damals aufhielt, einen Besuch machte, hat sich eine Schilderung von Wielands Aeusseren und seiner Pers?nlichkeit in jener Periode seines Lebens erhalten. "Beim ersten Anblick," schrieb Jacobi, "schien mir seine Physiognomie nicht sehr bedeutend. Seine Augen sind klein und etwas tr?b, und die Menge von Blatternarben, womit seine Haut ?berdeckt ist, machen, dass seine Z?ge nicht genug hervorstechen, um sich geh?rig auszeichnen zu k?nnen. Nichts desto weniger dr?ckt sich in seiner ganzen Gebehrde das Feuer seines Geistes und der Charakter seiner Empfindungsart auf eine ausserordentliche und eigent?mliche Weise aus. Wenn er stark ger?hrt ist, ger?th sein ganzer K?rper, doch auf eine fast unmerkliche Weise, in Bewegung; seine Muskeln dehnen sich aus; seine Augen werden heller und gl?nzender; sein Mund ?ffnet sich etwas; und so bleibt er in einer Art von Erstarrung, bis er einige Worte ausgesprochen, oder seinem Freunde die Hand gedr?ckt hat. Dieser Ausdruck in Wielands Person ist so fein, dass er den Meisten unbemerkt bleiben muss; ich aber bin davon mehr als einmal bis auf das Mark ersch?ttert worden. Wieland geht schnell von einem Vorwurf zum andern ?ber, weil er in einem Nu eine Reihe von Gedanken oder eine Situation durchschaut und empfunden hat. Bei ihm w?rde es Zeitverderbniss seyn, wenn er l?nger dabei verweilte." Zu den Eigenschaften, die nach Jacobi's Ausdruck, "Wielands Charakter eben so liebens- und verehrungsw?rdig machten, als sein Genie," rechnete Jacobi "die nat?rliche, sch?ne und m?nnliche Empfindsamkeit seiner Seele; die unzerst?rtere G?te seines Herzens; seine warme, uneigenn?tzige, zu Neid und Eifersucht ihn ganz unf?hig machende Liebe des Wahren und Sch?nen; seine ungeheuchelte Bescheidenheit und unglaubliche Aufrichtigkeit."
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