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Read Ebook: Platons Gastmahl by Plato BCE BCE Kassner Rudolf Translator

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Ebook has 57 lines and 24807 words, and 2 pages

Translator: Rudolf Kassner

MEDIUM TE MUNDI POSUI, UT CIRCUMSPICERES INDE COMMODIUS QUIDQUID EST IN MUNDO ? NEC TE COELESTEM NECQUE TERRENUM NECQUE MORTALEM NECQUE IMMORTALEM FECIMUS, UT TUI IPSIUS QUASI ARBITRARIUS HONORARIUSQUE PLASTES ET FICTOR IN QUAM MALUERIS TU TE FORMAM EFFINGAS ? POTERIS IN INFERIORA QUAE SUNT BRUTA DEGENERARE, POTERIS IN SUPERIORA QUAE SUNT DIVINA EX TUI ANIMI SENTENTIA REGENERARI ? O SUMMAM DEI PATRIS LIBERALITATEM, SUMMAM ET ADMIRANDAM HOMINIS FOELICITATEM ? PICO DI MIRANDOLA ,,ORATIO"

PLATONS GASTMAHL

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS JENA 1922

FRAU E. BRUCKMANN-CANTACUZENE GEWIDMET

ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER ?BERSETZUNG IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN. COPYRIGHT 1922 BY EUGEN DIEDERICHS VERLAG IN JENA

,,Bitte, mache dich nicht ?ber mich lustig," sagt mein Freund, ,,sage lieber, wann hat das Gastmahl also stattgefunden?"

,,Wir waren noch Kinder, Agathon hatte mit seiner ersten Trag?die gesiegt und mit seinen Choreuten den Sieg gefeiert, den Tag darauf nun da hat das Gastmahl stattgefunden!"

,,Das ist allerdings schon lange her. Aber von wem weisst du das alles?" fragte Glaukon weiter. ,,Von Sokrates selbst?"

,,Ach Gott, nein, nein! Von ebendemselben, von dem Phoinix es geh?rt hat: von Aristodemos aus Kyth?ron, vom kleinen Aristodemos, der immer wie der Meister ohne Sandalen herumlief. Er war dabei; ich glaube, seine Beziehungen zu Sokrates waren ganz besonders innige. Sp?ter habe ich noch Sokrates selbst um einiges gefragt, und Sokrates best?tigte, es sei alles so gewesen, wie Aristodemos es mir geschildert hat."

,,Gut, gut, so erz?hle du mir jetzt nun alles!" drang Glaukon weiter. ,,Wir gehen beide in die Stadt, und auf dem Wege kann man so gut reden und zuh?ren!"

Nun, so gingen wir beide zusammen nach der Stadt und sprachen dar?ber; ich bin also, wie gesagt, vorbereitet. Und wenn es sein muss, so will ich auch euch alles erz?hlen. Aufrichtig, ich freue mich jedesmal unb?ndig, wenn ich entweder selbst ?ber Philosophie sprechen oder davon h?ren darf. Von der F?rderung, die ich dadurch erfahre, rede ich erst gar nicht. ?ber das, was man so den Tag ?ber schwatzt, was ihr Reichen und Kr?mer zusammenschwatzt, ?rgere ich mich doch nur; ja ich bemitleide euch, denn ihr glaubt immer, weiss Gott was zu tun und kommt doch nicht weiter. Vielleicht werdet ihr euerseits wieder mich bemitleiden, vielleicht habt ihr recht, ja, ich bin bemitleidenswert, ja! Aber ihr, meine Lieben, seid es in einem ganz anderen Sinne, und ihr seid es nicht nur vielleicht, ihr seid es bestimmt, das weiss ich."

Phaidros h?tte also begonnen: ,,Ein grosser Gott ist Eros und wunderbar unter Menschen und G?ttern, gross und wunderbar in vielem Sinne und vor allem dann, wenn wir an seine Geburt denken. Denn Eros ist der ?lteste der G?tter, und das allein ist ein Vorzug. Eros hat keinen Vater und keine Mutter, Dichter und Laien wissen nichts von seiner Geburt. Hesiod sagt, am Anfang sei das Chaos gewesen und ,dann die breite Erde, der Wesen ewig sicherer Sitz und endlich Eros'. Und Parmenides erz?hlt von der Sch?pfung, sie habe von allen G?ttern zuerst den Gott der Liebe ersonnen. Wie Hesiod denkt auch Akusilaos, und so gilt denn Eros wirklich vielen als der ?lteste Gott. Und darum ist er auch der Spender h?chster Gaben. Ich w?sste denn auch keine h?here Gabe als einem J?ngling den treuen Freund und diesem den Geliebten. Was allen Menschen, die edel ihr Leben f?hren wollen, immer notwendig sein soll, das k?nnen diesen nicht Geburt, nicht Ehre, nicht Reichtum so reich geben, wie die Liebe es gibt. Denn die Liebe allein gibt die Scham vor dem Laster und den Ehrgeiz alles Edlen, und ohne beide vermag eine ganze Stadt, vermag der Einzelne nicht das Grosse zu wirken. Ich meine, wenn ein J?ngling irgend etwas ganz Schlechtes getan hat oder seine Feigheit den Gegner nicht wehren wollte, so wird die offene Scham ihn vor seinen Eltern oder Gef?hrten lange nicht so wie vor dem Geliebten schmerzen. Und wenn der Geliebte bei etwas Schlechtem ertappt wird, so empfindet er vor niemandem so bitter die Schande wie vor dem Freunde! Die Freunde und die Geliebten -- ja sollte es m?glich sein, aus beiden eine ganze Stadt oder ein ganzes Heer zu bilden, so k?nnten eine so gemeinsame Abscheu vor dem Laster und ein so selbstloser Ehrgeiz das Staatswesen nicht besser verwalten, und wenn sie gemeinsam in die Schlacht z?gen, m?ssten sie, wenn ihrer auch nur wenige w?ren, alle anderen, ich sage gleich, die ganze Welt besiegen. Ein J?ngling, der die Waffen wegwirft und die Schlachtreihe verl?sst, w?rde wohl von allen anderen besser als von dem Geliebten empfangen werden und eher sterben, bevor er dies t?te. Oder gar den Geliebten verlassen, ihm in der Gefahr nicht beispringen: so feige ist niemand -- jeden hat die Liebe so mit g?ttlichem Mute begabt, dass er sich dann mit dem K?hnsten messe. Und wenn der Gott, wie Homer ungeschickt sagt, einigen Helden den Mut einhaucht, so schenkt Eros sich selbst den Liebenden als Mut.

Und nur Liebende wollen f?reinander sterben, und das tun nicht nur M?nner, sondern sogar die Frauen. Alkestis, des Pelias Tochter, hat es vor allen Griechen bewiesen. Sie, sie allein wollte f?r Admet in den Tod gehen, und doch lebten diesem noch Vater und Mutter. Ja, Alkestis stand um ihrer Liebe willen so hoch ?ber diesen, dass sie f?r immer dartat, wie Eltern im Grunde und zuletzt dem Sohne doch fremd w?ren und ihm nur den Namen g?ben. Und der Alkestis Tat war auch vor den G?ttern so edel, dass liebend diese der Alkestis Seele aus dem Hades liessen, eine Gnade, welche nur wenigen und nur denen, die H?chstes vollbracht haben, G?tter gew?hren. So ehren die G?tter den Eifer und Mut der Liebe. Orpheus dagegen, den Sohn des Oiagros, liessen sie erfolglos aus dem Hades gehen, die G?tter zeigten ihm nur den Schatten des Weibes, um das er kam, Eurydike selbst gaben sie nicht zur?ck, denn Orpheus war ein Musiker und feige, und statt um der Liebe willen gleich Alkestis zu sterben, wollte er es erzwingen, lebend unter die Schatten zu treten. Darum sandten die G?tter ihm die Strafe und liessen ihn von den M?naden, von Weibern, zerfleischen. Achilleus aber, den Sohn der Thetis, ehrten sie, und ihn sandten sie hin nach den Inseln der Seligen. Aus der Mutter Munde hatte der Held erfahren, dass er w?hlen m?sse: ,Wenn du Hektor t?test, so musst du jung in Troja sterben, doch wenn du ihn schonst, so kehrst du nach der Heimat zur?ck und scheidest als Greis vom Leben.' Achilleus war stark und w?hlte den fr?hen Tod und r?chte Patroklos, der ihn geliebt hatte, er starb nicht f?r ihn, nein, er starb dem toten Freunde nach. Und weil Achilleus den Freund so hochhielt, darum haben ?berschwenglich ihn die G?tter geliebt und geehrt. ?schylos schwatzt, wenn er behauptet, Patroklos sei der Geliebte und Achilleus der Freund gewesen, denn Achilleus war nicht nur sch?ner als Patroklos, er war sch?ner als alle anderen Helden und hatte, wie ausserdem Homer sagt, noch keinen Bart und war der j?ngere. Es ehren die G?tter ja ?berall den Mut in der Liebe, aber sie staunen mehr und spenden reicher die Gnade, wenn der Geliebte dem Freunde, als wenn der Freund dem Geliebten die Liebe beweist. Denn der Freund ist g?ttlicher als der Geliebte. Der Freund tr?gt den Gott in sich. Und darum haben die G?tter Achilleus mehr geehrt als Alkestis, und Achilleus und nicht Alkestis haben sie nach den Inseln der Seligen geschickt. Ich schliesse und sage, Eros ist von allen G?ttern der ?lteste und ehrw?rdigste und der hohe Herr aller, die im Leben und nach dem Tode zur Tugend und zum Heile kommen wollen."

Der Eros der irdischen Aphrodite ist nun wirklich irdisch und ?berall und gemein und zuf?llig. Und alles Gemeine bekennt sich zu ihm. Der Gemeine liebt wahllos Weiber und Knaben, und er liebt immer nur den Leib, er liebt vor allem die geistig noch unentwickelten Knaben, da er eben nur den Zweck will und die Art ihn nicht k?mmert. So handelt er denn auch immer ganz zuf?llig, heute gut und morgen schlecht, und liebt, was ihm begegnet. Seine G?ttin ist die j?ngere, und an der Zeugung und Geburt der irdischen Aphrodite hatten der Mann und das Weib, beide Geschlechter, teil. Die hohe Liebe stammt von der himmlischen Aphrodite, und die himmlische Aphrodite war aus dem Manne frei geschaffen und ist die ?ltere und voll Mass und geb?ndigt. Und darum also streben sehnend alle J?nglinge und M?nner, welche diese Liebe begeistert, zum m?nnlichen, zum eigenen Geschlechte hin: sie lieben die st?rkere Natur und den h?heren Sinn. Aber auch hier in der M?nnerliebe m?ssen wir von anderen scharf diejenigen scheiden, die nur von der hohen Liebe und nur von ihr gef?hrt werden. Sie lieben die J?nglinge erst, wenn diese selbst?ndig zu denken beginnen, es ist das im allgemeinen um die Zeit, da diesen der Bart keimt. Und wer hier den J?ngling zu lieben beginnt, wird dann auch bereit sein, sein ganzes Leben mit dem Geliebten gemeinsam zu f?hren, und wird ihn nicht betr?gen und auslachen und davon zu einem andern laufen, etwas, das immer vorkommt, wenn er den Geliebten, da dieser beinahe noch ein Kind war, genommen hat. Ich meine, es sollte ein Gesetz geben, das da verbietet, Knaben zu lieben, damit nicht so ins Ungewisse hinein viel Leidenschaft verschwendet werde. Man kann nie wissen, wie ein Knabe sich an Geist und K?rper entwickeln werde. Der Edle wird sich dieses Gesetz selbst geben, die anderen sollten wir dazu zwingen, wie wir sie ja auch, soweit es da ?berhaupt m?glich ist, zwingen, freie Frauen nicht zu sch?nden. Denn diese Niedrigen sind es, die unsere hohe Liebe so in Verruf gebracht haben, dass man jetzt ?berall h?rt, der Geliebte d?rfe dem Freunde nicht zu Willen sein. Man denkt da nat?rlich nur an sie und sieht ihre Taktlosigkeit und ihr Unrecht, und alles Regellose und Ungesetzliche verdient ja mit Recht Tadel.

In den anderen St?dten sind die Anschauungen von der Liebe leicht zu verstehen: alles ist da einfach und bestimmt; nur hier bei uns und in Lakedaimon scheinen sie schwierig und verwickelt. In Elis und B?otien, ?berall also, wo die Leute nicht sonderlich redegewandt sind, heisst es kurz: dem Freunde zu Willen sein ist gut, und kein Mann und kein J?ngling wird anders denken. Denn durch diese Bestimmtheit meiden sie ein f?r allemal die Gefahr, die Geliebten erst ?berreden zu m?ssen, denn reden -- das k?nnen sie nun einmal nicht. In Jonien dagegen und ?berall bei den Barbaren gilt unsere Liebe einfach f?r eine Schande. Unter Barbaren verdammt sie die Tyrannis, wie diese ja schliesslich auch die Philosophie und K?rperbildung verurteilt. Denn dem Tyrannen kann es nicht sehr f?rderlich sein, wenn seinen Kreaturen der Verstand w?chst und unter diesen starke Freundschaftsb?nde entstehen, denn gerade solche bildet gerne die Liebe. Unsere Tyrannen haben es am eigenen Leibe erfahren: die Liebe des Harmodios und Aristogeiton ist stark geworden und hat deren Herrschaft gebrochen. Noch einmal also, immer dort, wo es f?r eine Schande gilt, dem Freunde zu Willen zu sein, spricht nur die Niedrigkeit der Anschauungen, das heisst: die Herrschsucht des Tyrannen und die Feigheit des Sklaven; wo es aber ohne Umst?nde f?r selbstverst?ndlich gilt wie in Elis und B?otien, dort ist die Sitte eben noch roh.

Bei uns nun ist die Sitte edler und, wie ich schon gesagt habe, nicht leicht verst?ndlich. Man denke nur, es gilt f?r edler, offen zu lieben als verstohlen, f?r edler, die Vornehmsten und T?chtigsten, auch wenn sie weniger sch?n w?ren als andere, zu lieben, man denke weiter, in wunderbarer Weise gibt alles dem Liebenden recht und ermutigt ihn wie einen, der durchaus nicht schlecht handelt; ja, wer den Geliebten gewinnt, hat recht getan, und wer es nicht vermag, tr?gt den Schimpf davon. Und damit der Freund sein Ziel erreiche und den Geliebten gewinne, gibt unsere Sitte ihm Freiheiten, das Wunderlichste unter dem Beifall aller zu tun, Dinge zu tun, die ihm Schande br?chten, wenn sie einem anderen Zweck dienten. Denn wollte jemand, um sich Geld zu machen oder einen guten Posten zu erhalten oder im Staate zu Einfluss zu kommen, alles das tun, was der Freund f?r den Geliebten tut, wollte er da ebensoviel bitten und flehen, Eide schw?ren und vor den T?ren liegen, kurz sich niedriger als der letzte Sklave geb?rden, Freund und Feind w?rden sich dagegen erheben: seine Feinde w?rden ihn der Kriecherei und Feigheit zeihen, seine Freunde sich seiner sch?men und ihm helfen. Den Liebenden aber begleitet ?berallhin die Gunst aller, und alles ist ihm nach unserer Sitte erlaubt, ja er handelt nach ihr sogar besonders k?hn. Und was ganz ungeheuer klingt, die G?tter, heisst es, verzeihen Liebenden und nur ihnen den gebrochenen Eid. Die Liebe schw?rt keine Eide, h?rt man die Leute sagen. So geben G?tter und Menschen den Liebenden alle Mittel frei, und das und nichts anderes sagt unsere Sitte.

Das also ist der Eros der himmlischen G?ttin, auch er kommt vom Himmel und ist von grossem Werte f?r die Stadt und den einzelnen, denn er gibt dem Freund und dem Geliebten beiden jene grosse Sorge um die eigene innere T?chtigkeit. Wer von dieser Sorge nichts weiss, der bekennt sich zum irdischen Eros. Und das ist es, Phaidros, was ich, so gut es aus dem Stegreif ging, zum Preise des Gottes beitragen konnte.

Nach Pausanias, erz?hlte Aristodemos, h?tte Aristophanes sprechen sollen. Ob es nun die Folge davon war, dass er gestern zu viel getrunken hatte oder eine andere Ursache hatte, Aristophanes hatte Schlucken und konnte nicht gut sprechen. So sagte er denn zu Eryximachos -- er sass gerade vor dem Arzt Eryximachos --: ,,Eryximachos, du musst mir entweder den Schlucken nehmen oder f?r mich sprechen, bis ich ihn verloren habe. Du kannst ja beides." Eryximachos antwortete: ,,Ich will dir beides tun. Ich werde jetzt f?r dich eintreten, und du kannst dann f?r mich reden. Und wenn du, w?hrend ich rede, den Atem anh?ltst, wird der Schlucken vergehen. Sonst nimm etwas Wasser und gurgle! Sollte er aber sehr heftig sein, so reize mit etwas die Nase und bringe dich zum Niesen! Wenn du das ein- oder zweimal tust, so muss er aufh?ren, und wenn er noch so heftig w?re." ,,Danke, ich werde alles tun; sprich du nur gleich!" sagte Aristophanes.

Eryximachos begann also: ,,Pausanias hat zwar gut begonnen, aber nicht richtig geschlossen, und darum muss ich seine Rede wohl noch vollenden. Dass er zwischen zwei Arten des Eros unterschied, war richtig. Dass aber Eros nicht nur in der Sehnsucht der Seele nach sch?nen J?nglingen, sondern in jeder Begierde, in allem Sehnen herrscht und im Tier, in der Pflanze, in der ganzen Natur lebt, das glaube ich gerade in der Heilkunst, in meiner Kunst, erfahren zu haben. Gross und wie ein Wunder reicht dort in alles G?ttliche und Menschliche dieser Gott. Und um meine Kunst zu ehren, beginne ich auch gleich mit der Heilkunst. Die Natur birgt hier die beiden Arten des Eros in sich, und ich meine das so: das gesunde und das kranke Element im K?rper sind, wie wir alle wissen, zwei verschiedene, zwei entgegengesetzte Dinge. Das eine begehrt nach dem, nach welchem das andere nicht begehrt. Anders wirkt die Liebe im gesunden und anders die Liebe im kranken Element. Pausanias hat oben ausgef?hrt, dass es edel sei, den Edlen, und niedrig, den Niedrigen zu Willen zu sein: nun und genau so ist es hier gut, die gesunden Elemente der Natur, und schlecht, die kranken zu f?rdern, und das heisst Heilkunst, und das muss der Arzt verstehen. Um es gleich zusammenzufassen, die Heilkunst lehrt uns die beiden Neigungen der Natur kennen: die Neigung, Elemente aufzunehmen und die Neigung, Elemente abzustossen, und wer hier die gesunde Neigung von der kranken zu unterscheiden weiss, der ist der beste Arzt, und wer noch dazu die eine Neigung durch die andere zu ersetzen, hier die gesunde Neigung zu erregen, dort die kranke zu vernichten weiss, der ist der Meister. Denn die feindlichen Elemente in der Natur m?ssen wir miteinander vers?hnen, wir m?ssen in ihnen Neigung zueinander erwecken. Die feindlichen Elemente -- das sind die grossen Gegens?tze in der Natur: das Kalte ist dem Warmen, das Bittere dem S?ssen, das Trockene dem Feuchten entgegengesetzt. Und unter diesen Gegens?tzen Neigung, den Eros erwecken -- das verstand Asklepios, unser Ahnherr, und aus dieser Erkenntnis bildete er, wie die Dichter sagen und wie ich es durchaus glaube, unsere Kunst. Die ganze Heilkunst wird ja von diesem Gott beherrscht, die Heilkunst und, damit ich es hier nicht vergesse, die Lehre von der K?rperbildung und der Ackerbau. Und wer nur ein wenig nachdenkt, f?r den gilt dasselbe von der Musik. Herakleitos hat es schon sagen wollen und sich nur schlecht ausgedr?ckt, wenn er behauptet, dass alles Zwiesp?ltige sich wieder eine, wie in der Form Bogen und Leier sich einen. Es ist zun?chst zwar unsinnig, von einer zwiesp?ltigen Einheit zu sprechen und zu sagen, dass eine Einheit aus Zwiesp?ltigem bestehe. Aber vielleicht wollte Herakleitos nur sagen, dass Hoch und Tief zuerst, in der Natur also, zwiesp?ltig seien und in der Musik sich dann einen. Denn ganz unmittelbar gibt es keine Einheit von Hoch und Tief. Alle Einheit ist Zusammenklang und der Zusammenklang ?bereinstimmung. Solange aber noch zwei Dinge zwiesp?ltig sind, so k?nnen sie nicht ?bereinstimmen, und das Widersprechende wieder kann unmittelbar keine Einheit bilden. Auch der Rhythmus entsteht erst dadurch, dass die zwei Masse, Schnell und Langsam, zuerst einander widersprechen m?ssen und dann ?bereinstimmen. Und diese ?bereinstimmung bringt hier die Musik in die Dinge, genau so wie dort die Heilkunde sie in die Dinge gebracht hat: die Musik erregt die Neigung, den Eros unter allem Zwiesp?ltigen. Ich verstehe also unter Musik die Wissenschaft von der Neigung der Gegens?tze, der Gegens?tze von Hoch und Tief, Schnell und Langsam. In diesem abstrakten Verh?ltnis von Einheit und Rhythmus ist der Gott nicht schwer zu erkennen, hier herrscht noch nicht der doppelte Eros.

Wenn wir aber auf den Menschen diese Begriffe von Einheit und Rhythmus anwenden und sie auf Dichtung und Gesang, auf das also, was unsere Erziehung bildet, beziehen sollen, so wird die Sache schwierig und bedarf eines t?chtigen Meisters. Und hier gilt dann der Satz des Pausanias: wir m?ssen der Liebe der massvollen Menschen und aller, die zur Einheit noch kommen wollen, zu Willen sein, sie m?ssen wir h?ten und z?chten, denn es ist das der reine himmlische Gott, der Gott der Muse Urania. Die irdische Liebe, den Gott der Muse Polyhymnia, d?rfen wir nur mit Vorsicht anwenden, damit die Lust, die der Mensch aus ihr sch?pft, ihm nicht alles Mass nehme; es ist ja f?r uns ?rzte auch sehr wichtig, daf?r zu sorgen, dass der Mensch alle Gen?sse der Kochkunst ohne Schaden geniesse. Und so m?ssen wir denn in der Musik, in der Heilkunst, in allem G?ttlichen und Menschlichen ?berall die beiden Arten des Eros beobachten: denn sie stecken in den Dingen selbst, beide Eroten stecken in den Dingen.

Und weiter -- auch im Verh?ltnis der Jahreszeiten leben sie, der echte Eros und der falsche. Wenn der echte Eros sich zwischen warm und kalt, zwischen trocken und feucht zeigt und hier alles Zwiesp?ltige sich eint und weise mischt, so bringt das Jahr Segen und Gesundheit f?r Mensch und Tier und Gew?chs. Wenn aber der falsche, masslose Eros ?ber den Jahreszeiten waltet, so vernichtet er viel und bringt Schaden; dann entstehen grosse Seuchen unter den Tieren, und viele b?se Krankheiten bilden sich an den Pflanzen, und der Reif und Hagel und Brand kommen, wenn alles sich zu gierig und masslos liebt. Ich verstehe unter der Wissenschaft, welche die ganze Liebe in der Natur auf den Lauf der Sterne und den Wechsel der Jahreszeiten bezieht, die Astronomie.

Endlich aber haben wir noch die Opfer und die Kunst der Seher -- alles also, wodurch die G?tter mit den Menschen verkehren -- damit diese ?ber der Liebe wachen und sie heilen. Alle Gottlosigkeit kommt daher, dass der Mensch in seinem Verh?ltnis zu seinen Eltern, den verstorbenen oder lebenden, und zu seinen G?ttern dem echten Eros sich nicht hingibt und den falschen ehrt, dem falschen dient. Es ist die Pflicht der Seher, auf Eros acht zu haben und den falschen zu heilen; denn die Kunst der Seher ist da, damit sie Freundschaft zwischen den G?ttern und den Menschen schaffe und erkenne, ob alles Lieben der Menschen nach den Satzungen und zur Fr?mmigkeit strebe.

So hat denn viel und grosse, ja alle Macht der ganze Eros, und indem er alle guten Dinge klug und gerecht vollendet, hat er die gr?sste Macht und bringt uns das ganze Heil und macht uns f?hig, untereinander und denen, die mehr sind als wir, den G?ttern Freunde zu sein. Vielleicht habe ich, da ich den Gott pries, vieles ?bersehen, aber dann ist es gegen meinen Willen geschehen. Deine Aufgabe, Aristophanes, mag es sein, die L?cken zu f?llen. Und wenn du ?berhaupt im Sinne hast, den Gott zu preisen, so tue es gleich, da ja dein Schlucken vergangen ist!"

Aristophanes griff das gleich auf und erwiderte: ,,Ja, ja, der Schlucken hat jetzt wirklich aufgeh?rt. Ich konnte ihm allerdings erst mit dem Niesen beikommen und wundere mich eigentlich, dass die Zucht unseres Leibes, von der du sprachst, soviel Umst?nde wie das Niesen braucht. Jedenfalls hat er aber ganz aufgeh?rt, da ich dieses Mittel anwandte!" ,,Aber mein Bester, gib nur acht auf dich", sprach Eryximachos, ,,statt zu reden machst du Witze und zwingst mich, deine Rede zu kontrollieren. Denn am Ende wirst du wieder nur etwas Komisches aufbringen, obwohl du doch ganz ernst bleiben kannst." ,,Du hast recht," lachte Aristophanes, ,,vergiss, was ich gesagt habe! Aber bitte, nimm es nicht zu genau, denn ich f?rchte, was ich sagen werde, wird nicht komisch -- das w?re ja schliesslich noch ein Gewinn und k?me auf die Rechnung meiner Kunst --, ich f?rchte, es wird nur l?cherlich!" ,,O du willst mich treffen und mir so entgehen!" erwiderte Eryximachos. ,,Doch nimm dich in acht und rede so, dass du Rechenschaft von deiner Rede geben kannst! Vielleicht spreche ich dich dann frei."

,,Und doch," begann Aristophanes, ,,und doch, Eryximachos, habe ich im Sinne, von Eros ganz anders als du und Pausanias zu reden. Mich d?nkt, die Menschen haben die grosse Macht dieses Gottes noch gar nicht recht wahrgenommen; denn sie w?rden ihm sonst Tempel und Alt?re gebaut haben und die gr?ssten Opfer darbieten. Bis heute haben sie nichts von allem, was h?tte geschehen sollen, getan. Wie kein anderer Gott liebt doch Eros die Menschen, Eros ist der Menschen Helfer, der Menschen Arzt und das hohe Heil jener, die an ihm gesundet sind. Und von seiner Macht will ich zu euch reden, und ihr m?gt es die anderen dann lehren. Erfahret denn zuerst von der menschlichen Natur und deren Leiden!

Die menschliche Natur war ja einst ganz anders. Urspr?nglich gab es drei Geschlechter, drei und nicht wie heute zwei: neben dem m?nnlichen und weiblichen lebte ein drittes Geschlecht, welches an den beiden ersten gleichen Teil hatte; sein Name ist uns geblieben, das Geschlecht selbst ist ausgestorben. Ich sage, dieses mann-weibliche Geschlecht hatte einst die Gestalt und den Namen des m?nnlichen und weiblichen Geschlechtes zu einem einzigen vereinigt, und heute ist uns von ihm nur der Name erhalten, und der Name ist ein Schimpfwort. Weiter, die ganze Gestalt jedes Menschen war damals rund, und der R?cken und die Seiten bildeten eine Kugel. Der Mensch hatte also vier H?nde und vier F?sse, zwei Gesichter drehten sich am Halse, und zwischen beiden Gesichtern stak ein Kopf, aber der Kopf hatte vier Ohren. Der Mensch besass die Schamteile doppelt, und denkt den Vergleich f?r euch selbst aus: auch alles andere war demgem?ss doppelt! Der Mensch ging zwar aufrecht wie heute, aber nach vorw?rts und nach r?ckw?rts, ganz wie es ihm gefiel. Und wenn er laufen wollte, dann machte er's wie die Gaukler, die kopf?ber R?der schlagen: er lief dann mit allen acht Gliedern, und so im Rade auf H?nden und F?ssen kam er allerdings schneller vorw?rts als wir heute. Noch einmal, es gab einst drei Geschlechter, und das m?nnliche hatte seinen Ursprung in der Sonne, das weibliche in der Erde, das dritte, welches den beiden ersten gemeinsam ist, hatte ihn im Mond, denn auch der Mond teilt sich zwischen Sonne und Erde. Und gleich den Gestirnen, denen sie eingeboren sind, waren sie rund, und auch ihre Bahn, wenn ihr wollt, lief im Kreise. Gross und ?bermenschlich war ihre St?rke, ihr Sinnen war verwegen, ja sie versuchten sich sogar an den G?ttern. Was Homer von Ephialtos und Otos erz?hlt, sagt man auch von diesen Menschen: sie wagten den Weg zum Himmel hinauf und wollten sich an den G?ttern vergreifen.

Da hast du nun, Eryximachos, meine Rede auf Eros; sie war anders als deine. Ich bitte dich noch einmal darum, mach dich nicht ?ber sie lustig, denn wir m?ssen noch die anderen Reden h?ren, eigentlich nur die Reden der beiden anderen, denn Agathon und Sokrates nur sind noch ?brig!" ,,Diesen Wunsch will ich dir erf?llen," sagte Eryximachos, ,,du hast mir gar sehr zu Gefallen gesprochen. Ja, wenn ich nicht w?sste, wie gut Sokrates und Agathon sich auf alles, was mit der Liebe zusammenh?ngt, verst?nden, w?rde ich f?rchten, sie w?ren jetzt beide in grosser Verlegenheit, so viel und so verschieden ist hier ?ber Eros gesprochen worden; doch so kann ich noch Vertrauen auf sie haben." Sokrates rief da: ,,Und du selbst hast noch dazu so tapfer gefochten, Eryximachos! Wenn du jetzt an meiner Stelle w?rest, besser gesagt, wenn du dort w?rest, wo ich nach Agathons Rede sein werde, w?rdest du wohl auch Angst haben und meine Sorge kennen." ,,O du willst mich jetzt besprechen, Sokrates," fiel Agathon ein, ,,du willst mich bezaubern, damit ich scheu werde und glaube, das Publikum setze grosse Hoffnungen auf meine Worte!" ,,Da m?sste ich aber doch vergessen haben, Agathon, dass ich gestern erst deinen Mut und hohen Sinn sah, als du mit den Schauspielern vor die Rampe tratst und einem so grossen Publikum, das, um deine Worte zu h?ren, gekommen war, ins Auge sahst und gar nicht verlegen warst, ja das m?sste ich wirklich vergessen haben, wenn ich jetzt glauben sollte, wir paar Menschen hier w?rden dich aufregen." ,,Ja, Sokrates, h?ltst du mich denn f?r so benommen vom Theater," wehrte Agathon ab, ,,dass ich nicht w?sste, um wieviel gef?hrlicher als ein ganzes Publikum von Unwissenden die wenigen Klugen w?ren?" ,,Wenn ich dich f?r so roh hielte, w?rde ich dir unrecht tun, Agathon; ich weiss sehr gut, dass dir mehr an den wenigen, die du f?r klug h?ltst, als an der grossen Menge gelegen ist. Wer weiss aber, ob wir hier zu diesen wenigen geh?ren? Denn gestern im Theater geh?rten auch wir zur grossen Menge. Wenn du aber sonstwo mit anderen Klugen zusammenk?mest, w?rdest du dich dann vor ihnen sch?men, irgend etwas T?richtes zu machen, ja?" ,,Nat?rlich!" ,,Vor der Menge also sch?mst du dich nicht ..." Jetzt fiel aber Phaidros ein: ,,Ja, Agathon, wenn du Sokrates noch lange immer antwortest, wird er sich wenig um unser Thema k?mmern, dann hat er jemand, dem er Fragen stellen kann, und noch dazu einen so sch?nen J?ngling. Ich h?re ja gerne zu, wenn Sokrates sich unterh?lt, aber hier muss ich darauf sehen, dass die Preisreden auf Eros gesprochen werden und jeder von euch dem anderen das Wort abnehme. Denn jeder soll hier zum Preise des Gottes reden." ,,Du hast recht, Phaidros," sagte Agathon, ,,mich h?lt auch nichts mehr davon ab; Sokrates wird sp?ter noch viel zu sagen haben."

,,Ich will zuerst sagen, wie ich zu sprechen habe, und dann erst reden. Ihr alle vor mir habt eigentlich gar nicht den Gott, sondern nur das Heil der Menschen, die also der Gott begnadet, gepriesen. Vom Gotte selbst, der alle diese Gaben bringt, hat niemand gesprochen. Und doch ist es ?berall die rechte Art, zuerst zu sagen, wie denn das Ding selbst aussehe, das wir ?berall als den Grund eines anderen finden. Und darum h?ttet ihr alle billig zuerst Eros selbst und dann seine Gaben preisen m?ssen. Ich sage euch nun, wenn je es mit Fug und ohne Schuld von einem Wesen gesagt werden darf: unter jenen heilen G?ttern ist Eros der heilvollste, denn er ist der sch?nste und edelste! Eros ist der sch?nste Gott, weil er der j?ngste, o Phaidros, ist, und daf?r brauche ich keinen anderen Zeugen als ihn selbst, denn Eros flieht, flieht das Alter, und das Alter ist schnell und kommt schneller als n?tig zu uns. Und Eros hasst es und lebt darum, Eros weicht dem Alter auf dem Wege aus und bleibt mit den J?nglingen und ist selbst ein J?ngling. Das alte Wort hat recht: Zum Gleichen gesellt sich das Gleiche. Ich stimme ja mit Phaidros in vielem ?berein, doch muss ich ihm widersprechen, wenn er sagt, Eros sei ?lter als Kronos und Japetos; nein, Phaidros! Eros ist der j?ngste der G?tter und von ewiger Jugend, denn jene alte Not der G?tter, von der Hesiodos und Parmenides erz?hlen, hat das Schicksal geschaffen und nicht die Liebe -- wenn Hesiodos und Parmenides ?berhaupt die Wahrheit wissen. Die alten G?tter w?rden einander nicht verschnitten und gebunden haben und das Grausame damals w?rde nicht geschehen sein, wenn Eros unter den G?ttern gewesen w?re; Eros h?tte Freundschaft und Frieden unter sie gebracht, wie er sie heute bringt, da er der G?tter K?nig ist. Jung ist also der Gott, und seine Gestalt von zarter Bildung; nur ein Dichter wie Homer k?nnte sie schildern. Homer sagt von Ate, sie sei eine G?ttin und zart gewesen; ihre F?sse, erz?hlt er, seien zart gewesen...

Zart sind ihre F?sse und nie am Boden Wandelt sie, sondern hoch ?ber den H?uptern der Menschheit!

Und, wie ich glaube, an einem sch?nen Zeichen l?sst uns der Dichter die Zartheit erkennen: die G?ttin schreitet nie auf harten Gr?nden, sie schwebt oben sanft dahin. Und ebendort m?ssen wir auch Eros' Zartheit suchen: Auch Eros schreitet nicht auf der Erde und nicht ?ber die K?pfe, -- die w?ren ihm wohl zu hart; nur dort, wo alles ganz sanft ist, wandelt und weilt der Gott. In der Gesinnung und in den Seelen der G?tter und Menschen baut er sein Zelt, aber auch hier nicht in allen Seelen: wo er auf harten Sinn st?sst, dort flieht Eros, und nur in der sanften Seele will er wohnen. Und da er also immer und ganz nur am zartesten haftet, muss er selbst wohl das zarteste Wesen sein. Ich wiederhole, Eros ist der j?ngste und zarteste Gott; und Eros ist auch geschmeidig: denn sonst verm?chte er kaum sich durch alles zu schlingen und winden und heimlich in die Seelen zu treten und heimlich von den Seelen scheiden.

Eros ist ebenm?ssig, seine sch?ne Haltung zeigt es, und diese zeichnet, wie wir wissen, den Gott vor allem aus. Missbildung und die Liebe vertragen einander nicht. Eros ist von sch?ner Farbe, denn nur vom Bl?henden lebt er. Wo die K?rper und die Seelen nicht bl?hen oder die Bl?ten verlieren, dort kommt er nicht hin, und nur, wo es bl?ht und duftet, dort l?sst sich Eros nieder, dort bleibt der Gott.

Das mag nun von der Sch?nheit des Gottes gen?gen, es bliebe ja noch viel zu sagen ?brig; jetzt aber muss ich von seiner Tugend reden. Und da ist es gleich seine gr?sste Tugend, dass er weder Gott noch den Menschen unrecht tut und dass ihm von niemand Unrecht widerf?hrt. Eros leidet keine Gewalt, die Gewalt haftet nicht an der Liebe, und Eros tut niemand Gewalt an. Freiwillig dient ihm alles, und wo immer der eine dem anderen willig dient, da nennen das ,,die Gesetze, die K?nige des Staats" gerecht. An der Gerechtigkeit nun hat die Enthaltsamkeit den gr?ssten Teil, und Enthaltsamkeit heisst ?berall die Begierden und sich in der Freude beherrschen: nun ist aber keine Freude st?rker als die Freude der Liebe. Wenn also die anderen Freuden schw?cher sind, so w?ren sie ja von Eros beherrscht, und Eros ist ihr Herr, und indem er die Freuden und Begierden wirklich beherrscht, zeigt er seine Enthaltsamkeit. Seiner Mannhaftigkeit weiter ,,kann selbst Ares nicht widerstehen". Denn nicht Ares bindet Eros, sondern Eros, die Liebe der Aphrodite, h?lt Ares, wie die Sage geht. Und wer zu binden weiss, ist wohl st?rker als der Gebundene, und wer den Mutigsten b?ndigt, muss wohl auch im Mute des Mutigsten Meister sein. Ich habe also von der Gerechtigkeit, der Enthaltsamkeit und Mannhaftigkeit des Gottes gesprochen, jetzt bleibt mir noch seine Weisheit, und da will ich versuchen, nichts zu ?bersehen. Damit ich zun?chst auch meine Kunst ehre, wie Eryximachos seine geehrt hat -- Eros ist ein so weiser Dichter, dass er auch uns zu Dichtern macht. Denn jeder wird zum Dichter, wenn der Gott ihn ber?hrt, ,,wie fremd er auch fr?her den Musen war". Und das mag uns daf?r zeugen, dass Eros vor allem der grosse Sch?pfer der ganzen Musik ist. Denn was jemand selbst nicht besitzt und weiss, wie verm?chte er dies dem anderen zu geben, den anderen zu lehren! Und weiter, wer wird leugnen, dass die Sch?pfung alles Lebendigen die eigenste Weisheit des Gottes sei, die grosse Weisheit, durch die alles Leben wird und w?chst? Und endlich, wissen wir nicht, dass auch in der Beherrschung der K?nste nur der gl?nzt und bewundert wird, den Eros unterwiesen hat, und dass jeder im Schatten und ohne Ruhm bleibt, den der Gott nicht ber?hrt hat? Apollo hat die Kunst des Bogenschiessens, die Kunst des Sehers und des Arztes erfunden, aber die Freude, die Liebe hat ihn dahin gef?hrt, so dass auch er ein Sch?ler des Eros ist; und die Musen haben die Musik, und Athene hat das Weben, Hephaistos das Schmieden, und Zeus ,,die Macht ?ber G?tter und Menschen" von Eros gelernt. Wo alles Wirken der G?tter durch Eros geordnet wurde, da ward auch alles sch?n; denn ins H?ssliche kommt Eros nicht. Fr?her, wie ich schon sagte, geschah viel Furchtbares unter den G?ttern, denn das Schicksal war K?nig. Als aber unser Gott geboren wurde, so kam, weil sie die Sch?nheit liebten, die G?te unter G?tter und Menschen. So scheint mir, Phaidros, Eros selbst das Beste und Sch?nste aller Wesen und allen Wesen die Ursache alles Guten und Sch?nen zu sein. Mir fallen da noch zwei Verse ein. Eros ist es, der da bringt:

Frieden den Menschen, die Stille dem Meer und den St?rmen, Allen, die bek?mmert, das Lager und den Schlaf.

So nimmt uns denn Eros alles Fremde und gibt uns alles Eigene wieder; wo wir uns alle finden, dorthin f?hrt Eros die Wege, er ist der Herold und f?hrt die Festz?ge und Ch?re und uns, so wir zu den Opfern schreiten. Eros reisst alles Wilde aus und macht uns sanft; er schenkt uns den guten Willen und raubt dem Herzen allen Streit; Eros ist gn?dig, ihn schauen die Weisen und lieben die G?tter; er ist der Neid der Ungl?cklichen und der Schatz aller, die sich ins Gl?ck geteilt. Eros ist der Sch?pfer aller Z?rtlichkeit, ?ppigkeit, Anmut und Sehnsucht im Menschen, er kennt alles Gute und sieht vom B?sen weg. In allen M?hen, in jeder Furcht und jedem Begehren, im Worte -- da weiss er sicher zu lenken, da ist Eros die Hilfe und der Retter. Eros ist die Ordnung unter den G?ttern und Menschen, der herrlichste und tapferste Held, und ihm m?ssen die Menschen folgen, und alle m?ssen in den Gesang stimmen, den er, G?tter- und Menschensinn bezaubernd, singt.

Das nun, Phaidros, ist die Rede, die ich dem Gotte darbringe; ich war hier leicht und dort auch ernst, so weit ich es eben konnte."

Da Agathon seine Rede also schloss, war der Beifall laut, so ganz seiner selbst und des Gottes w?rdig, schien der J?ngling allen gesprochen zu haben. Und Sokrates sah Eryximachos an: ,,O Sohn des Akumenos, war meine Angst also t?richt und hat meine Angst nicht vorausgesehen, dass Agathon herrlich reden und mich in grosse Verlegenheit bringen w?rde?" ,,O ja, dass Agathon sch?n sprechen werde, das hast du wohl richtig vorausgesehen," erwiderte Eryximachos, ,,aber darum glaube ich noch immer nicht, dass er dich in Verlegenheit bringen k?nne." ,,Ja, aber du Gl?cklicher," sprach Sokrates, ,,wie soll ich, wie soll ein anderer gegen dessen sch?ne, reiche Worte aufkommen; es war ja nat?rlich nicht alles gleich wunderbar, aber wer von uns ist nicht f?rmlich erschrocken, da er am Schlusse alle die sch?nen Namen und Ausdr?cke vernahm? Als mir da pl?tzlich der Gedanke kam, ich w?rde gar nicht imstande sein, auch nur ann?hernd so Sch?nes zu sagen, w?re ich vor Scham beinahe durchgebrannt, wenn ich nur irgendwie h?tte hinausk?nnen. Agathons Rede erinnerte mich ja an Gorgias, und mir ging es schon wie jenem Manne im Homer und ich f?rchtete, Agathon w?rde zuletzt seine gewaltigen Worte wie das Gorgonenhaupt meinen Worten entgegenhalten und mich zum stummen Steine machen. Und ich sagte zu mir: L?cherlich warst du, Sokrates, l?cherlich, als du nicht nur versprachst, mit ihnen Eros zu preisen, sondern sogar behauptetest, dich gerade auf die Liebe zu verstehen, w?hrend du doch von dem einen so wenig wie von dem anderen etwas weisst. In meiner Einfalt habe ich n?mlich geglaubt, wer ein Ding preisen wolle, der brauche nur die Wahrheit zu sagen, die Wahrheit wenigstens m?sse zugrunde liegen, und dann erst d?rfe man unter den sch?nen Worten w?hlen und sie so richtig wie m?glich setzen. Und darum nur, weil ich eben die Wahrheit w?sste, bildete ich mir sogar ein, besonders gut reden zu k?nnen. Doch wie ich jetzt erfuhr, verlangt man das gar nicht von einer guten Lobrede; im Gegenteil: es scheint, man m?sse von irgend einem Dinge nur gleich alles Sch?nste und Beste behaupten, ob es nun wirklich in ihm sei oder nicht sei. Wenn es gelogen ist, so macht es ja nichts. Ich glaube sogar, ihr habt es untereinander abgemacht: jeder von uns solle nicht Eros preisen, nein, sondern sich das nur einbilden! Denn nur deshalb, zu diesem Zwecke scheint ihr alles M?gliche hergezogen und es Eros einfach beigelegt und immer nur gerufen zu haben: Eros ist so und so, und Eros ist die Ursache davon und jener Dinge, damit am Schlusse dann der Gott so sch?n und so g?tig wie m?glich aussehe. Und es ist auch selbstverst?ndlich, dass jenen, die von allem nichts verstehen -- nicht den Wissenden -- das Lob dann gar sch?n und feierlich klinge. Von dieser Art nun ein Ding zu preisen, habe ich allerdings nichts gewusst, und nur darum konnte ich anfangs euch versprechen, meinen Teil beizutragen. Aber meine Zunge versprach es nur, und nicht der Kopf. Ich mag jetzt davon nichts wissen. Denn so preise ich die Dinge nicht, nein! Ich w?re es ja gar nicht imstande. Ich will ja nur, wenn ihr wollt, die Wahrheit, meine Wahrheit, wie ich sie verstehe, sagen; ich will mich gar nicht mit euch vergleichen, da w?rde ich wohl nur ausgelacht werden. Phaidros, kannst du also auch eine Rede brauchen, die ?ber Eros nur die Wahrheit sagt und alle Namen und Worte so setzt, wie sie mir gerade kommen?" Phaidros und die anderen hiessen Sokrates, nur so zu reden, wie er es tun zu m?ssen glaube. ,,Aber noch etwas, Phaidros," sagte Sokrates, ,,erlaubst du diesmal, dass ich an Agathon einige kleine Fragen richte, ich muss gerade mit ihm mich erst ?ber manches einigen, bevor ich beginne?" ,,Nat?rlich, frage Agathon nur aus!" Und so begann denn Sokrates seine Fragen: ,,Agathon, du scheinst deine Rede richtig disponiert zu haben: man m?sse zuerst sagen, wer und wie Eros denn eigentlich sei, und dann d?rfe man erst von dessen Wirken reden. Dieser Anfang hat mir gefallen. Und da du dann so sch?n, so gross von dem Wesen des Gottes sprachst, so antworte mir nur darauf: Eros, die Liebe -- ist dieser Gott, so wie er nun einmal da ist, zu irgend etwas anderem in Beziehung oder nicht? Ich will ja selbstverst?ndlich nicht nach seinem Vater, nach seiner Mutter fragen; es w?re ja l?cherlich, meine Frage so zu stellen, wenn ich wissen wollte, ob Eros von einem Vater, einer Mutter stamme -- nein, ich meine es so, wie wenn jemand dich nach dem Vater fragte und fragte: ist dieser Vater der Vater zu etwas oder nicht? Du w?rdest mir nat?rlich antworten: der Vater ist der Vater eines Sohnes, einer Tochter. Habe ich nicht recht?" ,,Ja, nat?rlich," antwortete Agathon. ,,Und dasselbe gilt von der Mutter, von dem Begriff der Mutter, nicht wahr? Damit du mich aber noch besser verstehst, antworte mir auch darauf: Wenn ich nach dem Bruder fragte: der Bruder ist doch immer der Bruder eines anderen: eines Bruders, einer Schwester? Da stimmst du mir doch auch bei. Und jetzt versuche meine Fragen nach Eros zu beantworten: Ist Eros also die Liebe zu etwas anderem oder nicht?" ,,Ja nat?rlich, Eros ist die Liebe zu etwas anderem!" ,,Gut, das merke dir vorl?ufig und antworte mir weiter: Begehrt Eros nach dem, was er liebt, oder begehrt er nicht danach?" ,,Eros begehrt danach!" ,,Nat?rlich, und weiter: Besitzt Eros das, wonach er begehrt, oder besitzt er es nicht?" ,,Er besitzt es wahrscheinlich nicht!" ,,Vielleicht ist es nicht nur wahrscheinlich, sondern durchaus notwendig, dass, wer begehrt, nur das begehrt, was ihm fehlt, und umgekehrt! Mir scheint das durchaus selbstverst?ndlich, dir nicht auch, Agathon?" ,,Ja!" ,,Also! Ein Grosser will doch nicht noch gross, ein Starker nicht noch stark sein. Ihm k?nnte doch nicht das noch fehlen, was er schon ist. Denn wenn ein Starker noch stark, ein Schneller schnell, ein Gesunder gesund sein wollte, so m?ssten wir dann glauben, dass sie und ihresgleichen immer noch das begehren, was sie schon besitzen oder was sie schon sind. Damit wir aber hier sicher gehen, ich sage das darum -- sie alle, Agathon, m?ssen das, was sie besitzen, in der Gegenwart besitzen, ob sie wollen oder nicht, und wer w?rde da noch das begehren, was er schon besitzt? Wenn uns einer also sagen sollte: Ich bin gesund und will gesund sein, oder ich bin reich und will reich sein, ich begehre das kurz, was ich schon besitze, so m?ssten wir ihm doch erwidern: ,Mensch, da du nun einmal Reichtum erworben hast und gesund und reich bist, so willst du doch wohl nur, dass dir das alles, was du in der Gegenwart besitzest, auch in der Zukunft bleibe. Denke dar?ber nach, ob du es so meintest?' Da wirst du mir doch recht geben, Agathon?" ,,Ja!" ,,Wir begehren also nach dem, was uns nicht zu eigen ist und was wir nicht besitzen, wenn wir es uns f?r die Zukunft bewahrt haben wollen?" ,,Entschieden!" ,,Jeder begehrt also nur nach dem, was ihm nicht zu eigen, nicht gegenw?rtig ist; und was wir nicht besitzen, was wir nicht sind, kurz das also, was uns noch fehlt, bestimmt unsere Begierde und die Liebe! Einigen wir uns nun noch einmal: Eros ist also die Liebe, zun?chst zu irgend etwas anderem ?berhaupt, und dann, n?her bestimmt, die Liebe zu dem, was ihm noch fehlt, nicht wahr?" ,,Ja!" ,,Erinnerst du dich noch daran, wozu du Eros in deiner Rede in Beziehung setztest? Ich will es dir, wenn du willst, ins Ged?chtnis zur?ckrufen. Wenn ich nicht irre, sagtest du: Das Dasein und Wirken der G?tter ist durch die Liebe zu allem Sch?nen bestimmt; es gibt keine Liebe zum H?sslichen! Sagtest du nicht so?" ,,Ja, das waren meine Worte." ,,Und da hattest du sehr richtig gesprochen. Und darum w?re also Eros die Liebe zur Sch?nheit!" ,,Nat?rlich!" ,,Sind wir aber nicht eben darin ?bereingekommen, dass wir nur, was uns noch fehlt und was wir noch nicht besitzen, lieben?" ,,Ja!" ,,Es fehlt also Eros die Sch?nheit, Agathon; Eros besitzt nicht die Sch?nheit!" ,,Ja!" ,,Nun also, Agathon! Kannst du noch sagen, dass der, dem die Sch?nheit fehlt, sch?n sei?" ,,Nein!" ,,Du gibst mir also recht, wenn ich sage, Eros sei nicht sch?n?" ,,Ich f?rchte, Sokrates, ich habe nichts von allem, wor?ber ich vorhin sprach, verstanden!" ,,Aber du hast dennoch sehr sch?n vorhin gesprochen, Agathon! Noch eine kleine Frage: Scheint dir nicht auch das Gute sch?n zu sein?" ,,Ja!" ,,Wenn also Eros alles Sch?ne fehlt und das Sch?ne auch gut ist, so muss Eros auch alles Gute fehlen. Nicht?" ,,Ach, Sokrates, ich kann dir nicht widersprechen, es ist alles so, wie du es sagst." ,,Nein, geliebter Agathon, du kannst eben nur der Wahrheit nicht widersprechen; auf Sokrates kommt es da gar nicht an."

,,Nun aber will ich dich in Ruhe lassen, Agathon! Meine Rede ?ber Eros habe ich von Diotima, einer Frau aus Mantineia, geh?rt; sie war darin und in vielen anderen Dingen weise, es war dieselbe Diotima, die damals den Athenern, als diese zur Abwehr der Pest Opfer feierten, von den G?ttern einen Aufschub der Seuche auf zehn Jahre erwirkte; wenn auch ich heute um die Liebe weiss, so hat Diotima es mich gelehrt, und ihre Worte will ich euch im Anschlusse an das, worin Agathon und ich uns oben geeinigt haben, wiedergeben, so gut ich es noch kann. Zun?chst also, Agathon, will auch ich sagen, wer und welcher Art Eros sei, und dann werde ich erst von seinen Werken reden. Ich glaube, ich erz?hle euch alles am besten so, wie die fremde Frau damals durch Fragen mich es lehrte. Denn wisset, ich sprach zu ihr zuerst genau so, wie du, Agathon, zu mir gesprochen hast: ich behauptete, Eros sei ein grosser Gott und er sei sch?n, und da widerlegte sie mich mit denselben Worten, mit denen ich Agathon widerlegen musste, und sagte, der Gott sei weder, wie ich es meine, sch?n noch gut. Ich rief da gleich: ,Wie redest du nur, Diotima, Eros w?re also h?sslich und b?se?' Doch sie antwortete: ,Du l?sterst, Sokrates, l?stere nicht! Glaubst du, was nicht sch?n sei, m?sse darum gleich h?sslich sein?' ,Nein!' ,Oder, was nicht weise sei, m?sse darum gleich t?richt sein? Hast du denn nie erfahren, dass etwas zwischen der Weisheit und der Unwissenheit da sei?' ,Was ist dieses?' ,Wenn einer zwar richtig wahrnimmt, aber keinen Grund daf?r weiss, nennst du das schon Verst?ndnis? Wie k?nnten wir das verstehen, wozu wir keinen Grund wissen! Und doch ist das noch nicht Unwissenheit: wer das Richtige trifft, kann doch nicht unwissend sein. Wir m?ssen es eine richtige Meinung, Wahrnehmung nennen, und diese liegt immer zwischen dem Verst?ndnis und der Unwissenheit!' ,Da hast du wohl recht, Diotima!' ,Zwinge mir also ja nicht mehr das, was nicht sch?n ist, h?sslich und, was noch nicht gut ist, b?se zu sein, und glaube noch weniger, dass Eros h?sslich und b?se sei, weil er, wie du es ja jetzt zugibst, weder sch?n noch gut ist; auch Eros ist etwas in der Mitte von beiden und zwischen sch?n und h?sslich und zwischen gut und b?se!'

,Aber alle', entgegnete ich da, ,sind doch darin einig und nennen Eros einen m?chtigen Gott!' ,Wer nennt ihn so, Sokrates, sind es die Wissenden oder die Unwissenden?' ,Alle, Diotima, ich sage, alle!' Und jetzt lachte sie: ,Gilt also Eros auch jenen als ein m?chtiger Gott, die da behaupten, Eros sei ?berhaupt kein Gott?' ,Wer behauptet es denn?' ,Der eine bist du, Sokrates, und der andere ich!' ,Ich verstehe dich nicht!' ,Und es ist doch so einfach! Sage, Sokrates: heissest du nicht alle, alle G?tter heil, w?rdest du den Mut haben zu behaupten, dieser oder jener unter den G?ttern w?re nicht heil?' ,Nein, bei Zeus, niemals!' ,Und nennst du weiter nicht jene Wesen heil, die alles Gute, alles Sch?ne besitzen?' ,Ja, nat?rlich!' ,Du hast ja aber doch eingesehen, dass Eros das Gute und Sch?ne begehre, weil er beides nicht besitzt.' ,Ja!' ,Wie k?nnte also der ein Gott sein, dem kein Teil am Sch?nen und am Guten ward? Wie w?re das m?glich?' ,Es ist nicht m?glich, Diotima!' ,Sieh, also auch du nennst Eros nicht Gott!'

,Was aber ist dann Eros, wenn er kein Gott ist? Geh?rt Eros zu den Sterblichen?' ,O nein!' ,Ja, was ist er, sprich?' ,Wir sahen es doch eben, Eros sei in der Mitte; Eros ist in der Mitte zwischen dem Unsterblichen und dem Sterblichen!' ,Und?' ,Ein D?mon, Sokrates, ist Eros, ein grosser D?mon, ein Heiland, und alles D?monische, alles Heilende lebt zwischen Gott und Mensch!' ,Und wo ist dann seine Macht?' ,Der D?mon ist immer der Bote: er bringt den G?ttern das Flehen und die Opfer der Menschen, und er k?ndet den Menschen, was die G?tter sie heissen, und er k?ndet die Gnade der G?tter, der Heiland ist in der Mitte und er f?llt die Kluft zwischen den Unsterblichen und den Sterblichen, und das All ist durch den Heiland gebunden. Durch ihn kommt alles Schauen den Sehern, und durch den Heiland gehen die Opfer und Weihen! Es mischt sich ja nie der Gott mit dem Menschen: durch den D?mon verkehren G?tter mit Menschen und durch den Heiland reden G?tter zu Menschen: zu den Wachen und dann, wenn die Menschen der Schlaf umf?ngt. Wer das schon begreift, in dem ist der Heiland; die anderen alle, die da K?nste k?nnen und Fertigkeiten haben, sind ja nur Handwerker. Und es gibt der Heilenden viele, und sie sind vielfacher Art, und einer von ihnen ist Eros!' ,Und hat Eros einen Vater, Diotima, eine Mutter?' ,Das ist lang, aber ich will es dir erz?hlen: Da Aphrodite geboren wurde, feierten die G?tter deren Geburt und hatten ein grosses Mahl, und mit den G?ttern sass auch der Reichtum, der Sohn der Erfindsamkeit. Da sie nun gegessen hatten, kam die Armut und wollte etwas von dem ?berflusse haben und blieb vor der T?r stehen, gleich den Bettlern. Nun geschah es, dass der Reichtum zu viel vom Nektar getrunken hatte -- es gab ja damals noch keinen Wein -- und dass er schwer und berauscht in des Zeus Garten ging und dort einschlief. Und das gab jetzt der Armut ihre eigene List ein: sie dachte sich, weil ich arm bin, so will ich vom Reichtum ein Kind haben, und die Armut legte sich zum Reichtum, und die Armut empfing vom Reichtum den Eros. Und weil nun Eros am Geburtstage der Aphrodite gezeugt wurde, so ist er jetzt deren Diener und Herold, und da Aphrodite sch?n ist, so ist Eros von Natur aus in alles Sch?ne verliebt. Dann aber, weil Eros der Sohn des Reichtums und der Armut ist, so hat er beider Natur und Zeichen. Eros ist seiner Mutter Sohn und darum ganz arm und gar nicht weich und sch?n, wie viele meinen; o nein, Eros ist hart und d?rr und l?uft barfuss herum und hat kein Dach, das ihn sch?tzte; auf der nackten Erde ohne Lager muss er schlafen; vor allen T?ren triffst du ihn, auf den Strassen unter freiem Himmel liegt er: Eros hat der Mutter Art, und die Armut l?sst nicht von ihm. Dann aber ist Eros auch seines Vaters Sohn und ist, wie dieser, voll List nach allem, was sch?n ist und edel; er ist k?hn und frech und stark, ein gewaltiger J?ger und er kann die Netze kn?pfen und die Eisen stellen; Eros will immer Gr?nde und weiss zu raten; sein ganzes Leben lang philosophiert er und kann verhexen und zaubern und ist ein grosser Sophist. Da er nun nicht Gott und nicht Mensch geboren ist, so bl?ht er bald und ist voll Leben, bald ist er m?de und stirbt hin, und das alles oft an demselben Tage; aber immer wieder lebt er auf, denn der Vater steckt in ihm. Was er heute erwirbt, das verliert er morgen, und so ist Eros nicht reich und nicht arm. Und er ist immer zwischen der Weisheit und der Torheit in der Mitte, ich meine das so: Von den G?ttern ist niemand das, was wir Philosoph nennen, und kein Gott hat den Wunsch, weise zu werden. Denn die G?tter sind ja weise, und jeder, der schon weise ist, ist kein Philosoph. Aber auch die Unwissenden d?rfen nicht Philosophen heissen, auch sie haben nicht den Wunsch, weise zu werden. Denn das gerade ist das Bittere an der Torheit: der Tor ist weder sch?n, noch gut, noch verst?ndig, und dennoch h?lt er sich daf?r. Der Tor hat nie den Wunsch nach dem, was ihm fehlt, da er der Meinung ist, es fehle ihm nichts.' ,Und wer sind nun, Diotima, die Philosophen, wenn es weder die Weisen noch die Toren sein k?nnen?' ,Das weiss jetzt doch jedes Kind, Sokrates: die Philosophen sind eben auch zwischen beiden, und zwischen diesen ist dann auch Eros. Die Weisheit strebt nach der letzten Sch?nheit, und Eros ist die Liebe zu allem Sch?nen: es liebt Eros also auch die Weisheit, und darum ist Eros ein Philosoph, Sokrates, ja, ja, ein Philosoph, denn der Philosoph ist nicht weise und nicht unwissend und ist zwischen den Weisen und den Toren in der Mitte. Und auch das ist nur das Blut in Eros: denn sein Vater war weise und wusste sich zu helfen, und seine Mutter war arm und t?richt. Das und nur so, Freund, ist die Natur des Heilands; was du f?r Eros gehalten hast, das war nichts. Nach allem, was du mir sagtest, musst du gemeint haben, Eros sei alles Geliebte und nicht der, welcher liebt. Und darum erschien dir Eros von so vollkommener Sch?nheit zu sein. Denn, was wir lieben, das ist ja nat?rlich immer sch?n und zart und vollendet und selig. Der aber, welcher liebt, ist anderer Art, und ich habe dir sein Bild gegeben.' ,Und du hast wahr von ihm gesprochen, Gastfreund,' sprach ich.

,Wenn das nun Eros ist, welchen Nutzen haben dann die Menschen von diesem Heiland?' ,Auch dar?ber, Sokrates, will ich dich aufzukl?ren versuchen. Wie ich ihn dir beschrieb, so ist Eros, so wurde er geboren, und sein Begehren ist -- so sagtest du doch -- das Sch?ne. Wenn man uns nun jetzt fragte: Sokrates und Diotima, wie und warum aber begehrt Eros das Sch?ne? Nein, ich will noch bestimmter sein und fragen: Was will der Liebende von dem Sch?nen, das er begehrt?' ,Er will es besitzen,' antwortete ich. ,Ja, er will es besitzen; aber noch eine Frage musst du mir beantworten: Was ist dem zu eigen geworden, der das Sch?ne besitzt?' ,Auf diese Frage kann ich dir nicht gleich antworten!' ,Nun, wenn ich statt des Sch?nen das Gute setzte und dich fragte: Sokrates, es liebt einer das Gute, was, glaubst du, will er mit dem Guten?' ,Er will, dass ihm das Gute zu eigen werde!' ,Und wie ist der Mensch, dem das Gute zu eigen wurde?' ,Darauf kann ich dir schon leichter antworten: Er ist heil!' ,Ja, er ist heil, heil, und wer durch den Besitz des Guten heil geworden ist, der ist es wahrhaft und vollendet, und wir brauchen nicht noch zu fragen, warum er das Heil gewollt hat. Denn hier ist die Frage zu Ende.' ,Ja!' ,Und glaubst du, dass dieser Wille, diese Liebe allen Menschen gemeinsam sei, und dass alle an dem Guten teilhaben wollen?' ,Ja, diese Liebe ist allen Menschen gemeinsam!' ,M?ssten wir also darum nicht sagen, dass alle Menschen lieben, wenn alle dasselbe und immer lieben, oder soll es weiter heissen, diese hier lieben, jene dort lieben nicht?' ,Mir war das nie ganz klar!' ,Es wird dir klar werden: denn von dem grossen Begriffe Liebe nehmen wir immer nur einen Teil und geben dem Teil den Namen des Ganzen und nennen ihn Liebe; das ?brige findet dann andere Namen!' ,Wie ist das?' ,So -- du weisst doch, dass der Begriff Sch?pfung sehr weit ist. Wer irgend ein Ding aus dem Nichts zum Dasein bringt, der hat das Ding geschaffen, und so ist die Arbeit in allen K?nsten ein Schaffen, und alle Meister sind Sch?pfer!' ,Ja, da sprichst du wahr!' ,Und doch heissen sie nicht so, sondern haben andere Namen, und nur einem Teil, dem Werke der Musiker und Dichter, wird der Name des Ganzen, Sch?pfung, zugesprochen. Und nur ihr Werk heisst Sch?pfung, und nur diese K?nstler Sch?pfer. Ein gleiches gilt nun von dem Begriff der Liebe. Im allgemeinen ist zwar alles Streben nach dem Guten, alles Streben nach dem Heile Liebe, aber die Menschen wollen das Gute und das Heil eben auf vielen eigenen Wegen finden: der eine will es, indem er viel Geld verdient, der andere indem er seinen K?rper bildet, der dritte als Philosoph; und von diesen allen sagt eigentlich niemand, dass sie lieben, und niemand nennt sie verliebt. Und nur von jenen sagt man es, und nur jene heissen so und haben den Begriff des Ganzen, die eben mit allem Ehrgeiz nach jenem einzigen Ziele streben.' ,Ich glaube, du hast recht!' ,Es heisst so oft unter uns: nur wer seine eigene H?lfte sucht, liebt. Ich aber sage dir, die Liebe will nicht die eigene H?lfte und die Liebe will nicht das eigene Ganze, wenn beides, Freund, nicht ein Gutes ist. Die Menschen schneiden sich ja die eigenen H?nde und die eigenen F?sse weg, wenn die eigenen H?nde und die eigenen F?sse sie ?rgern. Nein, Sokrates, die Menschen m?gen das Eigene nicht mehr als das Fremde, es sei denn, dass jemand das Gute ein Eigenes und das B?se ein Fremdes heisse. Denn nur das Gute und nichts anderes als das Gute lieben die Menschen. Ist das nicht auch dein Glauben, Sokrates?' ,Bei Zeus, ja, das ist auch mein Glauben!' ,Aber auch hier d?rfen wir nicht einfach behaupten: die Menschen lieben das Gute. Auch hier m?ssen wir hinzusetzen: die Liebe der Menschen will das Gute, die Tugend besitzen, nicht wahr?' ,Ja!' ,Und sie will es nicht nur heute und morgen haben, die Liebe will es ewig besitzen!' ,Ja!' ,Ich fasse also zusammen und sage: die Liebe der Menschen ist das Streben nach dem Besitz des Guten, nach der Tugend.' ,Und damit hast du eine grosse Wahrheit ausgesprochen!'

,Wenn, Sokrates, das also die Liebe ist, wie folgen aber die Menschen der Liebe, oder wie wirkt sie in den Menschen, wozu spannt die Liebe sie? Worin ?ussert kurz sich die Liebe, kannst du mir das jetzt sagen?' ,Wenn ich das w?sste, w?rde ich ja nicht vor deiner Weisheit, Diotima, staunen und zu dir gekommen sein, um von ihr zu lernen.' ,So will ich dir auch das sagen. Die Liebe ist das Zeugen in dem Sch?nen, das Zeugen, Sokrates, in sch?nen K?rpern und in edlen Seelen, verstehst du mich?' ,Du sprichst wie ein Orakel, und ein Seher nur verm?chte dich zu deuten, Diotima; ich verstehe dich nicht!' ,So will ich deutlicher sein. Allen Menschen reift im Leibe und in der Seele der Samen, und es kommt die Zeit, da die Natur in uns zeugen will. In das H?ssliche aber kann die Natur nicht den Samen legen, und nur im Sch?nen will sie zeugen. Das Zeugen und die Geburt, Sokrates, beides ist ein G?ttliches in uns, und unsterblich sind alle sterblichen Gesch?pfe, so sie zeugen und geb?ren. In dem nun, was ihm widerspricht, vermag das G?ttliche nicht zu zeugen, und das H?ssliche lebt wider alles G?ttliche, und nur das Sch?ne darf und will sich ihm einen. Und darum ist die Sch?nheit auch Geburtsg?ttin, und die Sch?nheit entbindet. Wenn also einer, dessen Samen voll ist, einem Sch?nen begegnet, so ist die Sehnsucht hell und die Begierde frei in ihm, und er zeugt die neue Geburt. Vor dem H?sslichen aber wird sein Blick tr?be und der Mensch ist matt und zieht sich in sich zur?ck und rollt sich ein wie ein Tier und will nicht zeugen und will nicht geb?ren und verh?lt den Samen und verh?lt die Frucht und leidet. Denn in dem, dessen Samen voll und dessen Frucht reif ist, lebt das Begehren nach dem Sch?nen, weil nur das Sch?ne seine Brunst l?scht und seine Wehen stillt. Die Liebe will also nicht eigentlich das Sch?ne, so wie du es meinst, Sokrates?' ,Sondern?' ,Die Liebe will im Sch?nen zeugen und das Sch?ne geb?ren!' ,Jetzt verstehe ich dich!' ,Ja, so ist es auch. Und warum, frage ich weiter, will die Liebe im Sch?nen zeugen und das Sch?ne geb?ren? Weil ewig und unsterblich alles Sterbliche ist, so es gebiert und zeugt. Und weiter: wenn die Liebe das Gute ewig besitzen will, so muss sie mit dem Guten auch die Unsterblichkeit begehren. Und es verlangt auch, Sokrates, die Liebe nach Unsterblichkeit, die Liebe verlangt danach: das folgt aus allem, was wir gesagt haben.'

So lehrte mich die hohe Frau, so oft sie von der Liebe sprach, und einmal stellte sie mir folgende Frage: ,Sokrates, was h?ltst du nun f?r die Ursache dieser Liebe, dieses grossen Begehrens in der Natur? Hast du nicht auch schon beobachtet, wie aufgeregt und wild die Tiere sind, wenn sie zeugen und geb?ren wollen, wie alles, was da kriecht und fliegt, dann wie von einer Krankheit befallen ist? Hast du nie die Wollust beobachtet, mit der Tiere sich begatten, und wie die Weibchen, wenn sie geboren haben, alle Liebe f?r ihre Brut haben, wie die Schw?chsten gegen die St?rksten ihre Brut verteidigen, ja f?r sie sterben k?nnen, wie diese Hunger leidet, damit nur die Jungen Nahrung haben, das alles und anderes wirst du doch schon beobachtet haben? Die Menschen k?nnten ja dasselbe nur aus Vernunft tun: warum ist aber den Tieren diese Liebe gegeben, kannst du mir das sagen?' Da ich erwiderte, ich w?sste es nicht zu sagen, rief sie: ,Und du willst gerade von der Liebe viel verstehen, und weisst das nicht!' ,Aber darum bin ich ja zu dir gekommen, Diotima; ich weiss ja, dass ich noch Lehrer brauche. Nenne du mir also die Ursache!' ,Wenn du dich an das, was wir ?ber das Wesen der Liebe vereinbart haben, zu halten weisst, so wirst du auch das folgende verstehen. Wir sagten dort, die sterbliche Natur suche, so weit es ihr m?glich ist, zu dauern, unsterblich zu sein. Nun aber vermag die Natur nur dadurch zu dauern, dass sie stets das Alte einem Neuen zuliebe verl?sst. Wo es immer heisst: hier lebt das Lebendige und hier bleibt es sich gleich, dort ver?ndert es sich trotzdem fort und fort. Es tr?gt ja auch der Mensch von der Jugend bis ins Alter denselben Namen. Er tr?gt denselben Namen, trotzdem er sich stets ver?ndert, erneut, die Haare, am Fleisch, am Blut, an der Kraft der Knochen verliert. Und was hier am Leibe, geschieht dort an der Seele: die Sitten, Gesinnungen, Meinungen, Begierden, Freuden, Schmerzen bleiben nie dieselben; hier gibt der Mensch Altes auf und dort gewinnt er Neues. Und was noch viel sonderbarer, ja ungelegener erscheint: nicht nur von den Kenntnissen sind die einen heute f?r uns lebendig und die anderen morgen tot, und wir selbst ver?ndern uns in und an unseren Kenntnissen, sondern auch jede einzelne Kenntnis erf?hrt da dasselbe. Wir studieren doch nur darum, weil wir voraussetzen, dass unsere Kenntnisse sich immer wieder verlieren. Wir vergessen, und erst Besinnung und Arbeit bringen das Verlorene wieder und -- wie soll ich sagen -- retten das Wissen, so dass es dann dasselbe geblieben zu sein scheint. Und so, Sokrates, wird es immer wieder gerettet -- alles Sterbliche und bleibt heil; es ist nicht gleich dem G?ttlichen ein ewig W?hrendes und Gleiches, aber was da scheidet und alt geworden ist, l?sst stets ein Neues, das ihm gleicht, zur?ck. Und nur in dieser Weise, Sokrates, nimmt das Sterbliche an der Unsterblichkeit teil. In anderer Weise w?re es ihm ja nicht m?glich. Wundere dich nicht mehr, dass die ganze Natur ihr eigenes Blut liebt und ehrt: sie tut es um der Unsterblichkeit willen, nach der sie langt!'

Und da ich diese Worte h?rte, war ich wieder sehr erstaunt und rief: ,Weisestes Weib, ist das alles wirklich so, wie du es sagst?' und da fuhr sie denn wie ein vollendeter Sophist fort: ,Wie sollte es denn sein, o Sokrates! Wenn du an den Ehrgeiz der Menschen denkst, du m?sstest ja da ?ber dessen Sinnlosigkeit staunen, wenn du nicht an meine Worte denkst und dir gegenw?rtig h?ltst, wie stark die Menschen das Verlangen ergreift, ber?hmt zu werden und den Ruhm bis in die Ewigkeit zu besitzen, und wie darum die Menschen f?r den Ruhm mehr als f?r ihre Kinder, Gefahren zu suchen, Geld zu verschwenden, M?hen zu dulden, ja zu sterben bereit sind. Oder meinst du, Alkestis w?rde f?r Admetos gestorben, Achilleus dem Patroklos nachgestorben sein und euer Kodros f?r das K?nigtum seiner Kinder sein Leben gelassen haben, wenn sie nicht an das ewige Ged?chtnis ihrer grossen Liebe, das wir ihnen heute noch halten, geglaubt h?tten? O nein; f?r >>die Tugend der Unsterblichkeit<<, f?r den >>strahlenden Ruhm<< haben sie und alle alles getan; und je edler sie waren, um so mehr haben die Menschen f?r den Ruhm getan; denn es lieben die Menschen ?ber alles die Unsterblichkeit. Wer im Leibe zeugen will, den zieht es zum Weibe hin, und die Kinder schon sollen ihm >>Unsterblichkeit und Erinnerung und Gl?ck<<, wie er dann sagt, >>in die Zukunft tragen<<. Neben diesem aber leben jene anderen, welche lieber in den Seelen das, was die Seele empfangen und geb?ren soll, die Einsicht und die Tugend zeugen wollen. Und in diesem Sinne sind alle Dichter Zeuger, und jene, die im Handwerk als Erfinder gelten, sind Zeuger, und die h?chste und sch?nste Einsicht, ich meine das Mass und die Gerechtigkeit zeugen in den Seelen jene, so da den Staat zu ordnen und die Familie zu erhalten wissen. Wenn nun einem dieser Gottgleichen in der Seele der Samen der Tugend von Jugend an gereift ist und er, da die Zeit gekommen ist, zeugen will, da geht er aus und blickt umher und sucht das Sch?ne, in welchem sein Samen zur Frucht werde. Im H?sslichen, im Gemeinen wird er nicht zeugen, nein. Es liebt schon die sch?nen Leiber mehr als die h?sslichen, wer da zeugen will -- und wo dieser der sch?nen, edlen und echtgeborenen Seele begegnet, da ist seine Liebe zum Leib und zur Seele, zu beiden, gar gross, und f?r einen solchen Menschen hat er dann viele Worte von der Tugend und von allem, was der Edle tun und womit er sich besch?ftigen soll, und er sucht den Geliebten zu erziehen. Er h?ngt dann an ihm, dem Sch?nen, und weckt ihn und folgt ihm und giesst in ihn den reifen Samen und l?sst ihn seine Art geb?ren. Ob er bei ihm oder fern ist, er kann ihn nicht mehr vergessen, und mit ihm wacht er ?ber der neuen Geburt; und st?rker, als ein leibliches Geschlecht Mann und Weib einigt, verbindet diese die Freunde, denn sie teilen sich in ein sch?neres, g?ttliches Geschlecht ihrer Seelen. Und wer m?chte auch nicht leiblichen Kindern dieses Geschlecht vorziehen, wenn er Homer sieht und Hesiod und den anderen edlen Dichtern nachstrebt, die da ein Geschlecht zur?ckgelassen haben, das ihnen ewigen Ruhm und dauernde Erinnerung brachte, oder, wenn du willst, so er auf die Kinder des Lykurgos blickt, die Gesetze, die dieser hinterliess, und die Lakedaimon, ja ganz Griechenland gerettet haben. Und ehrw?rdig ist auch Solon, weil er in euch die Gesetze gezeugt hat, und ehrw?rdig in Hellas und bei den Barbaren sind all die vielen M?nner, die durch edle Taten ?berall die Tugend gezeugt haben. Und ihnen sind um dieser Kinder willen und nie dem Geschlecht ihres Blutes und Namens zu Danke die vielen Alt?re gebaut worden.

Das nun, Phaidros und ihr andern, das alles hat Diotima mich gelehrt, und sie hat mich ?berzeugt. Und seitdem suche ich auch die andern zu ?berzeugen -- zu ?berzeugen, dass, um jenes h?chste Gut zu erreichen, niemand einen besseren F?hrer als Eros w?hlen k?nne. Und darum rufe ich jedem zu, er solle Eros ehren, und darum ehre ich selber Eros und lerne und pr?fe alles, was diesen Heiland angeht, und heisse dasselbe auch die andern, und heute und immer werde ich, soweit es in meinen Kr?ften ist, Eros preisen. Nimm nun, Phaidros, was ich hier zu euch gesprochen habe, als meine Lobrede; wenn du nicht willst, so nenne meine Rede anders und wie du es willst."

Da Sokrates also seine Rede schloss, lobten ihn alle, nur Aristophanes wollte etwas erwidern, weil Sokrates auf seine Worte irgendwie angespielt hatte. Doch da wurde pl?tzlich so laut an die T?r gepocht, wie nur Betrunkene pochen, und man h?rte die T?ne einer Fl?tenspielerin. Agathon rief den Knaben zu: ,,Seht doch nach! Wenn es ein Freund ist, so ruft ihn herein. Sonst aber sagt: wir trinken nicht mehr und wollen schlafen!" Gleich darauf aber konnte man die Stimme des Alkibiades unterscheiden: er musste stark getrunken haben, denn er schrie laut und fragte nach Agathon und wollte zu Agathon gef?hrt sein. Doch schon kam er, auf die Fl?tenspielerin gest?tzt, mit einigen Begleitern herein und blieb in der T?r stehen; er trug einen Kranz von Epheu und Veilchen und hatte sehr viele B?nder ins Haar gewunden. ,,Seid mir gegr?sst, M?nner!" rief er. ,,Wollt ihr einen Betrunkenen in eure Mitte nehmen, oder muss ich wieder weg, nachdem ich Agathon bekr?nzt habe, denn darum bin ich gekommen? Ich konnte n?mlich gestern nicht erscheinen, jetzt aber bin ich da und habe im Haare die B?nder, damit ich sie von meinem Haupt auf das Haupt des weisesten und sch?nsten J?nglings lege. Ich sehe, ihr lacht mich aus, weil ich betrunken sei, aber lacht nur, lacht, ich weiss trotzdem, dass ich die Wahrheit spreche! Sagt also, darf ich unter diesen Bedingungen herein oder nicht? Wollt ihr mit mir noch trinken?" Da jauchzten ihm alle zu und hiessen ihn eintreten und sich zu ihnen legen, und auch Agathon rief ihm zu. So kam denn Alkibiades, von seinen Leuten gef?hrt, herein, und w?hrend er die B?nder abnahm, um Agathon zu schm?cken, hielt er diese so vor den Augen, dass er Sokrates nicht sehen konnte, und legte sich neben Agathon zwischen diesen und Sokrates. Sokrates r?ckte etwas nach der Seite. Und nun tat Alkibiades sehr sch?n mit Agathon und wand ihm die B?nder ins Haar. Agathon rief den Knaben zu: ,,So nehmt auch Alkibiades die Sandalen ab, damit er als dritter hier mit uns sitze." ,,Ja, ja, tut das," forderte Alkibiades die Knaben auf, ,,wer ist aber der dritte hier?" Und da er sich umdrehte und Sokrates erblickte, sprang er auf und schrie: ,,Bei Herakles, wer ist das? Sokrates, du? Du? Bist du mir auch hier auf der Lauer? Immer zeigst du dich ganz pl?tzlich, wo ich dich am wenigsten erwarte. Warum bist du nur hergekommen? Und warum hast du dich gerade hierher gesetzt? Ist bei Aristophanes oder bei sonst einem, der Spass zu machen versteht, kein Platz gewesen? Musstest du dich gerade zu dem Sch?nsten setzen?" Sokrates wandte sich da zu Agathon: ,,Jetzt musst du mich in Schutz nehmen! Die Liebe dieses Menschen ist mir, wie du siehst, ziemlich unbequem geworden. Seit ich sein erkl?rter Freund bin, darf ich weder einen sch?nen J?ngling ansehen, noch mit ihm reden, sonst macht er mir in seiner Eifersucht und Missgunst die gr?ssten Torheiten und schm?ht mich und kann oft kaum seine H?nde zur?ckhalten. Sieh du nun, dass er vern?nftig werde, und s?hne uns aus; sollte er aber handgreiflich werden, so halte ihn zur?ck; ich habe beinahe Angst vor seiner Liebeswut." ,,O, zwischen uns beiden", erwiderte Alkibiades, ,,gibt es keine Vers?hnung! Hier und jetzt gleich will ich mich an dir r?chen. Agathon, gib mir einige von deinen B?ndern zur?ck, damit ich sie auf dieses wunderherrliche Haupt hier lege! Sokrates soll mir nicht vorwerfen, ich h?tte dich geschm?ckt, ihn aber nicht, der mit seinen Worten ?ber alle Menschen und nicht nur einmal, wie du gestern, sondern immer siegt." Und so nahm Alkibiades von den B?ndern des Agathon und wand sie um des Sokrates Haupt, und jetzt erst legte er sich wieder. ,,Wohlan denn, M?nner," rief er, ,,ihr scheint mir alle noch recht n?chtern zu sein. Das darf ich nicht zugeben, ihr m?sst mit mir trinken. Wir haben das ausgemacht. Und solange ihr nicht recht im Trinken drin seid, w?hle ich mich selber zum Vorsitzenden der Zeche. Agathon, lass einen grossen Krug bringen, wenn einer da ist! Doch nein, er ist nicht n?tig; bringe Knabe, du da, mir diesen K?hler; ich sehe, er enth?lt mehr als acht kleine Becher!" Der K?hler wurde also gef?llt, und Alkibiades trank ihn aus, dann liess er ihn gleich f?r Sokrates f?llen und rief: ,,Gegen Sokrates komme ich nicht auf. Er trinkt, was man ihn heisst, und wird nie betrunken." Der Knabe hatte eingeschenkt, und auch Sokrates trank schon. Da fiel aber Eryximachos ein: ,,Wie machen wir es aber weiter, Alkibiades? Sollen wir dazu gar nichts reden oder singen und einfach nur trinken wie Leute, die eben Durst haben?" ,,O Eryximachos", rief Alkibiades, ,,du bester Sohn des besten und weisesten Vaters, sei mir gegr?sst!" ,,Und du mir!" entgegnete Eryximachos, ,,aber wie machen wir es nun?" ,,Wie du befiehlst; ich gehorche deinem Worte! ,Denn es hat der Arzt die W?rde von vielen.' Sage, wie du es haben willst!" ,,So h?re! Bevor du kamst, hatten wir beschlossen, dass jeder von uns, der Reihe nach von rechts, eine Rede auf Eros halte, so gut er es eben verm?chte, und den Gott preise. Nun, wir haben jeder seine Rede gehalten. Da nur du bisher weder getrunken noch gesprochen hast, so ist es billig, dass du jetzt uns fortsetzest und dann Sokrates ein Thema gibst, und Sokrates muss es wieder an seinen Nachbar zu rechts weitergeben usw. Das Thema kannst du selber w?hlen." ,,Eryximachos, das ist alles sehr sch?n gesagt; es ist aber doch nicht billig, dass der Betrunkene den N?chternen das Thema gebe. Und dann, Gl?cklicher, glaubst du etwas von allem, was Sokrates vorhin gesagt? Wisse denn, gerade das Gegenteil davon ist wahr! Denn er, er kann mit den H?nden kaum an sich halten, wenn ich in seiner Gegenwart irgend jemanden, einen Gott oder einen Menschen, preise." ,,L?sterst du hier nicht?" fragte Sokrates. ,,Bei Poseidon! Du kannst mir nicht widersprechen, wenn ich behaupte, ich d?rfe in deiner Gegenwart niemand anderen loben!" ,,Ja, dann mache es doch so:" sagte Eryximachos, ,,preise Sokrates!" ,,Wie meinst du das? Sollte ich es tun, Eryximachos? Sollte ich ihm auf diese Weise beikommen und mich vor euch an ihm r?chen?" ,,Was hast du da im Sinn? Willst du mich mit deinem Lobe l?cherlich machen? Oder was willst du?" sagte Sokrates. ,,Ich will die Wahrheit sagen: hast du jetzt etwas dagegen?" ,,O nein, gegen die Wahrheit habe ich nichts; ich will sogar, dass du sie sagst!" ,,Und ich werde auch gleich beginnen, du halte es aber so: Wenn ich nicht die Wahrheit sage, so unterbrich mich, wenn du willst, nur gleich mitten im Reden und sage, dass ich l?ge! Absichtlich werde ich nicht l?gen. Wenn ich aber in meiner Erinnerung da und dort Spr?nge mache, nimm es nicht ?bel! Es ist in meinem Zustande nicht leicht, dein sonderbares Wesen in einer gewissen Ordnung zu schildern.

So will ich denn, M?nner, Sokrates preisen, und ich will versuchen, ihn in Bildern zu preisen. Er wird vielleicht glauben, dass ich ihn durch die Bilder l?cherlich machen will; o nein, die Bilder werden die Wahrheit sprechen. Und so sage ich denn gleich: Sokrates gleicht jenen Silenen, die ihr in den Werkst?tten der Bildhauer findet. Die K?nstler bilden sie gew?hnlich mit einer Pfeife oder einer Fl?te in der Hand und geben ihnen zwei kleine T?ren: wer diese ?ffnet, erblickt im Inneren kleine Bilds?ulen der G?tter. Ich sage aber weiter, Sokrates gleicht Marsyas, dem Satyr. Dass du ihm im ?usseren ?hnlich bist, wirst du selber nicht bestreiten wollen, Sokrates! Worin du dem Satyr aber sonst noch gleichst, das h?re nun! Du bist wie Marsyas ein Frevler, Sokrates! Wenn du nein sagst, will ich dir Zeugen bringen. Ja, du bist wie er ein Emp?rer, und dann weisst auch du die Fl?te zu spielen und sch?ner als Marsyas. Denn Marsyas lockte die Menschen mit seinem Instrument durch die Kunst seiner Lippen, und heute noch leben Menschen, die seine Weisen spielen. Was Olympos spielte, das hatte er von Marsyas gelernt. Ob sie ein guter Fl?tenspieler oder eine von den gew?hnlichen Fl?tenspielerinnen spielt, seine Weisen allein ergreifen und offenbaren den, der der G?tter und der Weihen bed?rftig ist; denn des Marsyas Weisen sind g?ttlich. Du aber, Sokrates, unterscheidest dich nur darin von Marsyas, dass du ohne Instrument, nur mit deinen nackten Worten spielst. Wenn wir einen anderen, und w?re er auch der beste Redner, h?ren, so geht uns das gew?hnlich sozusagen gar nichts an. Wer dich, dich selbst h?rt oder deine Worte von einem andern, und w?re dieser der gemeinste unter den Menschen, wenn dir ein Weib, ein Mann, ein Knabe zuh?rt, wir alle sind wie ersch?ttert und verm?gen uns kaum zu halten. O M?nner, wenn ich euch dann nicht ganz betrunken erscheinen sollte, so w?rde ich euch es sagen und jeden Satz beschw?ren, was ich durch seine Worte gelitten habe und immer wieder leide. Wenn ich Sokrates h?re, da schl?gt mein Herz st?rker als das Herz des Korybanten, und ich vergiesse Tr?nen, und viele, viele erfahren dasselbe. Ich habe Perikles und die anderen grossen Redner geh?rt; mir schien da immer nur, sie spr?chen gut, ja, aber ich erfuhr durch sie nichts ?hnliches, und meine Seele ward nie ersch?ttert und hat sich nie aufgeb?umt, wie ein Sklave sich gegen den Herrn aufb?umt. Aber dieser Marsyas hier hat mich oft so weit gebracht, dass mir das Leben, das ich f?hre, nichtsw?rdig vorkam. Sokrates, du kannst nicht sagen, dass das nicht wahr sei. Und ich weiss ganz genau, dass, wenn ich jetzt, so wie ich hier bin, ihm zuh?ren wollte, ich nicht an mich halten k?nnte und dasselbe erf?hre. Er zwingt mich, ihm recht zu geben, wenn er behauptet, selber noch voll von Fehlern, vernachl?ssigte ich mich und besch?ftigte mich mit den Angelegenheiten Athens. Wie vor den Sirenen fliehe ich vor ihm und halte mir die Ohren zu, damit ich nicht bei ihm fr?h zum Greise werde. Und so habe ich durch ihn erfahren, was niemand in mir wohl gesucht h?tte: ich habe durch ihn die Scham erfahren. Ja, vor ihm allein unter allen Menschen sch?me ich mich. Ich bin ja nicht imstande, ihm zu widersprechen und zu sagen: Ich muss nicht das tun, was du von mir willst; ich weiss das, denn ich weiss, dass, wenn ich ihm entwichen bin, mich vor dem Volke der alte Ehrgeiz wieder packt. Und so laufe ich vor ihm weg und fliehe ihn und sch?me mich, so oft ich ihn sehe, alles dessen, was ich ihm zugestanden und ?ber mich einger?umt habe. Ja, oft habe ich da den Wunsch, ihn nicht mehr unter den Lebenden zu sehen. Und doch, wenn das je eintr?fe, ich weiss, ich w?rde noch viel ungl?cklicher sein; so wehrlos, so ganz wehrlos bin ich gegen ihn.

Und so haben wir denn alle durch die Fl?tenweisen dieses Satyrs viel gelitten, und ihr habt von mir geh?rt, worin er den Wesen ?hnlich ist, mit denen ich ihn vergleiche, und welche Macht ihm ?ber uns ward. Aber wisst, ihr alle kennt ihn schliesslich gar nicht, und da ich einmal begonnen, so will ich ihn euch ganz offenbaren. Seht, Sokrates tut in alle sch?nen J?nglinge verliebt und schleicht um sie herum und ist immer erregt in seinen Geb?rden! Ist das nicht Silenenart? Und wie einer jener gemeisselten Silenen ist auch seine ganze Haltung. Wer aber den Silen ?ffnet, Freunde und Zechgenossen, wie sieht er diesen da nicht ganz voll von Weisheit und Mass! Ja, ich sage euch, diesen Silen k?mmert es dann gar nicht, ob ein J?ngling sch?n sei oder nicht, ja er verachtet dessen Sch?nheit so gr?ndlich, wie niemand es erwarten w?rde, und es ist ihm ganz gleichg?ltig, ob einer von denen, welche da immer von der Menge gl?cklich gepriesen werden, reich sei oder eine hohe Stellung habe. Sokrates h?lt diese G?ter f?r wertlos und uns selbst f?r eitel -- merkt euch das --, wenn er, mit euch Spott und Spass treibend, sein Leben f?hrt. Aber ich weiss nicht, ob je einer von euch in ihn hineingeblickt und in ihm die G?tterbildnisse gesehen hat, wenn Sokrates ernst und wie offen ist. Ich habe hineingeblickt und glaube G?ttliches gesehen zu haben und lauter Gold und ?beraus Sch?nes und Wunder, und darum muss ich von nun an immer tun, was Sokrates mich heisst. Als ich glaubte, Sokrates habe ein Auge auf meine Sch?nheit geworfen, hielt ich es f?r meinen Stern und mein grosses Gl?ck, denn ich brauchte mich dann ihm nur ganz hinzugeben, um sein ganzes Wissen zu erfahren. Und ich hielt viel von meiner Sch?nheit. Bisher war ich nie allein mit Sokrates gewesen, aber jetzt und in meiner grossen Hoffnung entliess ich meinen Begleiter und war das erste Mal allein mit ihm. Ich muss euch die ganze Wahrheit sagen, seid aufmerksam, und wenn ich l?ge, dann, Sokrates, ?berf?hre mich. Ich war also allein mit ihm, o M?nner, und erwartete, er werde mir gleich alles das sagen, was der Freund, wenn niemand zuh?rt, zum Geliebten spricht, und war selig. Aber nichts dergleichen geschah; Sokrates sprach zu mir wie immer, blieb den Tag ?ber da und ging dann fort. Das n?chste Mal forderte ich ihn auf, mit mir zu turnen; vielleicht k?nnte ich auf diese Weise etwas von ihm erreichen, dachte ich. Und Sokrates turnte auch und rang oft mit mir, w?hrend niemand zusah. Ach, wie soll ich es nur sagen! Auch das half nichts. Und da ich zu keinem Ziele kommen konnte, beschloss ich, Gewalt anzuwenden und, wenn ich ihn nur einmal fest habe, von dem Manne nicht mehr zu lassen; ich musste endlich wissen, wie ich mit ihm st?nde. Ich bat ihn also, mit mir zu essen; wie ihr seht, lief ich ihm also ganz einfach nach, wie der Freund dem Geliebten. Er folgte zwar nicht gleich meiner Bitte, aber nach einiger Zeit kam er wirklich. Beim ersten Mal wollte er gleich nach dem Essen fort, und ich sch?mte mich damals so sehr, dass ich ihn auch gehen liess. Beim zweiten Mal aber gebrauchte ich eine List: nachdem wir gegessen hatten, sprach ich ohne Unterbrechung bis in die Nacht in ihn hinein, und als er endlich doch gehen wollte, meinte ich, es sei schon zu sp?t, und zwang ihn zu bleiben. Und wirklich, diesmal legte er sich denn auf meinem Lager nieder, auf demselben, auf welchem wir gegessen hatten, und niemand anders ausser uns beiden schlief in dieser Nacht im Hause. Was ich bis hierher erz?hlt habe, h?tte ich jedermann erz?hlen k?nnen. Was ich nun sagen werde, w?rdet ihr niemals aus meinem Munde vernommen haben, wenn erstens nicht, wie es heisst, der Wein und die Kinder oder der Wein allein -- ohne die Kinder -- die Wahrheit spr?chen, und wenn zweitens es mir nicht unrecht schiene, eine so ausserordentliche Tat des Sokrates zu verschweigen. Und dann, es ist mir heute noch wie einem, den die Natter gebissen hat; und die Leute sagen, wen jemals eine Natter gebissen hat, der k?nne, wie das w?re, nur jenen wieder schildern, welchen ein gleiches widerfahren sei, da diese allein verst?nden und mitempf?nden, wenn einer im Schmerze dann alles zu tun und zu sagen wagt. Ich hatte aber einen b?seren Biss bekommen und dorthin, wo es am meisten schmerzt: mich hat es ins Herz gebissen, oder wie man das nennen soll, wohin uns die Worte eines Weisen treffen und die Bisse einer wilderen Natter beissen, wenn sie in die Seele eines nicht unedlen J?nglings greifen und ihn zu allem f?hig machen. Ich sehe euch hier um mich, wie immer ihr heissen m?gt, dich, Phaidros, dich, Agathon, Eryximachos, Pausanias, Aristodemos und Aristophanes, wozu soll ich noch Sokrates selbst nennen oder die vielen anderen? Ihr alle seid gebissen worden und voll gewesen der Wut und des Taumels der Philosophie! Und darum sollt ihr mich jetzt h?ren, ihr allein werdet verzeihen, was ich damals alles tat und jetzt ausspreche. Ihr Diener aber, und wer sonst noch hier ungeweiht und roh geblieben ist, legt euch grosse Tore vor die Ohren!

Was alles, glaubt ihr, muss ich damals nicht empfunden haben? Er verachtete mich -- ich nahm es doch so -- und ich, ich liebte seine Art, seine Weisheit, seine M?nnlichkeit; ich hatte in ihm einen Menschen von so hoher Vernunft und M?ssigung gefunden, wie ich ihm nie im Leben zu begegnen glaubte! Ich konnte also weder ihm z?rnen und ihn meiden, noch hatte ich Mittel, ihn an mich zu fesseln. Ich wusste jetzt, dass Gold ihn noch weniger zu verwunden verm?chte, als Eisen den Aias; dort also, wo allein ich ihn fassen zu k?nnen hoffte, ging er mir durch. Ich war hilflos und irrte umher in den Fesseln, in die dieser Mensch mich geschlossen hatte.

Das alles habe ich mit ihm erlebt, bevor wir gemeinsam den Feldzug gegen Potidaia mitmachten und dort im Lager am selben Tisch assen. Vor allem war Sokrates hier im Ertragen der Strapazen nicht nur mir, sondern ?berhaupt allen Soldaten ?berlegen. So oft wir, wie das im Kriege vorkommt, irgendwo abgeschnitten waren und nichts zu essen hatten, konnte er wie kein anderer Hunger leiden. Wenn es dagegen ?berfluss gab, konnte er wieder mehr essen als andere, und freiwillig zwar nicht, aber gezwungen, trank er uns alle unter den Tisch; und was das erstaunlichste ist, noch niemand hat je Sokrates betrunken gesehen. Er wird euch gleich hier den Beweis geben. Wie er die K?lte ertrug -- die Winter sind dort streng -- auch das klingt wie ein Wunder. Es hatte einmal stark gefroren, die Soldaten verliessen entweder ?berhaupt nicht die Zelte oder, wenn einer ausging, wickelte er sich wunder wie ein und hatte die F?sse in Filz oder Pelz gefatscht; Sokrates aber kam im Rock, den er immer trug, heraus und spazierte barfuss leichter durch den Frost als alle, die ihre Schuhe hatten. Die Soldaten blickten ihn misstrauisch an und mussten denken, er wolle sich ?ber sie nur lustig machen. Doch davon genug.

Aber ,,wie er jenes Grosse vollbracht, der gewaltige Mann, und bestanden", damals im Kriege, das m?sst ihr noch h?ren. Eines Morgens kam er in Gedanken und blieb stehen und sann, und da er es scheinbar nicht heraus bekam, gab er nicht nach und blieb weiter stehen und suchte. Es war schon Mittag geworden; die Leute wunderten sich ?ber ihn und einer sagte es dem anderen: Sokrates steht seit fr?hem Morgen auf einem Fleck, r?hrt sich nicht und denkt nach! Da es Abend geworden war und alle gegessen hatten, trugen einige j?ngere Soldaten ihre Betten aus den Zelten -- wir waren im Sommer -- und wollten im K?hlen schlafen und zugleich sehen, ob denn Sokrates auch in der Nacht auf demselben Fleck stehen bleiben werde. Und wirklich, Sokrates blieb die ganze Nacht stehen, bis der Morgen kam und die Sonne aufging, dann sprach er der Sonne sein Gebet und ging fort. Und h?rt jetzt, wie er in der Schlacht selbst war -- auch hier darf ich ihm nichts schuldig bleiben! In jener Schlacht, nach welcher mir die Feldherrn den Preis zuerkannten, hat er mir das Leben gerettet; als ich verwundet am Boden lag, ist er bei mir geblieben und hat mich und meine Waffen in Sicherheit gebracht. Und schon damals forderte ich die Feldherrn auf, dir, Sokrates, den Preis zuzuerkennen -- auch hierin wirst du mir nicht unrecht geben und sagen, ich l?ge. Die Feldherrn aber sahen auf meinen Adel und beschlossen darum, ihn mir zu geben, und du w?nschtest es noch eifriger als sie, dass ich ihn habe. Und dann, M?nner, h?ttet ihr Sokrates sehen sollen, als das ganze Heer von Delion auf der Flucht war. Ich war damals zu Pferde und er in voller R?stung zu Fuss. Das ganze Heer war in wilder Unordnung, er ging mit Laches. Da treffe ich sie und rufe ihnen Mut zu und meinte, ich wolle sie nicht verlassen. Und hier sah ich Sokrates noch herrlicher als in Potidaia. Da ich zu Pferde war, hatte ich weniger Furcht. Aber, wie damals Sokrates den Laches an Haltung ?bertraf! Ich sah ihn dort leibhaftig wie du, Aristophanes, ihn schilderst: trotzigen Blicks, mit rollenden Augen; ruhig sah er rechts und links die Freunde und Feinde, und man wusste schon von weitem, dass, wenn ihn jetzt hier einer angreifen wollte, er sich dessen erwehren w?rde. Und er und sein Begleiter kamen darum auch ganz sicher durch. Denn Soldaten von seiner Haltung werden im Kriege selten angegriffen, und der Feind hat es viel mehr auf die abgesehen, die kopf?ber fliehen. Vieles Andere noch und Herrliches k?nnte ich an Sokrates r?hmen; aber was er sonst noch alles tat, das k?nnte oft auch ein anderer getan haben: das Wunder an ihm ist, dass er keinem Menschen weder unter den Alten noch unter den Lebenden gleicht. Mit Achilleus k?nnte man schliesslich Brasidas, mit Perikles Nestor und Antenor vergleichen, es finden sich da immer noch andere. Immer kann man da den einen mit dem anderen vergleichen. Dieser Mensch aber, er selbst und seine Worte, ist so sonderbar gewachsen, dass niemand weder unter den Alten, noch unter den Lebenden seinesgleichen finden w?rde, es sei denn, dass er ihn, wie ich es tat, mit Menschen ?berhaupt nicht, sondern mit den Silenen und Satyrn ihn und seine Worte vergliche.

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