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Read Ebook: Am Glück vorbei by Sudermann Clara

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Ebook has 1007 lines and 36465 words, and 21 pages

Gertrud liess sich alles gefallen und sagte, das t?te gut. Wenn sie nur bleiben d?rfte! Bei Maggie w?re ihr wohl, da h?tte sie keine Angst.

Maggie dehnte den prachtvollen, ?ppig schlanken Leib. >>Es sollte auch mal einer wagen, dir zu nahe zu kommen. F?r dich setze ich alles ein, was ich ?brig behalte, wenn ich f?r mich gesorgt habe.<<

Gertrud richtete sich auf und sah sie fragend an. >>Warum sagst du so was?<<

>>Weil es wahr ist, Trude. Ich kann nun mal nicht anders. Ich muss immer zuerst an mich denken, und was f?r mich am bequemsten und besten w?re. Aber dann kommst du, Liebling. Du bist das einzige, was ich ganz liebhabe. Von Kindheit an. Vielleicht, weil du so anders bist. So zerbrechlich und so sch?n und gut.<<

>>Ach, Maggie, ich bin nichts, als zuviel auf der Welt,<< weinte die junge Frau.

Maggie l?schte die Lampe und setzte sich zu ihr.

>>Nun wollen wir mal vern?nftig reden, Kind!<< sagte sie. >>Sei still, erz?hle mir nur, wie das denn nun so mit einem Male zum Klappen gekommen ist.<<

Aus dem Schluchzen und den unverst?ndlichen Worten klang ein Name voll heraus: >>Seckersdorf<<.

Maggie fuhr zusammen. >>Hast du ihn noch immer lieb?<< fragte sie leise.

>>Gott bewahre! Nein, nein, nein!<< sagte Gertrud heftig. >>Aber wir trafen neulich in Waldlack zusammen. Ich hatte keine Ahnung, dass er hier ist. Und wir sassen bei Tisch zusammen.<<

>>Und da hat er dir den Hof gemacht?<<

>>Ach, nein. Wir haben uns nur angesehen. Aber, Maggie, das Herz wurde mir ganz schwer. Die lieben, stillen, blauen Augen. So vorwurfsvoll und traurig.<<

>>Und was sagte er?<<

>>Wir haben nur wenig gesprochen, aber Kurt behauptete nachher, ich h?tte mich l?cherlich gemacht, und jeder Mensch h?tte sehen k?nnen, dass ich mich betragen habe, wie eine ... eine ... Ich habe ihn ja vielleicht auch liebevoll angesehen. Aber wahrhaftig nicht absichtlich. Ich m?chte lieber tot sein, als das tun.<<

>>Und Kurt machte dir zu Hause eine Szene?<<

>>Oh, er war masslos. Ich kann all die Beschimpfungen gar nicht wiederholen. Und er jagte mich fort. Ach, Maggie, du hast ja keine Ahnung, wie furchtbar es ist, verheiratet zu sein.<<

>>Doch, doch!<< sagte Maggie. >>Ich kann dir sagen, wenn man nicht alt w?rde, oder sehr reich w?re und leben k?nnte, wie man wollte, ich w?re die Letzte, die ans Heiraten d?chte. ?brigens mit deinem liebensw?rdigen Manne m?cht' ich doch noch besser fertig werden als du, mein armes Kind. Hast du dir das denn auch stillschweigend gefallen lassen?<<

>>Nein!<< sagte Gertrud. >>Es war zu viel. Ich hatte auch etwas mehr Mut. Weisst du, es ist ja Unsinn und auch unrecht; aber ich hatte nicht so gr?ssliche Angst, weil ich weiss, dass 'er' wieder da ist. Und wie die Qu?lereien nun fortgingen, da ...<<

Ein langes Schweigen entstand. Maggie erg?nzte sich alles, was die Schwester stockend verschwieg. Sie dachte auch an die Zeit zur?ck, in der Gertrud hier Nacht f?r Nacht geweint und ihr auf ihre kecken Fragen zugegeben hatte, dass sie sich vor ihrem Br?utigam f?rchte, dass sie am liebsten vor der Hochzeit sterben m?chte.

Ihr, mit ihren sechzehn Jahren, war das ?beraus interessant vorgekommen, aber schliesslich selbstverst?ndlich. Die ungl?ckliche Liebe zu dem blonden Leutnant Seckersdorf, von der im Hause viel die Rede war, hatte die sch?ne Schwester mit ganz besonderem Glanze umkleidet. Dass dann nichts daraus wurde, dass der reiche, verw?hnte, vornehme Laukischker Kurowski kam und Gertrud ihn unter tausend Tr?nen nahm, das hatte ihrem Backfischverstand sehr gut gefallen, und wenn sie sp?ter dann die Schwester gesehen, von Luxus umgeben, dann war das eben alles ein St?ck des Romans gewesen, den sie sich zurechtgebaut hatte, in dem die sch?ne, weisshaarige Gertrud und ihr br?netter, kraftvoller Mann allen W?nschen jungm?dchenhafter Romantik entsprachen.

Wie lange machte sie sich nun schon keine Illusionen mehr ?ber die wirkliche Lage der Dinge! Wie lange wusste sie, dass Gertrud tief ungl?cklich, dass ihr Leben ein verfehltes war, dass man eine S?nde begangen, als man sie in diese Ehe mit dem r?den Kurowski hineingeredet hatte.

Aber wie war dieses Hineinreden m?glich gewesen? Sie selbst, das wusste sie, w?rde nicht einen Augenblick zwischen dem reichen Kurowski und dem damals armen Leutnant Seckersdorf geschwankt haben; denn ?ber alles >>Gernhaben<< hinaus w?rde sie immer zu allererst nach einer Stellung streben. Aber Gertrud, die ehrliche, weiche, liebebed?rftige Gertrud, die niemals rechnete, wie hatte die sich durch ?usseren Glanz bestechen lassen k?nnen?

>>Trude, weshalb hast du ihn nur genommen? Du hattest Seckersdorf doch lieb!<< fragte sie nach dem langen Schweigen.

Gertrud legte den Kopf auf ihren Schoss. >>Ach liebes Kind, das kam alles so schnell. Und Hans selbst gab mich auf. Da wollte ich ihm zeigen ... Aber das sind alte, alte Geschichten. Wir armen Frauen lernen die Wirklichkeit ja erst kennen, wenn wir heiraten.<<

Maggie sch?ttelte den Kopf und streichelte die Haare der Schwester. Sie kannte die Wirklichkeit, auch ohne viel erlebt zu haben, sie wusste, sie h?tte sich mit dem allen sicherlich anders abgefunden.

>>Sage mal, Gertrud,<< die Frage schoss ihr durch den Kopf, >>wusste eigentlich Kurt von der Sache mit Seckersdorf?<<

>>Nat?rlich. Schon ehe wir uns verlobten. Ich glaube ?brigens, dass alle Welt es wusste. Und dann, in den ersten Tagen nach unserer Hochzeit, dachte ich, ich w?re es ihm schuldig, alles, alles zu beichten, jede Begegnung, jedes Wort, das ich je mit Hans ... mit Seckersdorf gesprochen hatte.<<

>>O weh, o weh!<< sagte Maggie. >>Das h?tt' ich schon nie getan. Was wird der sich daraus zurechtgemacht haben?<<

>>Ach, nein,<< sagte Gertrud. >>Er weiss ja, dass ich aufrichtig bin.<<

>>So? Und der Auftritt von neulich? Sag' mir, liebes Herz, sag' mir einmal alles, was du ihm erz?hlt hast, ich meine, was du zu erz?hlen hattest. Ich m?chte dir gern helfen, aber dann muss ich auch wissen, wie das mit Seckersdorf kam, -- wie ihr auseinandergingt.<<

Da erfuhr sie denn die unschuldig harmlose Liebesgeschichte, die sich vor acht Jahren zwischen Hans Seckersdorf und Gertrud Hagedorn abgespielt hatte, so harmlos, dass sie banal gewesen w?re, ohne Gertrud als Heldin.

Maggie sah sie deutlich vor sich, in der ersten leuchtenden Jugendsch?nheit, die sie von der englischen Mutter geerbt hatte. Vollendet in den regelm?ssig zarten Formen, von einem Farbenzauber, der fast ?berirdisch schien, und dazu das ?ppige, weissblonde Haar, das seinesgleichen in der Welt nicht fand.

Der Welt! Maggie musste l?cheln. Die ganze kleine Welt ihrer Umgebung irrte einen Augenblick an ihren Gedanken vor?ber. Gutsbesitzer, Leutnants, wieder Gutsbesitzer, alt -- jung, zum Verwechseln gleich. Was k?mmerte sie das jetzt?

Aber in Gertruds Erz?hlung wurde der ganze Zauber der M?dchenzeit lebendig. Tanzgesellschaften, Picknicks, Theaterspiel, Blickewechsel und leise H?ndedr?cke. Hier und da ein kleines Missverst?ndnis, sehr ernst geweinte Tr?nen, Vers?hnung in einer Kotillontour. Und Gl?ckseligkeit und Hoffnung das immer wiederkehrende Leitmotiv dieses Idylls.

In Waldlack, wo sie sich eben jetzt getroffen, hatten sie sich damals versprochen. Er hatte mit seinem Onkel unterhandeln wollen, demselben, der ihn jetzt, nach dem Tode seiner beiden S?hne adoptiert und mit Reichtum ?bersch?ttet hatte; sie dagegen hatte ihn gebeten, erst mit ihrem Vater zu sprechen. Das war geschehen, und Maggie kannte das Ende aller Verhandlungen -- das Ende ihres Gl?ckes.

In der Zeit gerade war Kurowski von Kurland gekommen und hatte Laukischken gekauft.

>>Du weisst ja, wie er von Anfang an war!<< sagte Gertrud seufzend. >>?berall hat er gesagt, er m?sse mich bekommen, und Hans musste still dazu sein. Wir wollten damals warten. Ach, Maggie, wir haben ja niemals viel zusammen gesprochen, leider. Aber wenn wir uns einmal ansahen, dann wussten wir, sagte jeder dem andern: 'Ich hab' dich lieb f?r ewig!' So ?ber den ganzen Tisch weg, oder durch den Saal. Deshalb dachte ich mir auch gar nichts, wenn ich mit Kurt zusammen sass, und h?rte kaum auf seine ?bertriebenen Schmeicheleien. Und als Hans mir dann einmal eine kurze Andeutung machte, zog ich mich auch gleich zur?ck. Aber es war schon zu sp?t. Kurt hielt um mich an. Das weisst du ja alles, wie ich 'nein' sagte, und Papa und die Perl ausser sich waren und qu?lten und qu?lten! Und dann kam Hans an dem schrecklichen Sonntag, im Helm, weisst du noch? seinen Abschiedsbesuch machen, so ganz aus heiterem Himmel, und bat mich um eine Unterredung. Wir gingen in Papas Stube. Ich hatte ja keine Ahnung, dass er mit dem schon vorher alles abgeredet hatte, ich dachte, er wollte mich in die Arme nehmen, ein einziges Mal, und ich breitete ihm schon meine entgegen. Da sch?ttelte er den Kopf und sagte: 'Gertrud, ich habe Sie um diese Unterredung gebeten, um Ihnen Ihr Wort zur?ckzugeben, Sie von jeder Verpflichtung zu l?sen, wenn je eine bestand.' Ich war wie versteinert. 'Weshalb, weshalb, was habe ich denn getan?' Er sagte: 'Sie? Nein. Sie nichts und ich nichts. Aber die Verh?ltnisse. Es geht nicht! Solange ich lebe, werde ich an Sie denken. Leben Sie wohl!' Nicht einmal die Hand gab er mir, und lief hinaus. Und ihr alle kamt herein! Weisst du's noch?<<

>>Alles, Alles!<< sagte Maggie. >>Man, oder gut deutsch gesagt, Papa, erz?hlte uns, dass Seckersdorf sich habe versetzen lassen, um sich zu rangieren und eine gute Partie zu machen. Ich glaube, er nannte auch einen Namen. Und es wunderte sich keiner dar?ber. Ich weiss noch, dass Kurowski bei seinem n?chsten Besuche sehr nett von ihm sprach. Na ... und so weiter. Wir wissen ja, wie alles andere dann kam. Und dass ein halbes Jahr sp?ter Seckersdorf ... Reg' dich nicht auf, Liebling!<<

>>Nein, nein,<< sagte Gertrud. >>Das ist ja alles lang ?berwunden, muss es ja sein. Ich habe auch die Kinder und bin eine alte Frau geworden. Und, Maggie, wenn ich's mir ?berlege, es ist ja Wahnsinn! Ich will mich von Kurt trennen, und ich klage dir von Seckersdorf vor. Ich verstehe mich selbst nicht.<<

>>Ich habe das alles ja von dir herausgelockt,<< tr?stete Maggie. >>Weisst du was? Wir wollen jetzt gar nichts mehr reden, wir wollen versuchen zu schlafen. Und morgen ?berlegen wir alles.<<

Sie k?sste die Schwester und ging zu Bett.

Es war nun still im Zimmer. Aber draussen brauste es in den Buchen, wie ferne Meeresbrandung.

>>Trude!<< sagte Maggie pl?tzlich.

>>Ja?<<

>>Trude, du musst von Kurt geschieden werden und mit Seckersdorf wieder zusammenkommen.<<

>>Um Gottes willen!<< rief Gertrud entsetzt.

>>Ich lege mir eben alles zurecht. Du bleibst ganz aus dem Spiel. Du darfst ihn nicht sehen und nicht sprechen ... Ich mach's. Gott sei Dank, etwas Vern?nftiges zu tun! Trude, Darling, du sollst doch noch gl?cklich werden.<<

>>Maggie,<< sagte Gertrud leise, >>du meinst es gewiss sehr gut. Aber ich bitte dich, sprich so etwas nicht wieder aus. Ich will mich rein halten, auch in Gedanken. Mache mir das nicht schwer!<<

>>Still!<< rief Maggie. >>Ich sage dir ja, ich nehme alles auf mich. Du bleibst nat?rlich unsere weisse Lilie und bl?hst uns wieder auf und ... Gute Nacht, liebes Kind!<<

Am Morgen hatte das Wetter sich ausgetobt. ?ber die bunten Laubb?ume strichen gelbe Sonnenbahnen. Grauweisse Wolken ballten und jagten sich hoch oben, und klar, tiefblau leuchtete der Himmel dahinter vor. Weit ins Land hinein wogte das gr?ne Waldmeer. Herbe Duftwellen schwangen sich von ihm durch die Luft.

Gertrud sah froh hinunter.

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