Read Ebook: The Cathedrals and Churches of the Rhine by Mansfield M F Milburg Francisco McManus Blanche Illustrator
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Ebook has 119 lines and 12047 words, and 3 pages
Einen unausl?schlichen Eindruck macht das nicht weit von der Stadt gelegene, von malerischen Palmengruppen ums?umte Kloster Belem . Es ist ein im echtesten Manuel-Stil erbauter riesiger Geb?ude-Komplex aus weissem, marmor?hnlichem Gestein, das zu feinstem Spitzenfiligran verarbeitet ist. Der Klosterhof mit seinen Kreuzg?ngen ist eines der vollendetsten architektonischen Gebilde, das mir je zu Gesicht gekommen ist. Die Eingeborenen freilich lachen ?ber die >>Zuckerbretzeln<< des >>stilo Manuele<<. Jetzt dient das Kloster 800 Waisenknaben zum Aufenthaltsort. Sie hatten gerade Freistunde und vollf?hrten einen H?llenspektakel im stillen Klosterhofe, der eigentlich ganz anderen Zwecken, der inneren Sammlung und Ruhe, dienen sollte. Als besondere Sehensw?rdigkeit -- echt portugiesisch, dieses Volk hat f?r Unappetitlichkeiten eine besondere Vorliebe -- wurde ein Knabe gezeigt, dem die Sch?deldecke fehlte und der mit seiner Blechkapsel, die diese ersetzte, devot gr?sste. Der Bursche war h?chst vergn?gt und unb?ndig stolz auf seinen blechernen Sch?del, den Gegenstand der Achtung und des Neides seiner 799 Mitsch?ler. In einem Raum des Klosters befindet sich das wundervoll gearbeitete Grabdenkmal des portugiesischen Historikers Alessandro Herculeo. Kein K?nig hat in Lissabon solch ein Grabmonument. Es gibt also doch ein Volk, das seine Denker ehrt.
Apropos, die portugiesischen K?nige. Jetzt gibt es keine mehr. Aber die fr?heren werden Neugierigen auch heute noch gezeigt. Ich sch?me mich fast, dass ich sie mir auch angesehen habe. In einer Begr?bniskapelle, die einer alten Rumpelkammer ?hnlich sieht, stehen S?rge ?ber S?rge gestapelt. Sie bergen die sterblichen ?berreste der portugiesischen K?nige und brasilianischen Kaiser. Der hinkende W?chter dieser entschwundenen Herrlichkeit holte aus altem Ger?mpel eine Holztreppe hervor und hiess uns an die >>interessantesten<< S?rge hinansteigen. Da grinsten uns durch die Glasscheibe des oberen Sargdeckels die weisslich verschimmelten Gesichter des K?nigs Carlos und des ungl?cklichen Thronfolgers Don Louis entgegen, die dem Attentat 1909 zum Opfer fielen, und der einst so pr?chtig charaktervolle Kopf des Kaisers Don Pedro von Brasilien, der sein Land zu dem gemacht hat, was es ist. Am Fussende eines der S?rge lag eine zerbrochene K?nigskrone aus Goldblech -- ein vielsagendes, warnendes Symbol.
Sic transit gloria mundi!
Die Portugiesen sind unsagbar stolz auf den Kopf der Republik, der jetzt auf ihren neugepr?gten M?nzsorten prangt.
DIE INSEL MADEIRA.
M?ge jeder jemals von mir aufgenommene Tropfen des fl?ssigen Goldes, durch das dieser Ort zuerst ber?hmt geworden ist, mir helfen, die zauberische Sch?nheit der Insel Madeira in Farben zu schildern, die ebenso gl?hend und feurig sind, wie der Wein, der auf ihren fruchtbaren Bergabh?ngen w?chst.
Am 8. Januar um 5 Uhr morgens warf die >>Arlanza<< auf der Aussenreede von Funchal, der Hauptstadt der Insel, Anker. Veder Napoli e poi morir -- das hat ein Mann gesagt, der Madeira sicherlich nicht gesehen hat. Der Anblick der Insel vom Meere aus bietet ein unvergessliches Bild. Von hohen Bergketten umschlossen, ?ffnet die Bucht von Funchal ihren gastlichen, gesch?tzten Hafen den Schiffen. Trotzig und zackig ragen hier schroffe Felsabh?nge in den Ozean hinein, sanft gewellte H?gel, von immergr?nen Hainen bedeckt, ziehen sich dort den Strand entlang. Und zwischen hineingestreut, als h?tte man einen Sack Zucker ausgesch?ttet, liegen die schneeweissen W?rfel der H?user und Villen Funchals. In blendendem Morgensonnenschein blitzen und funkeln die Fensterscheiben bis weit ?bers Meer her?ber. Trotz der fr?hen Morgenstunde herrscht ein reges Leben auf der Bucht von Funchal. Unser Dampfer ist im Nu umringt von einer Unmenge schmaler Ruderboote und kleiner Dampfkutter. Ein ?hnliches Gewimmel umgibt einen anderen pr?chtigen Ozeanriesen, der sich nicht weit von uns auf den Wellen schaukelt. Er r?stet sich zur Weiterfahrt nach Afrika und von Zeit zu Zeit l?sst er den aufregenden Schrei seiner Dampfpfeife ert?nen. F?r den Stil unserer Reise ?brigens war es charakteristisch, dass wir einen Augenblick lang ernstlich daran dachten von unserem Amerikadampfer auf jenen Afrikadampfer ?berzusiedeln. Er sah mit seinem sauberen hellgrauen Anstrich so einladend und unternehmend aus. Und in Afrika ist es sicherlich auch sehr interessant. Nach >>reiflicher<< ?berlegung, die 5 Minuten w?hrte, entschieden wir uns jedoch zu bleiben, wo wir waren. Ob zu unserem Gl?ck oder Ungl?ck -- wer weiss es.
Vor einigen Jahren noch mag es schwer, ja unm?glich gewesen sein, in der verh?ltnism?ssig kurzen Zeit von sechs Stunden die Sch?nheiten Madeiras auch nur einigermassen gr?ndlich kennen zu lernen, jetzt geht das leichter, wenn es einem n?mlich gelingt, eines der wenigen Autos habhaft zu werden, die von unternehmungslustigen Madeiranern wohl speziell f?r durchreisende Fremde angeschafft worden sind. Gelingt einem das jedoch nicht, so ist man verloren, das heisst auf die vorsintflutlichen Vehikel angewiesen, mit denen der gew?hnliche Strassenverkehr auf Madeira besorgt wird. Der Wissenschaft halber habe auch ich eine Strecke in solch einem Fuhrwerke zur?ckgelegt und wurde dabei lebhaft an die Moskauer Iswostschiki im M?rz erinnert. Solch eine Madeira-Droschke ist n?mlich ein -- Schlitten, der von zwei tr?gen Ochsen ?ber das holperige Pflaster der Stadt gezogen wird. Die Kufen werden mit Fett eingeschmiert , um leichter ?ber die Steine zu gleiten. Wenigstens ist f?r einigen Komfort gesorgt. Die Schlitten haben Federn, und vor der Sonne wird der Fahrgast durch einen auf vier Stangen ruhenden Baldachin aus buntem Kattun gesch?tzt. Das Tempo solch eines Fuhrwerkes ist das Largo des Totenmarsches aus >>Saul<<. Zwar l?uft ein brauner Junge, der unter seinem Riesenstrohhut fast verschwindet, voran und reizt die Ochsen vermittelst eines Flederwischs zu temperamentvolleren Leistungen. Doch hilft das nur wenig. Die Ochsen w?ren ja wirklich welche, wenn sie vor dem kleinen Buben mit seinem weichen Besen Respekt h?tten.
Nein, ein Auto auf Madeira ist vielleicht stillos, aber f?r Reisende, deren Dampfer Eile hat, ist es unter allen Umst?nden vorzuziehen.
Unser Chauffeur, ein Stockportugiese, der ausser den h?sslich-n?selnden, faulen Lauten seiner Sprache, leider keinen Ton in einem verst?ndlicheren Idiom hervorbringen konnte und auch keinen verstand, f?hrte uns zuerst auf die Ostseite der Insel. Der Weg windet sich bergan, zwischen Zuckerrohrfeldern, durch Alleen von Platanen, vorbei an Palmenhainen und Bananenpflanzungen, wo, noch jetzt im Januar, die goldigen Fr?chte im saftig gr?nen Laub schimmern. Lange Strecken des Weges bilden Legionen von Kakteen mit gl?hendroten Knollen und Bl?ten eine nat?rliche Hecke und bieten als origineller Stachelzaun Schutz vor Wegelagerern. Freilich auf der Strasse selbst ist man vor ihnen nicht sicher, und sie stellen sich auch bald ein in Gestalt von braunh?utigen, barf?ssigen und barh?uptigen Kindern, die ein Blumenbombardement auf den Wagen er?ffnen. Wundervolle dunkelviolette Iris, Rosen, Azaleen-Bl?ten, Magnolien und sonderbare leuchtend rote Sternblumen fielen uns in den Schoss. Die Kinder laufen hinterdrein und haschen Kupferm?nzen. Ihre schwarzen Korintenaugen blitzen wie gl?hende Kohlen und in ihren Gesten ?ussert sich ein be?ngstigend feuriges Temperament. Der Weg wird von Minute zu Minute sch?ner und romantischer. Auf der einen Seite hat man die Berglandschaft mit entz?ckenden Ausblicken, bizarren Felsformationen, sch?umenden Wasserf?llen, malerischen Viadukten, auf der anderen ?ffnet sich eine unendliche Fernsicht auf den im fr?hen Sonnenlichte silbern schimmernden Ozean. In violettem Dunst zeichnen sich am Horizonte die Umrisse der anderen kanarischen Inseln ab.
Auf dem h?chsten Punkte des Weges machten wir Halt. Man mochte sich nicht losreissen von dem unbeschreiblich sch?nen Bilde, das sich nach allen Seiten hin bot. Einige regelrechte Kanarienv?gel gaben uns im nahen Pinienhaine ein Morgenkonzert. Nun ging es denselben Weg zur?ck durch die jetzt schon ein wenig belebteren, meistens ziemlich winkeligen und engen aber immer malerischen Strassen Funchals. Es gibt eine Menge Villen, die sich durch ihre geschmackvolle Bauart auszeichnen. Sie liegen in bl?henden G?rten, deren ?ppige tropische Vegetation einen geradezu m?rchenhaften Eindruck macht. Riesige Farrenb?ume, Palmen, Rhododendren, Azaleen von der Gr?sse junger Birken, Magnolien, Gummib?ume -- alles w?chst dort in buntem und wirrem Durcheinander. Die meisten H?user sind eingeh?llt in das Dickicht irgend einer Schlingpflanze mit wundervollen leuchtend violetten Bl?ten, die so dicht wachsen, dass ihre Farbe fast wie ein lustig bunter Anstrich wirkt.
Auf der Westseite der Insel erreichten wir nach zirka 20 Kilometern ein kleines Fischerdorf, das auf steil abfallenden Felsen ins sch?umende und brausende Meer hineingebaut ist. Es schien nur von Kindern bev?lkert zu sein, die unser Auto in unheimlich anwachsenden Scharen umringten. Weder durch Geld noch durch gute Worte, noch durch Drohungen und P?ffe konnte man sich von dieser schmutzigen braunen Bande befreien, die ein ausserordentliches Verlangen nach Rauchwerk hatte und der die russischen Papiros leider sehr gut zu schmecken schienen. F?r unsere milden Gaben revanchierten sie sich wenigstens durch die Vorf?hrung von erstaunlichen Taucherkunstst?cken. Wie die Fr?sche sprangen sie von der hohen Felsk?ste ins Meer und verfehlten nie die ihnen zugeworfenen M?nzen, nach denen sie oft metertief tauchten.
Die richtigen Madeira-Taucher sahen wir jedoch erst bei unserer R?ckkehr aufs Schiff. Um den Dampfer herum herrschte ein solches Gewimmel von Booten, dass der kleine Kutter sich nur mit M?he einen Weg zum Fallrepp bahnte. In jedem der hunderte von Booten sassen einige halbnackte braune Kerle und machten sich unter w?stem Geschrei anheischig, ihre K?nste zu zeigen. S?mtliche Altersstufen von 10-40 Jahren waren unter diesen Tauchern vertreten, die mit unglaublichem Geschick ihr Gesch?ft besorgten. Gleich Affen kletterten sie an Tauen, die man ihnen hinabliess, bis aufs sechste Promenadendeck hinauf und von dort, d. h. von der H?he eines zirka siebenst?ckigen Geb?udes, warfen sie sich ins Meer. Es ist ein sch?nes, aber aufregendes Bild, wenn diese braunen Pfeile in die Tiefe schiessen. Meterhoch spritzt das Wasser auf. Der Schlag auf die Wasserfl?che muss ein m?rderischer sein. Mit blutigroten Schultern tauchen die k?hnen Burschen aus der Tiefe wieder auf, und zwischen den Z?hnen halten sie unfehlbar das Geldst?ck, dem ihr Sprung galt. Die tollk?hnsten von ihnen schwimmen ?brigens nach dem Sprung unter dem Dampfer durch. Man kann ihnen alle Hochachtung nicht versagen, wenn man bedenkt, was f?r einen Tiefgang solch ein 16000 Tonnenschiff hat. Einigen von den Tauchern fehlte diese oder jene Extremit?t, es gab eine Menge einarmiger und einbeiniger unter ihnen. Die fehlenden Gliedmassen haben seinerzeit den Haifischen der Bucht von Funchal als leckere Mahlzeit gedient. Trotz der Gefahr, sich das Genick zu brechen oder von Haien angefressen zu werden, sind die Burschen nicht teuer. Sie springen schon gerne f?r 200 Reis.
In Madeira, dessen Zauberg?rten viel zu schnell dem Blick entschwanden, nahmen wir f?r Wochen Abschied vom Lande. An den kahlen, von senkrechtem Sonnenbrande durchgl?hten Inseln Cap Verde, St. Vincenz und St. Antonio, fuhren wir stolz vor?ber. Erst an der brasilianischen K?ste, in Pernambuco, werden wir wieder Land sichten.
Sieht man tagaus tagein ?ber die endlose Wasserfl?che des Ozeans hin, ?ber dem sich als einziges Zeichen organischen Lebens von Zeit zu Zeit ein glitzernder Schwarm fliegender Fische erhebt, so kehren die Gedanken immer wieder zu dem M?rchenlande Madeira zur?ck, das wie eine Fata Morgana nur f?r Stunden aus dem Ozean auftauchte und sich dem Ged?chtnis doch unausl?schlich eingepr?gt hat.
PERNAMBUCO. -- BAHIA.
In Pernambuco sichtete die >>Arlanza<< zum ersten Male die s?damerikanische K?ste. Mit einem aus Bedauern und Beruhigung gemischten Gef?hl sah man den hellen Streifen ?ber dem Horizont, der uns als >>Amerika<< vorgestellt wurde, immer breiter werden. Man bedauerte, dass nun bald das G?tterleben auf dem Schiff mit der unbegrenzten M?glichkeit zu allen Arten des >>dolce far niente<<, mit dem am?santen >>board-tennis<< und Ringspiel, mit den je nach Bedarf kr?ftigen oder k?hlen >>drinks<< im Rauchsalon, mit den phantastischen ?quator-Maskenb?llen und allerhand anderem gesellschaftlichem Ulk ein Ende haben w?rde. Man war beruhigt, weil man nun tats?chlich mit Amerika Bekanntschaft machte und nicht mit dem Seeboden.
Doch mussten sich die Passagiere, die zw?lf Tage keinen festen Boden unter den F?ssen gesp?rt hatten, hier noch mit dem Anblick des Landes begn?gen, ohne es zu betreten. Nur Reisende, deren Bestimmungsort Pernambuco war, wurden ausgeladen. Dieses Wort ist keine Hyperbel, sondern entspricht den Tatsachen. Der Seegang und die Brandung ist in der Bucht von Pernambuco so stark, dass kein Boot und kein Dampfkutter ohne die Gefahr sofortiger Havarie dicht an die grossen ?berseeischen Schiffe anlegen kann. Sie halten sich, von unmutigen Wellen hin und her geworfen, in respektvoller Entfernung. Die Passagiere aber werden wie Warenballen in grossen K?rben an den Riesendampfkr?nen des Schiffes in den Ozean hinabgelassen, wobei es gilt, eines dieser schwankenden B?te zu treffen.
Diese Bef?rderungsart ist keineswegs erheiternd, zumal das Schiff von zahllosen m?chtigen Haifischen umtanzt wird, die ihre gierigen Rachen nach allem aufsperren, was in die N?he der Wasserfl?che kommt. Zur Freude der Schiffsmannschaft gelang es ?brigens, eine dieser gefr?ssigen Bestien zu >>angeln<<, ein wahres Prachtexemplar von fast 4 1/2 Meter L?nge. Der Angelhaken, den diese Hy?ne des Ozeans ohne Besinnen verschluckte, hatte die Gr?sse eines m?ssigen Schiffsankers. Vielleicht war es auch einer, ich habe nicht genau hingesehen.
In Bahia, einem der wichtigsten Handelszentren des ?quatorialen S?damerika, betraten wir zum ersten Male den neuen Kontinent. Vom ersten Schritt an konnte kein Zweifel dar?ber walten, dass man sich nicht in Europa befand. Die Bev?lkerung scheint auf den ersten Blick, wenigstens im Hafenviertel, ausschliesslich aus Mohren zu bestehen. Allm?hlich beginnt man jedoch die feineren Unterschiede zu bemerken und unterscheidet die Mulatten, die in allen Schattierungen, sogar gefleckt, vertreten sind, von den ganz Schwarzen, dann die >>Weissen<< von den Mulatten. Allerdings was man hier einen >>Weissen<< nennt, k?nnte in Europa noch ganz gut als etwas verblichener Neger passieren. Die sengende Kraft der Sonne ist unglaublich. Merkw?rdigerweise l?hmt sie jedoch die Energie keineswegs. Obgleich man ununterbrochen Str?me von Schweiss vergiesst, kann man selbst um 12 Uhr mittags in der Sonne spazieren gehen, vorausgesetzt, dass der Kopf durch einen hohen Panamahut gesch?tzt ist. Schatten gibt es um diese Tageszeit keinen, weder H?user, noch Mauern, noch Menschen k?nnen sich eines solchen r?hmen. Die Sonne steht im Zenith und ihre Strahlen fallen genau senkrecht. Der Schatten eines Menschen nimmt nur den Raum ein, den seine Fusssohlen bedecken. Es kommt einem ganz merkw?rdig vor, den kleinen schwarzen Fleck zwischen den F?ssen als den eigenen Schatten anzusehen. Die Eingeborenen vermeiden es nat?rlich tunlichst, sich um diese Tageszeit auf der Strasse zu zeigen. Besonders die Mohren geben sich in dem Handelsviertel, das sie sich in den Querstrassen des Hafens errichtet haben, dem ihnen, ach so lieben Nichtstun hin. Sie sind ?brigens ein gutm?tiges und zug?ngliches Volk, von Kultur allerdings nur sehr oberfl?chlich beleckt. Einer dieser schwarzen Handelsherren, der sich am Stamm einer pr?chtigen Palme ein mehr als originelles Magazin von alten Kleidern, H?ten, Stiefeln eingerichtet hatte, und, l?ngelang auf einer Holzbank hingestreckt, sein wohlassortiertes Lager bewachte, fragte, als ich meinen Kodak nach ihm z?ckte, weinerlich -- ob es schmerzen w?rde, war aber doch viel zu faul, um aufzustehen und sich der Gefahr des Photographiertwerdens zu entziehen.
Furchtbar, schauerlich, wahrhaft grausig sind die Negerweiber, besonders wenn sie alt sind. Sie sehen samt und sonders aus wie verkleidete M?nner. Ihre Putzsucht ist sprichw?rtlich. Sie geben sich die erdenklichste M?he, ihre teuflischen Fratzen durch phantastischen Kopfputz und grellfarbige Kleidung noch auffallender zu machen. Unter den kniekurzen knallrosa oder knallblauen R?cken starren die schwarzen Beine hervor, einem weissen Spitzenhemdchen entragt das meist nicht sehr ?ppige schwarze D?collet?. Ein bunter Sonnenschirm vervollst?ndigt diese Toilette, die einen glauben macht, man bef?nde sich auf einem exotischen Maskenball.
Bahia ist eine echt brasilianische Stadt, als solche viel charakteristischer als die Hauptstadt Brasiliens, Rio de Janeiro, von der im n?chsten Briefe die Rede sein soll. Die H?user sind flach, kastenartig, ohne architektonische Pretensionen, sie scheinen nur aus Fenstern zu bestehen, die auf der Sonnenseite mit Bastmatten verh?ngt sind. In den engen Strassen der Innenstadt, deren schneeweisse Mauerfl?chen das grelle Sonnenlicht blendend zur?ckstrahlen, herrscht reges, von s?dlichem Temperament bewegtes Leben. Maultiertreiber, Strassenh?ndler, Zeitungsverk?ufer vollf?hren ein w?stes Geschrei.
Ein europ?isches >>Lokal<< habe ich in Bahia nicht ausfindig machen k?nnen. Es soll dort einen deutschen Klub geben -- der Grosshandel liegt hier, wie in ganz Brasilien fast ausschliesslich in deutschen H?nden -- doch gelang es mir nicht, bis zu ihm vorzudringen. Es galt also, um satt zu werden, in einem brasilianischen Restaurant Einkehr zu halten. >>Grutta Bahiana<< hiess dieser denkw?rdige Ort. Nach langen, fruchtlosen Versuchen eine der vielen brasilianischen Nationalspeisen, die auf der Speisekarte verzeichnet waren, herunterzubringen, musste dieses redliche Bem?hen eingestellt werden. Die Frage bleibt offen, wie ein Europ?er es anstellt, in Brasilien nicht zu verhungern. Essen kann man die Dinge, die einem dort serviert werden, schon aus dem Grunde nicht, weil man sich am ersten Bissen, den man die Unvorsichtigkeit hat herunterzuschlucken, Mund, Speiser?hre und alle Eingeweide verbrennt. Die Brasilianer kennen nur ein Gew?rz, das aber gr?ndlich -- den Pfeffer. Man kann sie daf?r nicht einmal dahin verw?nschen, wo er w?chst, denn das ist ja hier zu Lande. Die Eingeborenen vergiessen w?hrend der Mahlzeit helle Tr?nen, und finden das genussreich, vielleicht weil der >>pimento<< im tropischen Klima hygienisch sein soll. Nachher sp?len sie ihr Inneres mit einem gr?sslichen Schnaps aus, an dem der Name das einzig Gute ist. Er heisst >>mata bicho<<, das bedeutet >>t?te das Biest<<, womit aber nicht der Brasilianer selbst gemeint ist, sondern der gef?rchtete Fieberbazillus.
Alle Leiden, die man w?hrend des Essens zu erdulden gehabt hat, werden jedoch bald darauf durch einen kulinarischen Genuss allerersten Ranges wettgemacht. Der brasilianische Kaffee! Man m?chte ein Klopstock sein, um ihn zu besingen. Leider wird er, wie alles Gute im Leben, in sehr hom?opathischen Dosen serviert, denn leider ist er, wiederum wie das meiste Gute im Leben, dem Herzen nicht zutr?glich. Ein T?sschen, kaum gr?sser als ein Fingerhut, bis zum Rande gef?llt mit feinem Rohzucker, der so rasch zergeht, dass man nicht einmal einen L?ffel zum Umr?hren braucht. Nein, dieser Kaffee! Schwarz wie der Tod, s?ss wie die Liebe, heiss wie die H?lle! Im kleinen Caf?, wo man diesen G?ttertrank zu sich nimmt, herrscht ?brigens ein tolles Leben nach der Mittagstunde. Freiheit und Gleichheit. Auf niedrigen schemelartigen St?hlchen hockt der B?rsenf?rst neben dem Eseltreiber. Vor diesem Kaffee schwinden alle Rangunterschiede hin, wie das H?ufchen Rohzucker, das man in die Tasse tut. Das Lokal ist gepfropft voll. Mit affenartiger Geschicklichkeit voltigieren um alle die in s?mtlichen Himmelsrichtungen ausgestreckten Beine Niggerboys in einst weiss gewesenen Anz?gen. ?ber dem Kopf schwingen sie die langgeschn?belten Kannen. Mit verbl?ffender Sicherheit trifft der schwarze Kaffeestrahl die winzige Tasse. Aber nur Herzathleten wagen es, sie zum zweitenmal f?llen zu lassen.
Sehensw?rdigkeiten hat Bahia, ausser sich selbst, keine. Die >>vornehmen<< Stadtviertel werden sorglich in Ordnung gehalten. Auch um die Volksgesundheit k?mmern sich die Stadtr?te in h?chst lobenswerter Weise. Am Ausgangstor des Riesenaufzugs, der die obere Stadt mit dem Hafenviertel verbindet, steht ein merkw?rdiges Denkmal: zwischen zwei himmelhochragenden S?ulen ein m?chtiges Plakat, frei in der Luft schwebende gigantische Lettern bilden folgende Inschrift: >>606! Cura Syphilis! 606!<< Dieses in seiner Offenherzigkeit erfrischende, aber keineswegs erfreuliche Wahrzeichen kr?nt, weithin sichtbar, die Stadt, hoffentlich bewirkt der gute Rat wenigstens, was er bezweckt.
RIO DE JANEIRO UND BRASILIANISCHE KARNEVALSFREUDEN.
Weiss jemand von meinen verehrten Lesern, was eine >>bisnaga<< ist? Nein? Nun, hoffentlich wird er sich diese Kenntnis nie durch eigene Erfahrung erwerben. Eine >>bisnaga<< ist ein modernes Folterwerkzeug, unbekannten Ursprungs, in Brasilien zur Karnevalszeit -- leider -- in allgemeinem Gebrauche. Das Ding sieht sehr unschuldig aus, und bevor man damit Bekanntschaft gemacht hat, ahnt man nicht, welche infamen Eigenschaften es besitzt. Man denke sich ein mittelgrosses Glasflakon, das an einem Ende mit einem Siphonverschluss versehen ist. Der Inhalt besteht aus stark parf?miertem ?ther und der Zweck der ganzen Maschine ist, sich diesen ?ther gegenseitig in die Augen zu spritzen. Es ist nicht schwer, dieses Kunstst?ck zu vollbringen, denn die bisnaga entl?dt ihren Inhalt in feinem Strahl auf viele, viele Meter Entfernung, und man kann sich sein Opfer ausw?hlen ohne sofortige Rache zu bef?rchten. Trifft nun solch ein bisnaga-Strahl, so wird der Gegner f?r die Dauer von zwei bis drei Minuten blind, hat das Gef?hl, dass ihm die Augen ausfliessen, und dieser kl?gliche Zustand wird dann zu weiteren heftigen Attacken vermittelst Konfetti, Pritschen, Luftschlangen, Niespulver und ?hnlichen harmlosen aber peinvollen Scherzartikeln benutzt.
Ich habe mancherorts das tollste Karnevalstreiben miterlebt, doch verbleicht selbst M?nchen und Paris im Vergleich zu dem karnevalistischen Wahnwitz, den sich die Brasilianer in Rio de Janeiro leisten.
In der Avenida centrale, einer wundervollen Strasse von der Breite des Newski-Prospekt in Petersburg, herrscht ein derartiges Gedr?nge, dass man eine Stunde braucht, um zehn Schritte vorw?rts zu kommen. Auf dem Fahrdamm reiht sich Automobil an Automobil, von wo aus phantastisch kost?mierte M?nner und sch?ne Frauen einen w?tenden Luftschlangen- und bisnaga-Kampf mit den Kopf an Kopf gedr?ngten Fussg?ngern ausfechten. Ein bet?ubender ?therdunst erf?llt die Luft, tausende von sinnlich erregten Augenpaaren blitzen sich gegenseitig an, Geschrei und Gel?chter schallt von h?ben und dr?ben, zwischen den Beinen der Fussg?nger flitzen die kleinen, braunen, unglaublich geschickten bisnaga-Verk?ufer mit ihrem stereotypen Ruf: >>seicente grammas un milreis cinquente!<<
Ein wahnwitziger Taumel scheint alle Welt ergriffen zu haben. Ehe man sich's versieht, hat man einen ?therstrahl in den Augen, dann eine Wagenladung Konfetti im Rockkragen, Pritschenschl?ge hageln auf Kopf und Schultern nieder.
Das alles vollzieht sich bei einer Temperatur von 30? R?aumur abends zwischen 9 und 12. Ozeane von k?hlenden Getr?nken, einfachem Eiswasser, Kokosmilch und mehr oder weniger raffinierten Sorbets werden in den zahllosen Caf?s, die die ganze Avenida eins?umen, vertilgt. In dieser Hauptstrasse geht es zwar toll genug, aber immerhin gesittet zu. Doch braucht man nur einige Schritte in die Querstrassen zu tun, um Zeuge von allerhand wenig sch?nen Szenen und w?sten Schl?gereien zu sein.
Im Dunkel abgelegener Strassen ist der Brasilianer chez soi und kehrt sein wahres Gesicht hervor, auf dem alle Leidenschaften und Tods?nden verzeichnet stehen, im europ?ischen Glanz der Avenida legt er dagegen sofort die l?chelnde Maske Pariser Halbkultur an.
Ja Brasilien! Es liesse sich gar viel dar?ber sagen. Besonders ?ber die neue republikanische Regierung und ihre >>Gesch?ftsprinzipien<<. Jetzt will sie dem Kaiser Dom Pedro II, der Brasilien zu seinem unerh?rt raschen kulturellen Aufschwunge verholfen hat, ein Denkmal setzen. Seinerzeit, als der republikanische Staatsstreich gelang, wurde der alte Mann, der ein grosser Gelehrter und einer der feinsten K?pfe des 19. Jahrhunderts war, auf ein altes halbzerfallenes Schiff gesetzt und nach Europa expediert, wobei die sichere Hoffnung bestand, dass der alte Kasten, der den Kaiser trug, statt in Europa auf dem Seeboden anlangen w?rde. Als diese Hoffnung fehlschlug, erfolgte das Dekret, dass nie mehr ein Mitglied des Hauses Braganza den Boden Brasiliens betreten d?rfe. Dieses Dekret hat nun unvorhergesehene Folgen. Die gem?ssigte republikanische Partei will die Leiche Dom Pedros aus der Lissaboner Begr?bniskirche nach Rio ?berf?hren, um sie hier zu bestatten. Die Regierung muss sich dem widersetzen, denn Dom Pedro ist, obzwar tot, -- doch ein Braganza!
Was soll ich ?ber Rio de Janeiro sagen? Man m?sste ein Buch schreiben, wollte man einen richtigen Begriff von dieser Stadt vermitteln. Landschaftlich ist sie paradiesisch sch?n. Die Natur hat alle Herrlichkeiten, die sie hervorbringen kann, auf diesen Fleck Erde zusammengetragen. Das Panorama der Bucht ist einzig in seiner Art. Hohe Bergz?ge von bizarren Formen ums?umen die Stadt. Mitten in der Bucht erhebt sich der sogenannte >>Zuckerhut<<, ein violetter Bergkegel, der bisher als unzug?nglich galt. Seit einigen Wochen erreicht ihn eine Schwebebahn, deren k?hnes Projekt -- echt amerikanisch! -- vor f?nf Monaten noch nicht entworfen war. Die Bergabh?nge sind von unglaublich ?ppigem tropischen Urwald bedeckt. Herrlich sind die enormen Kaiserpalmen, die eine H?he von 40 Metern erreichen und die m?chtigen Bambusb?sche, die aussehen, wie riesengrosse gr?ne Font?nen. Eine grossartig angelegte Automobilstrasse hat vor nicht langer Zeit den Reisenden die n?chste Umgegend Rios erschlossen. Sie f?hrt ?ber den Bergr?cken des Tijuka durch dichten Urwald, in dem man hin und wieder einen Papagei aufscheucht und wo sich die m?rchenhaften blauen Riesenschmetterlinge auf den leuchtenden Bl?ten der tropischen B?ume wiegen. Die Ausblicke, die sich auf dieser Strasse nach allen Richtungen hin bieten, sind -- zu sch?n, denn man glaubt nicht an ihre Realit?t. Man meint, sich mitten drin in einer Dekoration einer phantastischen Zauberoper zu befinden. Weder Klingsors Zaubergarten, noch die M?rchenhaine eines Tschernomoren k?nnen reicher und ?ppiger gemalt werden. Es fehlt dieser ganzen Landschaft nur die Seele, die Stimmung. Oder vielleicht verstehen wir Nordl?nder sie nicht. Man f?hlt sich fremd in dieser unerh?rten Tropenpracht, die man bewundern kann, ohne sie zu lieben.
Die Stadt Rio hat zwei Gesichter, ein weisses und ein schwarzes. Der fabelhafte Luxus des Europ?erviertels umgibt das erb?rmliche Elend des Negerh?gels, der sich mitten in der Stadt erhebt.
Die Neustadt ?bertrifft in der Anlage stellenweise selbst Paris. Was wollen z. B. die Champs elys?es sagen im Vergleich zu dem 14 Kilometer langen asphaltierten, mit Steinquadern ausgelegten Kai, der die ganze Bucht von Rio de Janeiro ums?umt und die Stadt mit dem Badeort Leme verbindet! Und doch wieviel sch?ner ist der kleinste Winkel von Paris, als der ganze blendende Talmiglanz des modernen Rio. Denn ein Talmiglanz ist es. Man sp?rt es jeden Augenblick, dass man sich auf dem Boden eines Landes, das keine Geschichte hat, bewegt. Geld -- das ist die einzige treibende Kraft Brasiliens. So glanzvoll alles nach aussen hin ist, so fehlt doch jede innere Kultur. Es ist nichts echt, alles -- Nachahmung. In der bodenlosen Geschmacklosigkeit vieler Bauten, ihrer ?berladenen Pracht, dem v?lligen Mangel jeden Stilgef?hles zeigt sich das kulturelle Niveau ihrer Erbauer nur zu deutlich. Dennoch sind die Brasilianer mit einigem Recht stolz auf Rio. Allerdings ?ussert sich ihr Selbstgef?hl mitunter in der l?cherlichsten Weise. Auf dem ber?hmten Theatro Municipale stehen in grossen goldenen Lettern drei Namen: Goethe, Moli?re, -- A. Penna. Was sollen die Deutschen und Franzosen dazu sagen! Penna ist ein kleiner einheimischer, ?brigens ganz vergessener Kom?diendichter, gegen den etwa Kotzebue ein Shakespeare war. Nationalit?tsgef?hl ist eine gute Sache, doch sei man vorsichtig in seinen ?usserungen, sonst wird man ridik?l oder taktlos.
BUENOS AIRES.
Wollte man sine ira et studio eine Schilderung der Hauptstadt Argentiniens entwerfen, wie sie sich dem Reisenden auf den ersten Blick pr?sentiert, so w?rde kein Mensch glauben, dass der Brief aus Amerika kommt. Buenos Aires hat nichts, aber auch gar nichts >>amerikanisches<< an sich. Es ist nichts anderes als eine vorz?glich gelungene Kopie s?mtlicher Hauptst?dte Europas zusammengenommen. Wenn man die Strassen der argentinischen Hauptstadt durchwandert, so glaubt man bald in Berlin, bald in Paris, in Petersburg, in London, meinetwegen in Hamburg, in Frankfurt, M?nchen oder sonst irgendwo zu sein, nur nicht in S?damerika, dem Lande, das sofort die Vorstellung von Indianern, Pr?rien, Pampas, wilden Tieren oder breitnasigen Patagoniern erweckt. Von alledem ist in Buenos Aires nat?rlich nicht das allergeringste zu sehen. Die Stadt bedeckt einen enormen Fl?chenraum, ihr Weichbild ist gr?sser, als dasjenige Londons, obgleich Buenos Aires kaum halb so viel Einwohner z?hlt. Die abgezirkelt rechtwinklige Anlage der Strassen erinnert an das Friedrichstrassen-Viertel in Berlin, nur dass sich hier die einzelnen Strassen noch viel ?hnlicher sehen und infolgedessen noch viel langweiliger sind. Was n?tzt die architektonische Pracht einzelner Bauwerke, wenn sie sich immer wiederholt! Man mag einen noch so guten Ortssinn besitzen und die Stadt noch so viele Male durchquert haben -- dennoch weiss man nie, an welcher Strassenecke man sich befindet. Sie sehen alle genau gleich aus.
Etwas besser ist es um die ?ffentlichen Pl?tze bestellt. Sie haben mehr Charakter, und man unterscheidet sie schon dadurch untereinander, dass auf jedem ein anderer erzener oder steinerner argentinischer Reitergeneral, oder sonst irgend eine Lokalber?hmtheit in mehr oder weniger k?hner Denkmalspose verewigt ist.
Kommt man dagegen zur ber?hmten Avenida del Mayo, dem Stolz der Argentinier, so ist man wieder in Paris. Der Boulevard des Capucines, wie er leibt und lebt! An das Paris vor zehn Jahren erinnern auch die zahllosen ein- und zweisp?nnigen Droschken, die hier noch nicht, wie in Rio de Janeiro, von Automobilen verdr?ngt sind. Und schaut man sich die fabelhaft luxuri?sen L?den an, so liest man auch dort auf den breiten Schaufenstern dieselben Namen wie in Paris. Die ganze Rue de la Paix ist hier vertreten, meistens sogar besser und reicher als an Ort und Stelle. Das gilt besonders von den Juwelierl?den.
Die Argentinier haben n?mlich viel Geld, unglaublich viel Geld und bezahlen mit dem Stolze aller plutokratischen Parven?s kaltl?chelnd Unsummen f?r allerhand Luxusgegenst?nde. Warum sollten sie auch nicht? Das Land selbst, das doppelt so gross ist als Europa, bietet ja unersch?pfliche Reicht?mer. Und immer wieder erschliessen sich neue. Man braucht sie nur zu nehmen. Von den enormen Viehz?chtereien, den in einzelnen H?nden befindlichen Latifundien von der Gr?sse m?ssiger K?nigreiche, von der fabelhaft rasch emporgebl?hten Weinkultur, die in wenigen Jahren unberechenbare Verm?gen geschaffen hat, von den Erzreicht?mern der Kordilleren usw. werde ich noch zu erz?hlen haben, wenn ich ins Innere des Landes hineinkomme. Augenblicklich ist man hier sehr erregt durch die Nachricht, dass sich im S?den Argentiniens zu allem ?brigen noch ausserordentlich ergiebige Naphthaquellen erschlossen haben. Man nimmt an, dass dadurch den kaukasischen und nordamerikanischen Quellen eine sehr ernsthafte Konkurrenz auf dem Weltmarkt entstehen wird.
Doch ist es nicht meine Sache, dar?ber zu berichten. Ich sehe mir das Land mit den Augen eines gew?hnlichen Reisenden an, und wirtschaftliche Studien liegen mir fern.
Die Einwohner von Buenos Aires haben ebenso wenig charakteristisches an sich wie die Strassen der Stadt. Aussehen, Kleidung, Gebaren -- alles ganz europ?isch. Nat?rlich ?berwiegt der s?dl?ndische spanisch-italienische Typus. Man sehnt sich ordentlich nach den prachtvollen Mohren von Bahia und nach den interessanten Mischlingen, die die brasilianische Bev?lkerung so bunt und anziehend machen. Russen und Deutsche gibt es in Buenos Aires genug, um einige mittelgrosse europ?ische St?dte damit zu bev?lkern. Die russische Kolonie z?hlt gegen 100000 K?pfe, die deutsche mehr als das Doppelte. In Buenos Aires erscheinen zwei grosse deutsche Zeitungen, von denen die >>La-Plata-Zeitung<< sogar, wie man sagt, eine nicht unwichtige politische Rolle spielt. Der einen hier erscheinenden russischen Zeitung kommt eine solche nat?rlich nicht zu. Doch ist es immerhin viel, dass sie ?berhaupt existiert.
Die sogenannte >>gute Gesellschaft<< gl?nzt augenblicklich -- im Sommer -- durch Abwesenheit in Buenos Aires. Wer nicht in Europa ist, k?hlt sich die erhitzten Glieder wenigstens an der K?ste des Atlantischen Ozeans, in dem Seebadeorte Mare la Plata, dem >>Ostende Argentiniens<<, wie dieser sch?ne, aber m?rchenhaft teure Strandort genannt wird. Buenos Aires bietet an landschaftlichen Sch?nheiten gar nichts. Ein einziger Park, >>Palermo<< mit Namen, gew?hrt abends etwas K?hlung, wenn n?mlich vom La Plata-Strome ein erfrischender Wind weht. Die ziemlich k?mmerliche Vegetation dieses Parkes wird mit grosser Kunst gepflegt, und immerhin ist es dort abends angenehmer als in den staubigen, dr?ckend heissen Strassen der Stadt. Es gibt in Palermo sogar einen >>See<<, der anderswo freilich Teich heissen w?rde. Doch schwimmen darauf leibhaftige schwarze Schw?ne. Und das sieht allemal sehr stolz und majest?tisch aus.
Will man aber mehr haben, so muss man schon ganze 40 Kilometer weit mit der Bahn fahren. Doch lohnt sich die Strapaze. Erstens hat man w?hrend der Reise den La Plata-Strom als Gef?hrten zur Seite. Und der ist, wenn auch nicht sch?n, so doch originell mit seinen gelbbraunen, von violetten Lichtern durchsetzten Fluten, die sich unabsehbar weit zum Horizont hinziehen. Das andere Ufer ist nat?rlich nicht zu sehen, denn der Fluss ist hier ca. 45 Kilometer breit. Aus der Entfernung, bevor man die Bewegung des Wassers beobachten kann, macht er den Eindruck einer ungeheuren sonnendurchgl?hten Sandfl?che. Der Ort, den es zu erreichen gilt, heisst Tigre. Ein Nebenfluss des La Plata gleichen Namens bildet ein landschaftlich ?beraus reizvolles Delta. Die Inseln sind mit ?ppiger Vegetation, bl?henden Fruchtg?rten, schattigen Laubw?ldern, sogar Palmenanpflanzungen bedeckt. Macht man die sehr genussreiche >>volta<< um alle Inseln herum, was im Motorboot ungef?hr zwei Stunden beansprucht, so kann man selbst von ?berh?ngenden Zweigen k?stliche Pfirsiche und saftige Reineclauden pfl?cken -- vorausgesetzt, dass das Gewissen es zul?sst. Tigre ist das Zentrum f?r den argentinischen Wassersport. Man sieht dort wundervoll ausgestattete Motor- und Segeljachten der beau monde von Buenos Aires. Auch Ruderboote mit mehr oder weniger entkleideten Insassen schiessen auf den Flussarmen hin und her.
Mit gemischten Gef?hlen setzt man sich wieder in den staubigen Bahnzug, und empfindet es als Schicksalst?cke, dass man nach Tigre fliehen muss, wenn man das haben will, wie die Stadt, in die man zur?ckkehrt, heisst -- buenos aires, zu deutsch >>gute Luft!<<
DIE ARGENTINISCHEN PAMPAS. -- DAS WEINLAND VON MENDOZA.
Wenn man als abenteuerlustiger Amerika-Reisender neue Eindr?cke, unbekannte Situationen, europafremde Lebensbedingungen, interessante Erlebnisse sucht, so kehrt man Buenos Aires, diesem Talmi-Paris, ohne viel Herzschmerzen den R?cken. Die Hoffnung, dass man im Inneren des Landes Eigenartiges, Charakteristischeres zu sehen bekommt, als in der vielgepriesenen Hauptstadt Argentiniens, wird in der Tat nicht get?uscht.
Die s?damerikanischen Pampas -- jedem Knaben, der je mit heissen Backen seinen Mainried gelesen hat, haben sie einst als h?chstes und einziges Ziel der Sehnsucht vorgeschwebt. Die Sehnsucht w?rde wahrscheinlich vergehen, bek?me er sie in Wirklichkeit zu Gesicht.
Noch vor wenigen Jahrzehnten waren die unendlichen Pr?rien, die sich hunderte und aberhunderte von Kilometern nach allen Richtungen hinziehen, eine vollst?ndige terra incognita nicht nur f?r den Europ?er, sondern auch f?r den eingeborenen S?damerikaner. Jetzt durchquert sie eine Eisenbahn, und eine Strecke, f?r die man fr?her Wochen beschwerlichsten Reisens brauchte, legt man heutzutage in 24 Stunden zur?ck. Gibt man noch 12 Stunden dazu, so kommt man sogar ?ber die Kordilleren hin?ber bis an die K?ste des Stillen Ozeans.
Nur ein kleines Gebiet im Zentrum des tropischen S?damerika ist bisher von den Invasionen neugieriger und gewinns?chtiger >>Kulturtr?ger<< verschont geblieben. Das ist der sogenannte Gran Chaco. Dorthin haben sich die ?berreste der stolzen Indianerst?mme, die einst den ganzen Riesenkontinent bev?lkerten, zur?ckgezogen. Sie leben dort ihr Leben, wie sie es vor tausend Jahren gelebt haben, ein Leben, dessen Grundlage eine wunderbar sinnvolle, nat?rliche Moral ist. Durch die selbstzufriedene Kulturarbeit der >>Weissen<<, deren Hauptwerkzeug das >>Feuerwasser<< ist, wird die unendlich h?her stehende moralische Kultur dieser Wilden, die sich ihrer Nacktheit nicht sch?men, langsam aber hoffnungslos untergraben. Wer das nicht glaubt, lese das wundervolle Reisebuch Elmar Nordenskj?lds, der zwei Jahre lang das Leben dieser Chaco-Indianer in ihrer Mitte gelebt hat und jene Zeit zu der sch?nsten, >>moralinfreiesten<< seines Lebens z?hlt.
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