Read Ebook: Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents. Band 4. by Humboldt Alexander Von Hauff Hermann Translator
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Ebook has 444 lines and 109410 words, and 9 pages
Translator: Hermann Hauff
Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents. Alexander von Humboldt 1865
In deutscher Bearbeitung von Hermann Hauff.
Nach der Anordnung und unter Mitwirkung des Verfassers.
Einzige von A. v. Humboldt anerkannte Ausgabe in deutscher Sprache.
Band 4
Der Cassiquiare. -- Gabeltheilung des Orinoco.
Am 10. Mai. In der Nacht war unsere Pirogue geladen worden, und wir schifften uns etwas vor Sonnenaufgang ein, um wieder den Rio Negro bis zur M?ndung des Cassiquiare hinaufzufahren und den wahren Lauf dieses Flusses, der Orinoco und Amazonenstrom verbindet, zu untersuchen. Der Morgen war sch?n; aber mit der steigenden W?rme fing auch der Himmel an sich zu bew?lken. Die Luft ist in diesen W?ldern so mit Wasser ges?ttigt, dass, sobald die Verdunstung an der Oberfl?che des Bodens auch noch so wenig zunimmt, die Dunstbl?schen sichtbar werden. Da der Ostwind fast niemals zu sp?ren ist, so werden die feuchten Schichten nicht durch trockenere Luft ersetzt. Dieser bedeckte Himmel machte uns mit jedem Tage verdr?sslicher. Bonpland verdarben bei der ?berm?ssigen Feuchtigkeit seine gesammelten Pflanzen und ich besorgte auch im Thal des Cassiquiare das tr?be Wetter des Rio Negro anzutreffen. Seit einem halben Jahrhundert zweifelte kein Mensch in diesen Missionen mehr daran, dass hier wirklich zwei grosse Stromsysteme mit einander in Verbindung stehen; der Hauptzweck unserer Flussfahrt beschr?nkte sich also darauf, mittelst astronomischer Beobachtungen den Lauf des Cassiquiare aufzunehmen, besonders den Punkt, wo er in den Rio Negro tritt, und den andern, wo der Orinoco sich gabelt. Waren weder Sonne noch Sterne sichtbar, so war dieser Zweck nicht zu erreichen und wir hatten uns vergeblich langen, schweren M?hseligkeiten unterzogen. Unsere Reisegef?hrten w?ren gerne auf dem k?rzesten Weg ?ber den Pimichin und die kleinen Fl?sse heimgekehrt; aber Bonpland beharrte mit mir auf dem Reiseplan, den wir auf der Fahrt durch die grossen Katarakten entworfen. Bereits hatten wir von San Fernando de Apure nach San Carlos 180 Meilen zur?ckgelegt. Gingen wir auf dem Cassiquiare in den Orinoco zur?ck, so hatten wir von San Carlos bis Angostura wieder 320 Meilen zu machen. Auf diesem Wege hatten wir zehn Tage lang mit der Str?mung zu k?mpfen, im Uebrigen ging es immer den Orinoco hinab. Es w?re eine Schande f?r uns gewesen, h?tte uns der Aerger wegen des tr?ben Himmels oder die Furcht vor den Moskitos auf dem Cassiquiare den Muth benommen. Unser indianischer Steuermann, der erst k?rzlich in Mandavaca gewesen war, stellte uns die Sonne und >>die grossen Sterne, welche die Wolken essen,<< in Aussicht, sobald wir die schwarzen Wasser des Rio Negro hinter uns haben w?rden. So brachten wir denn unser erstes Vorhaben, ?ber den Cassiquiare nach San Fernando am Atabapo zur?ckzugehen, in Ausf?hrung, und zum Gl?ck f?r unsere Arbeiten ging die Prophezeiung des Indianers in Erf?llung. Die weissen Wasser brachten uns nach und nach wieder heitereren Himmel, Sterne, Moskitos und Krokodile.
Wir fuhren zwischen den dicht bewachsenen Inseln Zaruma und Mini oder Mibita durch, und liefen, nachdem wir die Stromschnellen an der Piedra de Uinumane hinaufgegangen, acht Seemeilen weit von der Schanze San Carlos in den Rio Cassiquiare ein. Jene Piedra, das Granitgestein, das den kleinen Katarakt bildet, zog durch die vielen Quarzg?nge darin unsere Aufmerksamkeit auf sich. Die G?nge waren mehrere Zoll breit, und ihren Massen nach waren sie augenscheinlich nach Alter und Formation unter einander sehr verschieden. Ich sah deutlich, dass ?berall an den Kreuzungsstellen die G?nge, welche Glimmer und schwarzen Sch?rl f?hrten, die andern, welche nur weissen Quarz und Feldspath enthielten, durchsetzten und verwarfen. Nach Werners Theorie waren also die schwarzen G?nge von neuerer Formation als die weissen. Als Z?gling der Freiberger Bergschule musste ich mit einer gewissen Befriedigung beim Fels Uinumane verweilen und in der N?he des Aequators Erscheinungen beobachten, die ich in den heimischen Bergen so oft vor Augen gehabt. Ich gestehe, die Theorie, nach welcher die G?nge Spalten sind, die mit verschiedenen Substanzen von oben her ausgef?llt worden, behagt mir jetzt nicht mehr so ganz wie damals; aber dieses sich Durchkreuzen und Verwerfen von Gestein- und Metalladern verdient darum doch, als eines der allgemeinsten und gleichf?rmigsten geologischen Ph?nomene, die volle Aufmerksamkeit des Reisenden. Ostw?rts von Javita, l?ngs des ganzen Cassiquiare, besonders aber in den Bergen von Duida vermehren sich die G?nge im Granit. Dieselben sind voll von Drusen, und ihr h?ufiges Vorkommen scheint auf ein nicht sehr hohes Alter des Granits in diesem Landstrich hinzudeuten.
Wir fanden einige Flechten auf dem Fels Uinumane, der Insel Chamanare gegen?ber, am Rand der Stromschnellen; und da der Cassiquiare bei seiner M?ndung eine rasche Wendung von Ost nach S?dwest macht, so lag jetzt zum erstenmal dieser majest?tische Arm des Orinoco in seiner ganzen Breite vor uns da. Er gleicht, was den allgemeinen Charakter der Landschaft betrifft, so ziemlich dem Rio Negro. Wie im Becken dieses Flusses laufen die Waldb?ume bis ans Ufer vor und bilden ein Dickicht; aber der Cassiquiare hat weisses Wasser und ?ndert seine Richtung ?fter. Bei den Stromschnellen am Uinumare ist er fast breiter als der Rio Negro und bis ?ber Vasiva hinaus fand ich ihn ?berall 250 bis 280 Toisen breit. Ehe wir an der Insel Garigave vorbei kamen, sahen wir gegen Nordosten beinahe am Horizont einen H?gel mit halbkugligtem Gipfel. Diese Form ist in allen Himmelsstrichen den Granitbergen eigenth?mlich. Da man fortw?hrend von weiten Ebenen umgeben ist, so h?ngt sich die Aufmerksamkeit des Reisenden an jeden freistehenden Fels und H?gel. Zusammenh?ngende Berge kommen erst weiter nach Ost, den Quellen des Pacimoni, Siapa und Mavaca zu. S?dlich vom Raudal von Caravine bemerkten wir, dass der Cassiquiare auf seinem gekr?mmten Lauf San Carlos wieder nahe kommt. Von der Schanze in die Mission San Francisco, wo wir ?bernachteten, sind es zu Lande nur zwei und eine halbe Meile, w?hrend man auf dem Fluss 7--8 rechnet. Ich verweilte einen Theil der Nacht im Freien in der vergeblichen Hoffnung, die Sterne zum Vorschein kommen zu sehen. Die Luft war nebligt trotz der weissen Wasser, die uns einem allezeit sternhellen Himmel entgegen f?hren sollten.
Die Mission San Francisco Solano auf dem linken Ufer des Cassiquiare heisst so zu Ehren eines der Befehlshaber bei der >>Grenzexpedition,<< Don Joseph Solano, von dem wir in diesem Werke schon ?fter zu sprechen Gelegenheit gehabt. Dieser gebildete Officier ist nie ?ber das Dorf San Fernando am Atabapo hinausgekommen; er hat weder die Gew?sser des Rio Negro und des Cassiquiare, noch den Orinoco ostw?rts vom Einfluss des Guaviare gesehen. In Folge eines Missverst?ndnisses, das aus der Unkenntniss der spanischen Sprache entsprang, meinten manche Geographen auf La Cruz Olmedillas ber?hmter Karte einen 400 Meilen langen Weg angegeben zu finden, auf dem Don Joseph Solano zu den Quellen des Orinoco, an den See Parime oder das weisse Meer, an die Ufer des Cababury und Uteta gekommen seyn sollte. Die Mission San Francisco wurde, wie die meisten christlichen Niederlassungen s?dlich von den grossen Katarakten des Orinoco, nicht von M?nchen, sondern von Milit?rbeh?rden gegr?ndet. Bei der Grenzexpedition legte man D?rfer an, wo ein Subteniente oder Corporal mit seiner Mannschaft Posto gefasst hatte. Die Eingeborenen, die ihre Unabh?ngigkeit behaupten wollten, zogen sich ohne Gefecht zur?ck, andere, deren einflussreichste H?uptlinge man gewonnen, schlossen sich den Missionen an. Wo man keine Kirche hatte, richtete man nur ein grosses Kreuz aus rothem Holze auf und baute daneben eine Casa fuerte, das heisst ein Haus, dessen W?nde aus starken, wagrecht ?bereinander gelegten Balken bestanden. Dasselbe hatte zwei Stockwerke; im obern standen zwei Steinb?ller oder Kanonen von kleinem Kaliber; zu ebener Erde hausten zwei Soldaten, die von einer indianischen Familie bedient wurden. Die Eingeborenen, mit denen man im Frieden lebte, legten ihre Pflanzungen um die Casa fuerte an. Hatte man einen feindlichen Angriff zu f?rchten, so wurden sie von den Soldaten mit dem Horn oder einem Botuto aus gebrannter Erde zusammengerusen. So waren die neunzehn angeblichen christlichen Niederlassungen beschaffen, die Don Antonio Santos auf dem Wege von Esmeralda bis zum Everato gegr?ndet. Milit?rposten, die mit der Civilisation der Eingeborenen gar nichts zu thun hatten, waren auf den Karten und in den Schriften der Mission?re als D?rfer und redicciones apostolicas angegeben. Die Milit?rbeh?rde behielt am Orinoco die Oberhand bis zum Jahr 1785, mit dem das Regiment der Franciskaner seinen Anfang nimmt. Die wenigen Missionen, die seitdem gegr?ndet oder vielmehr wiederhergestelIt worden, sind das Werk der Observanten und die Soldaten, die in den Missionen liegen, stehen jetzt unter den Mission?ren, oder die geistliche Hierarchie masst sich doch dieses Verh?ltniss an.
Die Indianer, die wir in San Francisco Solano trafen. geh?rten zwei Nationen an, den Pacimonales und den Cheruvichahenas. Da letztere Glieder eines ansehnlichen Stammes sind, der am Rio Tomo in der Nachbarschaft der Manivas am obern Rio Negro haust, so suchte ich von ihnen ?ber den obern Lauf und die Quellen dieses Flusses Erkundigung einzuziehen; aber mein Dolmetscher konnte ihnen den Sinn meiner Fragen nicht deutlich machen. Sie wiederholten nur zum Ueberdruss, die Quellen des Rio Negro und des Inirida seyen so nahe beisammen, >>wie zwei Finger der Hand<<. In einer H?tte der Pacimonales kauften wir zwei sch?ne, grosse V?gel, einen Tucan , der dem Ramphastos erythrorynchos nahe steht, und den Ana, eine Art Aras, 17 Zoll lang mit durchaus purpurrothem Gefieder, gleich dem Psittacus Macao. Wir hatten in unserer Pirogue bereits sieben Papagaien, zwei Felsh?hner, einen Motmot, zwei Guans oder Paoas de Monte, zwei Manaviris und acht Affen, n?mlich zwei Atelen , zwei Titi's , eine Viudita , zwei Douroucoulis oder Nachtaffen , und den Cacajao mit kurzem Schwanz . Pater Zea war auch im Stillen sehr schlecht damit zufrieden, dass sich unsere wandernde Menagerie mit jedem Tag vermehrte. Der Tucan gleicht nach Lebensweise und geistiger Anlage dem Raben; es ist ein muthiges, leicht zu z?hmendes Thier. Sein langer Schnabel dient ihm als Vertheidigungswaffe. Er macht sich zum Herrn im Hause, stiehlt, was er erreichen kann, badet sich oft und fischt gern am Ufer des Stroms. Der Tucan, den wir gekauft, war sehr jung, dennoch neckte er auf der ganzen Fahrt mit sichtbarer Lust die Cusicusis, die tr?bseligen, zornm?thigen Nachtaffen. Ich habe nicht bemerkt, dass, wie in manchen naturgeschichtlichen Werken steht, der Tucan in Folge des Baus seines Schnabels sein Futter in die Luft werfen und so verschlingen m?sste. Allerdings nimmt er dasselbe etwas schwer vom Boden auf; hat er es aber einmal mit der Spitze seines ungeheuern Schnabels gefasst, so darf er nur den Kopf zur?ckwerfen und den Schnabel, so lange er schlingt, aufrecht halten. Wenn er trinken will, macht der Vogel ganz seltsame Geberden. Die M?nche sagen, er mache das Zeichen des Kreuzes ?ber dem Wasser, und wegen dieses Volksglaubens haben die Creolen dem Tucan den sonderbaren Namen Diosted? gesch?pft.
Unsere Thiere waren meist in kleinen Holzk?figten, manche liefen aber frei ?berall auf der Pirogue herum. Wenn Regen drohte, erhoben die Aras ein furchtbares Geschrei, und der Tucan wollte ans Ufer, um Fische zu fangen, die kleinen Titiaffen liefen Pater Zea zu und krochen in die ziemlich weiten Aermel seiner Franciskanerkutte. Dergleichen Auftritte kamen oft vor und wir vergassen dar?ber der Plage der Moskitos. Nachts im Bivouac stellte man in die Mitte einen ledernen Kasten mit dem Mundvorrath, daneben unsere Instrumente und die K?fige mit den Thieren, ringsum wurden unsere H?ngematten befestigt und weiterhin die der Indianer. Die ?usserste Grenze bildeten die Feuer, die man anz?ndet, um die Jaguars im Walde fern zu halten. So war unser Nachtlager am Ufer des Cassiquiare angeordnet. Die Indianer sprachen oft von einem kleinen Nachtthier mit langer Nase, das die jungen Papagaien im Nest ?berfalle und mit den H?nden fresse wie die Affen und die Manaviri's oder Kinkajous. Sie nannten es Guachi; es ist wahrscheinlich ein Coati, vielleicht Viverra nasua, die ich in Mexico im freien Zustand gesehen, nicht aber in den Strichen von S?damerika, die ich bereist. Die Mission?re verbieten den Eingeborenen alles Ernstes, das Fleisch des Guachy zu essen, da sie einen weit verbreiteten Glauben theilen und diesem Fleisch stimulirende Eigenschaften zuschreiben, wie die Orientalen dem Fleisch der Skinkos und die Amerikaner dem der Caymans.
Am 11. Mai. Wir brachen ziemlich sp?t von der Mission San Francisco Solano auf, da wir nur eine kleine Tagreise machen wollten. Die untere Dunstschicht fing an sich in Wolken mit festen Umrissen zu theilen, und in den obern Luftregionen ging etwas Ostwind. Diese Zeichen deuteten auf einen bevorstehenden Witterungswechsel, und wir wollten uns nicht weit von der M?ndung des Cassiquiare entfernen, da wir hoffen durften, in der folgenden Nacht den Durchgang eines Sterns durch den Meridian beobachten zu k?nnen. Wir sahen s?dw?rts den Ca?o Daquiapo, nordw?rts den Guachaparu und einige Seemeilen weiterhin die Stromschnellen von Cananivacari. Die Str?mung betrug 6,3 Fuss in der Secunde, und so hatten wir im Raudal mit Wellen zu k?mpfen, die ein ziemlich starkes Scholken verursachten. Wir stiegen aus und Bonpland entdeckte wenige Schritte vom Ufer einen Almandron , einen prachtvollen Stamm der Bertholletia excelsa. Die Indianer vetsicherten uns, in San Francisco Solano, Vasiva und Esmeralda wisse man nichts davon, dass dieser kostbare Baum am Cassiquiare wachse. Sie glaubten ?brigens nicht, dass der Baum, der ?ber 60 Fuss hoch war, aus Saamen aufgewachsen, die zuf?llig ein Reisender verstreut. Nach Versuchen, die man in San Carlos gemacht, weiss man, dass die Bertholletia wegen der holzigten Fruchth?lle und des leicht ranzigt werdenden Oels der Mandel sehr selten zum Keimen zu bringen ist. Vielleicht war dieser Stamm ein Anzeichen, dass tiefer im Lande gegen Ost und Nordost eine Waldung von Bertholletia besteht. Wir wissen wenigstens bestimmt, dass dieser sch?ne Baum unter dem dritten Grad der Breite in den Cerros von Guanaya wild vorkommt. Die gesellig lebenden Gew?chse haben selten scharf abgeschnittene Grenzen, und h?ufig st?sst man, bevor man zu einem Palmar oder einem Pinal gelangt, auf einzelne Palmen oder Fichten. Dieselben gleichen Colonisten, die in ein mit andern Gew?chsen bev?lkertes Land sich hinausgewagt haben.
Vier Seemeilen von den Stromschnellen von Cananivacari stehen mitten in der Ebene seltsam gestaltete Felsen. Zuerst kommt eine schmale, 80 Fuss hohe senkrechte Mauer, und dann, am s?dlichen Ende derselben, erscheinen zwei Th?rmchen mit fast horizontalen Granitschichten. Diese Felsen von Guanari sind so symmetrisch gruppirt, dass sie wie die Tr?mmer eines alten Geb?udes erscheinen. Sind es Ueberbleibsel von Eilanden in einem Binnenmeer, das einst das v?llig ebene Land zwischen der Sierra Parime und der Sierra dos Parecis bedeckte, oder wurden diese Felsw?nde, diese Granitth?rme von den elastischen Kr?ften, die noch immer im Innern unseres Planeten th?tig sind, emporgehoben? Von selbst gr?belt der Gedanke ?ber die Entstehung der Berge, wenn man in Mexico Vulkane und Trachytgipfel aus einer langen Spalte stehen, in den Anden von S?damerika Urgebirgs- und vulkanische Bildungen in Einer Bergkette lang hingestreckt sah, wenn man der ungemein hohen Insel von drei Seemeilen Umfang gedenkt, die in j?ngster Zeit bei Unalashka vom Boden des Weltmeeres aufgestiegen.
Eine Zierde der Ufer des Cassiquiare ist die Chirivapalme mit gefiederten, an der untern Fl?che silberweissen Bl?ttern. Sonst besteht der Wald nur aus B?umen mit grossen lederartigen, gl?nzenden, nicht gezahnten Bl?ttern. Diesen eigenth?mlichen Charakter erh?lt die Vegetation am Rio Negro, Tuamini und Cassiquiare dadurch, dass in der N?he des Aequators die Familien der Guttiferen, der Sapotillen und der Lorbeeren vorherrschen. Da der heitere Himmel uns eine sch?ne Nacht verhiess, schlugen wir schon um f?nf Uhr Abends unser Nachtlager bei der Piedra de Culimacari auf, einem frei stehenden Granitfelsen, gleich allen zwischen Atabapo und Cassiquiare, deren ich Erw?hnung gethan. Da wir die Flusskr?mmungen aufnahmen, zeigte es sich, dass dieser Fels ungef?hr unter dem Parallel der Mission San Francisco Solano liegt. In diesen w?sten L?ndern, wo der Mensch bis jetzt nur fl?chtige Spuren seines Daseyns hinterlassen hat, suchte ich meine Beobachtungen immer an einer Flussm?ndung oder am Fusse eines an seiner Gestalt leicht kenntlichen Felsen anzustellen. Nur solche von Natur unverr?ckbare Punkte k?nnen bei Entwerfung geographischer Karten als Grundlagen dienen.
In der Nacht vom 10. zum 11. Mai konnte ich an ? des s?dlichen Kreuzes die Breite gut beobachten; die L?nge wurde, indessen nicht so genau, nach den zwei sch?nen Sternen an den F?ssen des Centauren chronometrisch bestimmt. Durch diese Beobachtung wurde, und zwar f?r geographische Zwecke hinl?nglich genau, die Lage der M?ndung des Rio Pacimoni, der Schanze San Carlos und des Einflusses des Cassiquiare in den Rio Negro zumal ermittelt. Der Fels Culimacari liegt ganz genau unter 2?0?42? der Breite und wahrscheinlich unter 69?33?50? der L?nge. In zwei spanisch geschriebenen Abhandlungen, die ich dem Generalcapit?n von Caracas und dem Minister Staatssekret?r d'Urquijo ?berreicht, habe ich den Werth dieser astronomischen Bestimmungen f?r die Berichtigung der Grenzen der portugiesischen Colonien auseinandergesetzt. Zur Zeit von Solanos Expedition setzte man den Einfluss des Cassiquiare in den Rio Negro einen halben Grad n?rdlich vom Aequator, und obgleich die Grenzcommission niemals zu einem Endresultat gelangte, galt in den Missionen immer der Aequator als vorl?ufig anerkannte Grenze. Aus meinen Beobachtungen ergibt sich nun aber, dass San Carlos am Rio Negro, oder, wie man sich hier vornehm ausdr?ckt, die Grenzfestung keineswegs unter 0?20?, wie Pater Caulin behauptet, noch unter 0?53?, wie La Cruz und Surville annehmen, sondern unter 1?53?42? der Breite liegt. Der Aequator l?uft also nicht n?rdlich vom portugiesischen Fort San Jose de Marabitanos, wie bis jetzt alle Karten mit Ausnahme der neuen Ausgabe der Arrowsmith'schen Karte angeben, sondern 25 Meilen weiter gegen S?d zwischen San Felipe und der M?ndung des Rio Guape. Aus der handschriftlichen Karte Requenas, die ich besitze, geht hervor, dass diese Thatsache den portugiesischen Astronomen schon im Jahr 1783 bekannt war, also 35 Jahre bevor man in Europa anfing dieselbe in die Karten aufzunehmen.
Da man in der Capitania general von Caracas von jeher der Meinung war, der geschickte Ingenieur Don Gabriel Clavero habe die Schanze San Carlos del Rio Negro gerade auf die Aequinoctiallinie gebaut, und da in der N?he derselben die beobachteten Breiten, nach La Condamine, gegen S?d zu gross angenommen waren, so war ich darauf gefasst, den Aequator einen Grad n?rdlich von San Carlos, demnach an den Ufern des Temi und Tuamini zu finden. Schon die Beobachtungen in der Mission San Balthasar liessen mich vermuthen, dass diese Annahme unrichtig sey; aber erst durch die Breite der Piedra Culimacari lernte ich die wirkliche Lage der Grenze kennen. Die Insel San Jose im Rio Negro, die bisher als Grenze zwischen den spanischen und portugiesischen Besitzungen galt, liegt wenigstens unter 1?38? n?rdlicher Breite, und h?tte Ituriagas und Solanos Commission ihre langen Verhandlungen zum Abschluss gebracht, w?re der Aequator vom Hofe zu Lissabon definitiv als Grenze beider Staaten anerkannt worden, so geh?rten jetzt sechs portugiesische D?rfer und das Fort San Jose selbst, die n?rdlich vom Rio Guape liegen, der spanischen Krone. Was man damals mit ein paar genauen astronomischen Beobachtungen erworben h?tte, ist von gr?sserem Belang, als was man jezt besitzt; es ist aber zu hoffen, dass zwei V?lker, welche auf einer ungeheuern Landstrecke S?damerikas ostw?rts von den Anden die ersten Keime der Cultur gelegt haben, den Grenzstreit um einen 33 Meilen breiten Landstrich und um den Besitz eines Flusses, auf dem die Schifffahrt frei seyn muss, wie auf dem Orinoco und dem Amazonenstrom, nicht wieder aufnehmen werden.
Am 12. Mai. Befriedigt vom Erfolg unserer Beobachtungen, brachen wir um halb zwei Uhr in der Nacht von der Piedra Culimacari aus. Die Plage der Moskitos, der wir jetzt wieder Unterlagen, wurde ?rger, je weiter wir vom Rio Negro wegkamen. Im Thale des Cassiquiare gibt es keine Zancudos , aber die Insekten aus der Gattung Simulium und alle andern aus der Familie der Tipulae sind um so h?ufiger und giftiger. Da wir, ehe wir in die Mission Esmeralda kamen, in diesem nassen, ungesunden Klima noch acht N?chte unter freiem Himmel zuzubringen hatten, so war es der Steuermann wohl zufrieden, die Fahrt so einzurichten, dass wir die Gastfreundschaft des Mission?rs von Mandavaca in Anspruch nehmen und im Dorfe Vasiva Obdach finden konnten. Nur mit Anstrengung kamen wir gegen die Str?mung vorw?rts, die 9 Fuss, an manchen Stellen, wo ich sie genau gemessen, 11 Fuss 8 Zoll in der Secunde, also gegen acht Seemeilen in der Stunde betrug. Unser Nachtlager war in gerader Linie schwerlich drei Meilen von der Mission Mandavaca entfernt, unsere Ruderer waren nichts weniger als unfleissig, und doch brauchten wir 14 Stunden zu der kurzen Strecke.
Gegen Sonnenuntergang kamen wir an der M?ndung des Rio Pacimoni vor?ber. Es ist diess der Fluss, von dem oben bei Gelegenheit des Handels mit Sarsaparille die Rede war und der in so auffallender Weise mit dem Cababuri verzweigt ist. Der Pacimoni entspringt in einem bergigten Landstrich und aus der Vereinigung dreier kleiner Gew?sser, die auf den Karten der Mission?re nicht verzeichnet sind. Sein Wasser ist schwarz, doch nicht so stark als das des See's bei Vasiva, der auch in den Cassiquiare m?ndet. Zwischen diesen beiden Zufl?ssen von Ost her liegt die M?ndung des Rio Idapa, der weisses Wasser hat. Ich komme nicht darauf zur?ck, wie schwer es zu erkl?ren ist, dass dicht neben einander verschieden gef?rbte Fl?sse vorkommen; ich erw?hne nur, dass uns an der M?ndung des Pacimoni und am Ufer des See's Vasiva die Reinheit und ungemeine Durchsichtigkeit dieser braunen Wasser von Neuem auffiel. Bereits alte arabische Reisende haben die Bemerkung gemacht, dass der aus dem Hochgebirg kommende Nilarm, der sich bei Halfaja mit dem Behar-el-Abiad vereinigt, gr?nes Wasser hat, das so durchsichtig ist, dass man die Fische auf dem Grund des Flusses sieht.
Ehe wir in die Mission Mandavaca kamen, liefen wir durch ziemlich ungest?me Stromschnellen. Das Dorf, das auch Quirabuena heisst, z?hlt nur 60 Eingeborene. Diese christlichen Niederlassungen befinden sich meist in so kl?glichem Zustande, dass l?ngs des ganzen Cassiquiare auf einer Strecke von 50 Meilen keine 200 Menschen leben. Ja die Ufer dieses Flusses waren bev?lkerter, ehe die Mission?re ins Land kamen. Die Indianer zogen sich in die W?lder gegen Ost, denn die Ebenen gegen West sind fast menschenleer. Die Eingeborenen leben einen Theil des Jahrs von den grossen Ameisen, von denen oben die Rede war. Diese Insekten sind hier zu Lande so stark gesucht, wie in der s?dlichen Halbkugel die Spinnen der Sippe Epeira, die f?r die Wilden auf Neuholland ein Leckerbissen sind. In Mandavaca fanden wir den guten alten Mission?r, der bereits >>seine zwanzig Moskitojahre in den Bosques del Cassiquiare<< zugebracht hatte, und dessen Beine von den Stichen der Insekten so gefleckt waren, dass man kaum sah, dass er eine weisse Haut hatte. Er sprach uns von seiner Verlassenheit, und wie er sich in der traurigen Nothwendigkeit sehe, in den beiden Missionen Mandavaca und Vasiva h?ufig die abscheulichsten Verbrechen straflos zu lassen. Vor wenigen Jahren hatte im letzteren Ort ein indianischer Alcade eines seiner Weiber verzehrt, die er in seinen Conuco hinausgenommen und gut gen?hrt hatte, um sie fett zu machen. Wenn die V?lker in Guyana Menschenfleisch essen, so werden sie nie durch Mangel oder durch gottesdienstlichen Aberglauben dazu getrieben, wie die Menschen auf den S?dseeinseln; es beruht meist auf Rachsucht des Siegers und -- wie die Mission?re sagen -- auf >>Verirrung des Appetits.<< Der Sieg ?ber eine feindliche Horde wird durch ein Mahl gefeiert, wobei der Leichnam eines Gefangenen zum Theil verzehrt wird. Ein andermal ?berf?llt man bei Nacht eine wehrlose Familie oder t?dtet einen Feind, auf den man zuf?llig im Walde st?sst, mit einem vergifteten Pfeil. Der Leichnam wird zerst?ckt und als Troph?e nach Hause getragen. Erst die Cultur hat dem Menschen die Einheit des Menschengeschlechts zum Bewusstseyn gebracht und ihm offenbart, dass ihn auch mit Wesen, deren Sprache und Sitten ihm fremd sind, ein Band der Blutsverwandtschaft verbindet. Die Wilden kennen nur ihre Familie, und ein Stamm erscheint ihnen nur als ein gr?sserer Verwandtschaftskreis. Kommen Indianer, die sie nicht kennen, aus dem Walde in die Mission, so brauchen sie einen Ausdruck, dessen naive Einfalt mir oft aufgefallen ist: >>Gewiss sind diess Verwandte von mir, denn ich verstehe sie, wenn sie mit mir sprechen.<< Die Wilden verabscheuen Alles, was nicht zu ihrer Familie oder ihrem Stamme geh?rt, und Indianer einer benachbarten V?lkerschaft, mit der sie im Kriege leben, jagen sie, wie wir das Wild. Die Pflichten gegen Familie und Verwandtschaft sind ihnen wohl bekannt, keineswegs aber die Pflichten der Menschlichkeit, die auf dem Bewusstseyn beruhen, dass alle Wesen, die geschaffen sind wie wir, Ein Band umschlingt. Keine Regung von Mitleid h?lt sie ab, Weiber oder Kinder eines feindlichen Stammes ums Leben zu bringen. Letztere werden bei den Mahlzeiten nach einem Gefecht oder einem Ueberfall vorzugsweise verzehrt.
Der Hass der Wilden fast gegen alle Menschen, die eine andere Sprache reden und ihnen als Barbaren von niedrigerer Race als sie selbst erscheinen, bricht in den Missionen nicht selten wieder zu Tage, nachdem er lange geschlummert. Wenige Monate vor unserer Ankunft in Esmeralda war ein im Walde hinter dem Duida gebotener Indianer allein unterwegs mit einem andern, der von den Spaniern am Ventuario gefangen worden war und ruhig im Dorfe, oder, wie man hier sagt, >>unter der Glocke<<, >>debaxo de la campa?a<<, lebte. Letzterer konnte nur langsam gehen, weil er an einem Fieber litt, wie sie die Eingeborenen h?ufig befallen, wenn sie in die Missionen kommen und rasch die Lebensweise ?ndern.
Sein Reisegef?hrte, ?rgerlich ?ber den Aufenthalt, schlug ihn todt und versteckte den Leichnam in dichtem Geb?sch in der N?he von Esmeralda. Dieses Verbrechen, wie so manches dergleichen, was unter den Indianern vorf?llt, w?re unentdeckt geblieben, h?tte nicht der M?rder Anstalt gemacht, Tags darauf eine Mahlzeit zu halten. Er wollte seine Kinder, die in der Mission geboren und Christen geworden waren, bereden, mit ihm einige St?cke des Leichnams zu holen. Mit M?he brachten ihn die Kinder davon ab, und durch den Zank, zu dem die Sache in der Familie f?hrte, erfuhr der Soldat, der in Esmeralda lag, was die Indianer ihm gerne verborgen h?tten.
Anthropophagie und Menschenopfer, die so oft damit verkn?pft sind, kommen bekanntlich ?berall auf dem Erdball und bei V?lkern der verschiedensten Racen vor; aber besonders auffallend erscheint in der Geschichte der Zug, dass die Menschenopfer sich auch bei bedeutendem Culturfortschritt erhalten, und dass die V?lker, die eine Ehre darin suchen, ihre Gefangenen zu verzehren, keineswegs immer die versunkensten und wildesten sind. Diese Bemerkung hat etwas peinlich Ergreifendes, Niederschlagendes; sie entging auch nicht den Mission?ren, die gebildet genug sind, um ?ber die Sitten der V?lkerschaften, unter denen sie leben, nachzudenken. Die Cabres, die Guipunavis und die Caraiben waren von jeher m?chtiger und civilisirter als die andern Horden am Orinoco, und doch sind die beiden ersteren Menschenfresser, w?hrend es die letzteren niemals waren. Man muss zwischen den verschiedenen Zweigen, in welche die grosse Familie der caraibischen V?lker zerf?llt, genau unterscheiden. Diese Zweige sind so zahlreich wie die St?mme der Mongolen und westlichen Tartaren oder Turcomannen. Die Caraiben auf dem Festlande, auf den Ebenen zwischen dem untern Orinoco, dem Rio Branco, dem Essequebo und den Quellen des Oyapoc verabscheuen die Sitte, die Gefangenen zu verzehren. Diese barbarische Sitte bestand bei der Entdeckung von Amerika nur bei den Caraiben aus den antillischen Inseln. Durch sie sind die Worte Cannibalen, Caraiben und Menschenfresser gleichbedeutend geworden, und die von ihnen ver?bten Grausamkeiten veranlassten das im Jahr 1504 erlassene Gesetz, das den Spaniern gestattet, jeden Amerikaner, der erweislich caraibischen Stammes ist, zum Sklaven zu machen. Ich glaube ?brigens, dass die Menschenfresserei der Bewohner der Antillen in den Berichten der ersten Seefahrer stark ?bertrieben ist. Ein ernster, scharfsinniger Geschichtschreiber, Herera, hat sich nicht gescheut, diese Geschichten in die Decades historicas aufzunehmen; er glaubt sogar an den merkw?rdigen Fall, der die Caraiben veranlasst haben soll, ihrer barbarischen Sitte zu entsagen. >>Die Eingeborenen einer kleinen Insel hatten einen Dominikanerm?nch verzehrt; den sie von der K?ste von Portorico fortgeschleppt. Sie wurden alle krank, und mochten fortan weder M?nch noch Laien verzehren.<<
Wenn die Caraiben am Orinoco schon zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts andere Sitten hatten als die auf den Antillen, wenn sie immer mit Unrecht der Anthropophagie beschuldigt worden sind, so ist dieser Unterschied nicht wohl daher zu erkl?ren, dass sie gesellschaftlich h?her standen. Man begegnet den seltsamsten Contrasten in diesem V?lkergewirre, wo die einen nur von Fischen, Affen und Ameisen leben, andere mehr oder weniger Ackerbauer sind, mehr oder weniger das Verfertigen und Bemalen von Geschirren, die Weberei von H?ngematten und Baumwollenzeug als Gewerbe treiben. Manche der letzteren halten an unmenschlichen Gebr?uchen fest, von denen die ersteren gar nichts wissen. Im Charakter und in den Sitten eines Volks wie in seiner Sprache spiegeln sich sowohl seine vergangenen Zust?nde als die gegenw?rtigen; man m?sste die ganze Geschichte der Gesittung oder der Verwilderung einer Horde kennen, man m?sste den menschlichen Vereinen in ihrer ganzen Entwicklung und auf ihren verschiedenen Lebensstufen nachgehen k?nnen, wollte man Probleme l?sen, die ewig R?thsel bleiben werden, wenn man nur die gegenw?rtigen Verh?ltnisse ins Auge fassen kann.
>>Sie machen sich keine Vorstellung davon,<< sagte der alte Mission?r in Mandavaca, >>wie verdorben diese famiglia de Indios ist. Man nimmt Leute von einem neuen Stamm im Dorfe auf; sie scheinen sanftm?thig, redlich, gute Arbeiter; man erlaubt ihnen einen Streifzug mitzumachen, um Eingeborene einzubringen, und hat genug zu thun, zu verhindern, dass sie nicht alles, was ihnen in die H?nde kommt, umbringen und St?cke der Leichname verstecken.<< Denkt man ?ber die Sitten dieser Indianer nach, so erschrickt man ordentlich ?ber diese Verschmelzung von Gef?hlen, die sich auszuschliessen scheinen, ?ber die Unf?higkeit dieser V?lker, sich anders als nur theilweise zu humanisiren, ?ber diese Uebermacht der Br?uche, Vorurtheile und Ueberlieferungen ?ber die nat?rlichen Regungen des Gem?ths. Wir hatten in unserer Pirogue einen Indianer, der vom Rio Guaisia entlaufen war und sich in wenigen Wochen soweit civilisirt hatte, dass er uns beim Aufstellen der Instrumente zu den n?chtlichen Beobachtungen gute Dienste leisten konnte. Er schien so gutm?thig als gescheit und wir hatten nicht ?bel Lust, ihn in unsern Dienst zu nehmen. Wie gross war unser Verdruss, als wir im Gespr?ch mittelst eines Dolmetschers von ihm h?ren mussten, >>das Fleisch der Manimondas-Affen sey allerdings schw?rzer, er meine aber doch, es schmecke wie Menschenfleisch.<< Er versicherte, >>seine Verwandten essen vom Menschen wie vom B?ren die Handfl?chen am liebsten.<< Und bei diesem Ausspruch ?usserte er durch Geberden seine rohe Lust. Wir liessen den sonst sehr ruhigen und bei den kleinen Diensten, die er uns leistete, sehr gef?lligen jungen Mann fragen, ob er hie und da noch Lust sp?re, >>Cheruvichahena-Fleisch zu essen;<< er erwiederte ganz unbefangen, in der Mission werde er nur essen, was er los padres essen sehe. Den Eingeborenen wegen des abscheulichen Brauchs, von dem hier die Rede ist, Vorw?rfe zu machen, hilft rein zu nichts; es ist gerade als ob ein Bramine vom Ganges, der in Europa reiste, uns dar?ber anliesse, dass wir das Fleisch der Thiere essen. In den Augen des Indianers vom Rio Guaisia war der Cheruvichahena ein von ihm selbst v?llig verschiedenes Wesen; ihn umzubringen war ihm kein gr?sseres Unrecht, als die Jaguars im Walde umzubringen. Es war nur Gef?hl f?r Anstand, wenn er, so lange er in der Mission war, nur essen wollte, was los padres genossen. Entlaufen die Eingeborenen zu den Ihrigen , oder treibt sie der Hunger, so werden sie alsbald wieder Menschenfresser wie zuvor. Und wie sollten wir uns ?ber diesen Unbestand der V?lker am Orinoco wundern, da uns aufs glaubw?rdigste bezeugt ist, was sich in Hungersnoth bei civilisirten V?lkern schon Gr?ssliches ereignet hat? In Egypten griff im dreizehnten Jahrhundert die Sucht, Menschenfleisch zu essen, unter allen St?nden um sich; besonders aber stellte man den Aerzten nach. Hatte einer Hunger, so gab er sich f?r krank aus und liess einen Arzt rufen, aber nicht um sich bei ihm Raths zu erholen, sondern um ihn zu verzehren. Ein sehr glaubw?rdiger Schriftsteller, Abd-Allatif, erz?hlt uns, >>wie eine Sitte, die Anfangs Abscheu und Entsetzen einfl?sste, bald gar nicht mehr auffiel.<<
So leicht die Indianer am Cassiquiare in ihre barbarischen Gewohnheiten zur?ckfallen, so zeigen sie doch in den Missionen Verstand und einige auch f?r Arbeit, besonders aber grosse Fertigkeit, sich spanisch auszudr?cken. Da in den D?rfern meist drei vier Nationen beisammen leben, die einander nicht verstehen, so hat eine fremde Sprache, die zugleich die Sprache der b?rgerlichen Beh?rde, des Mission?rs ist, den Vortheil, dass sie als allgemeines Verkehrsmittel dient. Ich sah einen Poignave-Indianer sich spanisch mit einem Huairiba-Indianer unterhalten, und doch hatten beide erst seit drei Monaten ihre W?lder verlassen. Alle Viertelstunden brachten sie einen m?hselig zusammengestammelten Satz zu Tage, und dabei war das Zeitwort, ohne Zweifel nach der Contur ihrer eigenen Sprachen, immer im Gerundium gesetzt. Quando io mirando Padre. Padre me dimendo. Statt: als ich den Pater sah, sagte er mir. Ich habe oben erw?hnt, wie verst?ndig mir die Idee der Jesuiten schien, eine der cultivirten amerikanischen Sprachen, etwa das Peruanische, die lingua del Inga, zur allgemeinen Sprache zu machen und die Indianer in einer Mundart zu unterrichten, die wohl in den Wurzeln, aber nicht im Bau und in den grammatischen Formen von den ihrigen abweicht. Man that damit nur, was die Incas oder priesterlichen K?nige von Peru seit Jahrhunderten zur Ausf?hrung gebracht, um die barbarischen V?lkerschaften am obern Amazonenstrom unter ihrer Gewalt zu behalten und zu humanisiren, und solch ein System ist doch nicht ganz so seltsam als der Vorschlag, der auf einem Provinzialconcil in Mexico alles Ernstes gemacht worden, man solle die Eingeborenen Amerikas lateinisch sprechen lehren.
Wie man uns sagte, zieht man am untern Orinoco, besonders in Angostura, die Indianer vom Cassiquiare und Rio Negro wegen ihres Verstandes und ihrer R?hrigkeit den Bewohnern der andern Missionen vor. Die in Mandavaca sind bei den V?lkern ihrer Race ber?hmt, weil sie ein Curare-Gift bereiten, das in der St?rke dem von Esmeralda nicht nachsteht. Leider geben sich die Eingeborenen damit weit mehr ab als mit dem Ackerbau, und doch ist an den Ufern des Cassiquiare der Boden ausgezeichnet. Es findet sich daselbst ein schwarzbrauner Granitsand, der in den W?ldern mit dicken Humusschichten, am Ufer mit einem Thon bedeckt ist, der fast kein Wasser durchl?sst. Am Cassiquiare scheint der Boden fruchtbarer als im Thal des Rio Negro, wo der Mais ziemlich schlecht ger?th. Reis, Bohnen, Baumwolle, Zucker und Indigo geben reichen Ertrag, wo man sie nur anzubauen versucht hat. Bei den Missionen San Miguel de Davipe, San Carlos und Mandavaca sahen wir Indigo wild wachsen. Es l?sst sich nicht in Abrede ziehen, dass mehrere amerikanische V?lker, namentlich die Mexicaner, sich lange vor der Eroberung zu ihren hieroglyphischen Malereien eines wirklichen Indigo bedienten, und dass dieser Farbstoff in kleinen Broden auf dem grossen Markt von Tenochtitlan verkauft wurde. Aber ein chemisch identischer Farbstoff kann aus Pflanzen gezogen werden, die einander nahe stehenden Gattungen angeh?ren, und so m?chte ich jetzt nicht entscheiden, ob die in Amerika einheimischen Indigofera sich nicht generisch von Indigofera anil und Indigofera argentea der alten Welt unterscheiden. Bei den Kaffeeb?umen der beiden Welten ist ein solcher Unterschied wirklich beobachtet.
Die feuchte Luft und, als nat?rliche Folge davon, die Masse von Insekten lassen hier wie am Rio Negro neue Culturen fast gar nicht aufkommen. Selbst bei hellem, blauem Himmel sahen wir das Delucsche Hygrometer niemals unter 52 Grad stehen. Ueberall trifft man jene grossen Ameisen, die in gedr?ngten Haufen einherziehen und sich desto eifriger ?ber die Culturpflanzen hermachen, da dieselben krautartig und saftreich sind, w?hrend in den W?ldern nur Gew?chse mit holzigten Stengeln stehen. Will ein Mission?r versuchen, Salat oder irgend ein europ?isches K?chenkraut zu ziehen, so muss er seinen Garten gleichsam in die Luft h?ngen. Er f?llt ein altes Canoe mit gutem Boden und h?ngt es vier Fuss ?ber dem Boden an Chiquichiquistricken auf; meist aber stellt er es auf ein leichtes Ger?ste. Die jungen Pflanzen sind dabei vor Unkraut, vor Erdw?rmern und vor den Ameisen gesch?tzt, die immer geradeaus ziehen, und da sie nicht wissen, was ?ber ihnen w?chst, nicht leicht von ihrem Wege ablenken, um an Pf?hlen ohne Rinde hinaufzukriechen. Ich erw?hne dieses Umstandes zum Beweis, wie schwer es unter den Tropen, an den Ufern der grossen Str?me dem Menschen Anfangs wird, wenn er es versucht, in diesem unermesslichen Naturgebiete, wo die Thiere herrschen und der wilde Pflanzenwuchs den Boden ?berwuchert, einen kleinen Erdwinkel sich zu eigen zu machen.
Am 13. Mai. Ich hatte in der Nacht einige gute Sternbeobachtungen machen k?nnen, leider die letzten am Cassiquiare. Mandavaca liegt unter 2?47? der Breite und, nach dem Chronometer, 69?27? der L?nge. Die Inclination der Magnetnadel fand ich gleich 25?25. Dieselbe hatte also seit der Schanze San Carlos bedeutend zugenommen; Das anstehende Gestein war indessen derselbe, etwas hornblendehaltige Granit, den wir in Javita getroffen, und der syenitartig aussieht. Wir brachen von Mandavaca um zwei ein halb Uhr in der Nacht auf. Wir hatten noch acht ganze Tage mit der Str?mung des Cassiquiare zu k?mpfen, und das Land, durch das wir zu fahren hatten, bis wir wieder nach San Fernando de Atabapo kamen, ist so menschenleer, dass wir erst nach dreizehn Tagen hoffen durften wieder zu einem Observanten, zum Mission?r von Santa Barbara zu gelangen. Nach sechsst?ndiger Fahrt liefen wir am Einfluss des Rio Jdapa oder Siapa vorbei, der ostw?rts aus dem Berg Unturan entspringt und zwischen dessen Quellen und dem Rio Mavaca, der in den Orinoco l?uft, ein Trageplatz ist. Dieser Fluss hat weisses Wasser; er ist nur halb so breit als der Pacimoni, dessen Wasser schwarz ist. Sein oberer Lauf ist auf den Karten von La Cruz und Surville, die allen sp?teren als Vorbild gedient haben, seltsam entstellt. Ich werde, wenn von den Quellen des Orinoco die Rede ist, Gelegenheit finden, von den Voraussetzungen zu sprechen die zu diesen Irrth?mern Anlass gegeben haben. H?tte Pater Caulin die Karte sehen k?nnen, die man seinem Werke beigegeben, so h?tte er sich wohl nicht wenig gewundert, dass man darin die Fictionen wieder aufgenommen, die er mit zuverl?ssigen, an Ort und Stelle eingezogenen Nachrichten widerlegt hat. Dieser Mission?r sagt lediglich, der Idapa entspringe in einem bergigten Land, bei dem die Amuisanas-Indianer hausen. Aus diesen Indianern wurden Amoizanas oder Amazonas gemacht, und den Rio Idapa liess man aus einer Quelle entspringen, die am Flecke selbst, wo sie aus der Erde sprudelt, sich in zwei Zweige theilt, die nach gerade entgegengesetzten Seiten laufen. Eine solche Gabelung einer Quelle ist ein reines Phantasiebild.
Wir ?bernachteten unter freiem Himmel beim Raudal des Cunuri. Das Get?se des kleinen Katarakts wurde in der Nacht auffallend st?rker. Unsere Indianer behaupteten, diess sey ein sicheres Vorzeichen des Regens. Ich erinnerte mich, dass auch die Bewohner der Alpen auf dieses Wetterzeichen sehr viel halten. Wirklich regnete es lange vor Sonnenaufgang. Uebrigens hatte uns das lange anhaltende Geheul der Araguatos, lange bevor der Wasserfall lauter wurde, verk?ndet, dass ein Regenguss im Anzug sey.
Am 14. Mai. Die Moskitos und mehr noch die Ameisen jagten uns vor zwei Uhr in der Nacht vom Ufer. Wir hatten bisher geglaubt, die letzteren kriechen nicht an den Stricken der H?ngematten hinauf; ob diess nun aber unbegr?ndet ist, oder ob die Ameisen aus den Baumgipfeln auf uns herabfielen, wir hatten vollauf zu thun, uns dieser l?stigen Insekten zu entledigen. Je weiter wir fuhren, desto schmaler wurde der Fluss und die Ufer waren so sumpfigt, dass Bonpland sich nur mit grosser M?he an den Fuss einer mit grossen purpurrothen Bl?then bedeckten Carolinea princeps durcharbeiten konnte. Dieser Baum ist die herrlichste Zierde der W?lder hier und am Rio Negro. Wir untersuchten mehrmals am Tage die Temperatur des Cassiquiare. Das Wasser zeigte an der Oberfl?che nur 24? , also ungef?hr so viel als der Rio Negro, aber 4--5? weniger als der Orinoco. Nachdem wir westw?rts die M?ndung des Ca?o Caterico, der schwarzes, ungemein durchsichtiges Wasser hat, hinter uns gelassen, verliessen wir das Flussbett und landeten an einer Insel, auf der die Mission Vasiva liegt. Der See, der die Mission umgibt, ist eine Meile breit und h?ngt durch drei Can?le mit dem Cassiquiare zusammen. Das Land umher ist sehr sumpfigt und fiebererzeugend. Der See, dessen Wasser bei durchgehendem Lichte gelb ist, trocknet in der heissen Jahreszeit aus und dann k?nnen es selbst die Indianer in den Miasmen, welche sich aus dem Schlamm entwickeln, nicht aushalten. Dass gar kein Wind weht, tr?gt viel dazu bei, dass diese Landstriche so ungemein ungesund sind. Ich habe die Zeichnung des Grundrisses von Vasiva, den ich am Tage unserer Ankunft aufgenommen, stechen lassen. Das Dorf wurde zum Theil an einen trockeneren Platz gegen Nord verlegt, und daraus entspann sich ein langer Streit zwischen dem Statthalter von Guyana und den M?nchen. Der Statthalter behauptete, letzteren stehe nicht das Recht zu, ohne Genehmigung der b?rgerlichen Beh?rde ihre D?rfer zu verlegen; da er aber gar nicht wusste, wo der Cassiquiare liegt, richtete er seine Beschwerde an den Mission?r von Carichana, der 150 Meilen von Vasiva haust und nicht begriff, von was es sich handelte. Dergleichen geographische Missverst?ndnisse kommen sehr h?ufig vor, wo die Leute fast nie im Besitz einer Karte der L?nder sind, die sie zu regieren haben. Im Jahr 1785 ?bertrug man die Mission Padamo dem Pater Valor mit der Weisung, >>sich unverz?glich zu den Indianern zu verf?gen, die ohne Seelenhirten seyen.<< Und seit l?nger als f?nfzehn Jahren gab es kein Dorf Padamo mehr und die Indianer waren al monte gelaufen.
Vom 14. bis 21. Mai brachten wir die Nacht immer unter freiem Himmel zu -- ich kann aber die Orte, wo wir unser Nachtlager aufschlugen, nicht angeben. Dieser Landstrich ist so wild und so wenig von Menschen betreten, dass die Indianer, ein paar Fl?sse ausgenommen, keinen der Punkte, die ich mit dem Compass aufnahm, mit Namen zu nennen wussten. Einen ganzen Grad weit konnte ich durch keine Sternbeobachtung die Breite bestimmen. Oberhalb des Punktes, wo der Itinivini vom Cassiquiare abgeht und westw?rts den Granith?geln von Daripabo zul?uft, sahen wir die sumpfigten Ufer des Stroms mit Bambusrohr bewachsen. Diese baumartigen Gr?ser werden 20 Fuss hoch; ihr Halm ist gegen die Spitze immer umgebogen. Es ist eine neue Art Bambusa mit sehr breiten Bl?ttern. Bonpland war so gl?cklich, ein bl?hendes Exemplar zu finden. Ich erw?hne dieses Umstandes, weil die Gattungen Nastus und Bambusa bis jetzt sehr schlecht auseinander gehalten waren, und man in der neuen Welt diese gewaltigen Gr?ser ungemein selten bl?hend antrifft. Mutis botanisirte zwanzig Jahre in einem Land, wo die Bambusa Guadua mehrere Meilen breite sumpfigte W?lder bildet, und war nie im Stande einer Bl?the habhaft zu werden. Wir schickten diesem Gelehrten die ersten Bambusa-Aehren aus den gem?ssigten Th?lern von Popayan. Wie kommt es, dass sich die Befruchtungsorgane so selten bei einer Pflanze entwickeln, die im Lande zu Hause ist und vom Meeresspiegel bis in 900 Toisen H?he ?usserst kr?ftig w?chst, also in eine subalpinische Region hinaufreicht, wo unter den Tropen das Klima dem des mitt?gigen Spaniens gleicht? Die Bambusa latifolia scheint den Becken des obern Orinoco, des Cassiquiare und des Amazonenstroms eigenth?mlich zu seyn; es ist ein geselliges Gew?chs, wie alle Gr?ser aus der Familie der Nastoiden; aber in dem Striche von spanisch Guyana, durch den wir gekommen, tritt sie nicht in den gewaltigen Massen auf, welche die Hispano-Amerikaner Guaduales oder Bambusw?lder nennen.
Unser erstes Nachtlager oberhalb Vasiva war bald aufgeschlagen. Wir trafen einen kleinen trockenen, von B?schen freien Fleck s?dlich vom Ca?o Curamuni, an einem Ort, wo wir Kapuzineraffen, kenntlich am schwarzen Bart und der tr?bseligen, scheuen Miene, langsam auf den horizontalen Aesten einer Genipa hin und hergehen sahen. Die f?nf folgenden N?chte wurden immer beschwerlicher, je n?her wir der Gabeltheilung des Orinoco kamen. Die Ueppigkeit des Pflanzenwuchses steigerte sich in einem Grade, von dem man sich keinen Begriff macht, selbst wenn man mit dem Anblick der tropischen W?lder vertraut ist. Ein Gel?nde ist gar nicht mehr vorhanden; ein Pfahlwerk aus dichtbelaubten B?umen bildet das Flussufer. Man hat einen 200 Toisen breiten Canal vor sich, den zwei ungeheure mit Laub und Lianen bedeckte W?nde einfassen; Wir versuchten ?fters zu landen, konnten aber nicht aus dem Canoe kommen. Gegen Sonnenuntergang fuhren wir zuweilen eine Stunde lang am Ufer hin, um, nicht eine Lichtung , sondern nur einen weniger dicht bewachsenen Fleck zu entdecken, wo unsere Indianer mit der Axt so weit aufr?umen konnten, um f?r 12 bis 13 Personen ein Lager aufzuschlagen. In der Pirogue konnten wir die Nacht unm?glich zubringen. Die Moskitos, die uns den Tag ?ber plagten, setzten sich gegen Abend haufenweise unter den Toldo, d. h. unter das Dach aus Palmbl?ttern, das uns vor dem Regen sch?tzte. Rio waren uns H?nde und Gesicht so stark geschwollen gewesen. Pater Zea, der sich bis dahin immer ger?hmt, er habe in seinen Missionen an den Katarakten die gr?ssten und wildesten Moskitos, gab nach und nach zu, nie haben ihn die Insektenstiche ?rger geschmerzt, als hier am Cassiquiare. Mitten im dicken Walde konnten wir uns nur mit schwerer M?he Brennholz verschaffen; denn in diesen L?ndern am Aequator, wo es best?ndig regnet, sind die Baumzweige so saftreich, dass sie fast gar nicht brennen. Wo es keine trockenen Ufer gibt, findet man auch so gut wie kein altes Holz, das, wie die Indier sagen, an der Sonne gekocht ist. Feuer bedurften wir ?brigens nur als Schutzwehr gegen die Thiere des Waldes; unser Vorrath an Lebensmitteln war so gering, dass wir zur Zubereitung der Speisen des Feuers ziemlich h?tten entbehren k?nnen.
Am 18. Mai gegen Abend kamen wir an einen Ort, wo wilde Cacaob?ume das Ufer s?umen. Die Bohne derselben ist klein und bitter; die Indianer in den W?ldern saugen das Mark aus und werfen die Bohnen weg, und diese werden von den Indianern in den Missionen aufgelesen und an solche verkauft, die es bei der Bereitung ihrer Chokolate nicht genau nehmen. >>Hier ist der Puerto del Cacao,<< sagte der Steuermann, >>hier ?bernachten los Padres, wenn sie nach Esmeralda fahren, um Blaser?hren und Juvia zu kaufen.<< Indessen befahren im Jahre nicht f?nf Canoes den Cassiquiare, und seit Maypures, also seit einem Monat, war uns auf den Fl?ssen, die wir hinauffuhren, keine Seele begegnet, ausser in der n?chsten N?he der Missionen. S?dw?rts vom See Duractumini ?bernachteten wir in einem Palmenwalde. Der Regen goss in Str?men herab; aber die Pothos, die Arum und die Schlinggew?chse bildeten eine nat?rliche, so dichte Laube, dass wir darunter Schutz fanden, wie unter dichtbelaubten B?umen. Die Indianer, die am Ufer lagen, hatten Heliconien und Musaceen in einander verschlungen und damit ?ber ihren H?ngematten eine Art Dach gebildet. Unsere Feuer beleuchteten auf 50, 60 Fuss H?he die Palmst?mme, die mit Bl?then bedeckten Schlinggew?chse und die weisslichten Rauchs?ulen, die gerade gen Himmel stiegen; ein prachtvoller Anblick, aber um desselben mit Ruhe zu geniessen, h?tte man eine Luft athmen m?ssen, die nicht von Insekten wimmelte.
Unter allen k?rperlichen Leiden wirken diejenigen am niederschlagendsten, die in ihrer Dauer immer dieselben sind, und gegen die es kein Mittel gibt als Geduld. Die Ausd?nstungen in den W?ldern am Cassiquiare haben wahrscheinlich bei Bonpland den Keim zu der schweren Krankheit gelegt, der er bei unserer Ankunft in Angostura beinahe erlegen w?re. Zu unserem Gl?ck ahnte er so wenig als ich die Gefahr, die ihm drohte. Der Anblick des Flusses und das Summen der Moskitos kamen uns allerdings etwas einf?rmig vor; aber unser nat?rlicher Frohsinn war nicht ganz gebrochen und half uns ?ber die lange Oede weg. Wir machten die Bemerkung, dass wir uns den Hunger auf mehrere Stunden vertrieben, wenn wir etwas trockenen geriebenen Cacao ohne Zucker assen. Die Ameisen und die Moskitos machten uns mehr zu schaffen als die N?sse und der Mangel an Nahrung. So grossen Entbehrungen wir auch auf unsern Z?gen in den Cordilleren ausgesetzt gewesen, die Flussfahrt von Mandavaca nach Esmeralda erschien uns immer als das beschwerdereichste St?ck unseres Aufenthalts in Amerika. Ich rathe den Reisenden, den Weg ?ber den Cassiquiare dem ?ber den Atabapo nicht vorzuziehen, sie m?ssten denn sehr grosses Verlangen haben, die grosse Gabeltheilung des Orinoco mit eigenen Augen zu sehen.
Oberhalb des Ca?o Duractumuni l?uft der Cassiquiare geradeaus von Nordost nach S?dwest. Hier hat man am rechten Ufer mit dem Bau des neuen Dorfes Vasiva begonnen. Die Missionen Pacimona, Capivari, Buenaguardia, so wie die angebliche Schanze am See bei Vasiva auf unsern Karten sind lauter Fictionen. Es fiel uns auf, wie stark durch die raschen Anschwellungen des Cassiquiare die beiderseitigen Uferabh?nge unterh?hlt waren. Entwurzelte B?ume bilden wie nat?rliche Fl?sse; sie stecken halb im Schlamm und k?nnen den Piroguen sehr gef?hrlich werden. H?tte man das Ungl?ck, in diesen unbewohnten Strichen zu scheitern, so verschw?nde man ohne Zweifel, ohne dass eine Spur des Schiffbruchs verriethe, wo und wie man untergegangen. Man erf?hre nur an der K?ste, und das sehr sp?t, ein Canoe, das von Vasiva abgegangen, sey hundert Meilen weiterhin, in den Missionen Santa Barbara und San Fernando de Atabapo nicht gesehen worden.
Die Nacht des 20. Mai, die letzte unserer Fahrt auf dem Cassiquiare, brachten wir an der Stelle zu, wo der Orinoco sich gabelt. Wir hatten einige Aussicht, eine astronomische Beobachtung machen zu k?nnen; denn ungew?hnlich grosse Sternschnuppen schimmerten durch die Dunsth?lle, die den Himmel umzog. Wir schlossen daraus, die Dunstschicht m?sse sehr d?nn seyn, da man solche Meteore fast niemals unter dem Gew?lk sieht. Die uns zu Gesicht kamen, liefen nach Nord und folgten auf einander fast in gleichen Pausen. Die Indianer, welche die Zerrbilder ihrer Phantasie nicht leicht durch den Ausdruck veredeln, nennen die Sternschnuppen den Urin und den Thau den Speichel der Sterne. Aber das Gew?lk wurde wieder dicker und wir sahen weder die Meteore mehr noch die wahren Sterne, deren wir seit mehreren Tagen mit so grosser Ungeduld harrten.
Man hatte uns gesagt, in Esmeralda werden wir die Insekten >>noch grausamer und gieriger<< finden, als auf dem Arm des Orinoco, den wir jetzt hinauffuhren; trotz dieser Aussicht erheiterte uns die Hoffnung, endlich einmal wieder an einem bewohnten Orte schlafen und uns beim Botanisiren einige Bewegung machen zu k?nnen. Beim letzten Nachtlager am Cassiquiare wurde unsere Freude getr?bt. Ich nehme keinen Anstand, hier einen Vorfall zu erz?hlen, der f?r den Leser von keinem grossen Belang ist, der aber in einem Tagebuch, das die Begebnisse auf der Fahrt durch ein so wildes Land schildert, immerhin eine Stelle finden mag. Wir lagerten am Waldsaum. Mitten in der Nacht meldeten uns die Indianer, man h?re den Jaguar ganz in der N?he br?llen, und zwar von den nahestehenden B?umen herab. Die W?lder sind hier so dicht, dass fast keine andern Thiere darin vorkommen, als solche, die auf die B?ume klettern, Vierh?nder, Cercolepten, Viverren und verschiedene Katzenarten. Da unsere Feuer hell brannten, und da man durch lange Gew?hnung Gefahren, die durchaus nicht eingebildet sind, ich m?chte sagen, systematisch nicht achten lernt, so machten wir uns aus dem Br?llen der Jaguars nicht viel. Der Geruch und die Stimme unseres Hundes hatten sie hergelockt. Der Hund bellte Anfangs; als aber der Tiger n?her kam, fing er an zu heulen und kroch unter unsere H?ngematten, als wollte er beim Menschen Schutz suchen. Seit unsern Nachtlagern am Rio Apure waren wir daran gew?hnt, bei dem Thier, das jung, sanftm?thig und sehr einschmeichelnd war, in dieser Weise Muth und Sch?chternheit wechseln zu sehen. Wie gross war unser Verdruss, als uns am Morgen, da wir eben das Fahrzeug besteigen wollten, die Indianer meldeten, der Hund sey verschwunden! Es war kein Zweifel, die Jaguars hatten ihn fortgeschleppt. Vielleicht war er, da er sie nicht mehr br?llen h?rte, von den Feuern weg dem Ufer zu gegangen; vielleicht aber auch hatten wir den Hund nicht winseln h?ren, da wir im tiefsten Schlafe lagen. Am Orinoco und am Magdalenenstrom versicherte man uns oft, die ?ltesten Jaguars seyen so verschlagen, dass sie mitten aus einem Nachtlager Thiere herausholen, indem sie ihnen den Hals zudr?cken, damit sie nicht schreien k?nnen. Wir warteten am Morgen lange, in der Hoffnung, der Hund m?chte sich nur verlaufen haben. Drei Tage sp?ter kamen wir an denselben Platz zur?ck. Auch jetzt h?rten wir die Jaguars wieder br?llen, denn diese Thiere haben eine Vorliebe f?r gewisse Orte; aber all unser Suchen war vergeblich. Die Dogge, die seit Caracas unser Begleiter gewesen und so oft schwimmend den Krokodilen entgangen war, war im Walde zerrissen worden. Ich erw?hne dieses Vorfalls nur, weil er einiges Licht auf die Kunstgriffe dieser grossen Katzen mit geflecktem Fell wirft.
Am 21. Mai liefen wir drei Meilen unterhalb der Mission Esmeralda wieder in das Bett des Orinoco ein. Vor einem Monat hatten wir diesen Fluss bei der Einm?ndung des Guaviare verlassen. Wir hatten nun noch 750 Seemeilen nach Angostura, aber es ging den Strom abw?rts, und dieser Gedanke war geeignet, uns unsere Leiden ertr?glicher zu machen. F?hrt man die grossen Str?me hinab, so bleibt man im Thalweg, wo es nur wenige Moskitos gibt; stromaufw?rts dagegen muss man sich, um die Wirbel und Gegenstr?mungen zu ben?tzen, nahe am Ufer halten, wo es wegen der N?he der W?lder und des organischen Detritus, der aufs Ufer geworfen wird, von M?cken wimmelt. Der Punkt, wo die vielberufene Gabeltheilung des Orinoco stattfindet, gew?hrt einen ungemein grossartigen Anblick. Am n?rdlichen Ufer erheben sich hohe Granitberge; in der Ferne erkennt man unter denselben den Maraguaca und den Duida. Auf dem linken Ufer des Orinoco, westlich und s?dlich von der Gabelung, sind keine Berge bis dem Einfluss des Tamatama gegen?ber. Hier liegt der Fels Guaraco, der in der Regenzeit zuweilen Feuer speien soll. Da wo der Orinoco gegen S?d nicht mehr von Bergen umgeben ist und er die Oeffnung eines Thals oder vielmehr einer Senkung erreicht, welche sich nach dem Rio Negro hinunterzieht, theilt er sich in zwei Aeste. Der Hauptast setzt seinen Lauf west-nord-westw?rts um die Berggruppe der Parime herum fort; der Arm, der die Verbindung mit dem Amazonenstrom herstellt, l?uft ?ber Ebenen, die im Ganzen ihr Gef?ll gegen S?d haben, wobei aber die einzelnen Geh?nge im Cassiquiare gegen S?dwest, im Becken des Rio Negro gegen S?dost fallen. Eine scheinbar so auffallende Erscheinung, die ich an Ort und Stelle untersucht habe, verdient ganz besondere Aufmerksamkeit, um so mehr, als sie ?ber ?hnliche F?lle, die man im innern Afrika beobachtet zu haben glaubt, einigen Aufschluss geben kann. Ich beschliesse dieses Capitel mit allgemeinen Betrachtungen ?ber das hydraulische System von spanisch Guyana, und versuche es, durch Anf?hrung von F?llen auf dem alten Continent darzuthun, dass diese Gabeltheilung, die f?r die Geographen, welche Karten von Amerika entwarfen, so lange ein Schreckbild war, immerhin etwas Seltenes ist, aber in beiden Halbkugeln vorkommt.
Wir sind gew?hnt, die europ?ischen Fl?sse nur in dem Theil ihres Laufs zu betrachten, wo sie zwischen zwei Wasserscheiden liegen, somit in Th?ler eingeschlossen sind; wir beachten nicht, dass, die Bodenhindernisse, welche Nebenfl?sse und Hauptwasserbeh?lter ablenken, gar nicht so oft Bergketten sind, als vielmehr sanfte B?schungen von Gegenh?ngen; und so f?llt es uns schwer, uns eine Vorstellung davon zu machen, wie in der neuen Welt die Str?me sich so stark kr?mmen, sich gabelig theilen und in einander m?nden sollen. An diesem ungeheuern Continent f?llt die weite Erstreckung und Einf?rmigkeit seiner Ebenen noch mehr auf als die riesenhafte H?he seiner Cordilleren. Erscheinungen, wie wir sie in unserer Halbkugel an den Meeresk?sten oder in den Steppen von Bactriana um Binnenmeere, um den Aral und das caspische Meer beobachten, kommen in Amerika drei-, vierhundert Meilen von den Stromm?ndungen vor. Die kleinen B?che, die sich durch unsere Wiesengr?nde schl?ngeln, geben im Kleinen ein Bild jener Verzweigungen und Gabeltheilungen; man h?lt es aber nicht der M?he werth, bei solchen Kleinigkeiten zu verweilen, und so f?llt einem bei den hydraulischen Systemen der beiden Welten mehr der Contrast auf als die Analogie. Die Vorstellung, der Rhein k?nnte an die Donau, die Weichsel an die Oder, die Seine an die Loire einen Arm abgeben, erscheint uns auf den ersten Blick so ausschweifend, dass wir, wenn wir auch nicht daran zweifeln, dass Orinoco und Amazonenstrom in Verbindung stehen, den Beweis verlangen, dass was wirklich ist, auch m?glich ist.
F?hrt man ?ber das Delta des Orinoco nach Angostura und zum Einfluss des Rio Apure hinauf, so hat man die hohe Gebirgskette der Parime fortw?hrend zur Linken. Diese Kette bildet nun keineswegs, wie mehrere ber?hmte Geographen angenommen haben, eine Wasserscheide zwischen dem Becken des Orinoco und dem des Amazonenstroms, vielmehr entspringen am S?dabhang derselben die Quellen des ersteren Stroms. Der Orinoco beschreibt drei Viertheile eines Ovals, dessen grosse Achse in der Richtung eines Parallels liegt. Er l?uft um einen Bergstock herum, von dessen beiden entgegengesetzten Abh?ngen die Gew?sser ihm zulaufen. Von den<< Alpenth?lern des Maraguaca an l?uft der Fluss zuerst gegen West oder West-Nord-West, als sollte er sich in die S?dsee ergiessen; darauf, beim Einfluss des Guaviare, f?ngt er an nach Nord umzubiegen und l?uft in der Richtung eines Meridians bis zur M?ndung des Apure, wo ein zweiter >>Wiederkehrungspunkt<< liegt. Auf diesem St?cke seines Laufs f?llt der Orinoco eine Art Rinne, die durch das sanfte Gef?lle, das sich von der sehr fernen Andenkette von Neu-Grenada herunterzieht, und durch den ganz kurzen Gegenhang, der ostw?rts zur steilen Gebirgswand der Parime hinaufl?uft, gebildet wird. In Folge dieser Bodenbildung kommen die bedeutendsten Zufl?sse dem Orinoco von Westen herzu. Da der Hauptbeh?lter ganz nahe an den Gebirgen der Parime liegt, um die er sich von S?d nach Nord herumbiegt , so ist sein Bett von Felsmassen verstopft. Diess ist der Strich der grossen Katarakten; der Strom bricht sich br?llend Bahn durch die Ausl?ufer, die gegen West fortstreichen, so dass aus der grossen >>Land-Meerenge<< zwischen den Cordilleren von Neu-Grenada und der Sierra Parime die Felsen am westlichen Ufer des Stroms noch dieser Sierra angeh?ren. Beim Einfluss des Rio Apure sieht man nun den Orinoco zum zweitenmal, und fast pl?tzlich, aus seiner Richtung von S?d nach Nord in die von West nach Ost umbiegen, wie weiter oben der Einfluss des Guaviare den Punkt bezeichnet, wo der westliche Lauf rasch zum n?rdlichen wird. Bei diesen beiden Biegungen wird die Richtung des Hauptbeh?lters nicht allein durch den Stoss der Gew?sser des Nebenflusses bestimmt, sondern auch durch die eigenth?mliche Lage der H?nge und Gegenh?nge, die sowohl auf die Richtung der Nebenfl?sse als auf die des Orinoco selbst ihren Einfluss ?ussern. Umsonst sieht man sich bei diesen geographisch so wichtigen >>Wiederkehrungspunkten<< nach Bergen oder H?geln um, die den Strom seinen bisherigen Lauf nicht fortsetzen liessen. Beim Einfluss des Guaviare sind keine vorhanden, und bei der M?ndung des Apure konnte der niedrige H?gel von Cabruta auf die Richtung des Orinoco sicher keinen Einfluss ?ussern. Diese Ver?nderungen der Richtung sind Folgen allgemeinerer Ursachen; sie r?hren her von der Lage der grossen geneigten Ebenen, aus denen die polyedrische Fl?che der Niederungen besteht. Die Bergketten steigen nicht wie Mauern auf wagrechten Grundfl?chen empor; ihre mehr oder weniger prismatischen St?cke stehen immer auf Plateaux, und diese Plateaux streichen mit st?rkerer oder geringerer Abdachung dem Thalweg des Stromes zu. Der Umstand, dass die Ebenen gegen die Berge ansteigen, ist somit die Ursache, dass sich die Fl?sse so selten an den Bergen selbst brechen und den Einfluss dieser Wasserscheiden, so zu sagen, in bedeutender Entfernung f?hlen. Geographen, welche Topographie nach der Natur studirt und selbst Bodenvermessungen vorgenommen haben, k?nnen sich nicht wundern, dass auf Karten, auf denen wegen ihres Massstabes ein Gef?lle von 3--5 Grad sich nicht angeben l?sst, die Ursachen der grossen Flusskr?mmungen materiell gar nicht ersichtlich sind. Der Orinoco l?uft von der M?ndung des Apure bis zu seinem Ausfluss an der Ostk?ste von Amerika parallel mit seiner anf?nglichen Richtung, aber derselben entgegen; sein Thalweg wird dort gegen Norden durch eine fast unmerkliche Abdachung, die sich gegen die K?stenkette von Venezuela hinaufzieht, gegen S?den durch den kurzen steilen Gegenhang an der Sierra Parime gebildet. In Folge dieser eigenth?mlichen Terrainbildung umgibt der Orinoco denselben granitischen Gebirgsstock in S?d, West und Nord, und befindet sich nach einem Lauf von 1350 Seemeilen 300 Seemeilen von seinem Ursprung. Es ist ein Fluss, dessen M?ndung bis auf zwei Grad im Meridian seiner Quellen liegt.
Der Lauf des Orinoco, wie wir ihn hier fl?chtig geschildert, zeigt drei sehr bemerkenswerthe Eigenth?mlichkeiten: 1) dass er dem Bergstock, um den er in S?d, West und Nord herl?uft, immer so nahe bleibt; 2) dass seine Quellen in einem Landstrich liegen, der, wie man glauben sollte, dem Becken des Rio Negro und des Amazonenstroms angeh?rt; 3) dass er sich gabelt und einem andern Flusssystem einen Arm zusendet. Nach bloss theoretischen Vorstellungen sollte man annehmen, die Fl?sse, wenn sie einmal aus den Alpenth?lern heraus sind, in deren obern Enden sie entsprungen, m?ssten rasch von den Bergen weg auf einer mehr oder weniger geneigten Ebene fortziehen, deren st?rkster Fall senkrecht ist auf die grosse Achse der Kette oder die Hauptwasserscheide. Eine solche Voraussetzung widerspr?che aber dem Verhalten der grossartigsten Str?me Indiens und Chinas. Es ist eine Eigenth?mlichkeit dieser Fl?sse, dass sie nach ihrem Austritt aus dem Gebirge mit der Kette parallel laufen. Die Ebenen deren Geh?nge gegen die Gebirge ansteigen, sind am Fusse derselben unregelm?ssig gestaltet. Nicht selten mag die Erscheinung, von der hier die Rede ist, von der Beschaffenheit des geschichteten Gesteins und daher r?hren, dass die Schichten den grossen Ketten parallel streichen; da aber der Granit der Sierra Parime fast durchaus massig, nicht geschichtet ist, so deutet der Umstand, dass der Orinoco sich so nahe um diesen Gebirgsstock herumschlingt, auf eine Terrainsenkung hin, die mit einer allgemeineren geologischen Erscheinung zusammenh?ngt, auf eine Ursache, die vielleicht bei der Bildung der Cordilleren selbst im Spiele war. In den Meeren und den Binnenseen finden sich die tiefsten Stellen da, wo die Ufer am h?chsten und steilsten sind. F?hrt man von Esmeralda nach Angostura den Orinoco hinab, so sieht man 250 Meilen weit am rechten Ufer best?ndig sehr hohe Berge, am linken dagegen Ebenen, so weit das Auge reicht. Die Linie der gr?ssten Tiefen, die Maxima der Senkung liegen also am Fuss der Cordillere selbst, am Umriss der Sierra Parime.
Eine andere Eigenth?mlichkeit, die uns auf den ersten Anblick am Laufe des Orinoco auff?llig erscheint, ist, dass das Becken dieses Stroms urspr?nglich mit dem Becken eines andern, des Amazonenstroms, zusammenzufallen scheint. Wirft man einen Blick auf die Karte, so sieht man, dass der obere Orinoco von Ost nach West ?ber dieselbe Ebene l?uft, durch die der Amazonenstrom parallel mit ihm, aber in entgegengesetzter Richtung, von West nach Ost zieht. Aber das Becken ist nur scheinbar ein gemeinschaftliches; man darf nicht vergessen, dass die grossen Bodenfl?chen, die wir Ebenen nennen, ihre Th?ler haben, so gut wie die Berge. Jede Ebene besteht aus verschiedenen Systemen alternativer H?nge, und diese Systeme sind von einander durch secund?re Wasserscheiden von so geringer H?he getrennt, dass das Auge sie fast nicht bemerkt. Eine ununterbrochene, waldbedeckte Ebene f?llt den ungeheuern Raum zwischen dem 3 1/2 Grad n?rdlicher und dem 14. Grad s?dlicher Breite, zwischen der Cordillere der Parime und der Cordillere von Chiquitos und der brasilianischen. Bis zum Parallel der Quellen des Rio Temi , auf einer Oberfl?che von 204,000 Quadratmeilen, laufen alle Gew?sser dem Amazonenstrom als Hauptbeh?lter zu; aber weiter gegen Norden hat in Folge eigenth?mlicher Terrainbildung auf einer Fl?che von nicht 1500 Quadratmeilen ein anderer grosser Strom, der Orinoco, sein eigenes hydraulisches System. Die Centralebene von S?damerika umfasst also zwei Strombecken; denn ein Becken ist die Gesammtheit aller umliegenden Bodenfl?chen, deren st?rkste Falllinien dem Thalweg, das heisst der L?ngenvertiefung, welche das Bett des Hauptbeh?lters bildet, zulaufen. Auf dem kurzen Strich zwischen dem 68 und 70. Grad der L?nge nimmt der Orinoco die Gew?sser auf, die vom S?dabhang der Cordillere der Parime herabkommen; aber die Nebenfl?sse, die am selben Abhang ?stlich vom Meridian von 68? zwischen dem Berge Maraguaca und den Bergen des portugiesischen Guyana entspringen, gehen in den Amazonenstrom. Also nur auf einer 50 Meilen langen Strecke haben in diesem ungeheuern Thal unter dem Aequator die Bodenfl?chen zun?chst am Fuss der Cordillere der Parime ihren st?rksten Fall in einer Richtung, die aus dem Thal hinaus zuerst nordw?rts, dann ostw?rts weist. In Ungarn sehen wir einen ?hnlichen, sehr merkw?rdigen Fall, wo Fl?sse, die s?dw?rts von einer Bergkette entspringen, dem hydraulischen System des Nordhangs angeh?ren. Die Wasserscheide zwischen dem baltischen und dem schwarzen Meer liegt s?dlich vom Tatra, einem Ausl?ufer der Carpathen, zwischen Teplicz und Ganocz, auf einem nur 300 Toisen hohen Plateau. Waag und Hernad laufen s?dw?rts der Donau zu, w?hrend der Poprad um das Tatragebirge gegen West heruml?uft und mit dem Dunajetz nordw?rts der Weichsel zufliesst. Der Poprad, der seiner Lage nach zu den Gew?ssern zu geh?ren scheint, die dem schwarzen Meer zufliessen, trennt sich scheinbar vom Becken derselben los und wendet sich dem baltischen Meere zu.
In S?damerika enth?lt eine ungeheure Ebene das Becken des Amazonenstroms und einen Theil des Beckens des Orinoco; aber in Deutschland, zwischen Melle und Osnabr?ck, haben wir den seltenen Fall, dass ein sehr enges Thal die Becken zweier kleiner, von einander unabh?ngiger Fl?sse verbindet. Die Else und die Haase laufen Anfangs nahe bei einander und parallel von S?d nach Nord; wo sie aber in die Ebene treten, weichen sie nach Ost und West auseinander und schliessen sich zwei ganz gesonderten Flusssystemen, dem der Werra und dem der Ems, an.
Ich komme zur dritten Eigenth?mlichkeit im Laufe des Orinoco, zu jener Gabeltheilung, die man im Moment, da ich nach Amerika abreiste, wieder in Zweifel gezogen hatte. Diese Gabeltheilung liegt nach meinen astronomischen Beobachtungen in der Mission Esmeralda unter dem 3?10? n?rdlicher Breite und dem 68?37? westlicher L?nge vom Meridian von Paris. Im Innern von S?damerika erfolgt dasselbe, was wir unter allen Landstrichen an den K?sten vorkommen sehen. Nach den einfachsten geometrischen Grunds?tzen haben wir anzunehmen, dass die Bodenbildung und der Stoss der Zufl?sse die Richtung der str?menden Gew?sser nach festen, gleichf?rmigen Gesetzen bestimmen. Die Deltas entstehen dadurch, dass auf der Ebene eines K?stenlandes eine Gabeltheilung erfolgt, und bei n?herer Betrachtung zeigen sich zuweilen in der N?he dieser oceanischen Gabelung Verzweigungen mit andern Fl?ssen, von denen Arme nicht weit abliegen. Kommen nun aber Bodenfl?chen, so eben wie das K?stenland, im Innern der Festl?nder gleichfalls vor, so m?ssen sich dort auch dieselben Erscheinungen wiederholen. Aus denselben Ursachen, welche an der M?ndung eines grossen Stroms Gabeltheilungen herbeif?hren, k?nnen dergleichen auch an seinen Quellen und in seinem obern Laufe entstehen. Drei Umst?nde tragen vorzugsweise dazu bei: die h?chst unbedeutenden wellenf?rmigen Steigungen und Senkungen einer Ebene, die zwei Strombecken zugleich umfasst, die Breite des einen der Hauptbeh?lter, und die Lage des Thalwegs am Rande selbst, der beide Becken scheidet.
Wenn die Linie des st?rksten Falls durch einen gegebenen Punkt l?uft, und wenn sie, noch so weit verl?ngert, nicht auf den Fluss trifft, so kann dieser Punkt, er mag noch so nahe am Thalweg liegen, nicht wohl demselben Becken angeh?ren. In anstossenden Becken sehen wir h?ufig die Zufl?sse des einen Beh?lters ganz nahe bei dem andern zwischen zwei Zufl?ssen des letzteren entspringen. In Folge dieser eigenth?mlichen Coordinationsverh?ltnisse zwischen den alternativen Geh?ngen werden die Grenzen der Becken mehr oder weniger gekr?mmt. Die L?ngenfurche oder der Thalweg ist keineswegs nothwendig in der Mitte des Beckens; er befindet sich nicht einmal immer an den tiefsten Stellen, denn diese k?nnen von K?mmen umgeben seyn, so dass die Linien des st?rksten Falls nicht hinlaufen. Nach der ungleichen L?nge der Zufl?sse an beiden Ufern eines Flusses sch?tzen wir ziemlich sicher, welche Lage der Thalweg den Grenzen des Beckens gegen?ber hat. Am leichtesten erfolgt nun eine Gabeltheilung, wenn der Hauptbeh?lter einer dieser Grenzen nahe ger?ckt ist, wenn er l?ngs dem Kamm hinl?uft, der die Wasserscheide zwischen beiden Becken bildet. Die geringste Erniedrigung dieses Kamms kann dann die Erscheinung herbeif?hren, von der hier die Rede ist, wenn nicht der Fluss, verm?ge der einmal angenommenen Geschwindigkeit, ganz in seinem Bette zur?ckbleibt. Erfolgt aber die Gabeltheilung, so l?uft die Grenze zwischen beiden Becken der L?nge nach durch das Bett des Hauptbeh?lters, und ein Theil des Thalwegs von a enth?lt Punkte, von denen die Linien des st?rksten Falls zum Thalweg von b weisen. Der Arm, der sich absondert, kann nicht mehr zu a zur?ckkommen, denn ein Wasserfaden, der einmal in ein Becken gelangt ist, kann diesem nicht mehr entweichen, ohne durch das Bett des Flusses, der alle Gew?sser desselben vereinigt, hindurchzugehen.
Es ist nun noch zu betrachten, in wie fern die Breite eines Flusses unter sonst gleichen Umst?nden die Bildung solcher Gabeltheilungen beg?nstigt, welche, gleich den Kan?len mit Theilungspunkten, in Folge der nat?rlichen Bodenbildung eine schiffbare Linie zwischen zwei benachbarten Strombecken herstellen. Sondirt man einen Fluss nach dem Querdurchschnitt, so zeigt sich, dass sein Bett gew?hnlich aus mehreren Rinnen von ungleicher Tiefe besteht. Je breiter der Strom ist, desto mehr sind dieser Rinnen; sie laufen sogar grosse Strecken weit mehr oder weniger einander parallel. Es folgt daraus, dass die meisten Fl?sse betrachtet werden k?nnen als aus mehreren dicht an einander ger?ckten Kan?len bestehend, und dass eine Gabelung sich bildet, wenn ein kleiner Bodenabschnitt am Ufer niedriger liegt, als der Grund einer Seitenrinne. Den hier auseinandergesetzten Verh?ltnissen zufolge bilden sich Flussgabelungen entweder im selben Becken oder auf der Wasserscheide zwischen zweien. Im ersteren Fall sind es entweder Arme, die in den Thalweg, von dem sie sich abgezweigt, fr?her oder sp?ter wieder einm?nden, oder aber Arme, die sich mit weiter abw?rts gelegenen Nebenfl?ssen vereinigen. Zuweilen sind es auch Deltas, die sich entweder nahe der M?ndung der Fl?sse ins Meer oder beim Zusammenfluss mit einem andern Strom bilden. Erfolgt die Gabelung an der Grenze zweier Becken, und l?uft diese Grenze durch das Bett des Hauptbeh?lters selbst, so stellt der sich abzweigende Arm eine hydraulische Verbindung zwischen zwei Flusssystemen her und verdient desto mehr unsere Aufmerksamkeit, je breiter und schiffbarer er ist. Nun ist aber der Cassiquiare zwei- bis dreimal breiter als die Seine beim Jardin des plantes in Paris, und zum Beweis, wie merkw?rdig dieser Fluss ist, bemerke ich, dass eine sorgf?ltige Forschung nach F?llen von Gabeltheilungen im Innern der L?nder, selbst zwischen weit weniger bedeutenden Fl?ssen, ihrer bis jetzt nur drei bis vier unzweifelhaft zu Tage gef?rdert hat. Ich spreche nicht von den Verzweigungen der grossen indisch-chinesischen Fl?sse, von den nat?rlichen Can?len, durch welche die Fl?sse in Ava und Pegu, wie in Siam und Cambodja zusammenzuh?ngen scheinen; die Art dieser Verbindungen ist noch nicht geh?rig aufgekl?rt. Ich beschr?nke mich darauf, einer hydraulischen Erscheinung zu erw?hnen, welche durch Baron Hermelins sch?ne Karten von Norwegen nach allen Theilen bekannt geworden ist. In Lappland sendet der Torneofluss einen Arm zum Calix-Elf, der ein kleines hydraulisches System f?r sich bildet. Dieser Cassiquiare der n?rdlichen Zone ist nur 10--12 Meilen lang, er macht aber alles Land am bothnischen Busen zu einer wahren Flussinsel. Durch Leopold von Buch wissen wir, dass die Existenz dieses nat?rlichen Canals lange so hartn?ckig gel?ugnet wurde, wie die eines Arms des Orinoco, der in das Becken des Amazonenstroms l?uft. Eine andere Gabeltheilung, die wegen des alten Verkehrs zwischen den V?lkern Latiums und Etruriens noch mehr Interesse hat, scheint ehemals am Thrasimenischen See stattgefunden zu haben. Auf seiner vielberufenen Voltata von S?d nach West und Nord zwischen Bibieno und Ponta Sieve theilte sich der Arno bei Arezzo in zwei Arme, deren einer, wie jetzt, ?ber Florenz und Pisa dem Meere zulief, w?hrend der andere durch das Thal von Chiana floss und sich mit dem Tiber vereinigte, entweder unmittelbar oder durch die Paglia als Zwischenglied. Fossombroni hat dargethan, wie sich im Mittelalter durch Anschwemmungen im Thal von Chiana eine Wasserscheide bildete, und wie jetzt das n?rdliche St?ck des Arno Teverino von S?d nach Nord aus dem kleinen See von Montepulciano in den Arno fliesst. So hatte denn der klassische Boden Italiens neben so vielen Wundern der Natur und der Kunst auch eine Gabeltheilung aufzuweisen, wie sie in den W?ldern der neuen Welt in ungleich gr?sserem Massstab auftritt.
Ich bin nach meiner R?ckkehr vom Orinoco oft gefragt worden, ob ich glaube, dass der Canal des Cassiquiare allm?hlig durch Anschwemmungen verstopft werden m?chte, ob ich nicht der Ansicht sey, dass die zwei gr?ssten Flusssysteme Amerikas unter den Tropen im Laufe der Jahrhunderte sich ganz von einander trennen werden. Da ich es mir zum Gesetz gemacht habe, nur Thats?chliches zu beschreiben und die Verh?ltnisse, die in verschiedenen L?ndern zwischen der Bodenbildung und dem Laufe der Gew?sser bestehen, zu vergleichen, so habe ich alles bloss Hypothetische zu vermeiden. Zunachst bemerke ich, dass der Cassiquiare in seinem gegenw?rtigen Zustand keineswegs placidus et mitissimus amnis ist, wie es bei den Poeten Latiums heisst; er gleicht durchaus nicht dem errans languido flumine Cocytus, da er im gr?ssten Theile seines Laufs die ungemeine Geschwindigkeit von 6--8 Fuss in der Sekunde hat. Es ist also wohl nicht zu f?rchten, dass er ein mehrere hundert Toisen breites Bett ganz verstopft. Dieser Arm des obern Orinoco ist eine zu grossartige Erscheinung, als dass die kleinen Umwandlungen, die wir an der Erdoberfl?che vorgehen sehen, demselben ein Ende machen oder auch nur viel daran ver?ndern k?nnten. Wir bestreiten nicht, vollends wenn es sich von minder breiten und sehr langsam str?menden Gew?ssern handelt, dass alle Fl?sse eine Neigung haben, ihre Verzweigungen zu vermindern und ihre Becken zu isoliren. Die majest?tischsten Str?me erscheinen, wenn man die steilen H?nge der alten weitab liegenden Ufer betrachtet, nur als Wasserf?den, die sich durch Th?ler winden, die sie selbst sich nicht haben graben k?nnen. Der heutige Zustand ihres Bettes weist deutlich darauf hin, dass die str?menden Gew?sser allm?hlig abgenommen haben. Ueberall treffen wir die Spuren alter ausgetrockneter Arme und Gabelungen, f?r die kaum ein historisches Zeugniss vorliegt. Die verschiedenen, mehr oder weniger parallelen Rinnen, aus denen die Betten der amerikanischen Fl?sse bestehen, und die sie weit wasserreicher erscheinen lassen, als sie wirklich sind, ver?ndern allgemach ihre Richtung; sie werden breiter und verschmelzen dadurch, dass die L?ngsgr?ten zwischen denselben abbr?ckeln. Was anfangs nur ein Arm war, wird bald der einzige Wasserbeh?lter, und bei Str?men, die langsam ziehen, verschwinden die Gabeltheilungen oder Verzweigungen zwischen zwei hydraulischen Systemen auf dreierlei Wegen: entweder der Verbindungscanal zieht den ganzen gegabelten Strom in sein Becken hin?ber, oder der Canal verstopft sich durch Anschwemmungen an der Stelle, wo er vom Strome abgeht, oder endlich in der Mitte seines Laufs bildet sich ein Querkamm, eine Wasserscheide, wodurch das obere St?ck einen Gegenhang erh?lt und das Wasser in umgekehrter Richtung zur?ckfliesst. Sehr niedrige und grossen periodischen Ueberschwemmungen ausgesetzte L?nder, wie Guyana in Amerika und Dar-Saley oder Baghermi in Afrika, geben uns ein Bild davon, wie viel h?ufiger dergleichen Verbindungen durch nat?rliche Can?le fr?her gewesen seyn m?gen als jetzt.
Nachdem ich die Gabeltheilung des Orinoco aus dem Gesichtspunkt der vergleichenden Hydrographie betrachtet, habe ich noch kurz die Geschichte der Entdeckung dieses merkw?rdigen Ph?nomens zu besprechen. Es ging mit der Verbindung zwischen zwei grossen Flusssystemen wie mit dem Lauf des Nigers gegen Ost. Man musste mehreremale entdecken, was auf den ersten Anblick der Analogie und angenommenen Hypothesen widersprach. Als bereits durch Reisende ausgemacht war, auf welche Weise Orinoco und Amazonenstrom zusammenh?ngen, wurde noch, und zwar zu wiederholtenmalen bezweifelt, ob die Sache ?berhaupt m?glich sey. Eine Bergkette, die der Geograph Hondius zu Ende des sechzehnten Jahrhunderts als Grenzscheide beider Fl?sse gefabelt hatte, wurde bald angenommen, bald gel?ugnet. Man dachte nicht daran, dass selbst wenn diese Berge vorhanden w?ren, desshalb die beiden hydraulischen Systeme nicht nothwendig getrennt feyn m?ssten, da ja die Gew?sser durch die Cordillere der Anden und die Himalayakette, die h?chste bekannte der Welt, sich Bahn gebrochen haben. Man behauptete, und nicht ohne Grund, Fahrten, die mit demselben Canoe sollten gemacht worden seyn, schliessen die M?glichkeit nicht aus, dass die Wasserstrasse durch Tragepl?tze unterbrochen gewesen. Ich habe diese so lange bestrittene Gabeltheilung nach ihrem ganzen Verhalten selbst beobachtet, bin aber desshalb weit entfernt, Gelehrte zu tadeln, die, gerade weil es ihnen nur um die Wahrheit zu thun war, Bedenken trugen, als wirklich gelten zu lassen, was ihnen noch nicht genau genug untersucht zu seyn schien.
Da der Amazonenstrom von den Portugiesen und den Spaniern schon lange befahren wurde, ehe die beiden Nebenbuhler den obern Orinoco kennen lernten, so kam die erste unsichere Kunde von der Verzweigung zweier Str?me von der M?ndung des Rio Negro nach Europa. Die Conquistadoren und mehrere Geschichtschreiber, wie Herera, Fray Pedro Simon und der Pater Garcia, verwechselten unter den Namen Rio Grande und Mar dulce den Orinoco und den Maragnon. Der Name des ersteren Flusses kommt noch nicht einmal auf Diego Riberos vielberufener Karte von Amerika aus dem Jahr 1529 vor. Durch die Expeditionen des Orellana und des Lope de Aguirre erfuhr man nichts ?ber die Gabeltheilung des Orinoco; da aber Aguirre so auffallend schnell die Insel Margarita erreicht hatte, glaubte man lange, derselbe sey nicht durch eine der grossen M?ndungen des Amazonenstromes, sondern durch eine Flussverbindung im Innern auf die See gelangt. Der Jesuit Acu?a hat solches als Behauptung aufgestellt; aber das Ergebniss meiner Nachforschungen in den Schriften der fr?hesten Geschichtschreiber der Eroberung spricht nicht daf?r. >>Wie kann man glauben,<< sagt dieser Mission?r, >>dass Gott es zugelassen, dass ein Tyrann es hinausf?hre und die sch?ne Entdeckung der M?ndung des Maragnon mache!<< Acu?a setzt voraus, Aguirre sey durch den Rio Felipe an die See gelangt, und dieser Fluss >>sey nur wenige Meilen von Cabo del Norte entfernt.<<
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