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Read Ebook: Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Erster Band enthaltend Kapitel 1 und 2 by Macaulay Thomas Babington Macaulay Baron Beseler Wilhelm Translator

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Ebook has 340 lines and 95057 words, and 7 pages

Translator: Wilhelm Hartwig Beseler

Thomas Babington Macaulay's

Geschichte von England

seit der

Thronbesteigung Jakob's des Zweiten.

Aus dem Englischen.

Vollst?ndige und wohlfeilste

Zweite Auflage

enthaltend Kapitel 1 und 2.

Leipzig, 1856. G. H. Friedlein.

Erstes Kapitel.

Geschichte Englands vor der Restauration.

Nicht minder habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, grosse Ungl?cksf?lle, aus denen Triumphe hervorgingen, zu berichten und grosse nationale Verbrechen und Thorheiten, die tiefer erniedrigen, als irgend ein Missgeschick; ich werde darthun, dass die G?ter, welche wir zu den h?chsten Segnungen z?hlen, nicht rein wie Gold sind; dass das System, nach welchem man unsere Freiheiten gegen die Willk?r der k?niglichen Macht sch?tzte, eine neue Art Missbr?uche erschuf, die man in unbeschr?nkten Monarchien nicht kennt; man wird ersehen, dass theils durch unkluge Einmischung, theils durch th?richte Vernachl?ssigung, aus der Bl?te des Wohlstandes und der Ausdehnung des Handels nicht nur unermesslicher Segen, sondern auch ?bel hervorgingen, welche armen und uncultivirten Gesellschaften fremd sind; wie in zwei bedeutenden Besitzth?mern der Krone dem ver?bten Unrechte gerechte Vergeltung ward; wie Unklugheit und Eigensinn die Bande l?s'ten, welche die nordamerikanischen Kolonien mit dem Mutterlande vereinten; wie das mit dem Fluche der Herrschaft eines Volksstammes ?ber den andern und einer Konfession ?ber die andere belastete Irland zwar ein Glied des Staatsk?rpers blieb, aber welk und ausgerenkt ihm keine Kraft verlieh, so dass Alle, welche die Gr?sse Englands f?rchten oder beneiden, vorwurfsvoll darauf hindeuten.

Wenn mich nicht alles t?uscht, wird trotzdem meine bunte Erz?hlung in den religi?sen Gem?thern Dankbarkeit und in der Brust der Vaterlandsfreunde neue Hoffnung erwecken, denn die Geschichte unsers Vaterlandes, welche die letzten einhundertundsechzig Jahre umschliesst, ist unbedingt die Geschichte der physischen, moralischen und geistigen Fortbildung. Alle die, welche ihr Zeitalter mit dem idealen, goldenen vergleichen, m?gen von Entartung und Verfall reden; aber keiner, der die Vergangenheit genau kennt, wird sich geneigt f?hlen, unmuthig und verzweifelnd auf die Gegenwart zu blicken.

Ich w?rde die Aufgabe, die ich mir gestellt, nur unvollkommen l?sen, wenn ich allein von Schlachten und Belagerungen, von dem Bilden und Aufl?sen der Ministerien und von Palastintriguen und Parlamentsdebatten reden wollte; es wird vielmehr mein Bestreben sein, eben so sorgf?ltig die Geschichte des Volks aufzuzeichnen, als die der Regierung; die Entwickelung der n?tzlichen und zierenden K?nste, die Entstehung religi?ser Sekten und die Ver?nderungen auf dem Gebiete der Wissenschaften zu schildern; ein Bild von den Sitten der verschiedenen Generationen zu liefern, ja selbst der Ver?nderungen zu erw?hnen, die in Kleidung, h?uslicher Einrichtung, bei Gastm?hlern und ?ffentlichen Vergn?gungen stattgefunden haben. Den Vorwurf, die W?rde der Geschichte verletzt zu haben, will ich gern ertragen, wenn es mir nur gelingt, den Engl?ndern des neunzehnten Jahrhunderts ein treues Bild von dem Leben ihrer Vorfahren zu liefern.

In den ersten Zust?nden Britanniens deutet nichts auf die Gr?sse hin, die es zu erreichen bestimmt war. Als die Bewohner desselben zuerst den tyrischen Schiffern bekannt wurden, standen sie wenig ?ber den Eingeborenen der Sandwichinseln. Zwar unterjochten es die r?mischen Waffen, aber es erhielt nur eine schwache F?rbung von r?mischen K?nsten und Wissenschaften. Von den westlichen Provinzen, welche sich die C?saren unterwarfen, war es die letzte, aber auch die erste wieder, die ihnen verloren ging. Man findet in Britannien nichts von ?berresten pr?chtiger S?ulenhallen oder Wasserleitungen; unter den Meistern lateinischer Dichtkunst und Beredtsamkeit findet man keinen Schriftsteller britischer Geburt aufgezeichnet; es ist demnach nicht wahrscheinlich, dass die Inselbewohner je mit der Sprache ihrer italischen Zwingherren allgemein vertraut gewesen sind. Von dem atlantischen Meere bis zu den Rheinl?ndern war Jahrhunderte hindurch die lateinische Sprache die vorherrschende; sie hat die celtische Sprache verdr?ngt, hat der deutschen widerstanden und ist noch jetzt die Grundlage der franz?sischen, spanischen und portugiesischen. Das Latein scheint auf unserer Insel nie die alte galische Sprache bew?ltigt zu haben, auch hat es sich gegen das Germanische nicht behaupten k?nnen.

Die unbedeutende und oberfl?chliche Bildung, welche die Briten von ihren s?dlichen Beherrschern empfangen, verl?schten die Drangsale des f?nften Jahrhunderts. In den K?nigreichen des Festlandes, in die das r?mische Reich damals zerfallen war, lernten die Eroberer viel von dem unterjochten Stamme. In Britannien wurden die Unterjochten eben so barbarisch, als die Sieger.

Alle H?uptlinge, Alarich, Theodorich, Chlodowig, Alboin, die in den festl?ndischen Provinzen des r?mischen Reichs deutsche Dynastien gr?ndeten, waren eifrige Christen; das Gefolge des Ida und des Cerdic aber brachte allen Aberglauben der Elbe nach ihren Ansiedelungen in Britannien. W?hrend die deutschen Herrscher in Paris, Toledo, Arles und Ravenna ehrfurchtsvoll den Lehren der Bisch?fe Geh?r gaben, Reliquien von M?rtyrern verehrten und sich eifrig an den theologischen Streitfragen von Nic?a betheiligten, ?bten die Herrscher von Wessex und Mercia ihre wilden Gebr?uche in den Tempeln des Thor und Wodan.

Die auf den Tr?mmern des Westreichs gegr?ndeten festl?ndischen K?nigreiche unterhielten noch ferner einigen Verkehr mit jenen ?stlichen Provinzen, in denen die alte Civilisation, wenn auch nach und nach unter dem Einflusse schlechter Regierung schwindend, immer noch die Barbaren in Erstaunen setzte und belehrte, in denen der Hof stets noch den Glanz des Diocletian und des Constantin entfaltete, die Bildwerke des Polyklet und die Gem?lde des Apelles die ?ffentlichen Geb?ude schm?ckten, und fleissige Pedanten, wenn auch ohne Geschmack, Verstand und Geist, die Meisterwerke des Sophokles, Demosthenes und Plato zu lesen und zu erkl?ren im Stande waren. Von dieser Verbindung war Britannien v?llig ausgeschlossen; seine K?sten wurden von den cultivirten Bewohnern der L?nder am Bosporus mit jenem unheimlichen Grauen betrachtet, mit welchem die Meerenge der Scylla und die Stadt der l?strygonischen Kannibalen zu Homers Zeiten die Ionier erf?llten. Es gab auf unserer Insel eine Provinz, deren Boden, wie Prokopius erfahren, mit Schlangen bedeckt war und deren Luft kein Mensch einathmen und in ihr leben konnte. Zu dieser Ein?de wurden die Seelen der Verstorbenen aus dem Frankenlande um Mitternacht ?bergeschifft; ein fremder Fischerstamm besorgte dies unheimliche Gesch?ft. Deutlich vernahm der Bootsmann die Sprache der Todten; die Last derselben senkte den Kiel tief in das Wasser, ihre Gestalten aber blieben dem sterblichen Auge unsichtbar. Wunderdinge dieser Art erz?hlt ein geschickter Geschichtsschreiber, der Zeitgenosse Belisars, Simplicius und Tribonian's, in vollem Ernste dem reichen und gebildeten Konstantinopel von einem Lande, in welchem der Gr?nder Konstantinopels sich den kaiserlichen Purpur angelegt hatte. Von allen andern Provinzen des westlichen Reichs haben wir eine zusammenh?ngende Kunde; nur in Britannien werden zwei Zeitalter der Wahrheit durch ein Zeitalter der Fabel v?llig getrennt. Odoaker und Totila, Euric und Trasimund, Chlodwig, Fredegunde und Brunhild sind geschichtliche M?nner und Frauen; aber Hengist und Horsa, Vortigern und Rowena, Arthur und Mordred sind mythische Personen, deren Existenz zu bezweifeln ist und deren Abenteuer in die Klasse der des Herkules und Romulus zu werfen sind.

Endlich beginnt das Dunkel sich zu lichten, und das Land, das als Britannien aus dem Gesichtskreise entschwunden, erscheint als England wieder. Mit der Bekehrung der s?chsischen Ansiedler zum Christenthume begann eine lange Reihe heilsamer Umgestaltungen, obgleich die Kirche selbst durch den Aberglauben und die Philosophie, gegen die sie lange und endlich siegreich gek?mpft, tief verderbt war, und den von den alten Schulen entnommenen Lehrs?tzen, sowie den alten Tempeln entlehnten Gebr?uchen zu willig Eingang gestattet hatte. R?mische Politik und gothische Unwissenheit, griechische Spitzfindigkeit und syrische Asketik hatten vereint zu ihrer Verderbniss gewirkt; aber ihr war noch genug von der erhabenen Gotteslehre und milden Moral fr?herer Zeit geblieben, um manchen Geist zu erheben, manches Herz zu l?utern. Ebenso geh?rte Manches, was in sp?terer Zeit als ihr Hauptmakel betrachtet wurde, im siebenten Jahrhunderte und noch lange nach demselben zu ihren gr?ssten Verdiensten. So w?rden ?bergriffe der Geistlichkeit in die Obliegenheiten der b?rgerlichen Obrigkeit in unserer Zeit ein grosses ?bel sein; aber was unter einer guten Regierung ein ?bel ist, kann unter einer durchaus schlechten zum Segen werden. Es ist besser, wenn die Menschen durch weise, gut ausge?bte Gesetze und durch eine aufgekl?rte ?ffentliche Meinung, als durch listige Priester regiert werden; aber es ist wiederum besser, wenn Priesterlist statt roher Gewalt, wenn ein Pr?lat wie Dunstan, statt eines Kriegers wie Penda herrscht. Eine in Rohheit versunkene Gesellschaft, die nur durch physische Kraft regiert wird, hat vollen Grund sich zu freuen, wenn ein Stand, dessen Wirken geistiger und moralischer Natur ist, die Obergewalt erh?lt. Ohne Zweifel wird ein solcher Stand seine Macht missbrauchen; aber selbst eine gemissbrauchte geistige Macht ist stets edler und besser, als jene, die sich nur auf die Kraft des K?rpers st?tzt. Die s?chsischen Chroniken erz?hlen von Tyrannen, die, auf dem Gipfel ihrer Macht angelangt, von Reue ergriffen, die durch Verbrechen erworbenen Gen?sse und W?rden verschm?hten, ihre Kronen niederlegten und durch harte B?ssungen und unausgesetzte Gebete die ver?bten Frevel s?hnen wollten: diese Erz?hlungen haben einigen Schriftstellern Anlass zu bitteren, verachtenden ?usserungen gegeben, Schriftstellern, die sich der Freisinnigkeit r?hmten, im Grunde aber so engherzig waren, als es nur ein M?nch aus der finstern Zeit sein kann, und an alle Ereignisse in der Geschichte den Massstab zu legen pflegten, den die Pariser Gesellschaft des achtzehnten Jahrhunderts verwendete. Ein System, sollte ich glauben, das, wenn auch immerhin durch Aberglauben entstellt, dennoch in die durch rohe Muskelkraft und Geistesk?hnheit beherrschten Gesellschaften starke moralische Schranken einf?hrte, die verwegensten und m?chtigsten Herrscher lehrte, dass sie, gleich ihren niedrigsten Knechten, verantwortliche Wesen seien, ein solches System h?tte verdient, von Philosophen und Menschenfreunden mit gr?sserer Achtung erw?hnt zu werden. --

Dieselben Bemerkungen gelten auch in Bezug auf die Verachtung, mit der man im vorigen Jahrhunderte von den Pilgerfahrten, den heiligen Zufluchtsst?tten, den Kreuzz?gen und den m?nchischen Institutionen des Mittelalters zu sprechen pflegte. In Zeiten, in denen die Menschen weder durch Lernbegierde noch durch Gewinn zu reisen veranlasst wurden, war es besser, dass der rohe Nordl?nder Italien und den Osten als Pilger besuchte, als wenn er nie etwas Anderes als die schmutzigen Wohnungen und die wilden W?lder, in denen er geboren, gesehen h?tte. In Zeiten, in denen das Leben und die weibliche Ehre t?glich der Gefahr ausgesetzt waren, von Tyrannen und R?ubern angegriffen zu werden, war es besser, dass die Grenzen eines Heiligenschreines mit einer unvern?nftigen Scheu betrachtet wurden, als wenn es gar keine der Rohheit und Freiheit verschlossene Zufluchtsst?tte gegeben h?tte. In Zeiten, wo die Staatsm?nner unf?hig zur Aufstellung umfassender politischer Combinationen waren, war es besser, dass die christlichen V?lker sich vereinigt zur Wiedergewinnung des heiligen Grabes erhoben, als wenn sie von der mahomedanischen Macht eins nach dem andern ?berw?ltigt worden w?ren. Wenn man auch mit Recht in sp?terer Zeit die Tr?gheit und ?ppigkeit der religi?sen Orden tadelte, so war es gewiss gut, dass es in dem Zeitalter der Rohheit und Gewaltt?tigkeit ruhige Kl?ster und G?rten gab, in denen die K?nste des Friedens in Sicherheit gepflegt, edle und zum Nachdenken geneigte Gem?ther eine Zufluchtsst?tte finden konnten; wo ein Bruder sich mit dem Abschreiben von Virgil's ?neide, ein anderer sich mit dem Studium der Analysen des Aristoteles besch?ftigte; wo es dem Kunstsinnigen gestattet war, eine Sammlung M?rtyrerlegenden auszumalen, oder ein Crucifix zu schnitzeln, und denen, die Sinn f?r Naturwissenschaft hatten, Versuche ?ber die Eigenschaften der Pflanzen und Mineralien anzustellen. W?ren solche friedlichen Orte nicht hier und dort unter den H?tten eines elenden Landvolkes und unter den Burgen eines ?berm?thigen Adels verstreut gewesen, es w?rden die Bewohner Europa's nur Last- und Raub-Thiere gewesen sein. Die Theologen haben die Kirche oft mit der Arche verglichen, von der wir im Buche der Genesis lesen: Die ?hnlichkeit mit derselben war nie vollkommener als w?hrend jener b?sen Zeit, wo sie allein in Finsterniss und Sturm sich auf den Wogen, die alle grossen Werke antiker Macht und Weisheit begraben hatten, erhielt, und den schwachen Keim in sich trug, dem eine zweite und ruhmreichere Civilisation entspriessen sollte.

Selbst die geistliche Obergewalt, die der Pabst sich anmasste, hat in den finstern Zeitaltern mehr Gutes als B?ses bewirkt. Die Vereinigung der Nationen des westlichen Europa's zu einem grossen Gemeinwesen war ihr Werk. Was die olympischen Wagenk?mpfe und das pythische Orakel den griechischen St?dten, von Trapezunt bis Massalia, das waren Rom und sein Bischof den Christen der lateinischen Kirche von Calabrien bis zu den Hebriden. Es erwuchsen so Gef?hle umfassenden Wohlwollens; Volksst?mme, durch Meere und Berge von einander getrennt, erkannten ein br?derliches Band und ein gemeinsames Buch der ?ffentlichen Gesetze an, und selbst im Kriege ward die Grausamkeit des Siegers nicht selten durch den Gedanken gemildert, dass er und seine unterjochten Feinde alle Glieder eines grossen Bundes seien.

Diesem Bunde nun traten unsere s?chsischen Vorfahren bei. Es entstand ein regelm?ssiger Verkehr zwischen unsern K?sten und jenem Theile Europa's, in dem die Spuren der alten Macht und Staatskunst noch sichtbar waren. Viel edle Denkm?ler, die w?hrend der Zeit zerst?rt oder verunstaltet worden, standen noch in ihrer alten Pracht, und Reisende, denen Livius und Sallust unverst?ndlich waren, konnten sich aus den r?mischen Wasserleitungen und Tempeln einen schwachen Begriff von r?mischer Geschichte bilden. Der immer noch von Erz schimmernde Dom des Agrippa; das Grabmal des Hadrian, der S?ulen und Statuen noch nicht beraubt; das flavische Amphitheater, noch nicht zu einem Steinbruche herabgesunken, erz?hlten den Pilgern von Mercia und Northumberland einen Theil der Geschichte jener grossen aufgekl?rten Welt, die untergegangen war. Mit tief eingepr?gter Ehrfurcht in den kaum ge?ffneten Gem?thern kehrten die Inselbewohner zur?ck und erz?hlten den staunenden Bewohnern der H?tten von London und York, dass ein m?chtiges, jetzt erloschenes Geschlecht bei dem Grabe des heiligen Petrus Geb?ude aufgef?hrt habe, die vor dem j?ngsten Tage nicht untergehen w?rden. Die Gelehrsamkeit folgte dem Christenthume; die Dichtkunst und Beredtsamkunst der Zeit des Augustus ward in den Kl?stern von Mercia und Northumberland mit Eifer ge?bt, und die Namen des Beda, des Alcuin und des Johannes, auch Erigena genannt, wurden durch ganz Europa mit Recht gefeiert. In diesem Zustande befand sich unser Vaterland, als im neunten Jahrhundert die letzte grosse Einwanderung der Barbaren des Nordens begann.

Mehrere Menschenalter hindurch kamen aus D?nemark und Skandinavien zahllose Seer?uber, die sich durch Kraft, Muth, schonungslose Grausamkeit und Hass gegen den christlichen Namen auszeichneten. Kein Land litt durch diese Einf?lle so viel, als England, dessen K?ste den H?fen, aus denen sie ausfuhren, nahe lag, und kein Theil unserer Insel war weit genug vom Meere entfernt, um vor Angriffen sicher zu sein. Dieselben Grausamkeiten, die den Sieg der Sachsen ?ber die Celten begleitet, erlitten nach Jahrhunderten die Sachsen von der Hand der D?nen. Die Gesittung, die sich neu zu heben begann, ward von dem Schlage getroffen und sank wiederum darnieder. Grosse Colonien Abenteurer von der Ostsee liessen sich an den ?stlichen K?sten nieder, dehnten sich nach und nach westw?rts aus, und, unterst?tzt durch stete Verst?rkungen von jenseits des Meeres, trachteten sie danach, sich der Herrschaft des ganzen Reichs zu bem?chtigen. Der Kampf zwischen den beiden wilden germanischen St?mmen dauerte sechs Menschenalter hindurch. -- Jeder gewann abwechselnd den Sieg. Furchtbare Metzeleien, denen eine nicht minder furchtbare Rache folgte, verheerte Provinzen, gepl?nderte Kl?ster und zerst?rte St?dte bilden den gr?ssten Theil der Geschichte jener furchtbaren Zeit. Als endlich der Norden keine Verw?ster mehr aussandte, erlosch nach und nach der gegenseitige Hass der St?mme, und wechselseitige Verheirathungen fanden h?ufiger statt. Die D?nen erlernten die Religion der Sachsen, und somit schwand eine Ursache t?dtlicher Erbitterung. Die d?nische und s?chsische Sprache, Dialekte einer ausgebreiteten Mundart, verschmolzen ineinander; noch aber war die Verschiedenheit zwischen den beiden V?lkern nicht v?llig verschwunden, als ein Ereigniss beide in gemeinsamer Knechtschaft und Erniedrigung zu den F?ssen eines dritten Volkes niederbeugte.

Durch die Schlacht von Hastings und die ihr folgenden Ereignisse gelangte nicht nur ein Herzog der Normandie auf den englischen Thron, es ward auch die ganze Bev?lkerung Englands der Tyrannei des norm?nnischen Stammes preisgegeben. Selten ist die Unterjochung einer Nation durch die andere, selbst in Asien, vollst?ndiger gewesen. Die F?hrer der Eroberer vertheilten das Land unter sich, starke milit?rische Einrichtungen, eng mit den Verh?ltnissen des Grundeigenthums verbunden, machten es den fremden Siegern m?glich die Landeskinder zu unterdr?cken. Ein grausames und r?cksichtlos grausam angewendetes Strafgesetzbuch sch?tzte nicht nur die Vorrechte, sondern auch die Lustbarkeiten der fremden Unterjocher. Aber dennoch liess das unterworfene Volk, obgleich geknechtet und mit F?ssen getreten, seinen Stachel f?hlen. Einige k?hne M?nner, die Lieblingshelden unserer ?ltesten Balladen, fl?chteten sich in die W?lder und unternahmen von dort aus, trotz der Feuerglocken- und Forstgesetze, einen Raubkrieg gegen ihre Unterdr?cker. T?glich wurden Meuchelmorde ver?bt; mancher Normanne verschwand pl?tzlich und spurlos; viele der aufgefundenen Leichen trugen die Spuren der Gewaltth?tigkeit. Man drohte den M?rdern mit martervollen Todesstrafen und stellte die strengsten Nachforschungen an; diese waren aber gew?hnlich ohne Erfolg, denn die ganze Nation hatte sich zu ihrem Schutze verschworen. Endlich ward f?r n?thig erachtet, jedem Distrikte, in welchem eine Person von fr?nkischer Abkunft erschlagen aufgefunden wurde, eine schwere Busse aufzuerlegen, und dieser Bestimmung liess man bald eine andere folgen, wonach jede ermordete Person f?r einen Franken gelten sollte, wenn nicht ihre s?chsische Abkunft erwiesen w?rde.

Der Eroberer und seine Nachkommen bis zur vierten Generation waren keine Engl?nder, und fast alle in Frankreich geboren; den gr?ssten Theil ihrer Lebenszeit brachten sie in Frankreich zu; das Franz?sische war ihre gew?hnliche Sprache; fast jedes hohe Amt, das sie zu besetzen hatten, ward Franzosen ?bertragen, und jede auf dem Festlande gemachte neue Erwerbung entfremdete sie der Bev?lkerung unserer Insel immer mehr. Einer der t?chtigsten von ihnen versuchte es zwar, indem er sich mit einer englischen Prinzessin verm?hlte, die Herzen seiner englischen Unterthanen zu gewinnen; allein der gr?sste Theil seiner Barone betrachtete diese Verbindung aus demselben Gesichtspunkte, wie man heute in Virginien die Verbindung eines weissen Pflanzers mit einem Quadronen-M?dchen betrachten w?rde. In der Geschichte wird er mit dem ehrenvollen Beinamen Beauclerc genannt; aber zu seiner Zeit legten ihm die eigenen Landsleute mit verachtender Anspielung auf seine s?chsische Verbindung einen s?chsischen Spottnamen bei. W?re es, wie es einmal den Anschein hatte, den Plantagenets gelungen, ganz Frankreich unter ihrer Herrschaft zu vereinigen, so w?rde England wahrscheinlich nie zu einer unabh?ngigen Existenz gelangt sein. Seine F?rsten, Lords und Pr?laten w?ren nach Abstammung und Sprache von den Handwerkern und Bauern v?llig verschieden gewesen; die Ertr?ge seiner ausgebreiteten Grundst?cke w?rden die Feste und Lustbarkeiten an den Ufern der Seine verschlungen haben, und die edle Sprache eines Milton und Burke w?rde ein b?uerischer Dialekt ohne Literatur, ohne festgeregelte Grammatik, ohne geordnete Orthographie geblieben und ver?chtlich dem Gebrauche der Bauern ?berlassen worden sein. Niemand von englischer Abkunft w?rde im Stande gewesen sein eine hohe Stellung zu erlangen, ohne in Sprache und Sitte ein Franzose zu werden. --

Dass England einem solchen Geschicke entging, hat es einem Ereigniss zu danken, das die Geschichtsschreiber allgemein als ein unheilvolles geschildert haben. Das Interesse des Landes stand dem seiner Herrscher so entschieden entgegen, dass nur die Missgriffe und Ungl?cksf?lle derselben bessere Aussichten gew?hren konnten. Die F?higkeiten, und selbst die guten Eigenschaften seiner sechs ersten fr?nkischen K?nige waren ihm ein Fluch; die Thorheiten und Fehler des siebenten gereichten ihm zum Segen. Wenn Johann die grossen Eigenschaften seines Vaters, Heinrich Beauclercs, oder des Eroberers geerbt, auch wenn er nur den kriegerischen Muth von Stephan oder Richard besessen hatte, und w?re der K?nig von Frankreich zu gleicher Zeit so unf?hig, wie alle anderen Nachfolger Hugo Capets, so w?rde das Haus Plantagenet zu der einflussreichsten H?he in Europa gelangt sein. Aber gerade in jener Zeit ward Frankreich, zum ersten Male seit Karls des Grossen Tode, von einem kr?ftigen, f?higen F?rsten regiert; England aber, seit der Schlacht von Hastings in der Regel von klugen Staatsm?nnern und stets von tapfern Kriegern geleitet, fiel der Botm?ssigkeit eines Schw?tzers und Feiglings anheim. Von diesem Augenblicke an ward seine Aussicht lichter. Johann wurde aus der Normandie verjagt, die norm?nnischen Edelleute mussten zwischen der Insel und dem Festlande w?hlen und gemeinschaftlich mit dem Volke, das sie stets geknechtet und verachtet hatten, von dem Meere eingeschlossen, kamen sie nach und nach dahin, England als ihr Vaterland und die Engl?nder als ihre Landsleute zu betrachten. Beide Volksst?mme, einander so lange feindlich gesinnt, erkannten nun bald, dass sie gemeinschaftliche Interessen und gemeinschaftliche Feinde hatten; sie litten beide zugleich unter der Tyrannei eines schlechten K?nigs, und beide waren gleich entr?stet ?ber die Bevorzugung, die der Hof den Eingeborenen von Poitou und Aquitanien angedeihen liess. Die Urenkel der Streiter Wilhelms begannen sich denen Harolds freundschaftlich zu n?hern, und das erste Pfand ihrer Vers?hnung ward der grosse Freiheitsbrief, den sie vereint errungen und zu ihrem gemeinsamen Wohle entworfen hatten.

Die Quellen der bedeutendsten Str?me, die ganzen L?ndern Fruchtbarkeit bringen und reich beladene Flotten zum Meere tragen, m?ssen in wilden und unfruchtbaren Bergketten aufgesucht werden, die auf den Landkarten ungenau angegeben und von Reisenden nur selten erforscht sind. Mit einer solchen Bergkette l?sst sich die Geschichte unseres Vaterlandes w?hrend des dreizehnten Jahrhunderts nicht unpassend vergleichen. Ob auch jener Abschnitt unserer Annalen unfruchtbar und dunkel ist, so k?nnen wir doch nur in ihm den Ursprung unserer Freiheit, unseres Gl?cks und unseres Ruhmes suchen. Damals entstand das grosse englische Volk, und es begann der Nationalcharakter desselben jene Eigenth?mlichkeiten zu entfalten, die er seitdem stets bewahrt hat; damals wurden unsere V?ter in der vollsten Bedeutung des Wortes Insulaner, aber nicht nur Insulaner der geographischen Lage nach, sondern auch in ihrer Politik, ihrer Denkart und ihren Sitten. Damals trat zuerst bestimmt und klar jene Verfassung hervor, die seitdem durch alle Wechself?lle ihre Identit?t bewahrte, jene Verfassung, von der alle freien Verfassungen der Welt nur Nachbildungen sind, und die, ungeachtet einiger M?ngel, als die Erste von allen gehalten zu werden, w?rdig ist, unter der je eine grosse Gesellschaft Jahrhunderte hindurch bestanden hat. Damals geschah es, dass das Haus der Gemeinen, dieses Musterbild aller repr?sentativen Versammlungen der alten und neuen Welt, zu den ersten Sitzungen zusammentrat, und dass das gemeine Recht zu der W?rde einer Wissenschaft erhoben und ein nicht unw?rdiger Rival der kaiserlichen Rechtsgelehrsamkeit wurde. Damals machte der Muth jener Seeleute, welche die Mannschaft der rohen Barken der f?nf H?fen bildeten, zuerst die Flagge Englands auf dem Meere furchtbar; es wurden die ?ltesten Hochschulen gegr?ndet, die noch jetzt in den beiden grossen Nationalsitzen der Gelehrsamkeit bestehen; es bildete sich die Sprache, die zwar weniger wohlklingend als die des S?dens, aber an Kraft, Reichthum und Tauglichkeit f?r die erhabensten Zwecke des Dichters, des Philosophen und des Redners nur von der Sprache Griechenlands ?bertroffen wird; und damals endlich d?mmerte der erste schwache Schein jener edlen Literatur auf, die zu den gl?nzendsten und unverg?nglichen Sch?tzen Englands geh?rt.

In jener kriegerisch bewegten Zeit vernachl?ssigten jedoch unsere V?ter die K?nste des Friedens nicht. W?hrend Frankreich vom Kriege verw?stet wurde, dass es zuletzt in seiner Zerst?rung selbst einen beklagenswerthen Schutz gegen neue Einf?lle fand, sammelten die Engl?nder ruhig ihren Erndtesegen ein, versch?nerten ihre St?dte, und pflegten in Sicherheit das Recht, den Handel und die Wissenschaften. -- Jener Zeit geh?ren viele unserer edelsten Baudenkm?ler an. Es entstanden die sch?nen Kapellen des Neuen-Collegiums und von St. Georg; das Schiff der Kathedrale von Winchester und das Chor des M?nsters von York; der Spitzthurm von Salisbury und die majest?tischen Th?rme von Lincoln. Eine reiche und kernige Sprache, hervorgegangen aus dem Zusammenflusse der franz?sischen und deutschen, ward nun ein Gemeingut der Aristokratie und des Volks. Bald begann der Genius dieses bewundernswerthe Werkzeug zu w?rdigen Zwecken zu benutzen. W?hrend englische Heerhaufen, die verw?steten Provinzen Frankreichs hinter sich lassend, triumphirend in Valladolid einzogen und bis vor die Thore von Florenz Schrecken verbreiteten, schilderten englische Dichter in lebhaften Farben den mannigfaltigen Wechsel menschlicher Sitten und Schicksale; es strebten englische Denker nach Wissen oder wagten Zweifel zu hegen, wo die Bigotterie sich begn?gte zu staunen und zu glauben. Dieselbe Zeit, aus welcher der schwarze Prinz und Derby, Chandos und Hawkwood hervorging, gebar auch Geoffroy Chaucer und John Wycliffe. --

So gl?nzend und erhaben war der erste Auftritt des eigentlich so zu nennenden englischen Volks unter den Nationen der Welt. Aber w?hrend wir die hohen, achtunggebietenden Eigenschaften unserer Voreltern mit Wohlgefallen betrachten, d?rfen wir uns nicht verhehlen, dass das von ihnen erstrebte Ziel vom Gesichtspunkte der Humanit?t und der aufgekl?rten Politik ein durchaus verwerfliches ist und dass die Missgeschicke, durch die sie nach einem langen und blutigen Kampfe die Hoffnung auf Gr?ndung eines grossen festl?ndischen Reiches aufzugeben gezwungen wurden, wahrhafte Segnungen, und nur scheinbar Ungl?cksf?lle waren. Der Geist der Franzosen erwachte endlich; sie begannen den fremden Eroberern einen kr?ftigen nationalen Widerstand zu leisten, und von dieser Zeit an waren die Geschicklichkeit der englischen Feldherren und der Muth ihrer Soldaten, zum Heile f?r die Menschheit, ohne Erfolg. Unsere Vorfahren gaben, nach vielen blutigen K?mpfen, mit schmerzlicher Reue den Streit auf. Seitdem hat nie mehr eine englische Regierung ernstlich und beharrlich den Plan verfolgt, grosse Eroberungen auf dem Festlande zu machen. Zwar fuhr das Volk fort, Crecy, Poitiers und Agincourt ein solches Andenken zu bewahren, und man konnte noch viel Jahre sp?ter durch das Versprechen eines Eroberungszuges nach Frankreich leicht sein Blut wallend machen und ihm Hilfsgelder ablocken; aber zum Gl?ck hat die Thatkraft unsers Vaterlandes sich edlern Zielen zugewendet, und es nimmt jetzt in der Geschichte der Menschheit eine weit ehrenvollere Stellung ein, als wenn es, wie es einmal den Anschein hatte, durch Waffengewalt ein ?bergewicht erlangt h?tte, das dem der fr?hern r?mischen Republik ?hnlich w?re.

Inzwischen trat eine Ver?nderung ein, von unendlich gr?sserer Wichtigkeit, als die Erwerbung oder der Verlust einer Provinz, als die Erhebung oder der Sturz einer Dynastie. Es verschwand n?mlich die Sklaverei mit allen sie begleitenden ?beln. --

Es ist bemerkenswerth, dass die beiden gr?ssten und heilsamsten socialen Umw?lzungen, die in England stattgefunden, die n?mlich, welche im dreizehnten Jahrhundert der Willk?rherrschaft eines Volksstammes ?ber den andern und die, welche einige Menschenalter sp?ter dem Eigenthumsrechte des Menschen am Menschen ein Ende machte, still und unmerklich erregt und vollbracht wurden. Die Beobachter jener Zeit wurden durch diese Umw?lzungen nicht ?berrascht, und die Geschichtsschreiber haben ihnen nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Weder durch gesetzliche Anordnung, noch durch physische Kraft wurden sie bewirkt; es waren moralische Ursachen, die ger?uschlos erst den Abstand zwischen dem Normann und dem Sachsen, und sp?ter zwischen Herrn und Sklaven verwischten. Den Augenblick genau zu bestimmen, wann diese Unterschiede aufh?rten, k?nnte niemand wagen, denn es m?gen wohl noch sp?t im vierzehnten Jahrhunderte einige schwache Spuren der alten norm?nnischen Sinnesart gefunden werden; auch von den Forschern in der Zeit der Stuarts schwache Spuren der Leibeigenschaft entdeckt sein, und ist diese Einrichtung bis zur gegenw?rtigen Stunde gesetzlich noch nicht abgeschafft.

Es w?rde im hohen Grade ungerecht sein, nicht anzuerkennen, dass bei diesen beiden grossen Befreiungswerken die Religion der gewaltigste Hebel gewesen, und ob ein reinerer Glaube sich wirksamer erwiesen h?tte, ist wohl in Zweifel zu ziehen. Der wohlwollende Geist der christlichen Sittenlehre ist unbezweifelt den Kastenunterschieden abhold; aber der r?mischen Kirche sind sie ganz besonders verhasst, weil sie mit andern ihrem Systeme wesentlichen Unterschieden nicht zu vereinbaren sind. So legt sie jedem Priester eine geheimnissvolle W?rde bei, die ihn berechtigt, von jedem Laien Ehrfurcht zu fordern; auch schliesst sie niemanden aus Gr?nden der Nationalit?t oder der Geburt vom Priesterstande aus. Ihre Lehrs?tze, so irrig sie in Bezug auf den priesterlichen Charakter auch sein m?gen, haben schon oft einige der gr?ssten ?bel gemildert, von denen die Gesellschaft heimgesucht werden kann. Es darf ein Aberglaube nicht unbedingt f?r sch?dlich gehalten werden, der in L?ndern, die unter dem Fluche der Tyrannei eines Volksstammes ?ber den andern seufzen, eine von der nationalen Verschiedenheit v?llig unabh?ngige Aristokratie schafft, das Verh?ltniss zwischen den Bedr?ckern und Bedr?ckten umkehrt und den erblichen Herrn zwingt, vor dem geistlichen Richterstuhle seines erblichen Untergebenen das Knie zu beugen. In L?ndern, wo die Sklaverei fortbesteht, zeigt sich noch heutigen Tages das Pabstthum in einem vortheilhaften Contraste zu andern Formen des Christenthums. Es ist allgemein bekannt, dass die gegenseitige Abneigung zwischen den europ?ischen und afrikanischen Racen in Rio Janeiro bei weitem nicht so stark ist, als in Washington, und in unserm eigenen Vaterlande ?usserte diese Eigenth?mlichkeit des r?misch-katholischen Systems zur Zeit des Mittelalters manche heilsame Wirkung. Es wurden zwar gleich nach der Schlacht bei Hastings s?chsische Pr?laten und ?bte gewaltsam von ihren ?mtern vertrieben und geistliche Abenteurer vom Festlande zu Hunderten in reiche Pfr?nden eingesetzt; aber auch damals erhoben fromme Geistliche norm?nnischer Abkunft gegen eine derartige Verletzung der Kirchenverfassung ihre Stimmen, lehnten die Annahme der Bischofsm?tze aus den H?nden des Eroberers ab und ermahnten ihn, bei dem Heile seiner Seele, nicht zu vergessen, dass die unterjochten Insulaner seine Mitchristen seien. Der Erzbischof Anselm war der erste Besch?tzer, den die Engl?nder unter der herrschenden Kaste fanden. In jener Zeit, wo der englische Name als ein Vorwurf galt und alle b?rgerlichen und milit?rischen W?rden ausschliesslich den Landsleuten des Eroberers geb?hrend betrachtet wurden, nahm der verachtete Volksstamm mit lebhafter Freude die Nachricht auf, dass einer der seinigen, Nikolaus Breakspear, auf den p?bstlichen Stuhl erhoben sei und Gesandten, den edelsten H?usern der Normandie entsprossen, seinen Fuss zum Kusse gereicht habe. Es war nicht minder ein nationaler als ein religi?ser Drang, der Massen von Menschen zu der Kapelle Becket's trieb, des ersten Engl?nders, der den fremden Tyrannen seit der Eroberung furchtbar geworden. Unter denen, welche jenen Freibrief errangen, der die Privilegien der norm?nnischen Barone und der s?chsischen Freisassen zugleich sicherte, stand ein Nachfolger Becket's in erster Reihe. Wieviel die katholische Geistlichkeit sp?ter bei der Abschaffung der Leibeigenschaft mitgewirkt hat, erfahren wir aus dem unverwerflichen Zeugnisse des Sir Thomas Smith, eines der bef?higtesten protestantischen R?the Elisabeths. Wenn der sterbende Sklavenbesitzer nach dem letzten Sacramente verlangte, so beschworen ihn stets seine geistlichen Beist?nde bei dem Heile seiner Seele, er m?ge seine Br?der freigeben, f?r die Christus gestorben sei. Die Kirche wendete ihr furchtbares Getriebe mit einem solchen Erfolge an, dass noch vor dem Eintritte der Reformation fast alle Leibeigenen im K?nigreiche frei geworden, mit Ausnahme der ihr selbst angeh?rigen, die, wie man ihr nachr?hmen muss, einer sehr milden Behandlung genossen zu haben scheinen.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass nach diesen beiden grossen Revolutionen unsere Vorfahren von allen V?lkern in Europa die beste Regierung besassen. Das gesellschaftliche System hatte sich drei Jahrhunderte hindurch ununterbrochen heilsam entwickelt. Es hat unter den ersten Plantagenets Barone gegeben, die ihrem souverainen Herrscher Trotz zu bieten vermochten, und Bauern, die mit den Schweinen und Ochsen, welche sie h?teten, auf eine gleiche Stufe heruntergebracht waren: die masslose Gewalt der Barone war nach und nach geschw?cht, der Zustand des Bauern gehoben worden, und zwischen dem Adel- und dem Arbeiterstande hatte sich eine landbau- und handeltreibende Mittelklasse gebildet. Es m?gen nun immerhin noch mehr Ungleichheiten bestanden haben, als dem Gl?cke und der Tugend unseres Geschlechts erspriesslich gewesen; aber niemand konnte sich der Autorit?t der Gesetze entziehen, und niemand war v?llig von dem Schutze desselben ausgeschlossen.

Dass die staatlichen Einrichtungen Englands schon in dieser fr?hen Zeit von den Engl?ndern mit Stolz und Liebe und von den aufgekl?rtesten M?nnern der Nachbarv?lker mit Bewunderung und Neid betrachtet wurden, l?sst sich klar und deutlich beweisen; aber ?ber die Beschaffenheit dieser Einrichtungen ist oft unredlich und bitter gestritten worden.

Die geschichtliche Literatur Englands hat in der That unter einem Umstande hart gelitten, der nicht wenig zu dem Gl?cke desselben beigetragen. So gross die Umgestaltung seines Staatswesens in den letzten sechs Jahrhunderten auch gewesen ist, sie war doch nur eine Wirkung allm?ligen Fortschreitens, und nicht des Zerst?rens und Wiederaufbauens. Die jetzige Verfassung unseres Vaterlandes verh?lt sich zu jener, unter der es vor f?nfhundert Jahren bl?hte, wie der Baum zu dem Spr?sslinge, wie der Mann zu dem Knaben. Die Umwandlung war eine grosse; aber nie hat es eine Zeit gegeben, in der nicht der Haupttheil des Bestehenden alt gewesen w?re. Eine auf diese Weise entstandene Staatsverfassung muss nat?rlich viel Unregelm?ssigkeiten enthalten; aber neben den ?beln, die nur aus Unregelm?ssigkeiten hervorgehen, besitzen wir viel, was sie reichlich aufwiegt. Andere Staaten besitzen regelrechter aufgestellte Verfassungen; aber keinem andern ist es bis jetzt gelungen, Revolution und Gesetz, Fortschritt und Stehenbleiben, die r?stige Kraft der Jugend mit der Majest?t kaum erdenklichen Alterthums zu vereinigen.

Man kann sich daher nicht wundern, wenn Diejenigen, welche ?ber die Grenzen des Hoheitsrechtes und der Freiheit in der alten englischen Staatsverfassung geschrieben haben, gew?hnlich nicht als Richter, sondern als eifrige, unredliche Advokaten aufgetreten sind; sie verhandelten ja nicht ?ber einen spekulativen, sondern ?ber einen solchen Stoff, der in einem unmittelbaren praktischen Zusammenhange mit den wichtigsten und aufregendsten Streitfragen ihrer Zeit stand. -- Von dem Beginne des langen Streites zwischen dem Parlamente und den Stuarts bis zu der Zeit, wo die Anspr?che der Letztern nicht mehr furchtbar waren, gab es wenig praktisch wichtigere Fragen als die, ob die Regierung dieser Familie mit der alten Verfassung des K?nigreichs in ?bereinstimmung gestanden habe oder nicht. Diese Frage konnte nur dadurch entschieden werden, dass man die Geschichtsberichte ?ber fr?here Regierungen in Betracht zog. -- Bracton und Fleta, der >>Spiegel der Gerechtigkeit<< und die Parlamentsarchive wurden durchforscht, um Besch?nigungen f?r die ?bergriffe der Sternkammer sowohl, als f?r die des h?chsten Gerichtshofes aufzufinden. Viele Jahre hindurch suchte jeder whiggistische Geschichtsschreiber eifrig den Beweis zu f?hren, dass die altenglische Regierungsform eine republikanische, und jeder toryistische, dass sie eine despotische gewesen sei.

So gesinnt blickten beide Parteien in die Chroniken des Mittelalters. Beide fanden sehr leicht, was sie suchten; aber beide wollten hartn?ckig auch nur das sehen, was sie suchten. Die Eiferer f?r die Stuarts konnten eben so leicht Beispiele von Bedr?ckungen der Unterthanen, als die Vertheidiger der Rundk?pfe Beispiele davon auffinden, dass der Krone entschlossen und erfolgreich Widerstand geleistet worden sei. Die Tories f?hrten aus alten Schriften fast eben so unterw?rfige Ausdr?cke an, als die waren, welche man von der Kanzel von Mainwaring herab h?rte, und die Whigs entdeckten eben so k?hne und strenge Worte, als je von Bradshaw's Richtersitze ert?nten. Eine Partei von Schriftstellern stellte zahlreiche Beispiele von Gelderpressungen auf, die sich K?nige ohne Bewilligung des Parlaments erlaubt hatten; andere f?hrten F?lle an, in denen das Parlament sich die Macht angeeignet hatte, den K?nig zu bestrafen. Wer nur die eine H?lfte der Beweise sah, h?tte glauben m?gen, die Plantagenets seien unumschr?nkt wie die t?rkischen Sultane gewesen; wer nur die andere sah, h?tte schliessen k?nnen, dass die Plantagenets eben so wenig wirkliche Macht gehabt, als die Dogen von Venedig, und beide Folgerungen w?ren gleich weit von der Wahrheit entfernt gewesen.

Die alte englische Verfassung geh?rte jener Klasse beschr?nkter Monarchien an, die im Mittelalter in Westeuropa entstanden, und, mancher Verschiedenheiten ungeachtet, dennoch eine grosse Familien?hnlichkeit unter einander hatten. Eine solche ?hnlichkeit kann nicht befremden. Die L?nder, in denen diese Monarchien entstanden, waren Provinzen eines und desselben grossen kultivirten Reichs gewesen, das fast gleichzeitig von St?mmen einer und derselben rohen und kriegerischen Nation ?berfallen und unterjocht worden war. Sie waren ferner Glieder eines und desselben grossen Bundes gegen den Islam, und standen mit einer und derselben stolzen und ehrgeizigen Kirche in Gemeinschaft. Ihre Staatsverfassung nahm nun nat?rlich eine gleiche Form an. Die Institutionen derselben entstammten theils dem kaiserlichen, theils dem p?bstlichen Rom, theils dem alten Germanien. Alle hatten K?nige, und in allen war die K?nigsw?rde nach und nach streng erblich geworden; alle hatten einen Adel mit Vorrechten, die urspr?nglich auf milit?rischen Rang basirt waren. Die Ritterw?rde und die Wappenregeln besassen alle gemeinschaftlich; ebenso hatten alle reich dotirte kirchliche Stiftungen, st?dtische Korporationen mit ausgedehnten Freiheiten, und Reichsversammlungen, deren Genehmigung zur G?ltigkeit vieler ?ffentlicher Akte erforderlich war.

Von allen diesen einander ?hnlichen Verfassungen ward die englische, schon von einer fr?hen Zeit an, mit Recht f?r die beste gehalten. Die Hoheitsrechte des Regenten erstreckten sich unzweifelhaft sehr weit. Der Geist der Religion und des Ritterthums wirkten vereint zur Erh?hung seiner W?rde. Das heilige ?l war auf sein Haupt gegossen worden; den tapfersten und edelsten Rittern war es keine Erniedrigung, vor seinen F?ssen zu knien. Seine Person war unverletzlich, er allein nur besass das Recht, die St?nde des Reichs zu berufen und nach Belieben zu entlassen, und alle legislativen Handlungen derselben bedurften seiner Zustimmung. Er stand an der Spitze der aus?benden Verwaltung, war das einzige Organ in den Verhandlungen mit ausw?rtigen M?chten, der Oberbefehlshaber der Land- und See-Macht des Staats, der Quell der Gerechtigkeit, der Gnade und der Ehre. Der Regent besass weitgreifende Befugnisse zur Regelung des Handels: er hatte das Recht, M?nzen schlagen zu lassen, Maass und Gewicht festzustellen und M?rkte und H?fen zu gr?nden. Seine Rechte als Schirmherr der Kirche waren unermesslich; seine erblichen Eink?nfte, wenn sie sparsam verwaltet wurden, reichten zur Deckung der gew?hnlichen Regierungskosten aus. Der ihm eigenth?mliche Grundbesitz hatte eine weite Ausdehnung, und in der Eigenschaft als Oberlehnsherr des gesammten Grund und Bodens seines K?nigreichs besass er manches eintr?gliche und furchtbare Recht, das ihn in den Stand setzte, seine Gegner zu beeintr?chtigen und niederzudr?cken, Diejenigen aber, die seine Gunst genossen, ohne eigene Kosten zu bereichern und zu erheben.

Aber seine Macht, wenn auch weit ausgedehnt, ward dennoch durch drei grosse verfassungsm?ssige Bestimmungen beschr?nkt, die so alt waren, dass niemand den Beginn ihrer Existenz kennt, und so wirksam, dass ihre nat?rliche, viele Menschenalter hindurch fortgesetzte Entwickelung die Ordnung der Dinge hervorgebracht hat, unter der wir jetzt leben.

Erstens konnte der K?nig, ohne die Zustimmung seines Parlaments kein Gesetz erlassen; zweitens konnte er ohne die Zustimmung desselben keine Steuern ausschreiben, und drittens war er gehalten, die exekutive Gewalt nach den Landesgesetzen zu ?ben; verletzte er diese Gesetze, so waren seine R?the und Beamten verantwortlich.

Kein aufrichtiger Tory wird l?ugnen k?nnen, dass diese Prinzipien vor f?nfhundert Jahren die Geltung von Grundgesetzen erlangt hatten; andererseits wird kein ehrlicher Whig behaupten, dass sie in derselben fr?hen Zeit frei von aller Zweideutigkeit gewesen und in allen ihren Konsequenzen streng durchgef?hrt seien. Eine Verfassung des Mittelalters ging nicht, wie im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert, als selbstst?ndiges Ganze aus einem einzigen Akte hervor, und ward eben so wenig in einer einzigen Urkunde vollst?ndig niedergelegt; nur in dem verfeinerten und spekulativen Zeitalter wird das Staatswesen systematisch geordnet. Der Fortschritt des Staatswesens in ungebildeten Gesellschaften l?sst sich mit dem der Sprache und der Verskunst vergleichen. Ungebildete Gesellschaften haben oft eine reiche und kr?ftige Sprache, aber es fehlt ihnen eine wissenschaftliche Grammatik, die Definition von Haupt- und Zeitw?rtern, die Namen f?r Deklinationen, Modi, Tempora und Laute; sie haben eine Verskunst die oft viel Kraft und Anmuth besitzt; aber sie haben keine Regeln des Versmasses, und der Minstrel, dessen nur durch das Ohr geregelte Verse die H?rer entz?cken, w?rde selbst nicht angeben k?nnen, aus wieviel Dactylen und Troch?en jede seiner Zeilen besteht. Gleich der Beredtsamkeit, die ?lter als die Syntaxis, und dem Gesange, der ?lter als die Prosodie ist, kann ein Staat lange zuvor, ehe die Grenzen zwischen der gesetzgebenden, aus?benden und richterlichen Gewalt genau bestimmt sind, einen hohen Grad der Vortrefflichkeit erlangt haben.

So war es in unserm Vaterlande. Zwar war die Grenzlinie der k?niglichen Gewalt im Allgemeinen ziemlich klar, aber nicht ?berall mit Genauigkeit und Bestimmtheit angegeben. Deshalb gab es nahe der Grenze einen streitigen Boden, auf dem stets Eingriffe und Zur?ckerpressungen stattfanden, bis endlich nach Jahrhunderten des Kampfes bestimmte und dauerhafte Grenzmarken errichtet wurden. Es d?rfte lehrreich sein, anzugeben, auf welche Weise und bis zu welcher Ausdehnung unsere fr?hern Regenten die drei grossen Grunds?tze, welche die Freiheiten des Volks sch?tzten, gew?hnlich zu verletzen pflegten.

Kein englischer K?nig hat je die gesetzgebende Gewalt in ihrem ganzen Umfange beansprucht. Der gewaltth?tigste und herrschs?chtigste Plantagenet hat sich nie das Recht angemasst, ohne die Zustimmung seines grossen Rathes anzuordnen, dass eine Jury aus zehn, statt aus zw?lf Personen bestehen, dass das Gedinge einer Witwe das Viertheil statt des Drittheils betragen, dass der Meineid als ein Todesverbrechen betrachtet, oder dass der Gebrauch der gleichm?ssigen Erbtheilung unter Br?dern in Yorkshire eingef?hrt werden solle. Aber dem K?nige stand das Recht zu, Verbrecher zu begnadigen, und es giebt einen Punkt, wo das Recht der Begnadigung und das Recht der Gesetzgebung in einander zu fliessen scheinen und leicht, wenigstens in einer nicht aufgekl?rten Zeit, verwechselt werden k?nnen. Ein Strafgesetz ist thats?chlich aufgehoben, wenn die durch dasselbe auferlegten Strafen so oft erlassen werden, als sie verwirkt sind. Der Souverain besass ohne Zweifel die Befugniss, unbeschr?nkt Strafen zu erlassen; demnach war er befugt, ein Strafgesetz thats?chlich aufzuheben. Es konnte scheinen, als liesse sich kein begr?ndeter Einwand aufstellen, wenn er das, was ihm thats?chlich auszuf?hren zustand, auch formell ausf?hren wollte. So entstand an der zweifelhaften Grenze zwischen der vollziehenden und gesetzgebenden Gewalt mit Hilfe spitzfindiger und h?fischer Rechtsgelehrten die grosse Anomalie, die unter dem Namen des Begnadigungsrechts bekannt ist.

Dass der Grundsatz, >>der K?nig von England ist verbunden, das Land den Gesetzen gem?ss zu verwalten, und seine R?the und Beamten sind verantwortlich, wenn er wider das Gesetz handelt,<< schon in einer sehr fr?hen Zeit festgestellt worden, beweisen die strengen Urtheile, die oft gegen die G?nstlinge des K?nigs erlassen und vollzogen sind; aber dessen ungeachtet ist es auch erwiesen, dass die Plantagenets oft die Rechte einzelner Personen verletzten, nur damit die beeintr?chtigten Parteien oft keine Rechtshilfe erlangen konnten. Nach dem Gesetze konnte kein Engl?nder auf den alleinigen Befehl des Herrschers verhaftet oder gefangen gehalten werden; aber es ist thats?chlich, dass der Regierung missliebige Personen ohne jede andere Autorit?t als den k?niglichen Befehl eingekerkert wurden. Nach dem Gesetze durfte die Folter, die Schmach der r?mischen Rechtspflege, unter allen Umst?nden bei keinem englischen Unterthanen angewendet werden; nichtsdestoweniger wurde bei den Wirren des f?nfzehnten Jahrhunderts eine Folterbank in dem Tower aufgestellt, und gelegentlich unter dem Vorwande politischer Nothwendigkeit, angewendet. Aus solchen Gesetzwidrigkeiten den Schluss ziehen zu wollen, die englischen Monarchen seien in der Theorie oder Praxis unumschr?nkt gewesen, w?rde indess ein grosser Irrthum sein. Wir leben in einer h?chst gebildeten b?rgerlichen Gesellschaft, in der mittelst der Presse und der Post Nachrichten so reissend schnell verbreitet werden, dass jeder Act grober Rechtsverletzung, in welchem Theile unserer Insel er auch begangen sein mag, in wenig Stunden von Millionen besprochen wird. Wollte jetzt ein englischer Souverain, der Habeas Corpus Acte entgegen, einen Unterthanen einkerkern oder einen Verschw?rer auf die Folterbank spannen lassen, die Nachricht davon w?rde augenblicklich die ganze Nation electrisiren. Im Mittelalter war der Zustand der Gesellschaft ein ganz anderer; selten und nur mit grosser Schwierigkeit gelangten die Beeintr?chtigungen Einzelner zur Kenntniss des Publikums. Monate lang konnte Jemand gesetzwidrig in dem Schlosse von Carlisle oder Norwich gefangen gehalten werden, ohne dass die leiseste Kunde davon nach London kam; und es ist sehr wahrscheinlich, dass die Folterbank manches Jahr gebraucht worden, ehe die Mehrzahl des Volks auch nur geahnt, dass sie je in Anwendung gebracht. Auch waren unsere Vorfahren durchaus nicht so fest von der Nothwendigkeit ?berzeugt, grosse allgemeine Regeln festzuhalten, als wir; denn wir haben aus langer Erfahrung gelernt, dass man irgend eine Verletzung der Verfassung nicht ohne Gefahr unbemerkt k?nne vor?bergehen lassen. Man theilt jetzt allgemein die Ansicht, dass eine Regierung die strenge R?ge des Parlamentes verdiene, wenn sie Vollmachten unn?thigerweise ?berschreitet; dass sie aber, wenn sie im Drange der Nothwendigkeit und aus reiner Absicht ihre Vollmachten ?berschritten hat, ohne Verzug das Parlament um nachtr?gliche Genehmigung angehen m?sse. Aber so dachten die Engl?nder des vierzehnten und f?nfzehnten Jahrhunderts nicht; sie zeigten wenig Neigung, eines Grundsatzes wegen, und nur seiner selbst wegen, zu streiten, oder gegen eine Regelwidrigkeit, die nicht zugleich eine Bel?stigung war, Beschwerde zu f?hren. So lange im Allgemeinen die Verwaltung einen milden und volksth?mlichen Charakter trug, gestatteten sie ihrem Regenten gern einigen Spielraum; ja sie verziehen ihm nicht nur bei allgemein als gut anerkannten Zwecken eine das Gesetz ?berschreitende Gewalt, sie zollten ihm auch noch Beifall, und waren, so lange sie unter seiner Regierung sich der Sicherheit und Wohlfahrt erfreuten, nur zu geneigt zu glauben, dass der, den seine Ungunst getroffen, sie auch verdient habe. Aber diese Nachsicht hatte eine Grenze, und der K?nig, der zu viel auf die Langmuth des englischen Volkes baute, handelte nicht weise, denn es gestattete ihm wohl mitunter, die verfassungsm?ssige Linie zu ?berschreiten, aber es beanspruchte dann auch f?r sich selbst das Recht, ?ber diese Linie hinauszugehen, wenn seine ?bergriffe so ernst waren, dass sie Besorgniss erweckten. Wagte er, nicht zufrieden mit der gelegentlichen Bedr?ckung Einzelner, grosse Massen zu bedr?cken, so riefen seine Unterthanen schleunig die Gesetze an, und war diese Berufung ohne Erfolg, so wandten sie sich eben so schleunig an den Gott der Schlachten.

Die Engl?nder durften aber auch ruhig dem K?nige einige ?bergriffe nachsehen, denn sie besassen f?r den Fall der Noth einen Z?gel, der den ungest?msten und stolzesten Herrscher bald zur Vernunft brachte, den Z?gel der physischen Gewalt. Einem Engl?nder des neunzehnten Jahrhunderts wird es schwer fallen, sich einen Begriff davon zu machen, wie leicht und schnell vor vierhundert Jahren ein solches Mittel angewendet wurde. Das Volk versteht seit langer Zeit nicht mehr, die Waffen zu gebrauchen. Unsern Voreltern war die Stufe der Vollendung unbekannt, auf der jetzt die Kriegskunst steht, und nur eine besondere Klasse besitzt die Kenntniss derselben. Hunderttausend Mann gut disciplinirter und gut geleiteter Truppen halten Millionen von Bauern und Handwerkern nieder, und einige Regimenter Garden reichen aus, um allen unzufriedenen Geistern einer grossen Hauptstadt Furcht einzufl?ssen. Zugleich l?sst aber auch die stete Vermehrung des Wohlstandes dem denkenden Menschen einen Aufstand weit furchtbarer erscheinen, als eine schlechte Regierung. Es sind ja unermessliche Summen auf Werke verwendet, die bei dem Ausbruche einer Revolution in wenig Stunden zu Grunde gehen w?rden. Schon die Masse von beweglichen G?tern, die allein in den L?den und Magazinen von London aufgespeichert liegt, ?bersteigt diejenige f?nfhundertmal, welche die ganze Insel zur Zeit der Plantagenets enthielt; st?rzte man nun die Regierung durch physische Gewalt, so w?rden alle diese beweglichen G?ter einer drohenden Gefahr der Pl?nderung und Zerst?rung ausgesetzt sein. Aber noch gr?sser w?re die Gefahr f?r den ?ffentlichen Credit, mit dem die Existenz Tausender von Familien unmittelbar zusammenh?ngt, und mit dem der Credit der ganzen Handelswelt unzertrennlich verbunden ist. Man kann ohne ?bertreibung behaupten, dass ein B?rgerkrieg, nur eine Woche auf englischem Boden gef?hrt, jetzt ein Unheil erzeugen w?rde, das vom Hoangho bis zum Missouri sich f?hlbar macht und Spuren zur?ckl?sst, die nach einem Jahrhunderte noch sichtbar sind. In einem solchen Zustande der Gesellschaft muss der Widerstand als ein Heilmittel betrachtet werden, das bei weitem verzweifelter ist, als jede Krankheit, die den Staat heimsuchen kann. Zur Zeit des Mittelalters dagegen wandte man den Widerstand als ein gew?hnliches Heilmittel gegen politische ?bel an, denn es war ein Mittel, das man stets bei der Hand hatte und, wenn auch f?r den Augenblick von starker Wirkung, dennoch ohne empfindliche und dauernde Folgen blieb. Wenn ein bei dem Volke angesehener F?hrer sein Banner f?r eine volksth?mliche Sache erhob, so konnte in einem Tage eine unregelm?ssige Armee versammelt sein. Regelm?ssige Truppen gab es damals nicht. Jeder war ein wenig Soldat, aber keiner mehr als das. Der Nationalreichthum bestand vorz?glich in Viehherden, in der j?hrlichen Erndte und in den einfachen, vom Volke bewohnten Geb?uden. S?mmtliche Hausger?the, die Vorr?the in den Kaufl?den, und die Maschinen des ganzen Reichs waren nicht so viel werth, als das Eigenthum einzelner Kirchspiele unserer Zeit. Das Fabrikwesen war roh, der Credit fast unbekannt. Die Gesellschaft erholte sich daher von der Ersch?tterung, sobald der sie bewirkende Stoss vor?ber war. Das Gemetzel auf dem Schlachtfelde, einige nachfolgende Hinrichtungen und G?terconfiscationen waren s?mmtliche Drangsale eines B?rgerkriegs. Eine Woche sp?ter trieb der Bauer wieder sein Gespann, und der Edelmann liess wieder seine Falken ?ber das Feld von Towton oder Bosworth fliegen, als ob kein ungew?hnliches Ereigniss den gew?hnlichen Lauf des menschlichen Lebens unterbrochen h?tte.

Es sind nun hundertundsechzig Jahre verflossen, seit das englische Volk gewaltsam eine Regierung gest?rzt hat. W?hrend der einhundertundsechzig Jahre vor der Vereinigung der Rosen regierten neun K?nige in England. Sechs von diesen neun K?nigen wurden abgesetzt, und f?nf verloren mit der Krone auch das Leben. Hieraus geht klar hervor, dass jeder Vergleich zwischen unserer alten und neuen Staatsform zu v?llig unrichtigen Schl?ssen f?hren muss, wenn man die Wirkung des den Plantagenets durch den Widerstand und durch die stete Furcht vor demselben auferlegten Zwanges nicht streng ber?cksichtigt. Unsere Vorfahren besassen ein sehr kr?ftiges Schutzmittel gegen die Tyrannei, das uns fehlt, und deshalb konnten sie ohne Bedenken auf andere Garantien verzichten, denen wir mit Recht die h?chste Wichtigkeit beilegen. Da wir aber die Schranke der physischen Gewalt einer schlechten Regierung nicht entgegenstellen k?nnen, ohne uns der Gefahr von ?beln auszusetzen, vor denen der Gedanke allein schon zur?ckbebt, so handeln wir offenbar sehr klug, wenn wir alle verfassungsm?ssigen Hinderungsmittel einer solchen Regierung gegen?ber stets im Stande der Wirksamkeit erhalten, die Anf?nge von ?bergriffen eifers?chtig bewachen, und Abweichungen von der Regel, auch wenn sie an und f?r sich unbedenklich erscheinen, nicht unger?gt hingehen lassen, damit sie nicht die Bedeutung von Pr?cedenzf?llen erhalten. Eine so scharfe Wachsamkeit war vor vierhundert Jahren unn?thig. Ein Volk k?hner Bogensch?tzen und Lanzentr?ger konnte, ohne grosse Gefahr f?r seine Freiheiten, dem F?rsten einige Ungesetzlichkeiten nachsehen, dessen Regierung im Allgemeinen gut und dessen Thron durch keine Compagnie ge?bter Soldaten besch?tzt war.

Es war jedoch die Wirksamkeit der die k?niglichen Hoheitsrechte beschr?nkenden Bestimmungen nicht allein, wodurch sich England vor den meisten Nachbarl?ndern vortheilhaft unterschied; das Verh?ltniss des hohen Adels zu den ?brigen Volksklassen war eine gleich wichtige, wenn auch weniger beachtete Eigenth?mlichkeit. Es gab zwar eine starke erbliche Aristokratie, aber sie war von allen dergleichen Aristokratien die am wenigsten anmassende und ausschliessende, denn sie besass nichts von dem geh?ssigen Charakter einer Kaste, sie nahm fortw?hrend Glieder aus dem Volke in sich auf, und gab aus ihrer Mitte dem Volke Glieder, die sich mit ihm mischten. Jeder Gentleman konnte ein Peer werden. Der j?ngere Sohn eines Peers war nur ein Gentleman, und die Enkel von Peers standen im Range neuernannten Rittern nach. Die W?rde des Ritters war Keinem unerreichbar, der durch Fleiss und Sparsamkeit ein ansehnliches Grundst?ck erworben, oder durch Tapferkeit in einer Schlacht oder Belagerung sich hervorzuthun vermochte. Es gereichte der Tochter eines Herzogs, selbst eines solchen von k?niglichem Gebl?te, nicht zur Unehre, wenn sie einen ausgezeichneten B?rgersmann heirathete. Sir John Howard zum Beispiel heirathete die Tochter des Thomas Mowbray, Herzogs von Norfolk; Sir Richard Pole heirathete die Gr?fin von Salisbury, die Tochter des Herzogs Georg von Clarence. Eine edle Abkunft stand zwar in grossem Ansehen, aber es gab, zum Gl?ck f?r unser Vaterland, keinen nothwendigen Zusammenhang zwischen einer edeln Abkunft und den Vorrechten der Peersw?rde. Nicht nur das Haus der Lords hatte lange Stammb?ume und alte Wappen aufzuweisen, man fand sie auch ausser demselben. Es gab Empork?mmlinge mit den h?chsten Titeln, aber es gab auch M?nner ohne Titel, Nachkommen von Rittern, welche die Reihen der Sachsen bei Hastings durchbrochen oder die Mauern von Jerusalem erstiegen hatten. Es gab Bohun's, Mowbray's, de Veres, selbst Verwandte des Hauses Plantagenet, die keinen andern Titel als den des Esquire's und keine andern b?rgerlichen Vorrechte hatten, als die, deren sich jeder P?chter und Kr?mer erfreute. Eine Grenzlinie welche, wie in andern L?ndern, den Patrizier vom Plebejer scheidet, gab es bei uns nicht. Der Freisasse f?hlte sich nicht geneigt, unzufrieden auf die W?rden zu blicken, die seinen eigenen Kindern erreichbar waren, und der Edelmann von hohem Range f?hlte sich nicht versucht, einen Stand mit Verachtung zu behandeln, zu dem seine Kinder hinabsteigen mussten.

Sein Benehmen bei diesem Anlasse bezeichnet die ganze Politik seines Hauses. Die F?rsten dieser Linie besassen ein hitziges Temperament und einen hochfliegenden Geist, aber sie kannten den Charakter des Volks, das sie regierten, und nie trieben sie, wie manche ihrer Vorg?nger und Nachfolger, die Hartn?ckigkeit bis zu einem gef?hrlichen Punkte. Die Tudors handelten stets so besonnen, dass ihre Macht zwar oft Widerstand fand, aber nie gest?rzt wurde. Die Herrschaft eines Jeden derselben ward durch starke Ausbr?che der Unzufriedenheit gest?rt, aber stets gelang es der Regierung, die Aufst?ndischen entweder zu beruhigen, oder sie zu besiegen und zu bestrafen. Durch rechtzeitige Zugest?ndnisse wusste sie auch mitunter B?rger-Unruhen abzuwenden; in der Regel aber blieb sie fest, und rief die Nation um Hilfe an. Die Nation folgte dem Rufe, sammelte sich um den Herrscher, und machte ihm die Unterwerfung der kleinen Anzahl Missvergn?gter m?glich.

Eine solche Staatsverfassung passt indess nur f?r ein eigenes Stadium in der Ausbildung der Gesellschaft. Dieselben Ursachen, die in den friedlichen K?nsten eine Theilung der Arbeit bewirken, m?ssen endlich auch den Krieg zu einer besondern Wissenschaft und einem besondern Gewerbe machen. Es kommt eine Zeit, in welcher der Gebrauch der Waffen die volle Aufmerksamkeit eines besondern Standes zu beanspruchen beginnt; es zeigt sich bald, dass noch so tapfere Bauern und B?rger ge?bten Soldaten gegen?ber nicht Stand halten k?nnen, M?nnern, deren ganzes Leben eine Vorbereitung auf den Tag der Schlacht ist, deren Nerven durch das stete Vertrautsein mit der Gefahr abgeh?rtet sind, und deren Bewegungen die v?llige Genauigkeit eines Uhrwerks eigen ist. Man begreift, dass der Schutz von ganzen Nationen nicht l?nger mehr sicher solchen Streitern anvertraut werden k?nne, die zu einem vierzigt?gigen Feldzuge dem Pfluge oder Webstuhle entnommen sind. Bildet irgend ein Staat ein grosses, stehendes Heer, so m?ssen die Nachbarstaaten dem Beispiele nachahmen, wenn sie sich einem fremden Joche nicht unterwerfen wollen. Wo aber ein grosses stehendes Heer vorhanden ist, kann die beschr?nkte Monarchie nach Art des Mittelalters nicht l?nger fortbestehen; der Regent ist mit einem Male von der Hauptfessel seiner Macht befreit und wird unvermeidlich absolut, wenn ihm nicht Schranken angewiesen werden, die einer Gesellschaft als ?berfl?ssig erscheinen w?rden, in der Jeder vorkommenden Falls, aber Keiner stets Soldat ist.

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