Read Ebook: Timur: Novellen by Edschmid Kasimir
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Ebook has 1035 lines and 36073 words, and 21 pages
Eines Abends reizte ein M?dchen sein Gef?hl, das mit einer herrischen Kopfbewegung aus dem Nebel ihm entgegenkommend in den Laternenschein hineintrat. Sie war untersetzt mit geschmeidigen Lenden und trug einen ausl?ndischen Pelzhut. Er drehte um und folgte ihr. Sie gingen durch Strassen und Gassen, es war eine ganze Stunde, dass er sie verfolgte, da kamen sie in die Gegend des Hafens. Die Gassen verwirrten sich immer verzogener ineinander. Da bog sie zur Seite und verschwand. Das Haus, in das sie getreten war, hatte einen w?sten Eingang voll Winkel. Ein gr?nes Licht flammte davor. Die Fenster waren aus ?lpapier und erleuchtet.
Jean Fran?ois trat ein. Im Flur schon h?rte er, wie Musik begann. Er trat in einen Saal. Links sassen die Musikanten. Sie spielten Fl?ten und irische Dudels?cke. Ein einzelner Hagerer hieb wild auf eine Pauke.
Im Hintergrund hob sich der Saal im Rauch und Qualm zu Terrassen von St?hlen und B?nken in die H?he und vergr?sserte sich ungewiss. Vorne schwankten Paare durch die dichte Luft. Schreien und Gestampf durchbrach die Musik.
Auf einem der Tische stand eine der Vorstadtk?niginnen, wunderbar wild im Bau, hatte eine rote M?tze ?ber den Haaren, die Bluse voll herabgestreift und schwang die Arme singend, den Kopf im Rausch ger?tet, durch den Raum. Der Rauch umwallte sie manchmal ganz, dann riss er sie wieder in die Blicke. Ihre Augen gl?nzten wie feuchte Steine, der Mund stand offen, derb und gl?hend.
Ein Matrose schwankte mit grossen Spr?ngen ?ber die Diele und suchte im Vorbeisprung Jean Fran?ois zu umarmen. Doch der schob ihn weit zur Seite und arbeitete sich durch die Tanzenden quer hindurch zu den Stuhlkolonnen und setzte sich an einen leeren Tisch. Das Gesicht eines Graub?rtigen bewegte sich neben ihm auftauchend und brachte ihm Punsch, der scharf nach Essig roch.
Pl?tzlich ging die Saalt?r weit auf und schloss sich rasch, frische Luft str?mte herein und warf den Rauch auseinander, die ?lfenster knallten unter der Luft, die wie helle Nester eines ?ber dem anderen hockend die ganze Strassenfront gliederten . . . da sah er in der L?cke, dass am anderen Ende des Tisches ein Mann sass, dessen Blick ihn k?hl abmass. Er hatte gr?ne Augen, Brauen, die sich romanisch ?ber die Stirn spannten und ein bleiches Gesicht. Er trug die Kleidung eines vornehmen Mannes, eine flandrische Krause als Einsatz, aber hohe Stiefel.
Der Mann erhob sich und setzte sich ihm n?her gegen?ber.
Die Musik brach j?h ab. Vom Nebentisch sprang die Tanzende herunter und warf ihre Arme von hinten her dem Fremden ?ber die Schulter und dr?ngte ihre schweren Br?ste um seinen Nacken. Sie hatte den Kopf an sein Ohr geschmiegt und lachte, ?ber ihn weg kokettierend, zu Jean Fran?ois hin?ber. Im gleichen Augenblick aber steckte ein Matrose seine Hand in des Gegen?bers Tasche und zog mit zwei spitzen Fingern ein funkelndes seltsames St?ck B?rse wie einen Wurm heraus.
Jean Fran?ois erheiterte dieser Fall sehr, allein er nagelte trotzdem den Kerl sofort mit gezogener Handpistole auf den Platz fest. Der Bursche ward bleich, von einigen Tischen scholl Geschrei.
Der Fremde l?chelte, nahm die B?rse zur?ck, um sie dem Matrosen mit einem Kompliment wieder zu ?berreichen. Dann dankte er, indem er den ausbrechenden Tumult des Lokals mit einer Handbewegung d?mpfte, durch eine leichte Verbeugung Jean Fran?ois f?r seine G?te.
Das M?dchen hatte sich auf seine Knie gesetzt.
Seine Hand spielte nebens?chlich mit ihr, indem er Jean Fran?ois bat, als einen Ausgleich und um -- zumal als Ausl?nder -- h?flicher Handlung mit edelm?nnischer Genugtuung zu begegnen, eine Bitte an ihn zu richten.
Allein Jean Fran?ois l?chelte nur, denn ihm schien nichts w?nschenswert, was er nicht selbst h?tte erreichen k?nnen.
Doch auch der Fremde l?chelte.
Und wiederholte eindringlich, dass er b?te, ihn nicht zu verkennen, sondern ins uferlos Blinde ?ber ihn zu verf?gen, denn es sei morgen bereits schon zu sp?t, und das w?rde ihn schmerzen, wo ihn eine Flotte nach Indien fahre. Dann l?chelte er wieder, Jean Fran?ois' Erstaunen erwartend.
Der aber durchdrang mit dem Blick den Rauch des Zimmers, schweifte einige Sekunden in Entferntem, das ihn bet?ubte mit der Unendlichkeit der Bilder, und sagte, dem Traum der Jugend nahe gebracht, dunkel aufgew?hlt und Unbekanntem willig folgend , er b?te um ein Patent, wenn dies in der Macht liege . . . >>W?rden Sie. . .<<
Der Fremde jedoch zog ein Papier, bemalte es mit wenigen Zeichen und ?berreichte es ihm. Es war ein Diplom als erster Leutnant und zweiter Supracargo auf einem Schiff, das >>Santa Cruz<< hiess.
Jean Fran?ois sah ihn scharf an. Dann verbeugte er sich.
Der Fremde hielt ihm die damenhaft schmale Hand hin, in die das M?dchen auf seinem Knie einige Tropfen Wein schnickte. Aber eh Jean Fran?ois einschlug, sagte er, dass er wohl wisse, wie eng dies ihn binde, dass er aber innerlich keine Verpflichtungen auf sich nehme, denn er sei gewohnt, die Stunden zu treiben, wie er wolle, zu weilen, wie ihm passe und der zu sein, der er beliebe. Doch der mit den gr?nen Augen ihm gegen?ber sass, gab hierauf keine Antwort, empfing den Handschlag und wies hinaus, wo Pferde stampften.
Sie erhoben sich und verliessen den Raum. Das M?dchen zerrte an ihren Rocksch?ssen. Sie achteten nicht darauf.
Ein Wagen mit weissen Pferden hielt in der Gasse. >>Sie werden alles finden,<< sagte der Fremde, >>aber Sie d?rfen nicht z?gern.<< Er verabschiedete sich, da er noch einiges zu verhandeln habe und sagte, sie w?rden sich bald wiedersehen. Der Wagen fuhr bis zum Hafen. Eine Ruderbarkasse brachte ihn ans Schiff.
Sie zogen die Nacht noch den Fluss hinunter. Am Morgen floss England hinter ihnen zusammen wie grauer Schaum.
Als die Weite des Meeres vor ihnen lag, f?llte sich Jean Fran?ois' Herz mit tosenden Takten. Er nahm seine Equipierung auf dem Schiff. Als er sich umzog, trat ein Offizier in seine Kabine, -- er wechselte gerade die Hosen, -- und bat um die Aush?ndigung des Patents. Jean Fran?ois reichte es ihm:
>>Sie werden erstaunt sein, mich aus einer schw?rmerischen Nacht in diese Fahrt und Stellung st?rzen zu sehen, im Abendanzug, Leutnant Vaudricourt. Allein es trieb mich so.<<
Der Leutnant gr?sste h?flich und erwiderte, dies wolle nichts sagen, denn er habe die Fregatte lediglich mit einer Nachtkleidung und einem Damenstrumpfband aus weisser Seide erreicht. Er legte die Papiere zusammen und sagte: >>Ich sehe, wer Sie sind.<<
Er war h?flich. Er war Franzose, wie viele auf diesem Schiff ?bergetretener, und von guter Erziehung.
Am Abend, als er die Offiziere zu einem grossen Diner einlud, erfuhr Jean Fran?ois, dass sie sich mit f?nf anderen Schiffen vereinigen w?rden, bestimmt, Brotb?ume in der S?dsee aufzunehmen und sie zur Verpflanzung nach Westindien zu schaffen. Die Verdecke waren schr?g aus Blei aufgelegt mit Rinnen zur Bew?sserung. Zwischen den oberen Verdecks waren hohe R?ume, und in einem falschen Boden standen hunderte K?bel.
Nach vier Tagen trafen sie auf eine Flotte. Signale riefen die Offiziere auf das Admiralschiff. Sie stellten sich im Halbkreis auf dem Hinterdeck auf.
Dann erschien, begleitet von grossem Stab, ein Mann, edel und vornehm. Er hatte gr?ne Augen, Brauen, die sich romanisch ?ber die Stirn spannten und ein bleiches Gesicht. Die Augen funkelten. Die Offiziere verbeugten sich tief.
Er senkte langsam den Kopf. ?ber seiner Brust schwebte noch das Ludwigskreuz. Sein Degen war von wundervoller Arbeit. Es war der Admiral.
Er ging auf Jean Fran?ois zu, nachdem er die Befehle ausgegeben hatte, nannte leise seinen Namen: >>D'Ach?,<< und bat ihn, mit ihm zu kommen. Sie stiegen ?ber einige Treppen tief hinunter. Dann traten sie in einen breiten Raum.
Der Vicomte hob einen Leuchter und deutete auf einen K?fig, in dem ein Mann geduckt sass: Der K?fig hing an Seilen hoch von der Decke herunter. Er liess mit einem Griff ihn sich senken. Jean Fran?ois sah, dass es der Matrose war, dem er vor sechs Abenden seinen Pistolenmund auf die Magengrube gerichtet hatte, und der Graf sagte l?chelnd:
>>Junger Mann, ich sch?tze Ihre Liebe f?r andere Atmosph?ren, in denen das Leben derber und inbr?nstiger geht, als in den uns angemessenen. Ich liebe dies auch. Sie werden dar?ber schweigen, h?ren Sie. Ich habe Sie verpflichtet, weil ich aus dieser Anlage Grosses und Wildes von Ihnen erwarte.
Doch das mit der Pistole war t?richt. Sie missverstehen den Stil. Man h?tte uns in Fetzen geschlagen. Man muss das anders machen. Den hier habe ich mir sp?ter selbst und allein noch geholt. Fragen Sie ihn.<<
Der Matrose wimmerte, aber schwieg . . .
Jean Fran?ois fuhr mit seinen Offizieren zu seinem Schiff.
W?hrend der Fahrt betrat er das Admiralschiff nicht mehr.
Sie waren drei Leutnants auf der Fregatte, er, Vaudricourt und Jules Lab?. In den N?chten seufzte Vaudricourt nach dem Mond und erlebte die Verse grosser Dichter, wenn das Meer in ziellosen Spiegelungen ergl?hte. Lab? hatte eine Kreolin mit, die in einer Matte unter dem grossen Segel lag und rauchte.
Oft spielte Vaudricourt auf einer langen silbernen Fl?te ihr vor und sang mit warmem Tenor. Sie schloss die Augen wieder, ?ffnete sie zu Jean Fran?ois und bat ihn, ihren Windhund zu holen, damit sie mit diesem spiele. Sie hetzte ihn ?ber das Verdeck, und seine wilden Laute schoben sich zwischen die Schwingungen der Fl?te. Vaudricourt biss sich die Lippen und sagte:
>>Madame, wenn Sie das Spiel nicht lieben, will ich die Fl?te ins Meer werfen, obwohl sie Richelieu meinem Vatersbruder gab.<<
Die Kreolin bog sich in ihrer Matte und sagte: >>Aber ich liebe das Spiel.<<
Der Hund sprang ?ber die Matte hin und zur?ck, und sie sah Vaudricourt so lange an, bis er verzweifelt ans Heck ging und ins Weite stierte.
Abends legten sie eine Pharaobank aus und spielten.
Als sie um Kap Horn fuhren, griff ein Wind sie von der Seite und warf sie gegen eine Bank. Da das Steuer aus Zufall quer stand, glitten sie scharf vorbei.
Wieder flogen sie in den blauen Spiegel der Winde.
An einem Morgen lag Land vor ihnen. Sie hoben die K?pfe. Sie begriffen erst langsam, dass es Land sei. Sie fuhren Wochen schon.
Steil erhob sich eine dunkle K?ste, die ohne jede Einschn?rung war. Sie suchten zwei Tage lang eine Einfahrt an der westlichen K?ste, sie trafen nichts als einen Wall schwarzen Gesteins, aus dem Fl?sse ins Meer spien. Da gab das Admiralschiff das Zeichen, und sie fuhren nach der ?stlichen Seite.
Da hob sich der Nebel und schwebte in einer gleichen Lage wie ein mystisches Tuch in die H?he. Berge in tausend Gipfeln, die weiss waren wie Schnee, stellten sich gegen den Himmel, der in uns?glichem Blau an ihren Linien herabrann. Vor ihnen ?ffneten sich geschwungene Buchten, saftig und gr?n heranschwellend ans Meer.
Sie warfen Anker.
Dann schifften sie aus. Da brach aus Geb?sch weiter hinten eine Masse fetter eingeborener Weiber mit Geschrei. Doch liefen sie nicht nach vorn, sondern bewegten sich in gleichbleibender Erregung am Platz.
In der Mitte zwischen der K?ste und den Tobenden stand eine Zeder mit Olivenbl?ttern. Neben ihr, allein, war ein Eingeborener, braungelb, und hob die Hand. Er n?herte sich nicht und liess sie herankommen. Die Offiziere gr?ssten ihn h?flich, so viel W?rde war an ihm. Jean Fran?ois sprach ihn an. Da wuchsen, als er die eigene Sprache vernahm, seine Augen ins Ungemessene, er ber?hrte seine Nase und verneigte sich tief. Sie verabredeten zum folgenden Tag eine Expedition. Durch Boden aus Bims und schwarzem Glas brachen sie vor, bis sie in ein Tal kamen, das viele Brotb?ume hatte. Jean Fran?ois befahl, sie auszupflanzen und auf das Schiff zu bringen.
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