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Read Ebook: Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents. Band 4. by Humboldt Alexander Von Hauff Hermann Translator

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Ebook has 444 lines and 109410 words, and 9 pages

Da der Amazonenstrom von den Portugiesen und den Spaniern schon lange befahren wurde, ehe die beiden Nebenbuhler den obern Orinoco kennen lernten, so kam die erste unsichere Kunde von der Verzweigung zweier Str?me von der M?ndung des Rio Negro nach Europa. Die Conquistadoren und mehrere Geschichtschreiber, wie Herera, Fray Pedro Simon und der Pater Garcia, verwechselten unter den Namen Rio Grande und Mar dulce den Orinoco und den Maragnon. Der Name des ersteren Flusses kommt noch nicht einmal auf Diego Riberos vielberufener Karte von Amerika aus dem Jahr 1529 vor. Durch die Expeditionen des Orellana und des Lope de Aguirre erfuhr man nichts ?ber die Gabeltheilung des Orinoco; da aber Aguirre so auffallend schnell die Insel Margarita erreicht hatte, glaubte man lange, derselbe sey nicht durch eine der grossen M?ndungen des Amazonenstromes, sondern durch eine Flussverbindung im Innern auf die See gelangt. Der Jesuit Acu?a hat solches als Behauptung aufgestellt; aber das Ergebniss meiner Nachforschungen in den Schriften der fr?hesten Geschichtschreiber der Eroberung spricht nicht daf?r. >>Wie kann man glauben,<< sagt dieser Mission?r, >>dass Gott es zugelassen, dass ein Tyrann es hinausf?hre und die sch?ne Entdeckung der M?ndung des Maragnon mache!<< Acu?a setzt voraus, Aguirre sey durch den Rio Felipe an die See gelangt, und dieser Fluss >>sey nur wenige Meilen von Cabo del Norte entfernt.<<

Ralegh brachte auf verschiedenen Fahrten, die er selbst gemacht oder die auf seine Kosten unternommen worden, nichts ?ber eine hydraulische Verbindung zwischen Orinoco und Amazonenstrom in Erfahrung; aber sein Unterbefehlshaber Keymis, der aus Schmeichelei dem Orinoco den Namen Raleana beigelegt, bekam zuerst eine unbestimmte Vorstellung von den Tragepl?tzen zwischen dem Essequebo, dem Carony und dem Rio Branco oder Parime. Aus diesen Tragepl?tzen machte er einen grossen Salzsee, und in dieser Gestalt erschienen sie auf der Karte, die 1599 nach Raleghs Berichten entworfen wurde. Zwischen Orinoco und Amazonenstrom zeichnet man eine Cordillere ein, und statt der wirklichen Gabelung gibt Hondius eine andere, v?llig eingebildete an: er l?sst den Amazonenstrom mit dem Parana und dem San Francisco in Verbindung treten. Diese Verbindung blieb ?ber ein Jahrhundert auf den Karten stehen, wie auch eine angebliche Gabeltheilung des Magdalenenstroms, von dem ein Arm zum Golf von Maracaybo laufen sollte.

Im Jahr 1639 machten die Jesuiten Christoval de Acu?a und Andres de Artedia, im Gefolge des Capit?ns Texeira, die Fahrt von Quito nach Gran-Para. Am Einfluss des Rio Negro in den Amazonenstrom erfuhren sie, >>ersterer Fluss, von den Eingeborenen wegen der braunen Farbe seines sehr hellen Wassers Curiguacura oder Uruna genannt, gebe einen Arm an den Rio Grande ab, der sich in die n?rdliche See ergiesst und an dessen M?ndung sich holl?ndische Niederlassungen befinden.<< Acu?a gibt den Rath, >>nicht am Einfluss des Rio Negro in den Amazonenstrom, sondern am Punkt, wo der Verbindungsast abgeht,<< eine Festung zu bauen. Er bespricht die Frage, was wohl dieser Rio Grande seyn m?ge, und kommt zum Schluss, der Orinoco sey es sicher nicht, vielleicht aber der Rio Dulce oder der Rio de Felipe, derselbe, durch den Aguirre zur See gekommen. Letztere dieser Annahmen scheint ihm die wahrscheinlichste. Man muss bei dergleichen Angaben unterscheiden zwischen dem, was die Reisenden an der M?ndung des Rio Negro von den Indianern erfahren, und dem, was jene nach den Vorstellungen, die ihnen der Zustand der Geographie zu ihrer Zeit an die Hand gab, selbst hinzusetzten. Ein Flussarm, der vom Rio Negro abgeht, soll sich in einen sehr grossen Fluss ergiessen, der in das n?rdliche Meer l?uft an einer K?ste, auf der Menschen mit rothen Haaren wohnen; so bezeichneten die Indianer die Holl?nder, da sie gew?hnt waren, nur Weisse mit schwarzen oder braunen Haaren, Spanier oder Portugiesen, zu sehen. Wir kennen nun aber jetzt, vom Einfluss des Rio Negro in den Amazonenstrom bis zum Ca?o Pimichin, auf dem ich in den ersteren Fluss gekommen, alle Nebenfl?sse von Nord und Ost her. Nur ein einziger darunter, der Cassiquiare, steht mit einem andern Fluss in Verbindung. Die Quellen des Rio Branco sind auf den neuen Karten des brasilianischen hydrographischen Depots sehr genau aufgenommen, und wir wissen, dass dieser Fluss keineswegs durch einen See mit dem Carony, dem Essequebo oder irgend einem andern Gew?sser der K?ste von Surinam und Cayenne in Verbindung steht. Eine hohe Bergkette, die von Pacaraymo, liegt zwischen den Quellen des Paraguamusi und denen des Rio Branco, wie es von Don Antonio Santos auf seiner Reise von Angostura nach Gran-Para im Jahr 1775 ausgemacht worden. S?dw?rts von der Bergkette Pacaraymo und Quimiropaca besindet sich ein Trageplatz von drei Tagereisen zwischen dem Sarauri und dem Rupunuri . Ueber diesen Trageplatz kam im Jahr 1759 der Chirurg Nicolas Hortsmann, ein Hildesheimer, dessen Tagebuch ich in H?nden gehabt; es ist diess derselbe Weg, auf dem Don Francisco Jose Rodrigues Barata, Obristlieutenant des ersten Linienregiments in Para, im Jahr 1793 im Auftrag seiner Regierung zweimal vom Amazonenstrom nach Surinam ging. In noch neuerer Zeit, im Februar 1811, kamen englische und holl?ndische Colonisten zum Trageplatz am Rupunuri und liessen den Befehlshaber am Rio Negro um die Erlaubniss bitten, zum Rio Branco sich begeben zu d?rfen; der Commandant willfahrte dem Gesuch und so kamen die Colonisten in ihren Canoes zum Fort San Joaquin am Rio Branco. Wir werden in der Folge noch einmal auf diese Landenge zur?ckkommen, einen theils bergigten, theils sumpfigten Landstrich, auf den Kaymis den Dorado und die grosse Stadt Manoa verlegt, der aber, wie wir jetzt bestimmt wissen, die Quellen des Carony, des Rupunuri und des Rio Branco trennt, die drei verschiedenen Flusssystemen angeh?ren, dem Orinoco, dem Essequebo und dem Rio Negro oder Amazonenstrom.

Aus dem Bisherigen geht hervor, dass die Eingeborenen, die Texeira und Acu?a von der Verbindung zweier grossen Str?me sprachen, vielleicht selbst ?ber die Richtung des Cassiquiare im Irrthum waren, oder dass Acu?a ihre Aeusserungen missverstanden hat. Letzteres ist um so wahrscheinlicher, da ich, wenn ich mich, gleich dem spanischen Reisenden, eines Dolmetschers bediente, oft selbst die Erfahrung gemacht habe, wie leicht man etwas falsch auffasst, wenn davon die Rede ist, ob ein Fluss Arme abgibt oder aufnimmt, ob ein Nebenfluss mit der Sonne geht oder >>gegen die Sonne<< l?uft. Ich bezweifle, dass die Indianer mit dem, was sie gegen Acu?a ge?ussert, die Verbindung mit den holl?ndischen Besitzungen ?ber die Tragepl?tze zwischen dem Rio Branco und dem Rio Gssequebo gemeint haben. Die Caraiben kamen an den Rio Negro auf beiden Wegen, ?ber die Landenge beim Rupunuri und auf dem Cassiquiare; aber eine ununterbrochene Wasserstrasse musste den Indianern als etwas erscheinen, das f?r die Fremden ungleich mehr Belang habe, und der Orinoco m?ndet allerdings nicht in den holl?ndischen Besitzungen aus, liegt aber doch denselben sehr nahe. Acu?as Aufenthalt an der M?ndung des Rio Negro verdankt Europa nicht nur die erste Kunde von der Verbindung zwischen Amazonenstrom und Orinoco, derselbe hatte auch aus dem Gesichtspunkte der Humanit?t gute Folgen. Texeiras Mannschaft wollte den Befehlshaber zwingen, in den Rio Negro einzulaufen, um Sklaven zu holen. Die beiden Geistlichen, Acu?a und Artedia, legten schriftliche Verwahrung gegen ein solch ungerechtes und politisch unkluges Unternehmen ein. Sie behaupteten dabei , >>das Gewissen gestatte den Christen nicht, Eingeborene zu Sklaven zu machen, solche ausgenommen, die als Dolmetscher zu dienen h?tten.<< Was man auch von diesem Satze halten mag, auf die hochherzige, muthvolIe Verwahrung der beiden Geistlichen unterblieb der beabsichtigte Raubzug.

Im Jahr 1680 entwarf der Geograph Sanson nach Acu?as Reisebericht eine Karte vom Orinoco und dem Amazonenstrom. Sie ist f?r den Amazonenstrom, was Gumillas Karte so lange f?r den untern Orinoco gewesen. Im ganzen Strich n?rdlich vom Aequator ist sie rein hypothetisch, und der Caqueta, wie schon oben bemerkt, gabelt sich darauf unter einem rechten Winkel. Der eine Arm des Caqueta ist der Orinoco, der andere der Rio Negro. In dieser Weise glaubte Sanson auf der erw?hnten Karte, und auf einer andern von ganz S?damerika aus dem Jahr 1656, die unbestimmten Nachrichten, welche Acu?a im Jahr 1639 ?ber die Verzweigungen des Caqueta und ?ber die Verbindungen zwischen Amazonenstrom und Orinoco erhalten, vereinigen zu k?nnen. Die irrige Vorstellung, der Rio Negro entspringe aus dem Orinoco oder aus dem Caqueta, von dem der Orinoco nur ein Zweig w?re, hat sich bis in die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts erhalten, wo der Cassiquiare entdeckt wurde.

Pater Fritz war mit einem andern deutschen Jesuiten, dem Pater Richler, nach Quito gekommen; er entwarf im Jahr 1690 eine Karte des Amazonenstroms, die beste, die man vor La Condamines Reise besass. Nach dieser Karte richtete sich der franz?sische Akademiker auf seiner Flussfahrt, wie ich auf dem Orinoco nach den Karten von La Cruz und Caulin. Es ist auffallend, dass Pater Fritz bei seinem langen Aufenthalt am Amazonenstrom keine Kunde vom Cassiquiare erhalten haben soll. Die geschichtlichen Notizen, die er auf dem Rand seiner handschriftlichen Karte beigesetzt und die ich in neuester Zeit sorgf?ltig untersucht habe, sind sehr mangelhaft; auch sind ihrer nicht viele. Er l?sst eine Bergkette zwischen den beiden Flusssystemen streichen und r?ckt nur einen der Zweige, die den Rio Negro bilden, nahe an einen Nebenfluss des Orinoco, der, der Lage nach, der Rio Caura zu seyn scheint. In den hundert Jahren zwischen Acu?as Reise und der Entdeckung des Cassiquiare durch Pater Roman blieb Alles im Ungewissen.

Die Verzweigung des Orinoco und des Amazonenstroms durch den Rio Negro und eine Gabeltheilung des Caqueta, die Sanson aufgebracht und die Pater Fritz und Blaeuw verwarfen, erschienen auf de l'Isles ersten Karten wieder; aber gegen das Ende seines Lebens gab der ber?hmte Geograph sie wieder auf. Da man sich hinsichtlich der Art und Weise der Verbindung geirrt, war man schnell bei der Hand und zog die Verbindung selbst in Abrede. Es ist wirklich sehr merkw?rdig, dass zur Zeit, wo die Portugiesen am h?ufigsten den Amazonenstrom, den Rio Negro und den Cassiquiare hinauffuhren, und wo Pater Gumillas Briefe vom untern Orinoco nach Gran-Para gelangten, dieser selbe Mission?r sich alle M?he gab, in Europa die Meinung zu verbreiten, dass die Becken des Orinoco und des Amazonenstroms v?llig von einander geschieden seyen. Er versichert, >>er sey ?fters ersteren Fluss bis zum Raudal von Tabaje, unter 1?4? der Breite, hinaufgefahren und habe niemals einen Fluss, den man f?r den Rio Negro h?tte halten k?nnen, abgehen oder hereinkommen sehen.<< >>Zudem,<< f?hrt er fort, >>l?uft eine grosse Cordillere von Ost und West und l?sst die Gew?sser nicht in einander m?nden, wie sie auch alle Er?rterung ?ber die angebliche Verbindung beider Str?me ganz ?berfl?ssig macht.<< Pater Gumillas Irrth?mer entspringen daher, dass er der festen Ueberzeugung war, auf dem Orinoco bis zum Parallel von 1?4? gekommen zu seyn. Er irrte sich um mehr als f?nf Grad zehn Minuten in der Breite; denn in der Mission Atures, 13 Meilen s?dw?rts von den Stromschnellen von Tabaje, fand ich die Breite 5?37?34?. Da Pater Gumilla nicht weit ?ber den Einfluss des Meta hinaufgekommen, so ist es nicht zu verwundern, dass er die Gabeltheilung des Orinoco nicht gekannt hat, die, den Kr?mmungen des Flusses nach, 120 Meilen vom Raudal von Tabaje liegt. Dieser Mission?r, der drei Jahre am untern Orinoco gelebt hat , h?tte sich darauf beschr?nken sollen, zu berichten, was er bei seinen Fahrten auf dem Apure, dem Meta und Orinoco von Guayana Vieja bis in die N?he des ersten grossen Katarakts mit eigenen Augen gesehn. Sein Werk wurde Anfangs gewaltig erhoben, und sp?ter in den spanischen Colonien um so weiter und zu weit herabgesetzt. Allerdings begegnet man im Orinoco illustrado nicht der genauen Kenntniss der Oertlichkeiten, der naiven Einfalt, wodurch die Berichte der Mission?re einen gewissen Reiz erhalten; der Styl ist gek?nstelt und die Sucht zu ?bertreiben gibt sich ?berall kund; trotz dieser Fehler finden sich in Pater Gumillas Buch sehr richtige Ansichten ?ber die Sitten und die nat?rlichen Anlagen der verschiedenen V?lkerschaften am untern Orinoco und in den Llanos am Casanare.

Auf seiner denkw?rdigen Fahrt auf dem Amazonenstrom im Jahr 1743 hatte La Condamine zahlreiche Belege f?r die vom spanischen Jesuiten gel?ugnete Verbindung zwischen beiden Str?men gesammelt. Als den b?ndigsten derselben sah er damals die nicht verd?chtige Aussage einer Cauriacani-Indianerin an, mit der er gesprochen und die vom Orinoco im Canoe nach Gran-Para gelangt war. Ehe La Condamine in das Vaterland zur?ckkam, setzten die Fahrt des Pater Manuel Roman und der Umstand, dass Mission?re vom Orinoco und vom Amazonenstrom sich zuf?llig begegneten, die Thatsache, die zuerst Acu?a kund geworden, ausser allen Zweifel.

Auf den Streifz?gen zur Sklavenjagd, welche seit der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts unternommen wurden, waren die Portugiesen nach und nach aus dem Rio Negro ?ber den Cassiquiare in das Bett eines grossen Stromes gekommen, von dem sie nicht wussten, dass es der Orinoco sey. Ein fliegendes Lager der Tropa de rescate leistete diesem unmenschlichen Handel Vorschub. Man hetzte die Eingeborenen, sich zu bekriegen, und kaufte dann die Gefangenen los; und um dem Sklavenhandel einen Anstrich von Rechtm?ssigkeit zu geben, gingen Geistliche mit der Tropa de rescate, die untersuchten, >>ob diejenigen, welche Sklaven verkauften, auch dazu berechtigt seyen, weil sie dieselben in offenem Kampfe zu Gefangenen gemacht<< Vom Jahr 1737 an wiederholten sich diese Z?ge der Portugiesen an den obern Orinoco sehr oft. Die Gier, Sklaven gegen Beile, Fischangeln und Glaswaaren zu vertauschen, trieb die indianischen V?lkerschaften zum blutigen Streit gegen einander. Die Quipunaves, unter ihrem tapfern und grausamen H?uptling Macapu, waren vom Inirida zum Zusammenfluss des Atabapo und des Orinoco herabgekommen. >>Sie verkauften<<, sagt der Mission?r Gili, >>die Gefangenen, die sie nicht verzehrten.<< Ueber diesem Treiben wurden die Jesuiten am untern Orinoco unruhig, und der Superior der spanischen Missionen, Pater Roman, ein vertrauter Freund Gumillas, fasste muthig den Entschluss, ohne Begleitung von spanischen Soldaten ?ber die grossen Katarakten hinaufzugehen und die Quipunaves heimzusuchen. Er ging am 4. Februar 1744 von Carichana ab; angelangt am Zusammenfluss des Guaviare, des Atabapo und des Orinoco, an der Stelle, wo letzterer Fluss aus seiner Richtung von Ost nach West rasch in die von S?d nach Nord ?bergeht, sah er von weitem eine Pirogue, so gross wie die seinige, voll von europ?isch gekleideten Leuten. Er liess, gem?ss der Sitte der Mission?re, wenn sie in unbekanntem -Land auf dem Wasser sind, als Friedenszeichen das Crucifix am Vordertheil seines Fahrzeugs aufpflanzen. Die Weissen erkannten mit Jubel das Ordenskleid des heiligen Ignatius. Sie verwunderten sich, als sie h?rten, der Fluss, auf dem diese Begegnung stattgefunden, sey der Orinoco, und sie nahmen Pater Roman ?ber den Cassiquiare in die Niederlassungen am Rio Negro mit sich. Der Superior der spanischen Missionen sah sich gen?thigt, beim fliegenden Lager der Tropa de rescate zu verweilen, bis der portugiesische Jesuit Avogadri, der in Gesch?ften nach Gran-Para gegangen, zur?ck war. Auf demselben Wege, ?ber den Cassiquiare und den obern Orinoco, fuhr Pater Roman mit seinen Salivas-Indianern nach Pararuma, etwas n?rdlich von Carichana, zur?ck, nachdem er sieben Monate ausgewesen. Er ist der erste Weisse, der vom Rio Negro, und somit aus dem Becken des Amazonenstroms in das Becken des Orinoco gelangt ist.

Die Kunde dieser merkw?rdigen Fahrt verbreitete sich so rasch, dass La Condamine in einer ?ffentlichen Sitzung der Akademie sieben Monate nach Pater Romans R?ckkehr nach Pararuma Mittheilung davon machen konnte. Er sagt: >>Die nunmehr beglaubigte Verbindung des Orinoco und des Amazonenstroms kann um so mehr f?r eine geographische Entdeckung gelten, als zwar diese Verbindung auf den alten Karten angegeben ist, aber von den heutigen Geographen auf den neuen Karten, wie auf Verabredung, weggelassen wird. Es ist diess nicht das erstemal, dass etwas f?r fabelhaft gegolten hat, was doch vollkommen richtig war, dass man die Kritik zu weit trieb, und dass diese Verbindung von Leuten f?r chim?risch erkl?rt wurde, die am besten davon h?tten wissen sollen.<< Seit Pater Romans Fahrt im Jahr 1744 hat in spanisch Guyana und an den K?sten von Cumana und Caracas kein Mensch mehr die Existenz des Cassiquiare und die Gabeltheilung des Orinoco in Zweifel gezogen. Sogar Pater Gumilla, den Bouguer in Carthagena de Indias getroffen hatte, gestand, dass er sich geirrt, und kurz vor seinem Tode las er Pater Gili ein f?r eine neue Ausgabe seiner Geschichte des Orinoco bestimmtes Supplement vor, in dem er munter erz?hlte, in welcher Weise er entt?uscht worden. Durch Ituriagas und Solanos Grenzexpedition wurden die geographischen Verh?ltnisse des obern Orinoco und die Verzweigung dieses Flusses mit dem Rio Negro vollends genau bekannt. Solano liess sich im Jahr 1756 an der M?ndung des Atabapo nieder, und von nun an fuhren spanische und portugiesische Commiss?re mit ihren Piroguen oft ?ber den Cassiquiare vom untern Orinoco an den Rio Negro, um sich in ihren Hauptquartieren Cabruta und Mariva zu besuchen. Seit 1767 kamen regelm?ssig jedes Jahr zwei bis drei Piroguen von der Schanze San Carlos ?ber die Gabeltheilung des Orinoco nach Angostura, um Salz und den Sold f?r die Truppen zu holen. Diese Fahrten von einem Flussbecken in das andere durch den nat?rlichen Canal des Cassiquiare machen jetzt bei den Colonisten so wenig Aufsehen mehr, als wenn Schiffe die Loire herab auf dem Canal von Orleans in die Seine kommen.

Seit Pater Romans Fahrt im Jahr 1744 war man in den spanischen Besitzungen in Amerika von der Richtung des obern Orinoco von Ost nach West und von der Art seiner Verbindung mit dem Rio Negro genau unterrichtet, aber in Europa wurde letztere erst weit sp?ter bekannt. Noch im Jahr 1750 nahmen La Condamine und d'AnvilIe an, der Orinoco sey ein Arm des Caqueta, der von S?dost herkomme, und der Rio Negro entspringe unmittelbar daraus. Erst in einer zweiten Ausgabe seines S?damerika l?sst d'Anville, ohne gleichwohl eine Verzweigung des Caqueta vermittelst des Iniricha mit dem Orinoco und dem Rio Negro aufzugeben, den Orinoco im Osten in der N?he der Quellen des Rio Branco entspringen und gibt er den Rio Cassiquiare an, der vom obern Orinoco zum Rio Negro l?uft. Wahrscheinlich hatte sich der unerm?dliche Forscher durch seinen starken Verkehr mit den Mission?ren, die damals, wie noch jetzt, f?r das eigentliche Herz der Festl?nder die einzigen geographischen Autorit?ten waren, Nachweisungen ?ber die Art der Gabeltheilung verschafft. Hinsichtlich des Zusammenflusses des Cassiquiare mit dem Rio Negro irrte er sich um 3 1/2 Breitegrade, aber die Lage des Atabapo und der bewaldeten Landenge, ?ber die ich von Javita an den Rio Negro gekommen, gibt er schon ziemlich richtig an. Durch die in den Jahren 1775 und 1778 ver?ffentlichten Karten von la Cruz Olmedilla und Surville sind, neben Pater Caulins Werke, die Arbeiten der Grenzexpedition am besten bekannt geworden; denn die zahlreichen Widerspr?che darauf beziehen sich auf die Quellen des Orinoco und des Rio Branco, nicht auf den Lauf des Cassiquiare und des Rio Negro, die so richtig angegeben sind, als man es beim g?nzlichen Mangel an astronomischen Beobachtungen verlangen kann.

So stand es mit den hydrographischen Entdeckungen im Innern von Guyana, als kurze Zeit vor meinem Abgang von Europa ein Gelehrter, dessen Arbeiten die Geographie so bedeutend gef?rdert haben, Acu?as Bericht, die Karte des Paters Samuel Fritz und la Cruz Olmedillas >>S?damerika<< noch einmal n?her pr?fen zu m?ssen glaubte. Die politischen Verh?ltnisse in Frankreich machten vielleicht, dass sich Buache nicht verschaffen oder nicht ben?tzen konnte, was Caulin und Gili geschrieben, die zwei Mission?re, die am Orinoco lebten, als die Grenzexpedition zwischen der spanischen Schanze am Rio Negro und der Stadt Angostura, ?ber den Cassiquiare und den obern Orinoco, den Verkehr er?ffnete, der ?ber ein halbes Jahrhundert regelm?ssig im Gange war. Auf der im Jahr 1798 erschienenen Carte g?n?ral de la Guyane ist der Cassiquiare und das St?ck des obern Orinoco ostw?rts von Esmeralda als ein Nebenfluss des Rio Negro, der mit dem Orinoco gar nicht zusammenh?ngt, dargestellt. Eine Bergkette streicht ?ber die Ebene, welche die Landenge zwischen dem Tuamini und dem Pimichin bildet. Diese Kette l?sst die Karte gegen Nordost fortlaufen und zwischen den Gew?ssern des Orinoco und denen des Rio Negro und Cassiquiare, zwanzig Meilen westlich von Esmeralda, eine Wasserscheide bilden. In einer Anmerkung auf der Karte heisst es: >>die schon lange her angenommene Verbindung zwischen dem Orinoco und dem Amazonenstrom sey eine geographische Ungeheuerlichkeit, die Olmedillas Karte ohne allen Grund in der Welt verbreitet, und um die Vorstellungen ?ber diesen Punkt zu berichtigen, habe man die Richtung der grossen Bergkette, welche die Wasserscheide bilde, zu ermitteln.<<

Ich war so gl?cklich, diese Bergkette an Ort und Stelle zu ermitteln. Ich ?bernachtete am 24. Mai mit meiner Pirogue am St?cke des Orinoco, wo nach Buaches Annahme eine Cordillere ?ber das Flussbett laufen sollte. Bef?nde sich an diesem Punkt eine Wasserscheide, so h?tte ich die ersten zwanzig Meilen westw?rts von Esmeralda einen Fluss hinauf, statt, wie ich gethan, mit rascher Str?mung hinabfahren m?ssen. Derselbe Fluss, der ostw?rts von dieser Mission entspringt und einen Arm an den Rio Negro abgibt, l?uft ohne Unterbrechung Santa Barbara und San Fernando de Atabapo zu. Es ist diess das St?ck des Orinoco, das von S?dost nach Nordwest gerichtet ist und bei den Indianern Rio Paragua heisst. Nachdem er seine Gew?sser mit denen des Guaviare und des Atabapo vermischt, wendet sich derselbe Fluss gegen Norden und geht durch die grossen Katarakten. Alle diese Punkte sind auf der grossen Karte von la Cruz im Ganzen gut angegeben; ohne Zweifel hat aber Buache vorausgesetzt, bei den verschiedenen Fahrten, die zwischen Amazonenstrom und Orinoco ausgef?hrt worden seyn sollten, seyen die Canoes von einem Nebenfluss zum andern ?ber irgend einen Trageplatz geschleppt worden. Dem geachteten Geographen lag die Annahme, die Fl?sse laufen in Wirklichkeit nicht so, wie die neueren spanischen Karten angeben, desto n?her, als auf denselben Karten um den See Parime herum die seltsamsten, unwahrscheinlichsten Flussverzweigungen vorkommen. Man k?nnte auf den Orinoco anwenden, was Pater Acu?a vom Amazonenstrom sagt, dessen Wunder er beschreibt: >>Nacieron hermanadas en las cosas grandes la novedad y el descredito.<<

H?tten die V?lker in den Niederungen von S?damerika Theil gehabt an der Cultur, welche in der kalten Alpregion verbreitet war, so h?tte dieses ungeheure Mesopotamien zwischen Orinoco und Amazonenstrom die Entwicklung ihres Gewerbfleisses gef?rdert, ihren Handel belebt, den gesellschaftlichen Fortschritt beschleunigt. In der alten Welt sehen wir ?berall einen solchen Einfluss der Oertlichkeit auf die keimende Cultur der V?lker. Die Insel Meroe zwischen dem Astaboras und dem Nil, das Pendjab des Indus, das Duab des Ganges, das Mesopotamien des Euphrat sind gl?nzende Belege daf?r in den Annalen des Menschengeschlechts. Aber die schwachen V?lkerst?mme, die auf den Grasfluren und in den W?ldern von S?damerika herumziehen, haben aus den Vorz?gen ihres Bodens und den Verzweigungen ihrer Fl?sse gar wenig Nutzen gezogen. Die Einf?lle der Caraiben, die weither den Orinoco, den Cassiquiare und Rio Negro heraufkamen, um Sklaven zu rauben, r?ttelten ein paar versunkene V?lkerschaften aus ihrer Tr?gheit auf und zwangen sie Vereine zur gemeinsamen Vertheidigung zu bilden; aber das wenige Gute, das diese Kriege mit den Caraiben mit sich gebracht, war ein schlechter Ersatz f?r die Uebel, die sie zur Folge hatten, Verwilderung der Sitten und Verminderung der Bev?lkerung. Unzweifelhaft hat die Terrainbildung Griechenlands, die mannigfaltige Gestaltung des Landes, seine Zertheilung durch kleine Bergketten und Busen des Mittelmeers, in den Anf?ngen der Cultur die geistige Entwicklung der Hellenen bedeutend gef?rdert. Aber dieser Einfluss des Klimas und der Bodenbildung ?ussert sich nur da in seiner ganzen St?rke, wo Menschenst?mme mit gl?cklicher Begabung nach Geist und Gem?th einen Anstoss von aussen erhalten. Gewinnt man einen Ueberblick ?ber die Geschichte unseres Geschlechts, so sieht man diese Mittelpunkte antiker Cultur da und dort gleich Lichtpunkten ?ber den Erdball verstreut, und gewahrt mit Ueberraschung, wie ungleich die Gesittung unter V?lkern ist, die fast unter demselben Himmelsstriche wohnen und ?ber deren Wohnsitze scheinbar die Natur dieselben Segnungen verbreitet hat.

Seit ich den Orinoco und den Amazonenstrom verlassen habe, bereitet sich f?r die gesellschaftlichen Verh?ltnisse der V?lker des Occidents eine neue Aera vor. Auf den Jammer der b?rgerlichen Zwiste werden die Segnungen des Friedens und eine freiere Entwicklung aller Gewerbth?tigkeit folgen. Da wird denn die europ?ische Handelswelt jene Gabeltheilung des Orinoco, jene Landenge am Puamini, durch die so leicht ein k?nstlicher Kanal zu ziehen ist, ins Auge fassen. Da wird der Cassiquiare, ein Strom, so breit wie der Rhein und 180 Seemeilen lang, nicht mehr umsonst eine schiffbare Linie zwischen zwei Strombecken bilden, die 190,000 Quadratmeilen Oberfl?che haben. Das Getreide aus Neu-Grenada wird an die Ufer des Rio Negro kommen, von den Quellen des Napo und des Ucayale, von den Anden von Quito und Ober-Peru wird man zur M?ndung des Orinoco herabfahren, und diess ist so weit, wie von Tombuctu nach Marseille. Ein Land, neun bis zehnmal gr?sser als Spanien und reich an den mannigfaltigsten Produkten, kann mittelst des Naturcanals des Cassiquiare und der Gabeltheilung der Fl?sse nach allen Richtungen hin befahren werden. Eine Erscheinung, die eines Tags von bedeutendem Einfluss auf die politischen Verh?ltnisse der V?lker seyn muss, verdiente es gewiss, dass man sie genau ins Auge fasste.

Der obere Orinoco von Esmeralda bis zum Einfluss des Guaviare. -- Zweite Fahrt durch die Katarakten von Atures und Maypures. -- Der untere Orinoco zwischen der M?ndung des Apure und Angostura, der Hauptstadt von spanisch Guyana.

Noch habe ich von der einsamsten, abgelegensten christlichen Niederlassung am obern Orinoco zu sprechen. Gegen?ber dem Punkte, wo die Gabeltheilung erfolgt, auf dem rechten Ufer des Flusses erhebt sich amphitheatralisch der Granitbergstock des Duida. Dieser Berg, den die Mission?re einen Vulkan nennen, ist gegen 8000 Fuss hoch. Er nimmt sich, da er nach S?d und West steil abf?llt, ?usserst grossartig aus. Sein Gipfel ist kahl und steinigt; aber ?berall, wo auf den weniger steilen Abh?ngen Dammerde haftet, h?ngen an den Seiten des Duida gewaltige W?lder wie in der Luft. An seinem Fusse liegt die Mission Esmeralda, ein D?rschen mit 80 Einwohnern, auf einer herrlichen, von B?chen mit schwarzem, aber klarem Wasser durchzogenen Ebene, einem wahren Wiesengrund, auf dem in Gruppen die Mauritiapalme, der amerikanische Sagobaum, steht. Dem Berge zu, der nach meiner Messung 7300 Toisen vom Missionskreuz liegt, wird die sumpfigte Wiese zur Savane, die um die untere Region der Cordillere herl?uft. Hier trifft man ungemein grosse Ananas von k?stlichem Geruch: Diese Bromeliaart w?chst immer einzeln zwischen den Gr?sern, wie bei uns Colchicum autumnale, w?hrend der Karatas, eine andere Art derselben Gattung, ein geselliges Gew?chs ist gleich unsern Heiden und Heidelbeeren. Die Ananas von Esmeralda sind in ganz Guyana ber?hmt. In Amerika wie in Europa gibt es f?r die verschiedenen Fr?chte gewisse Landstriche, wo sie zur gr?ssten Vollkommenheit gedeihen. Man muss auf der Insel Margarita oder in Cumana Sapotillen , in Loxa in Peru Chilimoyas , in Caracas Granadillas oder Parchas, in Esmeralda und auf Cuba Ananas gegessen haben, um die Lobspr?che, womit die ?ltesten Reisenden die K?stlichkeit der Produkte der heissen Zone preisen, nicht ?bertrieben zu finden. Die Ananas sind die Zierde der Felder bei der Havana, wo sie in Reihen neben einander gezogen werden; an den Abh?ngen des Duida schm?cken sie den Rasen der Savanen, wenn ihre gelben, mit einem B?schel silbergl?nzender Bl?tter gekr?nten Fr?chte ?ber den Setarien, den Paspalum und ein paar Cyperaceen emporragen. Dieses Gew?chs, das die Indianer Ana-curua nennen, verbreitete sich schon im sechzehnten Jahrhundert im innern China, und noch in neuester Zeit fanden es englische Reisende mit andern, unzweifelhaft amerikanischen Gew?chsen an den Ufern des Rio Congo in Afrika. In Esmeralda ist kein Mission?r. Der Geistliche, der hier Messe lesen soll, sitzt in Santa Barbara, ?ber 50 Meilen weit. Er braucht den Fluss herauf vier Tage, er kommt daher auch nur f?nf oder sechsmal im Jahr. Wir wurden von einem alten Soldaten sehr freundlich aufgenommen; der Mann hielt uns f?r catalonische Kr?mer, die in den Missionen ihren Kleinhandel treiben wollten. Als er unsere Papierballen zum Pflanzentrocknen sah, l?chelte er ?ber unsere naive Unwissenheit >>Ihr kommt in ein Land,<< sagte er, >>wo dergleichen Waare keinen Absatz findet. Geschrieben wird hier nicht viel, und trockene Mais-, Platano- und Vijaho- Bl?tter brauchen wir hier, wie in Europa das Papier, um Nadeln, Fischangeln und andere kleine Sachen, die man sorgf?ltig aufbewahren will, einzuwickeln.<< Der alte Soldat vereinigte in seiner Person die b?rgerliche und die geistliche Beh?rde. Er lehrte die Kinder, ich sage nicht den Catechismus, aber doch den Rosenkranz beten, er l?utete die Glocken zum Zeitvertreib, und im geistlichen Amtseifer bediente er sich zuweilen seines K?sterstocks in einer Weise, die den Eingeborenen schlecht behagte.

So klein die Mission ist, werden in Esmeralda doch drei indianische Sprachen gesprochen: Idapaminarisch, Catarape?isch und Maquiritanisch. Letztere Sprache ist am obern Orinoco vom Einfluss des Ventuari bis zu dem des Padamo die herrschende, wie am untern Orinoco das Caraibische, am Einfluss des Apure das Otomakische, bei den grossen Katarakten das Tamanakische und Maypurische und am Rio Negro das Maravitanische. Es sind diess die f?nf oder sechs verbreitetsten Sprachen. Wir wunderten uns, in Esmeralda viele Zambos, Mulatten und andere Farbige anzutreffen, die sich aus Eitelkeit Spanier nennen und sich f?r weiss halten, weil sie nicht roth sind wie die Indianer. Diese Menschen f?hren ein j?mmerliches Leben. Sie sind meist als Verwiesene hier. Um im innern Lande, das man gegen die Portugiesen absperren wollte, in der Eile Colonien zu gr?nden, hatte Solano in den Llanos und bis zur Insel Margarita hin Landstreicher und Uebelth?ter, denen die Justiz bis dahin vergeblich nachgesp?rt, zusammengerafft und sie den Orinoco hinaufgef?hrt, wo sie mit den ungl?cklichen, aus den W?ldern weggeschleppten Indianern zusammengethan wurden. Durch ein mineralogisches Missverst?ndniss wurde Esmeralda ber?hmt. Der Granit des Duida und des Maraguaca enth?lt in offenen G?ngen sch?ne Bergkrystalle, die zum Theil sehr durchsichtig, zum Theil mit Chlorit gef?rbt und mit Actinot gemengt sind; man hatte sie f?r Diamanten und Smaragden gehalten. So nahe den Quellen des Orinoco tr?umte man in diesen Bergen von nichts als vom Dorado, der nicht weit seyn konnte, vom See Parime und von den Tr?mmern der grossen Stadt Manoa. Ein Mann, der wegen seiner Leichtgl?ubigkeit und seiner Sucht zur Uebertreibung noch jetzt im Lande wohlbekannt ist, Don Apollinario Diez de la Fuente, nahm den vollklingenden Titel eines Capitan poblador und Cabo militar des Forts am Cassiquiare an. Dieses Fort bestand in ein paar mit Brettern verbundenen Baumst?mmen, und um die T?uschung vollst?ndig zu machen, sprach man in Madrid f?r die Mission Esmeralda, ein D?rschen von zw?lf bis f?nfzehn H?tten, die Gerechtsame einer Villa an. Es ist zu besorgen, dass Don Apollinario, der in der Folge Statthalter der Provinz los Quixos im K?nigreich Quito wurde, bei Entwerfung der Karten von la Cruz und Surville die Hand im Spiel gehabt hat. Da er die Windstriche des Compasses kannte, nahm er keinen Anstand, in den zahlreichen Denkschriften, die er dem Hof ?bermachte, sich Cosmograph der Grenzexpedition zu nennen.

W?hrend die Befehlshaber dieser Expedition Von der Existenz der Nueva Villa de Esmeralda ?berzeugt waren, so wie vom Reichthum des Cerro Duida an kostbaren Mineralien, da doch nichts darin zu finden ist, als Glimmer, Bergkrystall, Actinot und Rutil, ging eine aus den ungleichartigsten Elementen bestehende Colonie allgemach wieder zu Grunde. Die Landstreicher aus den Llanos hatten so wenig Lust zur Arbeit als die Indianer, die gezwungen >>unter der Glocke<< lebten. Ersteren diente ihr Hochmuth zu weiterer Rechtfertigung ihrer Faulheit. In den Missionen nennt sich jeder Farbige, der nicht geradezu schwarz ist wie ein Afrikaner oder kupferfarbig wie ein Indianer, einen Spanier; er geh?rt zur gente de razon, zur vernunftbegabten Race, und diese, wie nicht zu l?ugnen, hie und da ?berm?thige und arbeitsscheue Vernunft redet den Weissen und denen, die es zu seyn glauben, ein, der Landbau sey ein Gesch?ft f?r Sklaven, f?r Poitos, und f?r neubekehrte Indianer. Die Colonie Esmeralda war nach dem Muster der neuholl?ndischen gegr?ndet, wurde aber keineswegs eben so weise regiert. Da die amerikanischen Colonisten von ihrem Heimathland nicht durch Meere, sondern durch W?lder und Savanen geschieden waren, so verliefen sie sich, die einen nach Nord, dem Caura und Carony zu, die andern nach S?d in die portugiesischen Besitzungen. So hatte es mit der Herrlichkeit der Villa und den Smaragdgruben am Duida nach wenigen Jahren ein Ende, und Esmeralda galt wegen der furchtbaren Insektenmasse, welche das ganze Jahr die Luft verfinstert, bei den Ordensleuten f?r einen fluchw?rdigen Verbannungsort.

Ich erw?hnte oben, dass der Vorsteher der Missionen den Laienbr?dern, um sie in der Zucht zu halten, zuweilen droht, sie nach Esmeralda zu schicken; man wird damit, wie die M?nche sagen, >>zu den Moskitos verurtheilt, verurtheilt, von den summenden M?cken gefressen zu werden, die Gott den Menschen zur Strafe erschaffen hat.<< Einer so seltsamen Strafe unterlagen aber nicht immer nur Laienbr?der. Im Jahr 1788 brach in der Ordenswelt eine der Revolutionen aus, die einem in Europa nach den Vorstellungen, die man von den friedlichen Zust?nden der christlichen Niederlassungen in der neuen Welt hat, fast unbegreiflich sind. Schon l?ngst h?tten die Franciskaner, die in Guyana sassen, gerne eine Republik f?r sich gebildet und sich vom Collegium von Piritu in Nueva Barcelona unabh?ngig gemacht. Missvergn?gt, dass zum wichtigen Amte eines Pr?sidenten der Missionen Fray Gutierez de Aquilera von einem Generalcapitel gew?hlt und vom K?nige best?tigt worden, traten f?nf oder sechs M?nche vom obern Orinoco, Cassiquiare und Rio Negro in San Fernando de Atabapo zusammen, w?hlten in aller Eile, und aus ihrer eigenen Mitte, einen neuen Superior und liessen den alten, der zu seinem Ungl?ck zur Visitation ins Land kam, festnehmen. Man legte ihm Fussschellen an, warf ihn in ein Canoe und f?hrte ihn nach Esmeralda als Verbannungsort. Da es von der K?ste zum Schauplatz dieser Emp?rung so weit war, so hofften die M?nche, ihre Frevelthat werde jenseits der grossen Katarakten lange nicht bekannt werden. Man wollte Zeit gewinnen, um zu intriguiren, zu negociiren, um Anklageakten aufzusetzen und all die kleinen R?nke spielen zu lassen, durch die man ?berall in der Welt die Ung?ltigkeit einer ersten Wahl darthut. Der alte Superior seufzte in seinem Kerker zu Esmeralda; ja er wurde von der furchtbaren Hitze und dem best?ndigen Hautreiz durch die Moskitos ernstlich krank. Zum Gl?ck f?r die gest?rzte Autorit?t blieben die meuterischen M?nche nicht einig. Einem Mission?r vom Cassiquiare wurde bange, wie dieser Handel enden sollte; er f?rchtete verhaftet und nach Cadix geschickt zu werden, oder, wie man in den Colonien sagt, baxo partido de registro; aus Angst wurde er seiner Partei untreu und machte sich unversehens davon. Man stellte an der M?ndung des Atabapo, bei den grossen Katarakten, ?berall wo der Fl?chtling auf dem Weg zum untern Orinoco vor?berkommen musste, Indianer als Wachen auf. Trotz dieser Maassregeln kam er nach Angostura und von da in das Missionscollegium von Piritu; er gab seine Collegen an und erhielt zum Lohn f?r seine Aussage den Auftrag, die zu verhaften, mit denen er sich gegen den Pr?sidenten der Missionen verschworen hatte. In Esmeralda, wo man von den politischen St?rmen, die seit dreissig Jahren das alte Europa ersch?ttern, noch gar nicht hat sprechen h?ren, ist der sogenannte alboroto de los frailes noch immer eine wichtige Begebenheit. Hier zu Land, wie im Orient, weiss man nur von Revolutionen, die von den Gewalthabern selbst ausgehen, und wir haben gesehen, dass sie in ihren Folgen eben nicht sehr bedenklich sind.

Wenn die Villa Esmeralda mit ihrer Bev?lkerung von 12--15 Familien gegenw?rtig f?r einen schrecklichen Aufenthaltsort gilt, so kommt diess nur vom Mangel an Anbau, von der Entlegenheit von allen bewohnten Landstrichen und von der furchtbaren Menge der Moskitos. Die Lage der Mission ist ungemein malerisch, das Land umher ?usserst freundlich und sehr fruchtbar. Nie habe ich so gewaltig grosse Bananenb?schel gesehen; Indigo, Zucker, Cacao k?men vortrefflich fort, aber man mag sich nicht die M?he geben, sie zu bauen. Um den Cerro Duida herum gibt es sch?ne Weiden, und wenn die Observanten aus dem Collegium von Piritu nur etwas von der Betriebsamkeit der catalonischen Kapuziner am Carony h?tten, so liefen zwischen dem Cunucunumo und dem Padamo zahlreiche Heerden. Wie die Sachen jetzt stehen, ist keine Kuh, kein Pferd vorhanden und die Einwohner haben oft, zur Busse ihrer Faulheit, nichts zu essen als Schinken von Br?llaffen und das Mehl von Fischknochen, von dem in der Folge die Rede seyn wird. Man baut nur etwas Manioc und Bananen; und wenn der Fischfang nicht reichlich ausf?llt, so ist die Bev?lkerung eines von der Natur so hoch beg?nstigten Landes dem grausamsten Mangel preisgegeben.

Da die wenigen Canoes, die vom Rio Negro ?ber den Cassiquiare nach Angostura gehen, nicht gerne nach Esmeralda hinausfahren, so l?ge die Mission weit besser an der Stelle, wo der Orinoco sich gabelt. Sicher wird dieses grosse Land nicht immer so verwahrlost bleiben wie bisher, da die Unvernunft des M?nchsregiments und der Geist des Monopols, der nun einmal allen K?rperschaften eigen ist, es niederhielten; ja es l?sst sich voraussagen, an welchen Punkten l?ngs des Orinoco Gewerbfleiss und Handel sich am kr?ftigsten entwickeln werden. Unter allen Himmelsstrichen dr?ngt sich die Bev?lkerung vorz?glich an den M?ndungen der Nebenfl?sse zusammen. Durch den Rio Apure, auf dem die Erzeugnisse der Provinzen Barinas und Metida ausgef?hrt werden, muss die kleine Stadt Cabruta eine grosse Bedeutung erhalten; sie wird mit San Fernando de Apure concurriren, wo bis jetzt der ganze Handel concentrirt war. Weiter oben wird sich eine neue Niederlassung am Einfluss des Meta bilden, der ?ber die Llanos am Casanare mit Neu-Grenada in Verbindung steht. Die zwei Missionen bei den Katarakten werden sich vergr?ssern, weil diese Punkte durch den Transport der Piroguen sehr lebhaft werden m?ssen; denn das ungesunde, nasse Klima und die furchtbare Menge der Moskitos werden dem Fortschritt der Cultur am Orinoco so wenig Einhalt thun als am Magdalenenstrom, sobald einmal ernstliches kaufm?nnisches Interesse neue Ansiedler herzieht. Gewohnte Uebel werden leichter ertragen, und wer in Amerika geboren ist, hat keine so grossen Schmerzen zu leiden wie der frisch angekommene Europ?er. Auch wird wohl die allm?hlige Ausrodung der W?lder in der N?he der bewohnten Orte die schreckliche Plage der M?cken etwas vermindern. In San Fernando de Atabapo, Javita, San Carlos, Esmeralda werden wohl Bev?lkerung und Wohlstand bedeutend zunehmen. Mit diesen fruchtbaren, aber brach liegenden L?ndern, durch welche der Guallaga, der Amazonenstrom und der Orinoco ziehen, wird es gehen wie mit der Landenge von Panama, dem Nicaraguasee und dem Rio Huasacualco, durch welche zwei Meere mit einander in Verbindung stehen. Mangelhafte Staatsformen konnten seit Jahrhunderten Orte, in denen der Welthandel seine Mittelpunkte haben sollte, in W?sten verwandeln; aber die Zeit ist nicht mehr fern, wo diese Fesseln fallen werden; eine widersinnige Verwaltung kann sich nicht ewig dem Gesammtinteresse der Menschheit entgegenstemmen, und unwiderstehlich muss die Cultur in L?ndern einziehen, welche die Natur selbst durch die physische Gestaltung des Bodens, durch die erstaunliche Verzweigung der Fl?sse und durch die N?he zweier Meere, welche die K?sten Europas und Indiens besp?len, zu grossen Geschicken ausersehen hat.

Esmeralda ist ber?hmt als der Ort, wo am besten am Orinoco das starke Gift bereitet wird, das im Krieg, zur Jagd, und, was seltsam klingt, als Mittel gegen gastrische Beschwerden dient. Das Gift der Ticunas am Amazonenstrom, das Upas-Tieute auf Java und das Curare in Guyana sind die t?dtlichsten Substanzen, die man kennt. Bereits am Ende des sechzehnten Jahrhunderts hatte Ralegh das Wort Urari geh?rt, wie man einen Pflanzenstoff nannte, mit dem man die Pfeile vergiftete. Indessen war nichts Zuverl?ssiges ?ber dieses Gift in Europa bekannt geworden. Die Mission?re Gumilla und Gili hatten nicht bis in die L?nder kommen k?nnen, wo das Curare bereitet wird. Gumilla behauptete, >>diese Bereitung werde sehr geheim gehalten; der Hauptbestandtheil komme von einem unterirdischen Gew?chs, von einer knolligten Wurzel, die niemals Bl?tter treibe und rais de si misma sey; durch die giftigen D?nste aus den Kesseln gehen die alten Weiber , die man zur Arbeit verwende, zu Grunde; endlich, die Pflanzens?fte erscheinen erst dann concentrirt genug, wenn ein paar Tropfen des Safts auf eine gewisse Entfernung eine Repulsivkraft auf das Blut aus?ben. Ein Indianer ritzt sich die Haut; man taucht einen Pfeil in das fl?ssige Curare und bringt ihn der Stichwunde nahe. Das Gift gilt f?r geh?rig concentrirt, wenn es das Blut in die Gef?sse zur?cktreibt, ohne damit in Ber?hrung gekommen zu seyn.<< -- Ich halte mich nicht dabei auf, diese von Pater Gumilla zusammengebrachten Volksm?hren zu widerlegen. Warum h?tte der Mission?r nicht glauben sollen, dass das Curare aus der Ferne wirke, da er unbedenklich an die Eigenschaften einer Pflanze glaubte, deren Bl?tter erbrechen machen oder purgiren, je nachdem man sie von oben herab oder von unten herauf vom Stiele reisst?

Als wir nach Esmeralda kamen, kehrten die meisten Indianer von einem Ausflug ostw?rts ?ber den Rio Padamo zur?ck, wobei sie Juvias oder die Fr?chte der Bertholletia und eine Schlingpflanze, welche das Curare gibt, gesammelt hatten. Diese Heimkehr wurde durch eine Festlichkeit begangen, die in der Mission la fiesta de las Juvias heisst und unsern Ernte- und Weinlesefesten entspricht. Die Weiber hatten viel gegohrenes Getr?nke bereitet, und zwei Tage lang sah man nur betrunkene Indianer. Bei V?lkern, f?r welche die Fr?chte der Palmen und einiger andern B?ume, welche Nahrungsstoff geben, von grosser Wichtigkeit sind, wird die Ernte der Fr?chte durch ?ffentliche Lustbarkeiten gefeiert, und man theilt das Jahr nach diesen Festen ein, die immer auf dieselben Zeitpunkte fallen.

Das Gl?ck wollte, dass wir einen alten Indianer trafen, der weniger betrunken als die andern und eben besch?ftigt war, das Curaregift aus den frischen Pflanzen zu bereiten. Der Mann war der Chemiker des Orts. Wir fanden bei ihm grosse th?nerne Pfannen zum Kochen der Pflanzens?fte, flachere Gef?sse, die durch ihre grosse Oberfl?che die Verdunstung bef?rdern, d?tenf?rmig aufgerolIte Bananenbl?tter zum Durchseihen. der mehr oder weniger faserigte Substanzen enthaltenden Fl?ssigkeiten. Die gr?sste Ordnung und Reinlichkeit herrschten in dieser zum chemischen Laboratorium eingerichteten H?tte. Der Indianer, der uns Auskunft ertheilen sollte, heisst in der Mission der Giftmeister ; er hatte das steife Wesen und den pedantischen Ton, den man fr?her in Europa den Apothekern zum Vorwurf machte. >>Ich weiss,<< sagte er, >>die Weissen verstehen die Kunst, Seife zu machen und das schwarze Pulver, bei dem das Ueble ist, dass es L?rm macht und die Thiere verscheucht, wenn man sie fehlt. Das Curare, dessen Bereitung bei uns vom Vater auf den Sohn ?bergeht, ist besser als Alles, was ihr dort dr?ben zu machen wisst. Es ist der Saft einer Pflanze, der ganz leise t?dtet .<<

Diese chemische Operation, auf die der Meister des Curare so grosses Gewicht legte, schien uns sehr einfach. Das Schlinggew?chs , aus dem man in Esmeralda das Gift bereitet, heisst hier wie in den W?ldern bei Javita. Es ist der Bejuco de Mavacure, und er kommt ?stlich von der Mission am linken Ufer des Orinoco, jenseits des Rio Amaguaca im granitischen Bergland von Guanaya und Yumariquin in Menge vor. Obgleich die Bejucob?ndel, die wir im Hause des Indianers fanden, gar keine Bl?tter mehr hatten, blieb uns doch kein Zweifel, dass es dasselbe Gew?chs aus der Familie der Strychneen war , das wir im Wald beim Pimichin untersucht. Der Mavacure wird ohne Unterschied frisch oder seit mehreren Wochen getrocknet verarbeitet. Der frische Saft der Liane gilt nicht f?r giftig; vielleicht zeigt er sich nur wirksam, wenn er stark concentrirt ist. Das furchtbare Gift ist in der Rinde und einem Theil des Splints enthalten. Man schabt mit einem Messer 4--5 Linien dicke Mavacurezweige ab und zerst?sst die abgeschabte Rinde auf einem Stein, wie er zum Reiben des Maniocmehls dient, in ganz d?nne Fasern. Da der giftige Saft gelb ist, so nimmt die ganze faserigte Masse die n?mliche Farbe an. Man bringt dieselbe in einen 9 Zoll hohen, 4 Zoll weiten Trichter. Diesen Trichter strich der Giftmeister unter allen Ger?thschaften des indianischen Laboratoriums am meisten heraus. Er fragte uns mehreremale, ob wir por alla jemals etwas gesehen h?tten, das seinem Embado gleiche? Es war ein d?tenf?rmig aufgerolltes Bananenblatt, das in einer andern st?rkeren D?te aus Palmbl?ttern steckte; die ganze Vorrichtung ruhte auf einem leichten Gestell von Plattstielen und Fruchtspindeln einer Palme. Man macht zuerst einen kalten Aufguss, indem man Wasser an den faserigten Stoff, die gestossene Rinde des Mavacure, giesst. Mehrere Stunden lang tropft ein gelblichtes Wasser vom Embudo, dem Blatttrichter, ab. Dieses durchsickernde Wasser ist die giftige Fl?ssigkeit; sie erh?lt aber die geh?rige Kraft erst dadurch, dass man sie wie die Melasse in einem grossen th?nernen Gef?ss abdampft. Der Indianer forderte uns von Zeit zu Zeit auf, die Fl?ssigkeit zu kosten; nach dem mehr oder minder bittern Geschmack beurtheilt man, ob der Saft eingedickt genug ist. Dabei ist keine Gefahr, da das Curare nur dann t?dtlich wirkt, wenn es unmittelbar mit dem Blut in Ber?hrung kommt. Desshalb sind auch, was auch die Mission?re am Orinoco in dieser Beziehung gesagt haben m?gen, die D?mpfe vom Kessel nicht sch?dlich. Fontana hat durch seine sch?nen Versuche mit dem Ticunasgift vom Amazonenstrom l?ngst dargethan, dass die D?mpfe, die das Gift entwickelt, wenn man es auf gl?hende Kohlen wirft, ohne Schaden eingeathmet werden, und dass es unrichtig ist, wenn La Condamine behauptet, zum Tode verurtheilte indianische Weiber seyen durch die D?mpfe des Ticunasgifts get?dtet worden.

Der noch so stark eingedickte Saft des Mavacure ist nicht dick genug, um an den Pfeilen zu haften. Also bloss um dem Gift K?rper zu geben, setzt man dem eingedickten Ausguss einen andern sehr klebrigten Pflanzensaft bei, der von einem Baum mit grossen Bl?ttern, genannt Kiracaguero, kommt. Da dieser Baum sehr weit von Esmeralda w?chst, und er damals so wenig als der Bejuco de Mavacure Bl?then und Fr?chte hatte, so k?nnen wir ihn botanisch nicht bestimmen. Ich habe schon mehrmals davon gesprochen, wie oft ein eigenes Missgeschick die interessantesten Gew?chse der Untersuchung der Reisenden entzieht, w?hrend tausend andere, bei denen man nichts von chemischen Eigenschaften weiss, voll Bl?then und Fr?chten h?ngen. Reist man schnell, so bekommt man selbst unter den Tropen, wo die Bl?thezeit der holzigten Gew?chse so lange dauert, kaum an einem Achttheil der Gew?chse die Fructificationsorgane zu sehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man, ich sage nicht die Familie, aber Gattung und Art bestimmen kann, ist demnach gleich 1 zu 8, und dieses nachtheilige Verh?ltniss empfindet man begreiflich noch schwerer, wenn man dadurch um die n?here Kenntniss von Gegenst?nden kommt, die noch in anderer Hinsicht als nur f?r die beschreibende Botanik von Bedeutung sind.

Sobald der klebrigte Saft des Kiracaguero-Baums dem eingedickten, kochenden Giftsaft zugegossen wird, schw?rzt sich dieser und gerinnt zu einer Masse von der Consistenz des Theers oder eines dicken Syrups. Diese Masse ist nun das Curare, wie es in den Handel kommt. H?rt man die Indianer sagen, zur Bereitung des Giftes sey der Kiracaguero so nothwendig als der Bejuco de Mavacure, so kann man auf die falsche Vermuthung kommen, auch ersterer enthalte einen sch?dlichen Stoff, w?hrend er nur dazu dient, dem eingedickten Curaresaft mehr K?rper zu geben . Der Farbenwechsel der Mischung r?hrt von der Zersetzung einer Verbindung von Kohlenstoff und Wasserstoff her. Der Wasserstoff verbrennt und der Kohlenstoff wird frei. Das Curare wird in den Fr?chten der Crescentia verkauft; da aber die Bereitung desselben in den H?nden weniger Familien ist und an jedem Pfeile nur unendlich wenig Gift haftet, so ist das Curare bester Qualit?t, das von Esmeralda und Mandavaca, sehr theuer. Ich sah f?r zwei Unzen 5--6 Franken bezahlen. Getrocknet gleicht der Stoff dem Opium; er zieht aber die Feuchtigkeit stark an, wenn er der Luft ausgesetzt wird. Er schmeckt sehr angenehm bitter und Bonpland und ich haben oft kleine Mengen verschluckt. Gefahr ist keine dabei, wenn man nur sicher ist, dass man an den Lippen oder am Zahnfleisch nicht blutet. Bei Mangilis neuen Versuchen mit dem Viperngift verschluckte einer der Anwesenden alles Gift, das von vier grossen italienischen Vipern gesammelt werden konnte, ohne etwas darauf zu sp?ren. Bei den Indianern gilt das Curare, innerlich genommen, als ein treffliches Magenmittel. Die Piravas- und Salivas-Indianer bereiten dasselbe Gift; es hat auch ziemlichen Ruf, ist aber doch nicht so gesucht wie das von Esmeralda. Die Bereitungsart scheint ?berall ungef?hr dieselbe; es liegt aber kein Beweis vor, dass die verschiedenen Gifte, welche unter demselben Namen am Orinoco und am Amazonenstrom verkauft werden, identisch sind und von derselben Pflanze herr?hren. Orfila hat daher sehr wohl gethan, wenn er in seiner Toxicologie g?n?rale das Woorara aus holl?ndisch Guyana, das Curare vom Orinoco, das Ticuna vom Amazonenstrom und all die Substanzen, welche man unter dem unbestimmten Namen >>amerikanische Gifte<< zusammenwirft, f?r sich betrachtet. Vielleicht findet man einmal in Giftpflanzen aus verschiedenen Gattungen eine gemeinschaftliche alkalische Basis, ?hnlich dem Morphium im Opium und der Vauqueline in den Strychnosarten.

Man unterscheidet am Orinoco zwischen Curare de raiz und Curare de bejuco . Wir haben nur letzteres bereiten sehen; erstens ist schw?cher und weit weniger gesucht. Am Amazonenstrom lernten wir die Gifte verschiedener Indianerst?mme kennen, der Ticunas, Yaguas, Pevas und Xibaros, die von derselben Pflanze kommen und vielleicht nur mehr oder weniger sorgf?ltig zubereitet sind. Das Toxique des Ticunas, das durch La Condamine in Europa so ber?hmt geworden ist und das man jetzt, etwas uneigentlich, >>Ticuna<< zu nennen anf?ngt, kommt von einer Liane, die auf der Insel Mormorote im obern Maragnon w?chst. Dieses Gift wird zum Theil von den Ticunas-Indianern bezogen, die auf spanischem Gebiet bei den Quellen des Yacarique unabh?ngig geblieben sind, zum Theil von den Indianern desselben Stammes, die in der portugiesischen Mission Loreto leben. Da Gifte in diesem Klima f?r J?gerv?lker ein unentbehrliches Bed?rfniss sind, so widersetzen sich die Mission?re am Orinoco und Amazonenstrom der Bereitung derselben nicht leicht. Die hier genannten Gifte sind v?llig verschieden vom Gift von la Peca und vom Gift von Lamas und Moyobamba. Ich f?hre diese Einzelnheiten an, weil die Pflanzenreste, die wir untersuchen konnten, uns den Beweis geliefert haben, dass die drei Gifte, das der Ticunas, das von la Pera und das von Moyobamba, nicht von derselben Art kommen, wahrscheinlich nicht einmal von verwandten Gew?chsen. So einfach das Curare ist, so langwierig und verwickelt ist die Bereitungsweise des Giftes von Moyobamba. Mit dem Saft des Bejuco de Ambihuasca, dem Hauptingrediens, mischt man Piment , Tabak, Barbasco , Sanango und die Milch einiger andern Apocyneen. Der frische Saft der Ambihuasca wirkt t?dtlich, wenn er mit dem Blut in Ber?hrung kommt; der Saft des Mavacure wird erst durch Einkochen ein t?dtliches Gift, und der Saft der Wurzel der Jatropha Manihot verliert durch Kochen ganz seine sch?dliche Eigenschaft. Als ich bei sehr grosser Hitze die Liane, von der das schreckliche Gift von la Pera kommt, lange zwischen den Fingern rieb, wurden mir die H?nde pelzigt; eine Person, die mit mir arbeitete, sp?rte gleich mir diese Folgen einer raschen Aufsaugung durch die unverletzten Hautdecken.

Ich lasse mich hier auf keine Er?rterung der physiologischen Wirkungen dieser Gifte der neuen Welt ein, die so rasch t?dten, wie die Strychnosarten Asiens , aber ohne, wenn sie in den Magen kommen, Erbrechen zu erregen und ohne die gewaltige Reizung des R?ckenmarks, welche den bevorstehenden Tod verk?ndet. Wir haben w?hrend unseres Aufenthalts in Amerika Curare vom Orinoco und Bambusrohrst?cke mit Gift der Ticunas und von Moyobamba den Chemikern Fourcroy und Vauquelin ?bermacht; wir haben ferner nach unserer R?ckkehr Magendie und Delille, die mit den Giften der neuen Welt so sch?ne Versuche angestellt, Curare mitgetheilt, das auf dem Transport durch feuchte L?nder schw?cher geworden war. Am Orinoco wird selten ein Huhn gespeist, das nicht durch einen Stich mit einem vergifteten Pfeil get?dtet worden w?re; ja die Mission?re behaupten, das Fleisch der Thiere sey nur dann gut, wenn man dieses Mittel anwende. Unser Reisebegleiter, der am dreit?gigen Fieber leidende Pater Zea, liess sich jeden Morgen einen Pfeil und das Huhn, das wir speisen sollten, lebend in seine H?ngematte bringen. Er h?tte eine Operation, auf die er trotz seines Schw?chezustandes ein sehr grosses Gewicht legte, keinem Andern ?berlassen m?gen. Grosse V?gel, z. B. ein Guan oder ein Hocco sterben, wenn man sie in den Schenkel sticht, in 2--3 Minuten; bei einem Schwein oder Pecari dauert es oft 10--12. Bonpland fand, dass dasselbe Gift in verschiedenen D?rfern, wo man es kaufte, sehr verschieden war. Wir bekamen am Amazonenstrom ?chtes Gift der Ticunas-Indianer, das schw?cher war als alle Sorten des Curare vom Orinoco. Es w?re unn?tz, den Reisenden die Angst ausreden zu wollen, die sie h?ufig ?ussern, wenn sie bei der Ankunft in den Missionen h?ren, dass die H?hner, die Affen, die Leguans, die grossen Flussfische, die sie essen, mit vergifteten Pfeilen get?dtet sind. Gew?hnung und Nachdenken machen dieser Angst bald ein Ende. Magendie hat sogar durch sinnreiche Versuche mit der Transfusion dargethan, dass das Blut von Thieren, die mit den ostindischen bittern Strychnosarten get?dtet worden sind, auf andere Thiere keine sch?dliche Wirkung ?ussert. Einem Hund wurde eine bedeutende Menge vergifteten Bluts in die Venen gespritzt; es zeigte sich aber keine Spur von Reizung des R?ckenmarks.

Ich brachte das st?rkste Curare mit den Schenkelnerven eines Frosches in Ber?hrung, ohne, wenn ich den Grad der Irritabilit?t der Organe mittelst eines aus heterogenen Metallen bestehenden Bogens mass, eine merkliche Ver?nderung wahrzunehmen. Aber bei V?geln, wenige Minuten nachdem ich sie mit einem vergifteten Pfeile get?dtet, wollten die galvanischen Versuche so gut wie nicht gelingen. Diese Beobachtungen sind von Interesse, da ermittelt ist, dass auch eine Aufl?sung von Upas Tieute, wenn man sie auf den H?ftnerven giesst oder in das Nervengewebe selbst bringt, wenn sie also mit der Marksubstanz selbst in Ber?hrung kommt, gleichfalls auf die Irritabilit?t der Organe keinen merkbaren Einfluss ?ussert. Das Curare, wie die meisten andern Strychneen werden nur dann gef?hrlich, wenn das Gift auf das Gef?sssystem wirkt. In Maypures r?stete ein Farbiger f?r Bonpland giftige Pfeile, wie man sie in die Blaserohre steckt, wenn man kleine Affen und V?gel jagt. Es war ein Zimmermann von ungemeiner Muskelkraft. Er hatte die Unvorsichtigkeit, das Curare zwischen den Fingern zu reiben, nachdem er sich unbedeutend verletzt, und st?rzte zu Boden, von einem Schwindel ergriffen, der eine halbe Stunde anhielt. Zum Gl?ck war es nur schwaches Curare, dessen man sich bedient, um sehr kleine Thiere zu schiessen, das heisst solche, welche man wieder zum Leben bringen will, indem man salzsaures Natron in die Wunde reibt. Auf unserer R?ckfahrt von Esmeralda nach Atures entging ich selbst einer ziemlich nahen Gefahr. Das Curare hatte Feuchtigkeit angezogen, war fl?ssig geworden und aus dem schlecht verschlossenen Gef?ss ?ber unsere W?sche gelaufen. Beim Waschen vergass man einen Strumpf innen zu untersuchen, der voll Curare war, und erst als ich den klebrigten Stoff mit der Hand ber?hrte, merkte ich, dass ich einen vergifteten Strumpf angezogen h?tte. Die Gefahr war desto gr?sser, da ich gerade an den Zehen blutete, weil mir Sandfl?he schlecht ausgegraben worden waren. Aus diesem Fall m?gen Reisende abnehmen, wie vorsichtig man seyn muss, wenn man Gift mit sich f?hrt.

In Europa wird die Untersuchung der Eigenschaften der Gifte der neuen Welt eine sch?ne Aufgabe f?r Chemie und Physiologie seyn, wenn man sich einmal bei st?rkerem Verkehr aus den L?ndern, wo sie bereitet werden, und so, dass sie nicht zu verwechseln sind, all die Gifte verschaffen kann, das Curare de Bejuco, das Curare de Raiz, und die verschiedenen Sorten vom Amazonenstrom, vom Guallaga und aus Brasilien. Da die Chemie die reine Blaus?ure und so viele neue sehr giftige Stoffe entdeckt hat, wird man in Europa hinsichtlich der Einf?hrung dieser von wilden V?lkern bereiteten Gifte nicht mehr so ?ngstlich seyn; indessen kann man doch allen, die in sehr volkreichen St?dten so heftig wirkende Stoffe in H?nden haben, nicht genug Vorsicht empfehlen. Was unsere botanische Kenntniss der Gew?chse betrifft, aus denen Gift bereitet wird, so werden sie sich nur ?usserst langsam berichtigen. Die meisten Indianer, die sich mit der Verfertigung vergifteter Pfeile abgeben, sind mit dem Wesen der giftigen Substanzen, die sie aus den H?nden anderer V?lker erhalten, v?llig unbekannt. Ueber der Geschichte der Gifte und Gegengifte liegt ?berall der Schleier des Geheimnisses. Ihre Bereitung ist bei den Wilden Monopol der Piaches, die zugleich Priester, Gaukler und Aerzte sind, und nur von den in die Missionen versetzten Eingeborenen kann man ?ber diese r?thselhaften Stoffe etwas Sicheres erfahren. Jahrhunderte vergingen, ehe Mutis' Beobachtungsgeist die Europ?er mit dem Bejuco del Guaco bekannt machte, welch das kr?ftigste Gegengift gegen den Schlangenbiss ist und das wir zuerst botanisch beschreiben konnten.

In den Missionen herrscht allgemein die Meinung, Rettung sey unm?glich, wenn das Curare frisch und stark eingedickt und so lange in der Wunde geblieben ist, dass viel davon in den Blutlauf ?bergegangen. Unter allen Gegenmitteln, die man am Orinoco und im indischen Archipel braucht, ist das salzsaure Natron das verbreitetste. Man reibt die Wunde mit dem Salz und nimmt es innerlich. Ich selbst kenne keinen geh?rig beglaubigten Fall, der die Wirksamkeit des Mittels bewiese, und Magendies und Delilles Versuche sprechen vielmehr dagegen. Am Amazonenstrom gilt der Zucker f?r das beste Gegengift, und da das salzsaure Natron den Indianern in den W?ldern fast ganz unbekannt ist, so ist wahrscheinlich der Bienenhonig und der mehligte Zucker, den die an der Sonne getrockneten Bananen ausschwitzen, fr?her in ganz Guyana zu diesem Zweck gebraucht worden. Ammoniak und Lucienwasser sind ohne Erfolg gegen das Curare versucht worden; man weiss jetzt, wie unzuverl?ssig diese angeblichen specifischen Mittel auch gegen Schlangenbiss sind. Sir Everard Home hat dargethan, dass man die Heilung meist einem Mittel zuschreibt, w?hrend sie nur erfolgt ist, weil die Verwundung unbedeutend und die Wirkung des Giftes eine sehr beschr?nkte war. Man kann Thiere ohne Schaden mit vergifteten Pfeilen verwunden, wenn die Wunde offen bleibt und man die vergiftete Spitze nach der Verwundung sogleich zur?ckzieht. Wendet man in solchen F?llen Salz oder Zucker an, so wird man verf?hrt, sie f?r vortreffliche specifische Mittel zu halten. Nach der Schilderung von Indianern, die im Krieg mit Waffen, die in Curare getaucht gewesen, verwundet worden, sind die Symptome ganz ?hnlich wie beim Schlangenbiss. Der Verwundete f?hlt Congestionen gegen den Kopf, und der Schwindel n?thigt ihn, sich niederzusetzen; sodann Uebelseyn, wiederholtes Erbrechen, brennender Durst und das Gef?hl von Pelzigtseyn am verwundeten K?rpertheil.

Dem alten Indianer, dem Giftmeister, schien es zu schmeicheln, dass wir ihm bei seinem Laboriren mit so grossem Interesse zusahen. Er fand uns so gescheit, dass er nicht zweifelte, wir k?nnten Seife machen; diese Kunst erschien ihm, nach der Bereitung des Curare, als eine der sch?nsten Erfindungen des menschlichen Geistes. Als das fl?ssige Gift in die zu seiner Aufnahme bestimmten Gef?sse gegossen war, begleiteten wir den Indianer zum Juvias-Feste. Man feierte durch T?nze die Ernte der Juvias, der Fr?chte der Bertholletia excelsa, und ?berliess sich der rohesten V?llerei. In der H?tte, wo die Indianer seit mehreren Tagen zusammenkamen, sah es ganz seltsam aus. Es waren weder Tische noch B?nke darin, aber grosse gebratene, vom Rauch geschw?rzte Affen sah man symmetrisch an die Wand gelehnt. Es waren Marimondas und die b?rtigen sogenannten Kapuzineraffen, die man nicht mit dem Machi oder Sa? verwechseln darf. Die Art, wie diese menschen?hnlichen Thiere gebraten werden, tr?gt viel dazu bei, wenn ihr Anblick dem civilisirten Menschen so widerw?rtig ist. Ein kleiner Rost oder Gitter aus sehr hartem Holz wird einen Fuss ?ber dem Boden befestigt. Der abgezogene Affe wird zusammengebogen, als s?sse er; meist legt man ihn so, dass er sich auf seine langen, mageren Arme st?tzt, zuweilen kreuzt man ihm die H?nde auf dem R?cken. Ist er auf dem Gitter befestigt, so z?ndet man ein helles Feuer darunter an. Flammen und Rauch umspielen den Affen und er wird zugleich gebraten und berusst. Sieht man nun die Eingeborenen Arm oder Bein eines gebratenen Affen verzehren, so kann man sich kaum des Gedankens erwehren, die Gewohnheit, Thiere zu essen, die im K?rperbau dem Menschen so nahe stehen, m?ge in gewissem Grade dazu beitragen, dass die Wilden so wenig Abscheu vor dem Essen von Menschenfieisch haben. Die gebratenen Affen, besonders solche mit sehr rundem Kopf, gleichen auf schauerliche Weise Kindern, daher auch Europ?er, wenn sie sich von Vierh?ndern n?hren m?ssen, lieber Kopf und H?nde abschneiden und nur den Rumpf auftragen lassen. Das Affenfleisch ist so mager und trocken, dass Bonpland in seinen Sammlungen in Paris einen Arm und eine Hand aufbewahrt hat, die in Esmeralda am Feuer ger?stet worden; nach vielen Jahren rochen diese Theile nicht im Geringsten.

Wir sahen die Indianer tanzen. Der Tanz ist um so einf?rmiger, da die Weiber nicht daran Theil nehmen d?rfen. Die M?nner, alt und jung, fassen sich bei den H?nden, bilden einen Kreis und drehen sich so, bald rechts, bald links, stundenlang, in schweigsamem Ernst. Meist machen die T?nzer selbst die Musik dazu. Schwache T?ne, auf einer Reihe von Rohrst?cken von verschiedener L?nge geblasen, bilden eine langsame, melancholische Begleitung. Um den Takt anzugeben, beugt der Vort?nzer im Rhythmus beide Kniee. Zuweilen bleiben alle stehen und machen kleine schwingende Bewegungen, indem sie den K?rper seitlich hin und her werfen. Jene in eine Reihe geordneten und zusammengebundenen Rohrst?cke gleichen der Pansfl?te, wie wir sie bei bacchischen Aufz?gen auf grossgriechischen Vasen abgebildet sehen. Es ist ein h?chst einfacher Gedanke, der allen V?lkern kommen musste, Rohre von verschiedener L?nge zu vereinigen und sie nach einander, w?hrend man sie an den Lippen vorbeif?hrt, anzublasen. Nicht ohne Verwunderung sahen wir, wie rasch junge Indianer, wenn sie am Fluss Rohr fanden, dergleichen Pfeifen schnitten und stimmten. In allen Himmelsstrichen leisten diese Gr?ser mit hohem Halme den Menschen im Naturzustand mancherlei Dienste. Die Griechen sagten mit Recht, das Rohr sey ein Mittel gewesen zur Unterjochung der V?lker, weil es Pfeile liefere, zur Milderung der Sitten durch den Reiz der Musik, zur Geistesentwicklung, weil es das erste Werkzeug geboten, mit dem man Buchstaben geschrieben. Diese verschiedenen Verwendungsarten des Rohrs bezeichnen gleichsam drei Abschnitte im Leben der V?lker. Die Horden am Orinoco stehen unl?ugbar auf der untersten Stufe einer beginnenden Culturentwicklung. Das Rohr dient ihnen nur zu Krieg und Jagd und Pans Fl?te sind auf jenen fernen Ufern noch keine T?ne entlockt worden, die sanfte, menschliche Empfindungen wecken k?nnen.

In der Festh?tte fanden wir verschiedene vegetabilische Produkte, welche die Indianer aus den Bergen von Guanaya mitgebracht und die unsere ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen. Ich verweile hier nur bei der Frucht des Juvia, bei den Rohren von ganz ungew?hnlicher L?nge und bei den Hemden aus der Rinde des Marimabaums. Der Almendron oder Juvia, einer der grossartigsten B?ume in den W?ldern der neuen Welt, war vor unserer Reise an den Rio Negro so gut wie unbekannt. Vier Tagreisen ?stlich von Esmeralda, zwischen dem Padamo und dem Ocamo am Fuss des Cerro Mapaya, am rechten Ufer des Orinoco, tritt er nach und nach auf; noch h?ufiger ist er auf dem linken Ufer beim Cerro Guanaya zwischen dem Rio Amaguaca und dem Gehette. Die Einwohner von Esmeralda versicherten uns, oberhalb des Gehette und des Chiguire werde der Juvia und der Cacaobaum so gemein, dass die wilden Indianer die Indianer aus den Missionen ungest?rt die Fr?chte sammeln lassen. Sie missg?nnen ihnen nicht, was ihnen die Natur auf ihrem eigenen Grund und Boden so reichlich schenkt. Kaum noch hat man es am obern Orinoco versucht, den Almendron fortzupflanzen. Die Tr?gheit der Einwohner l?sst es noch weniger dazu kommen als der Umstand, dass das Oel in den mandelf?rmigen Samen so schnell ranzigt wird. Wir fanden in der Mission San Carlos nur drei B?ume und in Esmeralda zwei. Die majest?tischen St?mme waren acht bis zehn Jahre alt und hatten noch nicht gebl?ht. Wie oben erw?hnt, fand Bonpland Almendrons unter den B?umen am Ufer des Cassiquiare in der N?he der Stromschnellen von Cananivacari.

Schon im sechzehnten Jahrhundert sah man in Europa, nicht die grosse Steinfrucht in der Form einer Cocosnuss, welche die Mandeln enth?lt, wohl aber die Samen mit holzigter dreieckigter H?lle. Ich erkenne diese auf einer ziemlich mangelhaften Zeichnung des Clusius. Dieser Botaniker nennt sie Almendras del Peru, vielleicht weil sie als eine sehr seltene Frucht an den obern Amazonenstrom und von dort ?ber die Cordilleren nach Quito und Peru gekommen waren. Jean de Laet's Novus Orbis, in dem ich die erste Nachricht vom Kuhbaum fand, enth?lt auch eine Beschreibung und ganz richtige Abbildung des Samens der Bertholletia. Laet nennt den Baum Totocke und erw?hnt der Steinfrucht von der Gr?sse eines Menschenkopfs, welche die Samen enth?lt. Diese Fr?chte, erz?hlt er, seyen so ungemein schwer, dass die Wilden es nicht leicht wagen, die W?lder zu betreten, ohne Kopf und Schultern mit einem Schild aus sehr hartem Holz zu bedenken. Von solchen Schilden wissen die Eingeborenen in Esmeralda nichts, wohl aber sprachen sie uns auch davon, dass es gef?hrlich sey, wenn die Fr?chte reifen und 50 bis 60 Fuss hoch herabfallen. In Portugal und England verkauft man die dreieckigten Samen des Juvia unter dem unbestimmten Namen Kastanien oder N?sse aus Brasilien und vom Amazonenstrom, und man meinte lange, sie wachsen, wie die Frucht der Pekea, einzeln auf Fruchtstielen. Die Einwohner von Gran-Para treiben seit einem Jahrhundert einen ziemlich starken Handel damit. Sie schicken sie entweder direkt nach Europa oder nach Cayenne, wo sie Touka heissen. Der bekannte Botaniker Correa de Serra sagte uns, der Baum sey in den W?ldern bei Macapa an der M?ndung des Amazonenstroms sehr h?ufig und die Einwohner sammeln die Mandeln, wie die der Lecythis, um Oel daraus zu schlagen. Eine Ladung Juviamandeln, die im Jahr 1807 in Havre einlief und von einem Caper aufgebracht war, wurde gleichfalls so ben?tzt.

Der Baum, von dem die die >>brasilianischen Kastanien<< kommen, ist meist nur 2 bis 3 Fuss dick, wird aber 100 bis 120 Fuss hoch. Er hat nicht den Habitus der Mammea, des Sternapfelbaums und verschiedener anderer tropischer B?ume, bei denen die Zweige fast gerade gen Himmel stehen. Bei der Bertholletia stehen die Aeste weit auseinander, sind sehr lang, dem Stamm zu fast bl?tterlos und an der Spitze mit dichten Laubb?scheln besetzt. Durch diese Stellung der halb lederartigen, unterhalb leicht silberfarbigen, ?ber zwei Fuss langen Bl?tter beugen sich die Aeste abw?rts, wie die Wedel der Palmen. Wir haben den majest?tischen Baum nicht bl?hen sehen. Er setzt vor dem f?nfzehnten Jahr keine Bl?then an, und dieselben brechen zu Ende M?rz oder Anfangs April auf. Die Fr?chte reifen gegen Ende Mai, und an manchen St?mmen bleiben sie bis in den August h?ngen. Da dieselben so gross sind wie ein Kindskopf und oft 12 bis 13 Zoll Durchmesser haben, so fallen sie mit gewaltigem Ger?usch vom Baumgipfel. Ich weiss nichts, woran einem die wunderbare Kraft des organischen Lebens im heissen Erdstrich augenf?lliger entgegentr?te, als der Anblick der m?chtigen holzigten Fruchth?llen, z. B. des Cocosbaums unter den Monocotyledonen, und der Bertholletia und der Lecythis unter den Dicotyledonen. In unsern Klimaten bringen allein die K?rbisarten innerhalb weniger Monate Fr?chte von auffallender Gr?sse hervor; aber diese Fr?chte sind fleischigt und saftreich. Unter den Tropen bildet die Bertholletia innerhalb 50 bis 60 Tagen eine Fruchth?lle, deren holzigter Theil einen halben Zoll dick und mit den sch?rfsten Werkzeugen kaum zu durchs?gen ist. Ein bedeutender Naturforscher hat bereits die Bemerkung gemacht, dass das Holz der Fr?chte meist so hart wird, wie das Holz der Baumst?mme nur selten. Die Fruchth?lle der Bertholletia zeigt die Rudimente von vier F?chern; zuweilen habe ich ihrer auch f?nf gefunden. Die Samen haben zwei scharf gesonderte H?llen, und damit ist der Bau der Frucht complicirter als bei den Lecythis-, Pekea- und Saouvari-Arten. Die erste H?lle ist beinartig oder holzigt, dreieckigt, aussen h?ckerigt und zimmtfarbig. Vier bis f?nf, zuweilen acht solcher dreieckigten N?sse sind an einer Scheidewand befestigt. Da sie sich mit der Zeit abl?sen, liegen sie frei in der grossen kugligten Fruchth?lle. Die Kapuzineraffen lieben ungemein die >>brasilianischen Kastanien,<< und schon das Rasseln der Samen, wenn man die Frucht, wie sie vom Baum f?llt, sch?ttelt, macht die Esslust dieser Thiere in hohem Grade rege. Meist habe ich nur 15 bis 22 N?sse in einer Frucht gefunden. Der zweite Ueberzug der Mandeln ist h?utig und braungelb. Der Geschmack derselben ist sehr angenehm, so lange sie frisch sind; aber das sehr reichliche Oel, durch das sie ?konomisch so n?tzlich werden, wird leicht ranzigt. Wir haben am obern Orinoco h?ufig, weil sonst nichts zu haben war, diese Mandeln in bedeutender Menge gegessen und nie einen Nachtheil davon empfunden. Die kugligte Fruchth?lle der Bertholletia ist oben durchbohrt, springt aber nicht auf; das obere bauchigte Ende des S?ulchens bildet allerdings eine Art innern Deckel, wie bei der Frucht der Lecythis, aber er ?ffnet sich nicht wohl von selbst. Viele Samen verlieren durch die Zersetzung des Oels in den Samenlappen die Keimkraft, bevor in der Regenzeit die Holzkapsel der Fruchth?lle in Folge der F?ulniss aufgeht. Nach einem am untem Orinoco weit verbreiteten M?hrchen setzen sich die Kapuziner- und Cacajao-Affen im Kreis umher, klopfen mit einem Stein auf die Frucht und zerschlagen sie wirklich, so dass sie zu den dreieckigten Mandeln kommen k?nnen. Diess w?re wegen der ausnehmenden H?rte und Dicke der Fruchth?lle geradezu unm?glich. Man mag gesehen haben, wie Affen die Fr?chte der Bertholletia am Boden rollten, und dieselben haben zwar ein kleines Loch, an welches das obere Ende des S?ulchens befestigt ist, aber die Natur hat es den Affen nicht so leicht gemacht, die holzigte Fruchth?lle der Juvia zu ?ffnen, wie bei der Lechthis, wo sie den Deckel abnehmen, der in den Missionen la tapa del coca de monos heisst. Nach der Aussage mehrerer sehr glaubw?rdiger Indianer gelingt es nur den kleinen Nagern, namentlich den Agutis , verm?ge des Baues ihrer Z?hne und der unglaublichen Ausdauer, mit der sie ihrem Zerst?rungswerk obliegen, die Frucht der Bertholletia zu durchbohren. Sobald die dreieckigten N?sse auf den Boden ausgestreut sind, kommen alle Thiere des Waldes herbeigeeilt; Affen, Manaviris, Eichh?rner, Agutis, Papagaien und Aras streiten sich um die Beute. Sie sind alle stark genug, um den holzigten Ueberzug des Samens zu zerbrechen; sie nehmen die Mandel heraus und klettern damit auf die B?ume. >>So haben sie auch ihr Fest,<< sagten die Indianer, die von der Ernte kamen, und h?rt man sie sich ?ber die Thiere beschweren, so merkt man wohl, dass sie sich f?r die alleinigen rechtm?ssigen Herren des Waldes halten.

Das h?ufige Vorkommen des Juvia ostw?rts von Esmeralda scheint darauf hinzudeuten, dass die Flora des Amazonenstroms an dem St?ck des obern Orinoco beginnt, das im S?den der Gebirge hinl?uft. Es ist diess gewissermassen ein weiterer Beweis daf?r, dass hier zwei Flussbecken vereinigt sind. Bonpland hat sehr gut auseinandergesetzt, wie man zu verfahren h?tte, um die Bertholletia excelsa am Ufer des Orinoco, des Apure, des Meta, ?berhaupt in der Provinz Venezuela anzupflanzen. Man m?sste da, wo der Baum wild w?chst, die bereits keimenden Samen zu Tausenden sammeln und sie in Kasten mit derselben Erde legen, in der sie zu vegetiren angefangen. Die jungen Pflanzen, durch Bl?tter von Musaceen oder Palmbl?tter gegen die Sonnenstrahlen gesch?tzt, w?rden auf Piroguen oder Fl?sse gebracht. Man weiss, wie schwer in Europa Samen mit hornartiger Fruchth?lle, Palmen, Kaffeearten, Chinaarten und grosse holzigte N?sse mit leicht ranzigt werdendem Oel, zum Keimen zu bringen sind. Alle diese Schwierigkeiten w?ren beseitigt, wenn man nur Samen sammelte, die unter dem Baum selbst gekeimt haben. Auf diese Weise ist es uns gelungen, zahlreiche Exemplare sehr seltener Pflanzen, z. B. die Coumarouna odora oder Tongabohne, von den Katarakten des Orinoco nach Angostura zu bringen und in den benachbarten Pflanzungen zu verbreiten.

Eine der vier Piroguen, mit denen die Indianer auf der Juviasernte gewesen waren, war grossentheils mit der Rohrart gef?llt, aus der Blaserohre gemacht werden. Die Rohre waren 15 bis 17 Fuss lang, und doch war keine Spur von Knoten zum Ansatz von Bl?ttern oder Zweigen zu bemerken. Sie waren vollkommen gerade, aussen glatt und v?llig cylindrisch. Diese Carices kommen vom Fuss der Berge von Yumariquin und Guanaja. Sie sind selbst jenseits des Orinoco unter dem Namen >>Rohr von Esmeralda<< sehr gesucht. Ein J?ger f?hrt sein ganzes Leben dasselbe Blaserohr; er r?hmt die Leichtigkeit, Genauigkeit und Politur desselben, wie wir an unsern Feuergewehren dieselben Eigenschaften r?hmen. Was mag diess f?r ein monocotyledonisches Gew?chs seyn, von dem diese herrlichen Rohre kommen? Haben wir wirklich die Internodia einer Grasart aus der Sippe der Nostoiden vor uns gehabt? oder sollte dieser Carice eine Cyperacea ohne Knoten seyn? Ich vermag diese Fragen<< nicht zu beantworten, so wenig ich weiss, welcher Gattung ein anderes Gew?chs angeh?rt, von dem die Marimahemden kommen. Wir sahen am Abhang des Cerro Duida ?ber 50 Fuss hohe St?mme des Hemdbaums. Die Indianer schneiden cylindrische St?cke von zwei Fuss Durchmesser davon ab und nehmen die rothe, faserigte Rinde weg, wobei sie sich in Acht nehmen, keinen L?ngsschnitt zu machen. Diese Rinde gibt ihnen eine Art Kleidungsst?ck, das S?cken ohne Nath von sehr grobem Stoffe gleicht. Durch die obere Oeffnung steckt man den Kopf, und um die Arme durchzustecken, schneidet man zur Seite zwei L?cher ein. Der Eingeborene tr?gt diese Marimahemden bei sehr starkem Regen; sie haben die Form der baumwollenen Ponchos und Ruanas, die in Neu-Grenada, Quito und Peru allgemein getragen werden. Da die ?berschwengliche Freigebigkeit der Natur in diesen Himmelsstrichen f?r die Hauptursache gilt, warum die Menschen so tr?ge sind, so vergessen die Mission?re, wenn sie Marimahemden vorweisen, nie die Bemerkung zu machen, >>in den W?ldern am Orinoco wachsen die Kleider fertig auf den B?umen<<. Zu dieser Geschichte von den Hemden geh?ren auch die spitzen M?tzen, welche die Blumenscheiden gewisser Palmen liefern und die einem weitmaschigen Gewebe gleichen.

Beim Feste, dem wir beiwohnten, waren die Weiber vom Tanz und jeder ?ffentlichen Lustbarkeit ausgeschlossen; ihr trauriges Gesch?ft bestand darin, den M?nnern Affenbraten, gegohrenes Getr?nk und Palmkohl aufzutragen. Des letzteren Produkts, das wie unser Blumenkohl schmeckt, erw?hne ich nur, weil wir in keinem Lande so ausnehmend grosse St?cke gesehen haben. Die noch nicht entwickelten Bl?tter sind mit dem?jungen Stengel verschmolzen, und wir haben Cylinder gemessen, die sechs Fuss lang und f?nf Zoll dick waren. Eine andere, weit nahrhaftere Substanz kommt aus dem Thierreich, das Fischmehl . Ueberall am obern Orinoco braten die Indianer die Fische, d?rren sie an der Sonne und stossen sie zu Pulver, ohne die Gr?ten davon zu trennen. Ich sah Quantit?ten von 50 bis 60 Pfund dieses Mehls, das aussieht wie Maniocmehl. Zum Essen r?hrt man es mit Wasser zu einem Teige an. Unter allen Klimaten, wo es viele Fische gibt, ist man auf dieselben Mittel zur Aufbewahrung derselben gekommen. So beschreiben Plinius und Diodor von Sicilien das Fischbrod der Ichthyophagen am persischen Meerbusen und am rothen Meer.

In Esmeralda, wie ?berall in den Missionen, leben die Indianer, die sich nicht taufen lassen wollten und sich nur frei der Gemeinde angeschlossen haben, in Polygamie. Die Zahl der Weiber ist bei den verschiedenen St?mmen sehr verschieden, am gr?ssten bei den Caraiben und bei all den V?lkerschaften, bei denen sich die Sitte, junge M?dchen von benachbarten St?mmen zu entf?hren, lange erhalten hat. Wie kann bei einer so ungleichen Verbindung von h?uslichem Gl?ck die Rede seyn! Die Weiber leben in einer Art Sklaverei, wie bei den meisten sehr versunkenen V?lkern. Da die M?nner im Besitz der unumschr?nkten Gewalt sind, so wird in ihrer Gegenwart keine Klage laut. Im Hause herrscht scheinbar Ruhe und die Weiber beeifern sich alle, den W?nschen eines anspruchsvollen, ?bellaunigen Gebieters zuvorzukommen. Sie pflegen ohne Unterschied ihre eigenen Kinder und die der andern Weiber. Die Mission?re versichern , dieser innere Frieden, die Frucht gemeinsamer Furcht, werde gewaltig gest?rt, sobald der Mann l?nger von Hause abwesend sey. Dann behandelt diejenige, mit der sich der Mann zuerst verbunden, die andern als Beischl?ferinnen und M?gde. Der Zank nimmt kein Ende, bis der Gebieter wieder kommt, der durch einen Laut, durch eine blosse Geberde, und wenn er es zweckdienlich erachtet, durch etwas sch?rfere Mittel die Leidenschaften niederzuschlagen weiss. Bei den Tamanacas ist eine gewisse Ungleichheit unter den Weibern hinsichtlich ihrer Rechte durch den Sprachgebrauch bezeichnet. Der Mann nennt die zweite und dritte Frau Gef?hrtinnen der ersten; die erste behandelt die Gef?hrtinnen als Nebenbuhlerinnen und Feinde , was allerdings nicht so h?flich ist, aber wahrer und ausdrucksvoller. Da alle Last der Arbeit auf den ungl?cklichen Weibern liegt, so ist es nicht zu verwundern, dass bei manchen Nationen ihre Anzahl auffallend gering ist. In solchem Falle bildet sich eine Art Vielm?nnerei, wie wir sie, nur entwickelter, in Tibet und im Gebirge am Ende der ostindischen Halbinsel finden. Bei den Avanos und Maypures haben oft mehrere Br?der nur Eine Frau. Wird ein Indianer, der mehrere Weiber hat, Christ, so zwingen ihn die Mission?re, eine zu w?hlen, die er behalten will, und die andern zu verstossen. Der Moment der Trennung ist nun der kritische; der Neubekehrte findet, dass seine Weiber doch h?chst sch?tzbare Eigenschaften haben: die eine versteht sich gut auf die G?rtnerei, die andere weiss Chiza zu bereiten, das berauschende Getr?nk aus der Maniocwurzel; eine erscheint ihm so unentbehrlich wie die andere. Zuweilen siegt beim Indianer das Verlangen, seine Weiber zu behalten, ?ber die Neigung zum Christenthum; meist aber l?sst der Mann den Mission?r w?hlen, und nimmt diess hin wie einen Spruch des Schicksals.

Die Indianer, die vom Mai bis August Fahrten ostw?rts von Esmeralda unternehmen, um in den Bergen von Yumariquin Pflanzenprodukte zu sammeln, konnten uns genaue Auskunft ?ber den Lauf des Orinoco, im Osten der Mission geben. Dieser Theil meiner Reisekarte weicht von den fr?heren v?llig ab. Ich beginne die Beschreibung dieser L?nder mit dem Granitstock des Duida, an dessen Fusse wir weilten. Derselbe wird im Westen vom Rio Tamatama, im Osten vom Rio Guapo begrenzt. Zwischen diesen beiden Nebenfl?ssen des Orinoco, durch die Morichales oder die Geb?sche von Mauritiapalmen, die Esmeralda umgeben, kommt der Rio Sodomoni herab, vielberufen wegen der vortrefflichen Ananas, die an seinen Ufern wachsen. Am 22. Mai mass ich auf einer Grasflur am Fuss des Duida eine Standlinie von 475 Metern; der Winkel, unter dem die Spitze des Berges in 13,327 Meter Entfernung erscheint, betr?gt noch 9 Grad. Nach meiner genauen trigonometrischen Messung ist der Duida 2179 Meter oder 1118 Toisen ?ber der Ebene von Esmeralda hoch, also wahrscheinlich gegen 1300 ?ber dem Meeresspiegel; ich sage wahrscheinlich, denn leider war mein Barometer zerbrochen, ehe wir nach Esmeralda kamen. Der Regen war so stark, dass wir in den Nachtlagern das Instrument nicht vor Feuchtigkeit sch?tzen konnten, und bei der ungleichen Ausdehnung des Holzes zerbrach die R?hre. Der Unfall war mir desto verdriesslicher, weil wohl nie ein Barometer gr?ssere Reisen mitgemacht hat. Ich hatte dasselbe schon seit drei Jahren in Europa in den Gebirgen von Steiermark, Frankreich und Spanien, in Amerika auf dem Wege von Cumana an den obern Orinoco gef?hrt. Das Land zwischen Javita, Vasiva und Esmeralda ist eine weite Ebene, und da ich an den beiden ersteren Orten den Barometer beobachtet habe, so kann ich mich hinsichtlich der absoluten H?he der Savanen am Sodomoni h?chstens um 15--20 Toisen irren. Der Cerro Duida steht an H?he dem St. Gotthard und der Silla bei Caracas am K?stenland von Venezuela nur wenig nach. Er gilt auch hier zu Lande f?r einen colossalen Berg, woraus wir ziemlich sicher auf die mittlere H?he der Sierra Parime und aller Berge im ?stlichen Amerika schliessen k?nnen. Oestlich von der Sierra Nevada de Merida, sowie s?d?stlich vom Paramo de las Rosas erreicht keine der Bergketten, die in der Richtung eines Parallels streichen, die H?he des Centralkamms der Pyren?en. Der Granitgipfel des Duida f?llt so steil ab, dass die Indianer vergeblich versucht haben hinaufzukommen. Bekanntlich sind gar nicht hohe Berge oft am unzug?nglichsten. Zu Anfang und zu Ende der Regenzeit sieht man auf der Spitze des Duida kleine Flammen, und zwar, wie es scheint, nicht immer am selben Ort. Wegen dieser Erscheinung, die bei den ?bereinstimmenden Aussagen nicht wohl in Zweifel zu ziehen ist, hat man den Berg mit Unrecht einen Vulkan genannt. Da er ziemlich isolirt liegt, k?nnte man denken, der Blitz z?nde zuweilen das Strauchwerk an; diess erscheint aber unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, wie schwer in diesem nassen Klima die Gew?chse brennen. Noch mehr: man versichert, es zeigen sich oft kleine Flammen an Stellen, wo das Gestein kaum mit Rasen bedeckt scheint; auch beobachte man ganz ?hnliche Feuererscheinungen, und zwar an Tagen ohne alles Gewitter, am Gipfel des Guaraco oder Murcielago, eines H?gels gegen?ber der M?ndung des Rio Tamatama auf dem s?dlichen Ufer des Orinoco. Dieser H?gel erhebt sich kaum 100 Toisen ?ber die umliegende Ebene. Sind die Aussagen der Eingeborenen begr?ndet, so r?hren beim Duida und dem Guaraco die Flammen wahrscheinlich von einer unterirdischen Ursach her; denn man sieht dergleichen niemals auf den hohen Bergen am Rio Jao und am Berg Maraguaca, um den so oft die Gewitter toben. Der Granit des Cerro Duida ist von theils offenen, theils mit Quarzkrystallen und Kiesen gef?llten G?ngen durchzogen Durch dieselben m?gen gasf?rmige, brennbare Emanationen aufsteigen. In den Gebirgen von Caramanien, im Hindu-Khu und im Himalaya sind dergleichen Erscheinungen h?ufig. In vielen Landstrichen des ?stlichen Amerika, die den Erdbeben ausgesetzt sind, sieht man sogar aus secund?ren Gebirgsbildungen Flammen aus dem Boden brechen. Dieselben zeigen sich, wenn der erste Regen auf den von der Sonne stark erhitzten Boden f?llt, oder wenn dieser nach starken Niederschl?gen wieder zu trocknen anf?ngt. Die Grundursach dieser Feuererscheinungen ist in ungeheurer Tiefe, weit unter den secund?ren Formationen, in den Urgebirgsarten zu suchen; der Regen und die Zersetzung des atmosph?rischen Wassers spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle. Die heissesten Quellen in der Welt kommen unmittelbar aus dem Granit; das Stein?l quillt aus dem Glimmerschiefer; in Encaramada zwischen den Fl?ssen Arauca und Cuchivero, mitten auf dem Granitboden der Sierra Parime am Orinoco, h?rt man furchtbares Get?se. Hier, wie ?berall auf dem Erdball, liegt der Herd der Vulkane in den ?ltesten Bildungen, und zwischen den grossen Ph?nomenen, wobei die Rinde unseres Planeten emporgehoben und geschmolzen wird, und den Feuermeteoren, die sich zuweilen an der Oberfl?che zeigen und die man, ihrer Unbedeutendheit wegen, nur atmosph?rischen Einfl?ssen zuschreiben m?chte, scheint ein Causalzusammenhang zu bestehen.

Der Duida hat zwar nicht die H?he, welche der Volksglaube ihm zuschreibt, er ist aber im ganzen Bergstock zwischen Orinoco und Amazonenstrom der beherrschende Punkt. Diese Berge fallen gegen Nordwest, gegen den Puruname, noch rascher ab als gegen Ost, gegen den Padamo und den Rio Ocamo. In der ersteren Richtung sind die h?chsten Gipfel nach dem Duida der Cuneva, an den Quellen des Rio Paru , der Sipapo, der Calitamini, der mit dem Cunavami und dem Pic Uniana zu Einer Gruppe geh?rt. Ostw?rts vom Duida zeichnen sich durch ihre H?he aus, am rechten Ufer des Orinoco der Maravaca oder die Sierra Maraguaca zwischen dem Rio Caurimoni und dem Padamo, auf dem linken Ufer die Berge von Guanaja und Yumariquin zwischen den Fl?ssen Amaguaca und Gehette. Ich brauche kaum noch einmal zu bemerken, dass die Linie, welche ?ber diese hohen Gipfel l?uft , keineswegs mit der Wasserscheide zusammenf?llt. Die Wasserscheide zwischen den Zufl?ssen des untern und des obern Orinoco schneidet den Meridian von 64? unter dem vierten Grad der Breite. Sie l?uft zuerst zwischen den Quellen des Rio Branco und des Carony durch und dann nach Nordwest, so dass die Gew?sser des Padamo, Jao und Ventuari nach S?d, die Gew?sser des Arui, Caura und Cuchivero nach Nord fliessen.

Man kann von Esmeralda den Orinoco gefahrlos hinausfahren bis zu den Katarakten, an denen die Guaicas-Indianer sitzen, welche die Spanier nicht weiter hinauf kommen lassen; es ist diess eine Fahrt von sechs und einem halben Tag. In den zwei ersten kommt man an den Einfluss des Rio Padamo, nachdem man gegen Nord die kleinen Fl?sse Tamatama, Sodomoni, Guapo, Caurimoni und Simirimoni, gegen S?d dem Einfluss des Cuca zwischen dem H?gel Guaraco, der Flammen auswerfen soll, und dem Cerro Canelilla, hinter sich gelassen. Auf diesem Strich bleibt der Orinoco 300--400 Toisen breit. Auf dem rechten Ufer kommen mehr Fl?sse herein, weil sich an dieser Seite die hohen Berge Duida und Maraguaca hinziehen, auf welchen sich die Wolken lagern, w?hrend das linke Ufer niedrig ist und an die Ebene st?sst, die im Grossen gegen S?dwest abf?llt. Prachtvolle W?lder mit Bauholz bedecken die n?rdlichen Cordilleren. In diesem heissen, best?ndig feuchten Landstrich ist das Wachsthum so stark, dass es St?mme von Bombax Ceiba von 16 Fuss Durchmesser gibt. Der Rio Padamo oder Patamo, ?ber den fr?her die Mission?re am obern Orinoco mit denen am Rio Caura verkehrten, ist f?r die Geographen zu einer Quelle von Irrth?mern geworden. Pater Caulin nennt ihn Macoma und setzt einen andern Rio Patamo zwischen den Punkt der Gabeltheilung des Orinoco und einen Berg Ruida, womit ohne Zweifel der Cerro Duida gemeint ist. Surville l?sst den Padamo sich mit dem Rio Ocamo verbinden, der ganz unabh?ngig von ihm ist; auf der grossen Karte von La Cruz endlich ist ein kleiner Nebenfluss des Orinoco, westlich von der Gabeltheilung, als Rio Padamo bezeichnet und der eigentliche Fluss dieses Namens heisst Rio Maquiritari. Von der M?ndung dieses Flusses, der ziemlich breit ist, kommen die Indianer in einem und einem halben Tag an den Rio Mavaca, der in den hohen Gebirgen von Unturan entspringt, von denen oben die Rede war. Der Trageplatz zwischen den Quellen dieses Nebenflusses und denen des Jdapa oder Siapa hat zu der Fabel vom Zusammenhang des Jdapa mit dem obern Orinoco Anlass gegeben. Der Rio Mavaca steht mit einem See in Verbindung, an dessen Ufer die Portugiesen, ohne Vorwissen der Spanier in Esmeralda, vom Rio Negro her kommen, um die aromatischen Samen des Laurus Pucheri zu sammeln, die im Handel als Pichurimbohne und Toda Specie bekannt sind. Zwischen den M?ndungen des Padamo und des Mavaca nimmt der Orinoco von Nord her den Ocamo aus, in den sich der Rio Matacona ergiesst. An den Quellen des letzteren Flusses wohnen die Guainares, die lange nicht so stark kupferfarbig oder braun sind als die ?brigen Bewohner dieser L?nder. Dieser Stamm geh?rt zu denen, welche bei den Mission?ren Indios blancas heissen, und ?ber die ich bald mehr sagen werde. An der M?ndung des Ocamo zeigt man den Reisenden einen Fels, der im Lande f?r ein Wunder gilt. Es ist ein Granit, der in Gneiss ?bergeht, ausgezeichnet durch die eigenth?mliche Vertheilung des schwarzen Glimmers, der kleine verzweigte Adern bildet. Die Spanier nennen den Fels piedra mapaya .

Ueber dem Einfluss des Mavaca nimmt der Orinoco an Breite und Tiefe auf einmal ab. Sein Lauf wird sehr gekr?mmt, wie bei einem Alpstrom. An beiden Ufern stehen Gebirge; von S?den her kommen jetzt bedeutend mehr Gew?sser herein, indessen bleibt die Cordillere im Norden am h?chsten. Von der M?ndung des Mavaca bis zum Rio Gehette sind es zwei Tagereisen, weil die Fahrt sehr beschwerlich ist und man oft, wegen zu seichten Wassers, die Pirogue am Ufer schleppen muss. Auf dieser Strecke kommen von S?d der Daracapo und der Amaguaca herein; sie laufen nach West und Ost um die Berge von Guanaya und Yumariquin herum, wo man die Fr?chte der Bertholletia sammelt. Von den Bergen gegen Nord, deren H?he vom Cerro Maraguaca an allm?hlich abnimmt, kommt der Rio Manaviche herab. Je weiter man auf dem Orinoco hinaufkommt, desto h?ufiger werden die Kr?mmungen und die kleinen Stromschnellen . Man l?sst links den Ca?o Chiguire, an dem die Guaicas, gleichfalls ein Stamm weisser Indianer, wohnen, und zwei Meilen weiter kommt man zur M?ndung des Gehette, wo sich ein grosser Katarakt befindet. Ein Damm von Granitfelsen l?uft ?ber den Orinoco; diess sind die S?ulen des Hercules, ?ber die noch kein Weisser hinausgekommen ist. Dieser Punkt, der sogenannte Raudal de Guaharibos, scheint 3/4 Grad ostw?rts von Esmeralda, also unter 67?38? der L?nge zu liegen. Durch eine milit?rische Expedition, die der Commandant von San Carlos, Don Francisco Bovadilla, unternommen, um die Quellen des Orinoco aufzusuchen, hat man die genauesten Nachrichten ?ber die Katarakten der Guaharibos. Er hatte erfahren, dass Neger, welche in holl?ndisch Guyana entsprungen, nach West gelaufen seyen und sich zu unabh?ngigen Indianern gesellt haben. Er unternahm eine Entrada ohne Erlaubniss des Statthalters; der Wunsch, afrikanische Sklaven zu bekommen, die zur Arbeit besser taugen als die kupferfarbigen Menschen, war dabei ungleich st?rker im Spiel, als der Eifer f?r die F?rderung der Erdkunde. Ich hatte in Esmeralda und am Rio Negro Gelegenheit, mehrere sehr verst?ndige Milit?rs zu befragen, die den Zug mitgemacht. Bovadilla kam ohne Schwierigkeit bis zum kleinen Raudal dem Gehette gegen?ber; aber am Fuss des Felsdamms, welcher den grossen Katarakt bildet, wurde er unversehens, w?hrend des Fr?hst?cks, von den Guaharibos und den Guaicas ?berfallen, zwei kriegerischen und wegen der St?rke des Curare, mit dem sie ihre Pfeile vergiften, vielberufenen St?mmen. Die Indianer besetzten die Felsen mitten im Fluss. Sie sahen keine Bogen in den H?nden der Spanier, von Feuergewehr wussten sie nichts, und so gingen sie Leuten zu Leibe, die sie f?r wehrlos hielten. Mehrere Weisse wurden gef?hrlich verwundet, und Bovadilla musste die Waffen brauchen. Es erfolgte ein furchtbares Gemetzel unter den Eingeborenen, aber von den holl?ndischen Negern, die sich hieher gefl?chtet haben sollten, wurde keiner gefunden. Trotz des Sieges, der ihnen nicht schwer geworden, wagten es die Spanier nicht, in gebirgigtem Land auf einem tief eingeschnittenen Flusse weiter gegen Ost hinaufzugehen.

Die Guaharibos blancos haben ?ber den Katarakt aus Lianen eine Br?cke geschlagen, die an den Felsen befestigt ist, welche sich, wie meistens in den Pongos im obern Maragnon, mitten aus dem Flussbett erheben. Diese Br?cke, die s?mmtliche Einwohner in Esmeralda wohl kennen, scheint zu beweisen, dass der Orinoco an dieser Stelle bereits ziemlich schmal ist. Die Indianer geben seine Breite meist nur zu 200--300 Fuss an; sie behaupten, oberhalb des Raudals der Guaharibos sey der Orinoco kein Fluss mehr, sondern ein Riachuelo , wogegen ein sehr unterrichteter Geistlicher, Fray Juan Gonzales, der das Land besucht hat, mich versicherte, da, wo man den weiteren Lauf des Orinoco nicht mehr kenne, sey er immer noch zu zwei Drittheilen so breit als der Rio Negro bei San Carlos. Letztere Angabe scheint mir unwahrscheinlicher; ich gebe aber nur wieder, was ich in Erfahrung bringen konnte, und spreche ?ber nichts ab. Nach den vielen Messungen, die ich vorgenommen, weiss ich gut, wie leicht man sich hinsichtlich der Gr?sse der Flussbetten irren kann. Ueberall erscheinen die Fl?sse breiter oder schmaler, je nachdem sie von Bergen oder von Ebenen umgeben, frei oder voll Rissen, von Regeng?ssen geschwellt oder nach langer Trockenheit wasserarm sind. Es verh?lt sich ?brigens mit dem Orinoco wie mit dem Ganges, dessen Lauf nordw?rts von Gangutra nicht bekannt ist; auch hier glaubt man wegen der geringen Breite des Flusses, der Punkt k?nne nicht weit von der Quelle liegen.

Im Felsdamm, der ?ber den Orinoco l?uft und den Raudal der Guaharibos bildet, wollen spanische Soldaten die sch?ne Art Saussurit , von dem oben die Rede war, gefunden haben. Es ist diess eine sehr zweifelhafte Geschichte, und die Indianer, die ich dar?ber befragt, versicherten mich, die gr?nen Steine, die man in Esmeralda Piedras de Macagua nennt, seyen von den Guaicas und Guaharibos gekauft, die mit viel weiter ostw?rts lebenden Horden Handel treiben. Es geht mit diesen Steinen, wie mit so vielen andern kostbaren Produkten beider Indien. An den K?sten, einige hundert Meilen weit weg, nennt man das Land, wo sie vorkommen, mit voller Bestimmtheit; kommt man aber mit M?he und Noth in dieses Land, so zeigt es sich, dass die Eingeborenen das Ding, das man sucht, nicht einmal dem Namen nach kennen. Man k?nnte glauben, die Amulette aus Saussurit, die man bei den Indianern am Rio Negro gefunden, kommen vom untern Amazonenstrom, und die, welche man ?ber die Missionen am obern Orinoco und Rio Carony bezieht, aus einem Landstrich zwischen den Quellen des Essequebo und des Rio Branco. Indessen haben weder der Chirurg Hortsmann, ein gebotener Hildesheimer, noch Don Antonio Santos, dessen Reisetagebuch mir zu Gebot stand, den Amazonenstein auf der Lagerst?tte gesehen, und es ist eine ganz grundlose, obgleich in Angostura stark verbreitete Meinung, dieser Stein komme in weichem, teigigtem Zustand aus dem kleinen See Amucu, aus dem man die Laguna del Dorado gemacht hat. So ist denn in diesem ?stlichen Strich von Amerika noch eine sch?ne geognostische Entdeckung zu machen, n?mlich im Urgebirg ein Euphotidgestein aufzufinden, das die Piedra de Macagna enth?lt.

Ich gebe hier einigen Aufschluss ?ber die Indianerst?mme von weisslichter Hautfarbe und sehr kleinem Wuchs, die alte Sagen seit Jahrhunderten an die Quellen des Orinoco setzen. Ich hatte Gelegenheit, in Esmeralda einige zu sehen, und kann versichern, dass man die Kleinheit der Guaicas und die Weisse der Guaharibos, die Pater Caulin Guaribos blancos nennt, in gleichem Maasse ?bertrieben hat. Die Guaicas, die ich gemessen, messen im Durchschnitt 4 Fuss 7 Zoll bis 4 Fuss 8 Zoll . Man behauptet, der ganze Stamm sey so ausnehmend klein; man darf aber nicht vergessen, dass das, was man hier einen Stamm nennt, im Grunde nur eine einzige Familie ist. Wo alle Vermischung mit Fremden ausgeschlossen ist, pflanzen sich Spielarten und Abweichungen vom gemeinsamen Typus leichter fort. Nach den Guaicas sind die Guainares und die Poignaves die kleinsten unter den Indianern. Es ist sehr auffallend, dass alle diese V?lkerschaften neben den Caraiben wohnen, die von ungemein hohem Wuchse sind. Beide leben im selben Klima und haben dieselben Nahrungsmittel. Es sind Racenspielarten, deren Bildung ohne Zweifel weit ?ber die Zeit hinausreicht, wo diese St?mme sich neben einander niedergelassen. Die vier weissesten Nationen am obern Orinoco schienen mir die Guaharibos am Rio Gehette, die Guainares am Ocomo, die Guaicas am Ca?o Chiguire und die Maquiritares an den Quellen des Padamo, des Jao und des Ventuari. Da Eingeborene mit weisslichter Haut unter einem gl?henden Himmel und mitten unter sehr dunkelfarbigen V?lkern eine auffalIende Erscheinung sind, so haben die Spanier zur Erkl?rung derselben zwei sehr gewagte Hypothesen aufgebracht. Die einen meinen, Holl?nder aus Surinam und vom Rio Essequebo m?gen sich mit Guaharibos und Guainares vermischt haben; andere behaupten aus Hass gegen die Kapuziner am Carony und die Observanten am Orinoco, diese weisslichten Indianer seyen, was man in Dalmatien Muso di frate nennt, Kinder, deren eheliche Geburt einigem Zweifel unterliegt. In beiden F?llen w?ren die Indios blancos Mestizen, Abk?mmlinge einer Indianerin und eines Weissen. Ich habe aber Tausende von Mestizen gesehen und kann behaupten, dass die Vergleichung durchaus unrichtig ist. Die Individuen der weisslichten St?mme, die wir zu untersuchen Gelegenheit hatten, haben die Gesichtsbildung, den Wuchs, die schlichten, glatten, schwarzen Haare, wie sie allen andern Indianern zukommen. Unm?glich k?nnte man sie f?r Mischlinge halten, ?hnlich den Abk?mmlingen von Eingeborenen und Europ?ern. Manche sind dabei sehr klein, andere haben den gew?hnlichen Wuchs der kupferrothen Indianer. Sie sind weder schw?chlich, noch kr?nklich, noch Albinos; sie unterscheiden sich von den kupferfarbigen St?mmen allein durch weit weniger dunkle Hautfarbe. Nach diesen Bemerkungen braucht man den weiten Weg vom obern Orinoco zum K?stenland, auf dem die Holl?nder sich niedergelassen, gar nicht in Anschlag zu bringen. Ich l?ugne nicht, dass man Abk?mmlinge entlaufener Neger unter den Caraiben an den Quellen des Essequebo gefunden haben mag; aber niemals ist ein Weisser von den Ostk?sten so tief in Guyana hinein, an den Rio Gehette und an den Ocamo gekommen. Noch mehr: so auffallend es erscheinen mag, dass V?lkerschaften mit weisslichter Haut ?stlich von Esmeralda neben einander wohnen, so ist doch soviel gewiss, dass man auch in andern L?ndern Amerikas St?mme gefunden hat, die sich von ihren Nachbarn durch weit weniger dunkle Hautfarbe unterscheiden. Dahin geh?ren die Arivirianos und Maquiritares am Rio Ventuario und am Padamo, die Paudacotos und Paravenas am Erevato, die Viras und Ariguas am Caura, die Mologagos in Brasilien und die Guayanas am Uruguay.

Alle diese Erscheinungen verdienen desto mehr Aufmerksamkeit, als sie den grossen Zweig der amerikanischen V?lker betreffen, den man gemeiniglich dem am Pole lebenden Zweig, den Eskimo-Tschugasen, entgegenstellt, deren Kinder weiss sind und die mongolisch gelbe Farbe erst durch den Einfluss der Luft und der Feuchtigkeit annehmen. In Guyana sind die Horden, welche mitten in den dichtesten W?ldern leben, meist nicht so dunkel als solche, welche an den Ufern des Orinoco Fischfang treiben. Aber dieser unbedeutende Unterschied, der ja auch in Europa zwischen den st?dtischen Handwerkern und den Landbauern oder K?stenfischern vorkommt, erkl?rt keineswegs das Ph?nomen der Indios blancos, die Existenz von Indianerst?mmen mit einer Haut wie die der Mestizen. Dieselben sind von andern Waldindianern umgeben, die, obgleich ganz den n?mlichen physischen Einfl?ssen ausgesetzt, braunroth sind. Die Ursachen dieser Erscheinungen liegen in der Zeit sehr weit r?ckw?rts, und wir sagen wieder mit Tacitus: >>Est durans originis vis.<<

Diese St?mme mit weisslichter Haut, welche wir in der Mission Esmeralda zu sehen Gelegenheit gehabt, bewohnen einen Strich des Berglandes zwischen den Quellen von sechs Nebenfl?ssen des Orinoco, des Padamo, Jao, Ventuari, Erevato, Aruy und Paragua. Bei den spanischen und portugiesischen Mission?ren heisst dieses Land gemeiniglich die Parime. Hier, wie in verschiedenen andern L?ndern von spanisch Amerika, haben die Wilden wieder erobert, was die Civilisation oder vielmehr die Mission?re, die nur die Vorl?ufer der Civilisation sind, ihnen abgerungen. Solanos Grenzexpedition und der abenteuerliche Eifer, mit dem ein Statthalter von Guyana den Dorado suchte, hatten in der zweiten H?lfte des achtzehnten Jahrhunderts den Unternehmungsgeist wieder wach gerufen, der die Castilianer bei der Entdeckung von Amerika beseelte. Man hatte am Rio Padamo hinauf durch W?lder und Savanen einen Weg von zehen Tagereisen von Esmeralda zu den Quellen des Ventuari entdeckt; in zwei weiteren Tagen war man von diesen Quellen auf dem Erevato in die Missionen am Rio Caura gelangt. Zwei verst?ndige, beherzte M?nner, Don Antonio Santos und der Capit?n Bareto, hatten mit H?lfe der Maquiritares auf dieser Linie von Esmeralda an den Rio Erevato eine milit?rische Postenkette angelegt; dieselbe bestand aus zweistockigten, mit Steinb?llern besetzten H?usern , wie ich sie oben beschrieben und die auf den Karten, die zu Madrid herauskamen, als neunzehn D?rfer figurirten. Die sich selbst ?berlassenen Soldaten bedr?ckten in jeder Weise die Indianer, die ihre Pflanzungen bei den Casas fuertes hatten, und da diese Plackereien nicht so methodisch waren, das heisst nicht so gut in einander griffen, wie die in den Missionen, an die sich die Indianer nach und nach gew?hnen, so verb?ndeten sich im Jahr 1776 mehrere St?mme gegen die Spanier. In Einer Nacht wurden alle Milit?rposten auf der ganzen 50 Meilen langen Linie angegriffen, die H?user niedergebrannt, viele Soldaten niedergemacht; nur wenige verdankten ihr Leben dem Erbarmen der indianischen Weiber. Noch jetzt spricht mnn mit Entsetzen von diesem n?chtlichen Ueberfall. Derselbe wurde in der tiefsten Heimlichkeit verabredet und mit der Uebereinstimmung ausgef?hrt, die bei den Eingeborenen von S?d- wie von Nordamerika, welche feindselige Gef?hle so meisterhaft in sich zu verschliessen wissen, niemals fehlt, wo es sich um gemeinsamen Vortheil handelt. Seit 1776 hat nun kein Mensch mehr daran gedacht, den Landweg vom obern an den untern Orinoco wiederherzustellen, und konnte kein Weisser von Esmeralda an den Erevato gehen. Und doch ist kein Zweifel dar?ber, dass es in diesem Gebirgslande zwischen den Quellen des Padamo und des Ventuari mehrere Gegenden mit gem?ssigtem Klima und mit Weiden gibt, die Vieh in Menge n?hren k?nnten. Die Milit?rposten leisteten ihrer Zeit sehr gute Dienste gegen die Einf?lle der Caraiben, die von Zeit zu Zeit zwischen dem Erevato und dem Padamo Sklaven fortschleppten, wenn auch nur wenige. Sie h?tten wohl auch den Angriffen der Eingeborenen widerstanden, wenn man sie, statt sie ganz vereinzelt und nur in den H?nden der Soldaten zu lassen, in D?rfer verwandelt und wie die Gemeinden der neubekehrten Indianer verwaltet h?tte.

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