bell notificationshomepageloginedit profileclubsdmBox

Read Ebook: Lebensansichten des Katers Murr nebst fragmentarischer Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler in zufälligen Makulaturblättern by Hoffmann E T A Ernst Theodor Amadeus

More about this book

Font size:

Background color:

Text color:

Add to tbrJar First Page Next Page Prev Page

Ebook has 1158 lines and 140916 words, and 24 pages

Es ist doch etwas Sch?nes, Herrliches, Erhabenes um das Leben! -- >>O du s?sse Gewohnheit des Daseins!<< ruft jener niederl?ndische Held in der Trag?die aus. So auch ich, aber nicht wie der Held in dem schmerzlichen Augenblick, als er sich davon trennen soll -- nein! -- in dem Moment, da mich eben die volle Lust des Gedankens durchdringt, dass ich in jene s?sse Gewohnheit nun ganz und gar hineingekommen und durchaus nicht Willens bin, jemals wieder hinauszukommen. -- Ich meine n?mlich, die geistige Kraft, die unbekannte Macht, oder wie man sonst das ?ber uns waltende Prinzip nennen mag, welches mir besagte Gewohnheit ohne meine Zustimmung gewissermassen aufgedrungen hat, kann unm?glich schlechtere Gesinnungen haben, als der freundliche Mann bei dem ich in Kondition gegangen, und der mir das Gericht Fische, das er mir vorgesetzt, niemals vor der Nase wegzieht, wenn es mir eben recht wohlschmeckt.

O Natur, heilige hehre Natur! wie durchstr?mt all' deine Wonne, all' dein Entz?cken meine bewegte Brust, wie umweht mich dein geheimnisvoll s?uselnder Atem! -- Die Nacht ist etwas frisch und ich wollte -- doch jeder der dies lieset oder nicht lieset, begreift nicht meine hohe Begeisterung, denn er kennt nicht den hohen Standpunkt, zu dem ich mich hinaufgeschwungen! -- Hinaufgeklettert w?re richtiger, aber kein Dichter spricht von seinen F?ssen, h?tte er auch deren viere so wie ich, sondern nur von seinen Schwingen, sind sie ihm auch nicht angewachsen, sondern nur Vorrichtung eines geschickten Mechanikers. ?ber mir w?lbt sich der weite Sternenhimmel, der Vollmond wirft seine funkelnden Strahlen herab, und in feurigem Silberglanz stehen D?cher und T?rme um mich her! Mehr und mehr verbraust das l?rmende Gew?hl unter mir in den Strassen, stiller und stiller wird die Nacht -- die Wolken ziehen -- eine einsame Taube flattert in bangen Liebesklagen girrend um den Kirchturm! -- Wie! -- wenn die liebe Kleine sich mir n?hern wollte? -- Ich f?hle wunderbar es sich in mir regen, ein gewisser schw?rmerischer Appetit reisst mich hin mit unwiderstehlicher Gewalt! -- O k?me sie die s?sse Huldin, an mein liebeskrankes Herz wollt ich sie dr?cken, sie nimmer von mir lassen -- ha dort flattert sie hinein in den Taubenschlag, die Falsche, und l?sst mich hoffnungslos sitzen auf dem Dache! -- Wie selten ist doch in dieser d?rftigen, verstockten, liebeleeren Zeit wahre Sympathie der Seelen! --

Ist denn das auf zwei F?ssen aufrecht Einhergehen etwas so Grosses, dass das Geschlecht, welches sich Mensch nennt, sich die Herrschaft ?ber uns alle, die wir mit sichererem Gleichgewicht auf vieren daherwandeln, anmassen darf? Aber ich weiss es, sie bilden sich was Grosses ein auf etwas, was in ihrem Kopfe sitzen soll und das sie die Vernunft nennen. Ich weiss mir keine rechte Vorstellung zu machen, was sie darunter verstehen, aber so viel ist gewiss, dass wenn, wie ich es aus gewissen Reden meines Herrn und G?nners schliessen darf, Vernunft nichts anderes heisst, als die F?higkeit, mit Bewusstsein zu handeln und keine dummen Streiche zu machen, ich mit keinem Menschen tausche. -- Ich glaube ?berhaupt, dass man sich das Bewusstsein nur angew?hnt; durch das Leben und zum Leben kommt man doch, man weiss selbst nicht wie. Wenigstens ist es mir so gegangen, und wie ich vernehme, weiss auch kein einziger Mensch auf Erden das Wie und Wo seiner Geburt aus eigner Erfahrung, sondern nur durch Tradition, die noch dazu ?fters sehr unsicher ist. St?dte streiten sich um die Geburt eines ber?hmten Mannes, und so wird es, da ich selbst nichts Entscheidendes dar?ber weiss, immerdar ungewiss bleiben, ob ich in dem Keller, auf dem Boden, oder in dem Holzstall das Licht der Welt erblickte, oder vielmehr nicht erblickte, sondern nur in der Welt erblickt wurde von der teueren Mama. Denn wie es unserm Geschlecht eigen, waren meine Augen verschleiert. Ganz dunkel erinnere ich mich gewisser knurrender, prustender T?ne, die um mich her erklangen, und die ich beinahe wider meinen Willen hervorbringe, wenn mich der Zorn ?berw?ltigt. Deutlicher und beinahe mit vollem Bewusstsein finde ich mich in einem sehr engen Beh?ltnis mit weichen W?nden eingeschlossen, kaum f?hig, Atem zu sch?pfen und in Not und Angst ein kl?gliches Jammergeschrei erhebend. Ich f?hle, dass etwas in das Beh?ltnis hinabgriff und mich sehr unsanft beim Leibe packte, und dies gab mir Gelegenheit, die erste wunderbare Kraft, womit mich die Natur begabt, zu f?hlen und zu ?ben. Aus meinen reich ?berpelzten Vorderpfoten schnellte ich spitze gelenkige Krallen hervor und grub sie ein in das Ding, das mich gepackt und das, wie ich sp?ter gelernt, nichts anderes sein konnte als eine menschliche Hand. Diese Hand zog mich aber heraus aus dem Beh?ltnis und warf mich hin, und gleich darauf f?hlte ich zwei heftige Schl?ge auf den beiden Seiten des Gesichts, ?ber die jetzt ein, wie ich wohl sagen mag, stattlicher Bart her?berragt. Die Hand teilte mir, wie ich jetzt beurteilen kann, von jenem Muskelspiel der Pfoten verletzt, ein paar Ohrfeigen zu; ich machte die erste Erfahrung von moralischer Ursache und Wirkung, und eben ein moralischer Instinkt trieb mich an, die Krallen ebenso schnell wieder einzuziehen, als ich sie hervorgeschleudert. Sp?ter hat man dieses Einziehen der Krallen mit Recht als einen Akt der h?chsten Bonhommie und Liebensw?rdigkeit anerkannt und mit dem Namen >>Samtpf?tchen<< bezeichnet.

Wie gesagt, die Hand warf mich wieder zur Erde. Bald darauf erfasste sie mich aber aufs neue beim Kopf und dr?ckte ihn nieder, so dass ich mit dem M?ulchen in eine Fl?ssigkeit geriet, die ich, selbst weiss ich nicht, wie ich darauf verfiel, es musste daher physischer Instinkt sein, aufzulecken begann, welches mir eine seltsame innere Behaglichkeit erregte. Es war, wie ich jetzt weiss, s?sse Milch, die ich genoss; mich hatte gehungert, und ich wurde satt, indem ich trank. So trat, nachdem die moralische begonnen, die physische Ausbildung ein.

Aufs neue, aber sanfter als vorher, fassten mich zwei H?nde und legten mich auf ein warmes weiches Lager. Immer besser und besser wurde mir zu Mute, und ich begann mein inneres Wohlbehagen zu ?ussern, indem ich jene seltsamen, meinem Geschlecht allein eigenen T?ne von mir gab, die die Menschen durch den nicht unebenen Ausdruck, spinnen, bezeichnen. So ging ich mit Riesenschritten vorw?rts in der Bildung f?r die Welt. Welch ein Vorzug, welch ein k?stliches Geschenk des Himmels, inneres physisches Wohlbehagen ausdr?cken zu k?nnen durch Ton und Geb?rde! -- Erst knurrte ich, dann kam mir jenes unnachahmliche Talent, den Schweif in den zierlichsten Kreisen zu schl?ngeln, dann die wunderbare Gabe, durch das einzige W?rtlein >>Miau<< Freude, Schmerz, Wonne und Entz?cken, Angst und Verzweiflung, kurz, alle Empfindungen und Leidenschaften in ihren mannigfaltigsten Abstufungen auszudr?cken. Was ist die Sprache der Menschen gegen dieses einfachste aller einfachen Mittel, sich verst?ndlich zu machen! -- Doch weiter in der denkw?rdigen, lehrreichen Geschichte meiner ereignisreichen Jugend!

Ich erwachte aus tiefem Schlaf, ein blendender Glanz umfloss mich, vor dem ich erschrak: fort waren die Schleier von meinen Augen, ich sah! --

Ehe ich mich an das Licht, vorz?glich aber an das buntscheckige Allerlei, das sich meinen Augen darbot, gew?hnen konnte, musste ich mehrmals hintereinander entsetzlich niesen, bald ging es indessen mit dem Sehen ganz vortrefflich, als habe ich es schon mehrere Zeit hintereinander getrieben.

O das Sehen! es ist eine wunderbare, herrliche Gewohnheit, eine Gewohnheit, ohne die es sehr schwer werden w?rde, ?berhaupt in der Welt zu bestehen! -- Gl?cklich diejenigen Hochbegabten, denen es so leicht wird als mir, sich das Sehen anzueignen.

Leugnen kann ich nicht, dass ich doch in einige Angst geriet und dasselbe Jammergeschrei erhob, wie damals in dem engen Beh?ltnis. Sogleich erschien ein kleiner hagerer alter Mann, der mir unvergesslich bleiben wird, da ich meiner ausgebreiteten Bekanntschaft unerachtet keine Gestalt, die ihm gleich oder auch nur ?hnlich zu nennen, jemals wieder erblickt habe. Es trifft sich h?ufig bei meinem Geschlecht, dass dieser, jener Mann einen weiss und schwarz gefleckten Pelz tr?gt, selten findet man aber wohl einen Menschen, der schneeweisses Haupthaar haben sollte und dazu rabenschwarze Augenbraunen, dies war aber der Fall bei meinem Erzieher. Der Mann trug im Hause einen kurzen hochgelben Schlafrock, vor dem ich mich entsetzte und daher, so gut es bei meiner damaligen Unbeh?lflichkeit gehen wollte, von dem weissen Kissen herab zur Seite kroch. Der Mann b?ckte sich herab zu mir mit einer Geb?rde, die mir freundlich schien und mir Zutrauen einfl?sste. Er fasste mich, ich h?tete mich wohl vor dem Muskelspiel der Krallen, die Ideen kratzen und Schl?ge verbanden sich von selbst, und in der Tat, der Mann meinte es gut mit mir, denn er setzte mich nieder vor einer Sch?ssel s?sser Milch, die ich begierig auflutschte, wor?ber er sich nicht wenig zu freuen schien. Er sprach vieles mit mir, welches ich aber nicht verstand, da mir damals als einem jungen unerfahrnen Kiek in die Welt von K?terchen das Verstehen der menschlichen Sprache noch nicht eigen. ?berhaupt weiss ich von meinem G?nner nur wenig zu sagen. So viel ist aber gewiss, dass er in vielen Dingen geschickt -- in Wissenschaften und K?nsten hocherfahren sein musste, denn alle, die zu ihm kamen , behandelten ihn ausnehmend artig, ja zuweilen mit einer gewissen scheuen Ehrfurcht, wie ich sp?terhin den Pudel Skaramuz, und nannten ihn nicht anders als mein hochverehrtester, mein teuerer, mein gesch?tztester Meister Abraham! -- Nur zwei Personen nannten ihn schlechtweg >>mein Lieber!<< Ein grosser d?rrer Mann in papageigr?nen Hosen und weissseidenen Str?mpfen, und eine kleine sehr dicke Frau mit schwarzem Haar und einer Menge Ringe an allen Fingern. Jener Herr soll aber ein F?rst, die Frau hingegen eine j?dische Dame gewesen sein.

Dieser vornehmen Besucher unerachtet wohnte Meister Abraham doch in einem kleinen hochgelegenen St?bchen, so dass ich meine ersten Promenaden sehr bequem durchs Fenster aufs Dach und auf den Hausboden machen konnte. --

Ja, es ist nicht anders, auf einem Boden muss ich geboren sein! -- Was Keller, was Holzstall -- ich entscheide mich f?r den Boden! -- Klima, Vaterland, Sitten, Gebr?uche, wie unausl?schlich ist ihr Eindruck, ja, wie sind sie es nur, die des Weltb?rgers ?ussere und innere Gestaltung bewirken! -- Woher kommt in mein Inneres dieser H?hesinn, dieser unwiderstehliche Trieb zum Erhabenen? Woher diese wunderbar seltene Fertigkeit im Klettern, diese beneidenswerte Kunst der gewagtesten genialsten Spr?nge? -- Ha! es erf?llt eine s?sse Wehmut meine Brust! -- Die Sehnsucht nach dem heimatlichen Boden regt sich m?chtig! -- Dir weihe ich diese Z?hren, o sch?nes Vaterland! dir dies wehm?tig jauchzende Miau! -- Dich ehren diese Spr?nge, diese S?tze, es ist Tugend darin und patriotischer Mut! -- Du, o Boden! spendest mir in freigebiger F?lle manch M?uslein, und nebenher kann man manche Wurst, manche Speckseite aus dem Schornstein erwischen, ja wohl manchen Sperling haschen, und sogar hin und wieder ein T?ublein erlauern. >>Gewaltig ist die Liebe zu dir, o Vaterland!<< --

Doch ich muss, r?cksichts meiner --

Ich weiss, erwiderte der F?rst, als ich dies gesprochen, ich weiss gar nichts, und begreife ?berhaupt nicht, wie Ihr, Meister Abraham, mir solches wirres Zeug vorschwatzen k?nnt? Den Pontneuf kenne ich allerdings, er befindet sich zu Paris, und bin ich zwar niemals dar?ber zu Fusse gegangen, wohl aber oft dar?ber gefahren, wie es meinem Stande geziemt. Den Advokaten Rabelais habe ich niemals gesehen und um Soldatenstreiche in meinem ganzen Leben mich nicht bek?mmert. Als ich in j?ngeren Jahren noch meine Armee kommandierte, liess ich w?chentlich einmal s?mtliche Junker durchfuchteln f?r die Dummheiten, die sie begangen oder k?nftig noch begehen m?chten, das Pr?geln der gemeinen Leute war aber die Sache der Lieutenants, die damit, meinem Beispiel gem?ss, auch allw?chentlich verfuhren, und zwar Sonnabends so, dass Sonntags es keinen Junker, keinen gemeinen Kerl in der ganzen Armee gab, der nicht seine geh?rige Tracht Schl?ge erhalten, wodurch die Truppen, n?chst der eingepr?gelten Moralit?t, auch ans Geschlagenwerden ?berhaupt gew?hnt wurden, ohne jemals vor dem Feinde gewesen zu sein, und in diesem Fall nichts anders tun konnten als Schlagen. Das leuchtet Euch ein, Meister Abraham, und nun sagt mir um tausend Gotteswillen, was wollt Ihr mit Euerm Sturm, mit Euerm auf dem Pontneuf beraubten Advokaten Rabelais, wo bleibt Eure Entschuldigung, dass das Fest sich aufl?ste in wilder Verwirrung, dass mir eine Leuchtkugel ins Toupet fuhr, dass mein teuerer Sohn in das Bassin geriet und von verr?terischen Delphinen bespritzt wurde ?ber und ?ber, dass die Prinzessin entschleiert mit aufgesch?rztem Rock wie Atalanta durch den Park fliehen musste, dass -- dass -- wer z?hlt die Ungl?cksf?lle der verh?ngnisvollen Nacht? -- Nun, Meister Abraham, was sagt Ihr?<<

Gn?digster Herr, erwiderte ich, mich demutsvoll verbeugend, was war an allem Unheil schuld als der Sturm -- das gr?ssliche Unwetter, welches einbrach, als alles im sch?nsten Gange war. Kann ich den Elementen gebieten? -- Hab' ich denn nicht selbst dabei schlimmes Malheur erlitten, habe ich nicht wie jener Advokat, den ich untert?nigst nicht mit dem ber?hmten franz?sischen Schriftsteller Rabelais zu verwechseln bitte, Hut, Rock und Mantel verloren? Habe ich nicht --

H?re, unterbrach hier den Meister Abraham Johannes Kreisler, h?re, Freund, noch jetzt, unerachtet es schon ziemlich lange her ist, spricht man von dem Geburtstage der F?rstin, dessen Feier du angeordnet hast, wie von einem dunkeln Geheimnis, und gewiss hast du nach deiner gew?hnlichen Art und Weise viel Abenteuerliches begonnen. Hielt das Volk dich schon immer f?r eine Art von Hexenmeister, so scheint dieser Glaube durch jenes Fest noch um vieles st?rker geworden zu sein. Sage mir nur geradezu, wie sich alles begeben! Du weisst, ich war damals nicht hier --

Eben das, fiel Meister Abraham dem Freunde ins Wort, dass du nicht hier, dass du, der Himmel weiss von welchen Furien der H?lle getrieben, fortgerannt warst wie ein Wahnsinniger, eben das machte mich toll und wild, eben deshalb beschwor ich die Elemente herauf, ein Fest zu st?ren, das meine Brust zerschnitt, da du, der eigentliche Held des St?cks, fehltest, ein Fest, das nur erst d?rftig und m?hsam daher schlich, dann aber ?ber geliebte Personen nichts brachte als die Qual be?ngstigender Tr?ume -- Schmerz -- Entsetzen! -- Erfahre es jetzt, Johannes, ich habe tief in dein Inneres geschaut und das gef?hrliche, bedrohliche Geheimnis erkannt, das darin ruht, -- ein g?render Vulkan, in jedem Augenblick verm?gend loszubrechen in verderblichen Flammen, r?cksichtslos alles um sich her verzehrend. Es gibt Dinge in unserm Innern, die sich so gestalten, dass die vertrautesten Freunde dar?ber nicht reden d?rfen. Darum verhehlte ich dir sorglich, was ich in dir erschaut, aber mit jenem Fest, dessen tieferer Sinn nicht die F?rstin, sondern eine andere geliebte Person und dich selbst traf, wollte ich dein ganzes Ich gewaltsam erfassen. Die verborgensten Qualen sollten lebendig werden in dir, und wie aus dem Schlaf erwachte Furien mit verdoppelter Kraft deine Brust zerfleischen. Wie einem zum Tode Siechen sollte Arznei, dem Orkus selbst entnommen, die im st?rksten Paroxysmus kein weiser Arzt scheuen darf, dir den Tod bereiten oder Genesung! -- Wisse, Johannes, dass der F?rstin Namenstag zusammentrifft mit dem Namenstage Julia's, die auch wie sie Maria geheissen.

Ha! rief Kreisler, indem er, zehrendes Feuer im Blick, aufsprang, ha! -- Meister! ist dir die Macht gegeben, mit mir freches, h?hnendes Spiel zu treiben? -- Bist du das Verh?ngnis selbst, dass du mein Inneres erfassen magst?

Wilder, unbesonnener Mensch, erwiderte Meister Abraham ruhig, wann wird endlich der verw?stende Brand in deiner Brust zur reinen Naphthaflamme werden, gen?hrt von dem tiefsten Sinn f?r die Kunst, f?r alles Herrliche und Sch?ne, der in dir wohnt! -- Du verlangtest von mir die Beschreibung jenes verh?ngnisvollen Festes; so h?re mich denn ruhig an, oder ist deine Kraft gebrochen ganz und gar, dass du das nicht vermagst, so will ich dich verlassen. --

Der alte dicke Hofmarschall konnte es endlich nicht mehr ertragen; als ihn ein gl?hender Tropfen gerade auf die Backe traf, sprang er in grimmer Wut der Verzweiflung seitw?rts, verwickelte sich aber in die Stricke, die zur Flugmaschine geh?rend gerade an der Seite hart ?ber dem Boden fortliefen, und st?rzte mit dem lauten Ausruf: Alle Teufel! nieder zur Erde. In demselben Moment hatte auch der luftige Page seine Rolle ausgespielt. Der gewichtige Hofmarschall zog ihn mit Zentnerschwere nieder, er st?rzte herab mitten unter das Gefolge, das laut aufschreiend auseinander prallte. Die Fackeln verl?schten; man befand sich in der dicksten Finsternis. Dies alles geschah dicht vor dem Theater. Ich h?tete mich wohl den Z?nder anzustecken, der alle Lampen, alle Feuerbecken des Platzes auf einmal in Brand setzen musste, sondern wartete damit ein paar Minuten, um der Gesellschaft Zeit zu lassen, sich in Baum und Geb?sch geh?rig zu verwirren. >>Licht -- Licht!<< rief der F?rst wie der K?nig im Hamlet, -- >>Licht -- Licht!<< eine Menge heisere Stimmen durcheinander. Als der Platz erleuchtet, glich der auseinander gesprengte Haufe einem geschlagenen Heer, das sich m?hsam zusammen findet. Der Oberkammerherr bewies sich als ein Mann von Gegenwart des Geistes, als der geschickteste Taktiker seiner Zeit; denn in wenigen Minuten war verm?ge seiner Bem?hungen die Ordnung wiederhergestellt. Der F?rst trat mit der n?chsten Umgebung auf eine Art von erh?hten Blumenthron, der in der Mitte des Zuschauer-Platzes errichtet. Sowie das f?rstliche Paar sich niederliess, fielen verm?ge einer sehr pfiffigen Vorrichtung jenes Maschinisten eine Menge Blumen auf dasselbe herab. Nun wollte es aber das dunkle Verh?ngnis, dass eine grosse Feuerlilie dem F?rsten gerade auf die Nase fiel und sein ganzes Gesicht glutrot ?berst?ubte, wodurch er ein ungemein majest?tisches, der Feierlichkeit des Festes w?rdiges, Ansehen gewann.

Das ist zu arg -- das ist zu arg, rief Kreisler, indem er eine rasende Lache aufschlug, dass die W?nde dr?hnten.

Heraus mit der Sprache! rief Kreisler; alles, alles sage, Meister wie es sich begeben.

Mit nichten, erwiderte Meister Abraham; es n?tzt dir nichts, Johannes, und mir zerschneidet es die Brust, wenn ich noch sagen soll, wie meine eignen Geister mir Graus einjagten und Entsetzen! -- Die Wolke! -- gl?cklicher Gedanke! So soll, rief ich wild aus, denn alles in toller Verwirrung enden! und rannte fort nach dem Platze des Feuerwerks. Der F?rst liess mir sagen, wenn alles fertig sei, sollte ich das Zeichen geben. Das Auge nicht abwendend von der Wolke, die vom Geierstein weg h?her und h?her heraufzog, liess ich, als sie mir hoch genug schien, die B?ller l?sen. Bald war der Hof, die ganze Gesellschaft, an Ort und Stelle. Nach dem gew?hnlichen Spiel mit Feuerr?dern, Raketen, Leuchtkugeln und anderm gemeinen Zeuge ging endlich der Namenszug der F?rstin in Chinesischem Brillantfeuer auf, doch hoch ?ber ihm in den L?ften schwamm und verschwamm in milchweissem Licht der Name Julia. -- Nun war es Zeit. -- Ich z?ndete die Girandole an, und wie zischend und prasselnd die Raketen in die H?he fuhren, brach das Wetter los mit glutroten Blitzen, mit krachenden Donnern, von denen Wald und Gebirge erdr?hnten. Und der Orkan brauste hinein in den Park und st?rte auf den tausendstimmig heulenden Jammer im tiefsten Geb?sch. Ich riss einem fliehenden Trompeter das Instrument aus der Hand und blies lustig jauchzend darin, w?hrend die Artilleriesalven der Feuert?pfe, der Kanonenschl?ge, der B?ller, wacker dem rollenden Donner entgegenknallten.

W?hrend Meister Abraham also erz?hlte, sprang Kreisler auf, schritt heftig im Zimmer auf und ab, focht mit den Armen um sich und rief endlich ganz begeistert: Das ist sch?n, das ist herrlich, daran erkenne ich meinen Meister Abraham, mit dem ich ein Herz bin und eine Seele!

O, sprach Meister Abraham, ich weiss es ja, das Wildeste, Schauerlichste, ist dir eben recht, und doch habe ich das vergessen, was dich ganz und gar den unheimlichen M?chten der Geisterwelt preisgegeben h?tte. -- Ich hatte die Wetterharfe, die, wie du weisst, sich ?ber das grosse Bassin hinzieht, anspannen lassen, auf der der Sturm als ein t?chtiger Harmoniker gar wacker spielte. In dem Geheul, in dem Gebraus des Orkans, in dem Krachen des Donners, erklangen furchtbar die Akkorde der Riesenorgel. Schneller und schneller schlugen die gewaltigen T?ne los, und man mochte wohl ein Furienballett vernehmen, dessen Stil ungemein gross zu nennen, wie man es beinahe zwischen den leinwandnen W?nden des Theaters nicht zu h?ren bekommt. -- Nun! -- in einer halben Stunde war alles vor?ber. Der Mond trat hinter den Wolken hervor. Der Nachtwind s?uselte tr?stend durch den erschrockenen Wald und trocknete die Tr?nen weg von den dunklen B?schen. Dazwischen ert?nte noch dann und wann die Wetterharfe wie dumpfes, fernes Glockengel?ute. -- Mir war wunderlich zu Mute. Du, mein Johannes, erf?lltest mein Inneres so ganz und gar, dass ich glaubte, du w?rdest gleich vor mir aufsteigen aus dem Grabh?gel verlorner Hoffnungen, unerf?llter Tr?ume, und an meine Brust sinken. Nun in der Stille der Nacht kam der Gedanke, was f?r ein Spiel ich unternommen, wie ich gewaltsam den Knoten, den das dunkle Verh?ngnis geschlungen, zerreissen wollen, aus meinem Innern herausgetreten, fremdartig, in anderer Gestaltung, auf mich los, und indem mich kalte Schauer durchbebten, war ich es selbst, vor dem ich mich entsetzen musste. -- Eine Menge Irrlichter tanzten und h?pften im ganzen Park umher, aber es waren die Bedienten mit Laternen, welche die auf der schnellen Flucht verlornen H?te, Per?cken, Haarbeutel, Degen, Schuhe und Shawls zusammensuchten. Ich machte mich davon. Mitten auf der grossen Br?cke vor unserer Stadt blieb ich stehen und schaute noch einmal zur?ck nach dem Park, der vom magischen Schimmer des Mondes umflossen da stand wie ein Zaubergarten, in dem das lustige Spiel flinker Elfen begonnen. Da fiel mir ein feines Piepen in die Ohren, ein Qu?ken, das beinahe dem eines neugebornen Kindes glich. Ich vermutete eine Untat, b?ckte mich tief ?ber das Gel?nder und entdeckte im hellen Mondschein ein K?tzchen, dass sich m?hsam an den Pfosten angeklammert, um dem Tode zu entgehen. Wahrscheinlich hatte man eine Katzenbrut ers?ufen wollen, und das Tierchen war wieder hinaufgekrochen. Nun, dacht' ich, ist's auch kein Kind, so ist es doch ein armes Tier, das dich um Rettung anqu?kt und das du retten musst.

O du empfindsamer Just, rief Kreisler lachend, sage, wo ist dein Tellheim?

Erlaube, fuhr Meister Abraham fort, mein Johannes, mit dem Just magst du mich kaum vergleichen. Ich habe den Just ?berjustet. Er rettete einen Pudel, ein Tier, das jeder gern um sich duldet, von dem sogar angenehme Dienstleistungen zu erwarten, mittels Apportieren, Handschuhe, Tabaksbeutel und Pfeife nachtragen usw., aber ich rettete einen Kater, ein Tier, vor dem sich viele entsetzen, das allgemein als perfid, keiner sanften, wohlwollenden Gesinnung, keiner offenherzigen Freundschaft f?hig, ausgeschrieen wird, das niemals ganz und gar die feindliche Stellung gegen den Menschen aufgibt, ja, einen Kater rettete ich aus purer uneigenn?tziger Menschenliebe. -- Ich kletterte ?ber das Gel?nder, griff, nicht ohne Gefahr, herab, fasste das wimmernde K?tzchen, zog es hinauf und steckte es in die Tasche. Nach Hause gekommen, zog ich mich schnell aus und warf mich erm?det und ersch?pft, wie ich war, aufs Bett. Kaum war ich aber eingeschlafen, als mich ein kl?gliches Piepen und Winseln weckte, das aus meinem Kleiderschrank herzukommen schien. -- Ich hatte das K?tzchen vergessen und es in der Rocktasche gelassen. Ich befreite das Tier aus dem Gef?ngnis, wof?r es mich dermassen kratzte, dass mir alle f?nf Finger bluteten. Schon war ich im Begriff, den Kater durchs Fenster zu werfen, ich besann mich aber und sch?mte mich meiner kleinlichen Torheit, meiner Rachsucht, die nicht einmal bei Menschen angebracht ist, viel weniger bei der unvern?nftigen Kreatur. -- Genug, ich zog mit aller M?he und Sorgfalt den Kater gross. Es ist das gescheuteste, artigste, ja witzigste Tier der Art, das man sehen kann, dem es nur noch an der h?hern Bildung fehlt, die du, mein lieber Johannes, ihm mit leichter M?he beibringen wirst, weshalb ich denn gesonnen bin, dir den Kater Murr, so habe ich ihn benannt, fernerhin zu ?berlassen. Obschon Murr zur Zeit, wie die Juristen sich ausdr?cken, noch kein homo sui juris ist, so habe ich ihn doch um seine Einwilligung gefragt, ob er in deine Dienste treten wolle. Er ist durchaus damit zufrieden.<<

Du faselst, sprach Kreisler, Meister Abraham! Du weisst, dass ich Katzen nicht sonderlich leiden mag, dass ich dem Geschlecht der Hunde bei weitem den Vorzug gebe. --

Ich bitte dich, erwiderte Meister Abraham, lieber Johannes, recht von Herzen, nimm meinen hoffnungsvollen Kater Murr wenigstens so lange zu dir, bis ich heimkehre von meiner Reise! Ich habe ihn schon deshalb mitgebracht, er ist draussen und wartet auf g?tigen Bescheid. Sieh ihn wenigstens an.

Damit ?ffnete Meister Abraham die T?re, und auf der Strohmatte zusammengekr?mmt, schlafend, lag ein Kater, der wirklich in seiner Art ein Wunder von Sch?nheit zu nennen. Die grauen und schwarzen Streifen des R?ckens liefen zusammen auf dem Scheitel zwischen den Ohren und bildeten auf der Stirne die zierlichste Hieroglyphenschrift. Ebenso gestreift und von ganz ungew?hnlicher L?nge und St?rke war der stattliche Schweif. Dabei gl?nzte des Katers buntes Kleid und schimmerte von der Sonne beleuchtet, so dass man zwischen dem Schwarz und Grau noch schmale goldgelbe Streifen wahrnahm. Murr! Murr! rief Meister Abraham, krrr -- krrr, erwiderte der Kater sehr vernehmlich, dehnte -- erhob sich, machte den ausserordentlichsten Katzenbuckel und ?ffnete ein paar grasgr?ne Augen, aus denen Geist und Verstand in funkelndem Feuer hervorblitzten. Das behauptete wenigstens Meister Abraham, und auch Kreisler musste so viel einr?umen, dass der Kater etwas Besonderes, Ungew?hnliches im Antlitz trage, dass sein Kopf hinl?nglich dick, um die Wissenschaften zu fassen, sein Bart aber schon jetzt in der Jugend weiss und lang genug sei, um dem Kater gelegentlich die Autorit?t eines griechischen Weltweisen zu verschaffen.

Wie kann man aber auch ?berall gleich schlafen, sprach Meister Abraham zum Kater, du verlierst alle Heiterkeit dar?ber und wirst vor der Zeit ein gr?mliches Tier. Putz dich fein, Murr!

Sogleich setzte der Kater sich auf die Hinterf?sse, fuhr mit den Samtpf?tchen sich zierlich ?ber Stirn und Wangen und stiess dann ein klares freudiges Miau aus.

Dies ist, fuhr Meister Abraham fort, der Herr Kapellmeister Johannes Kreisler, bei dem du in Dienste treten wirst. Der Kater glotzte den Kapellmeister mit seinen grossen funkelnden Augen an, begann zu knurren, sprang auf den Tisch, der neben Kreislern stand, und von da ohne weiteres auf seine Schulter, als wolle er ihm etwas ins Ohr sagen. Dann setzte er wieder herab zur Erde und umkreiste schw?nzelnd und knurrend den neuen Herrn, als wolle er recht Bekanntschaft mit ihm machen.

Gott verzeih mir, rief Kreisler, ich glaube gar, der kleine graue Kerl hat Verstand und stammt aus der illustren Familie des gestiefelten Katers her.

So viel ist gewiss, erwiderte Meister Abraham, dass der Kater Murr das possierlichste Tier von der Welt ist, ein wahrer Pulcinell und dabei artig und sittsam, nicht zudringlich und unbescheiden, wie zuweilen Hunde, die uns mit ungeschickten Liebkosungen beschwerlich fallen.

Indem ich, sprach Kreisler, diesen klugen Kater betrachte, f?llt es mir wieder schwer aufs Herz, in welchen engen Kreis unsere Erkenntnis gebannt ist. -- Wer kann es sagen, wer nur ahnen, wie weit das Geistesverm?gen der Tiere geht! -- Wenn uns etwas, oder vielmehr alles, in der Natur unerforschlich bleibt, so sind wir gleich mit Namen bei der Hand, und br?sten uns mit unserer albernen Schulweisheit, die eben nicht viel weiter reicht als unsere Nase. So haben wir denn auch das ganze geistige Verm?gen der Tiere, das sich oft auf die wunderbarste Art ?ussert, mit der Bezeichnung Instinkt abgefertigt. Ich m?chte aber nur die einzige Frage beantwortet haben, ob mit der Idee des Instinkts, des blinden willk?rlosen Triebes, die F?higkeit zu tr?umen vereinbar sei. Dass aber z. B. Hunde mit der gr?ssten Lebhaftigkeit tr?umen, weiss jeder, der einen schlafenden Jagdhund beobachtet hat, dem im Traum die ganze Jagd aufgegangen. Er sucht, er schnuppert, er bewegt die F?sse, als sei er im vollen Rennen, er keucht, er schwitzt. -- Von tr?umenden Katern weiss ich zur Zeit nichts. --

Der Kater Murr, unterbrach Meister Abraham den Freund, tr?umt nicht allein sehr lebendig, sondern er ger?t auch, wie deutlich zu bemerken, h?ufig in jene sanften Reverien, in das tr?umerische Hinbr?ten, in das somnambule Delirieren, kurz, in jenen seltsamen Zustand zwischen Schlafen und Wachen, der poetischen Gem?tern f?r die Zeit des eigentlichen Empfanges genialer Gedanken gilt. In diesem Zustande st?hnt und ?chzt er seit kurzer Zeit ganz ungemein, so dass ich glauben muss, dass er entweder in Liebe ist, oder an einer Trag?die arbeitet.

Kreisler lachte hell auf, indem er rief: Nun so komm denn, du kluger, artiger, witziger, poetischer Kater Murr, lass uns --

Es ist n?mlich wohl h?chst merkw?rdig und lehrreich, wenn ein grosser Geist in einer Autobiographie ?ber alles, was sich mit ihm in seiner Jugend begab, sollte es auch noch so unbedeutend scheinen, sich recht umst?ndlich ausl?sst. Kann aber auch wohl einem hohen Genius jemals Unbedeutendes begegnen? Alles, was er in seiner Knabenzeit unternahm oder nicht unternahm, ist von der h?chsten Wichtigkeit, und verbreitet helles Licht ?ber den tiefern Sinn, ?ber die eigentliche Tendenz seiner unsterblichen Werke. Herrlicher Mut geht auf in der Brust des strebenden J?nglings, den bange Zweifel qu?len, ob die innere Kraft auch wohl gen?ge, wenn er lieset, dass der grosse Mann als Knabe auch Soldat spielte, sich in Naschwerk ?bernahm und zuweilen was weniges Schl?ge erhielt, weil er faul war ungezogen und t?lpisch. >>Gerade wie ich, gerade wie ich<<, ruft der J?ngling begeistert aus und zweifelt nicht l?nger, dass auch er ein hoher Genius ist trotz seinem angebeteten Idol.

Mancher las den Plutarch oder auch wohl nur den Cornelius Nepos und wurde ein grosser Held, mancher die Trag?dien-Dichter der Alten in der ?bersetzung, und nebenher den Calderon und Shakespeare, den Goethe und Schiller und wurde, wo nicht ein grosser Dichter, doch ein kleiner allerliebster Versmacher, wie ihn die Leute eben so gern haben. So werden meine Werke auch gewiss in der Brust manches jungen geist- und gem?treichen Katers das h?here Leben der Poesie entz?nden, und nimmt dann der edle Katerj?ngling meine biographischen Belustigungen auf dem Dache vor, geht er ganz ein in die hohen Ideen des Buches, das ich soeben unter den Klauen habe, dann wird er im Entz?cken der Begeisterung ausrufen: Murr, g?ttlicher Murr, gr?sster deines Geschlechts, dir, dir allein verdanke ich alles, nur dein Beispiel macht mich gross. --

Es ist zu r?hmen, dass Meister Abraham bei meiner Erziehung sich weder an den vergessenen Basedow hielt, noch die Pestalozzische Methode befolgte, sondern mir unbeschr?nkte Freiheit liess, mich selbst zu erziehen, insofern ich mich nur in gewisse Normalprinzipien f?gte, die Meister Abraham sich als unbedingt notwendig f?r die Gesellschaft, die die herrschende Macht auf dieser Erde versammelt, dachte, da sonst alles blind und toll durcheinander rennen und es ?berall vertrackte Rippenst?sse und garstige Beulen setzen, eine Gesellschaft ?berhaupt nicht denkbar sein w?rde. Den Inbegriff dieser Prinzipien nannte der Meister die nat?rliche Artigkeit im Gegensatz der konventionellen, der gem?ss man sprechen muss: ich bitte ganz gehorsamst um g?tige Verzeihung, wenn man von einem L?mmel angerannt, oder auf den Fuss getreten worden. Mag es sein, dass jene Artigkeit den Menschen n?tig ist, so kann ich doch nicht begreifen, wie sich ihr auch mein freigebornes Geschlecht f?gen soll, und war nun das Hauptregens, mittels dessen der Meister mir jene Normalprinzipien beibrachte, ein gewisses sehr fatales Birkenreis, so kann ich mich wohl mit Recht ?ber H?rte meines Erziehers beklagen. Davongelaufen w?re ich, h?tte mich nicht der mir angeborene Hang zur h?hern Kultur an den Meister festgebunden. -- Je mehr Kultur, desto weniger Freiheit, das ist ein wahres Wort. Mit der Kultur steigen die Bed?rfnisse, mit den Bed?rfnissen -- Nun; eben die augenblickliche Befriedigung mancher nat?rlichen Bed?rfnisse ohne R?cksicht auf Ort und Zeit, das war das erste was mir der Meister mittels des verh?ngnisvollen Birkenreises total abgew?hnte. Dann kam es an die Gel?ste, die, wie ich mich sp?ter ?berzeugt habe, lediglich aus einer gewissen abnormen Stimmung des Gem?ts entstehen. Eben diese seltsame Stimmung, die vielleicht von meinem psychischen Organismus selbst erzeugt wurde, trieb mich an, die Milch, ja selbst den Braten, den der Meister f?r mich hingestellt, stehen zu lassen, auf den Tisch zu springen, und das wegzunaschen, was er selbst geniessen wollte. Ich empfand die Kraft des Birkenreises, und liess es bleiben. -- Ich sehe es ein, dass der Meister recht hatte, meinen Sinn von dergleichen abzulenken, da ich weiss, dass mehrere meiner guten Mitbr?der, weniger kultiviert, weniger gut erzogen als ich, dadurch in die abscheulichsten Verdriesslichkeiten, ja in die traurigste Lage, auf ihre Lebenszeit geraten sind. Ist es mir doch bekannt worden, dass ein hoffnungsvoller Katerj?ngling den Mangel an innerer geistiger Kraft, seinem Gel?st zu widerstehen einen Topf Milch auszunaschen, mit dem Verlust seines Schweifs b?ssen, und verh?hnt, verspottet, sich in die Einsamkeit zur?ckziehen musste. Also der Meister hatte recht, mir dergleichen abzugew?hnen; dass er aber meinem Drange nach den Wissenschaften und K?nsten Widerstand leistete, das kann ich ihm nicht verzeihen. --

Nichts zog mich in des Meisters Zimmer mehr an als der mit B?chern, Schriften und allerlei seltsamen Instrumenten bepackte Schreibtisch. Ich kann sagen, dass dieser Tisch ein Zauberkreis war, in den ich mich gebannt f?hlte, und doch empfand ich eine gewisse heilige Scheu, die mich abhielt, meinem Triebe ganz mich hinzugeben. Endlich eines Tages, als eben der Meister abwesend war, ?berwand ich meine Furcht und sprang hinauf auf den Tisch. Welche Wollust, als ich nun mitten unter den Schriften und B?chern sass, und darin w?hlte. Nicht Mutwille, nein nur Begier, wissenschaftlicher Heisshunger war es, dass ich mit den Pfoten ein Manuskript erfasste, und so lange hin und her zauste, bis es in kleine St?cke zerrissen vor mir lag. Der Meister trat herein, sah was geschehen, st?rzte mit dem kr?nkenden Ausruf: Bestie, vermaledeite! auf mich los, und pr?gelte mich mit dem Birkenreis so derb ab, dass ich mich winselnd vor Schmerz unter den Ofen verkroch, und den ganzen Tag ?ber durch kein freundliches Wort wieder hervorzulocken war. Wen h?tte dies Ereignis nicht abgeschreckt auf immer, selbst die Bahn zu verfolgen, die ihm die Natur vorgezeichnet! Aber kaum hatte ich mich ganz erholt von meinen Schmerzen, als ich, meinem unwiderstehlichen Drange folgend, wieder auf den Schreibtisch sprang. Freilich war ein einziger Ruf meines Meisters, ein abgebrochener Satz wie z. B. >>Will er!<< -- hinl?nglich, mich wieder herab zu jagen, so dass es nicht zum Studieren kam; indessen wartete ich ruhig auf einen g?nstigen Moment, meine Studien anzufangen, und dieser trat denn auch bald ein. Der Meister r?stete sich eines Tages zum Ausgehen, alsbald versteckte ich mich so gut im Zimmer, dass er mich nicht fand, als er, eingedenk des zerrissenen Manuskripts, mich hinausjagen wollte. Kaum war der Meister fort, so sprang ich mit einem Satz auf den Schreibtisch und legte mich mitten hinein in die Schriften, welches mir ein unbeschreibliches Wohlgefallen verursachte. Geschickt schlug ich mit der Pfote ein ziemlich dickes Buch auf, welches vor mir lag, und versuchte, ob es mir nicht m?glich sein w?rde, die Schriftzeichen darin zu verstehen. Das gelang mir zwar anfangs ganz und gar nicht, ich liess aber gar nicht ab, sondern starrte hinein in das Buch, erwartend, dass ein ganz besonderer Geist ?ber mich kommen und mir das Lesen lehren werde. So vertieft ?berraschte mich der Meister. Mit einem lauten: Seht die verfluchte Bestie, sprang er auf mich zu. Es war zu sp?t mich zu retten, ich kniff die Ohren an, ich duckte mich nieder, so gut es gehen wollte, ich f?hlte schon die Rute auf meinem R?cken. Aber die Hand schon aufgehoben hielt der Meister pl?tzlich inne, schlug eine helle Lache auf und rief: Kater -- Kater du liesest? ja, das kann, das will ich dir nicht verwehren. Nun sieh -- sieh! -- was f?r ein Bildungstrieb dir inwohnt. -- Er zog mir das Buch unter den Pfoten weg, schaute hinein, und lachte noch unm?ssiger als vorher. Das muss ich sagen, sprach er dann, ich glaube gar, du hast dir eine kleine Handbibliothek angeschafft, denn ich w?sste sonst gar nicht, wie das Buch auf meinen Schreibtisch kommen sollte? -- Nun lies nur -- studiere fleissig mein Kater, allenfalls magst du auch die wichtigsten Stellen im Buche durch sanfte Einrisse bezeichnen, ich stelle dir das frei! -- Damit schob er mir das Buch aufgeschlagen wieder hin. Es war, wie ich sp?ter erfuhr, Knigge ?ber den Umgang mit Menschen, und ich habe aus diesem herrlichen Buch viel Lebensweisheit gesch?pft. Es ist so recht aus meiner Seele geschrieben, und passt ?berhaupt f?r Kater, die in der menschlichen Gesellschaft etwas gelten wollen, ganz ungemein. Diese Tendenz des Buchs ist, soviel ich weiss, bisher ?bersehen, und daher zuweilen das falsche Urteil gef?llt worden, dass der Mensch, der sich ganz genau an die im Buch aufgestellten Regeln halten wolle, notwendig ?berall als ein steifer herzloser Pedant auftreten m?sse.

Seit dieser Zeit litt mich der Meister nicht allein auf dem Schreibtisch, sondern er sah es sogar gern, wenn ich, arbeitete er selbst, heraufsprang, und mich vor ihm unter die Schriften hinlagerte.

Meister Abraham hatte die Gewohnheit oftmals viel hintereinander laut zu lesen. Ich unterliess dann nicht, mich so zu postieren, dass ich ihm ins Buch sehen konnte, welches bei den scharfblickenden Augen, die mir die Natur verliehen, m?glich war, ohne ihm beschwerlich zu fallen. Dadurch, dass ich die Schriftzeichen mit den Worten verglich, die er aussprach, lernte ich in kurzer Zeit lesen, und wem dies etwa unglaublich vorkommen m?chte, hat keinen Begriff von dem ganz besonderen Ingenium womit mich die Natur ausgestattet. Genies die mich verstehen und mich w?rdigen, werden keinen Zweifel hegen. R?cksichts einer Art Ausbildung, die vielleicht der ihrigen gleich ist. Dabei darf ich auch nicht unterlassen, die merkw?rdige Beobachtung mitzuteilen, die ich r?cksichts des vollkommenen Verstehens der menschlichen Sprache gemacht. Ich habe n?mlich mit vollem Bewusstsein beobachtet, dass ich gar nicht weiss wie ich zu diesem Verstehen gekommen bin. Bei den Menschen soll dies auch der Fall sein. Das nimmt mich aber gar nicht wunder, da dies Geschlecht in den Jahren der Kindheit betr?chtlich d?mmer und unbeholfener ist als wir. Als ein ganz kleines K?terchen ist es mir niemals geschehen, dass ich mir selbst in die Augen gegriffen, ins Feuer oder ins Licht gefasst oder Stiefelwichse statt Kirschmus gefressen, wie dies wohl bei kleinen Kindern zu geschehen pflegt.

Wie ich nun fertig las, und ich mich t?glich mehr mit fremden Gedanken vollstopfte, f?hlte ich den unwiderstehlichsten Drang, auch meine eignen Gedanken, wie sie der mir innewohnende Genius gebar, der Vergessenheit zu entreissen, und dazu geh?rte nun allerdings die freilich sehr schwere Kunst des Schreibens. So aufmerksam ich auch meines Meisters Hand, wenn er schrieb, beobachten mochte, durchaus wollte es mir doch nicht gelingen, ihm die eigentliche Mechanik abzulauern. Ich studierte den alten Hilmar Curas, das einzige Schreibevorschriftsbuch, welches mein Meister besass, und w?re beinahe auf den Gedanken geraten, dass die r?tselhafte Schwierigkeit des Schreibens nur durch die grosse Manschette gehoben werden k?nne, welche die darin abgebildete schreibende Hand tr?gt, und dass es nur besonders erlangte Fertigkeit sei, wenn mein Meister ohne Manschette schriebe, so wie der ge?bte Seilt?nzer zuletzt nicht mehr der Balancierstange bedarf. Ich trachtete begierig nach Manschetten, und war im Begriff, die Dormeuse der alten Haush?lterin f?r meine rechte Pfote zuzureissen und zu adaptieren, als mir pl?tzlich in einem Moment der Begeisterung, wie es bei Genies zu geschehen pflegt, der geniale Gedanke einkam, der alles l?ste. Ich vermutete n?mlich, dass die Unm?glichkeit, die Feder, den Stift, so zu halten wie mein Meister, wohl in dem verschiedenen Bau unserer H?nde liegen k?nne, und diese Vermutung traf ein. Ich musste eine andere dem Bau meines rechten Pf?tchens angemessene Schreibart erfinden und erfand sie wirklich, wie man wohl denken mag. -- So entstehen aus der besonderen Organisation des Individuums neue Systeme. --

Eine zweite b?se Schwierigkeit fand ich in dem Eintunken der Feder in das Tintenfass. Nicht gl?cken wollt' es mir n?mlich, bei dem Eintunken das Pf?tchen zu schonen, immer kam es mit hinein in die Tinte, und so konnte es nicht fehlen, dass die ersten Schriftz?ge, mehr mit der Pfote als mit der Feder gezeichnet, etwas gross und breit gerieten. Unverst?ndige mochten daher meine ersten Manuskripte beinahe nur f?r mit Tinte beflecktes Papier ansehen. Genies werden den genialen Kater in seinen ersten Werken leicht erraten und ?ber die Tiefe, ?ber die F?lle des Geistes, wie er zuerst aus unversiegbarer Quelle aussprudelte, erstaunen, ja ganz ausser sich geraten. Damit die Welt sich dereinst nicht zanke ?ber die Zeitfolge meiner unsterblichen Werke, will ich hier sagen, dass ich zuerst den philosophisch-sentimental-didaktischen Roman schrieb: >>Gedanke und Ahnung, oder Kater und Hund.<< Schon dieses Werk h?tte ungeheures Aufsehen machen k?nnen. Dann, in allen S?tteln gerecht, schrieb ich ein politisches Werk, unter dem Titel: >>?ber Mausefallen und deren Einfluss auf Gesinnung und Tatkraft der Katzheit;<< hierauf f?hlt' ich mich begeistert zu der Trag?die: >>Rattenk?nig Kawdallor.<< Auch diese Trag?die h?tte auf allen nur erdenklichen Theatern unz?hligemal mit dem l?rmendsten Beifall gegeben werden k?nnen. Den Reihen meiner s?mtlichen Werke sollen diese Erzeugnisse meines hoch emporstrebenden Geistes er?ffnen; ?ber den Anlass, sie zu schreiben, werde ich mich geh?rigen Orts auslassen k?nnen.

Als ich die Feder besser zu halten gelernt, als das Pf?tchen rein blieb von Tinte, wurde auch freilich mein Stil anmutiger, lieblicher, heller; ich legte mich ganz vorz?glich auf Musenalmanache, schrieb verschiedene freundliche Schriften und wurde ?brigens sehr bald der liebensw?rdige gem?tliche Mann, der ich noch heute bin. Beinahe h?tte ich schon damals ein Heldengedicht gemacht, in vier und zwanzig Ges?ngen, doch als ich fertig, war es etwas anderes worden, wof?r Tasso und Ariost noch im Grabe dem Himmel danken k?nnen. Sprang wirklich ein Heldengedicht unter meinen Klauen hervor, beide h?tte kein Mensch mehr gelesen.

Ich komme jetzt auf die --

Jeder, der nur ein einzigesmal im Gasthofe des anmutigen Landst?dtchens Sieghartsweiler abgestiegen ist, hat sogleich von dem F?rsten Iren?us reden geh?rt. Bestellte er n?mlich bei dem Wirt nur ein Gericht Forellen, die in der Gegend vorz?glich, so erwiderte derselbe gewiss: Sie haben recht, mein Herr, unser gn?digster F?rst essen auch dergleichen ungemein gern, und ich vermag die angenehmen Fische gerade so zuzubereiten, wie es bei Hofe ?blich. Aus den neuesten Geographien, Landkarten, statistischen Nachrichten wusste der unterrichtete Reisende aber nichts anderes, als dass das St?dtchen Sieghartsweiler samt dem Geierstein und der ganzen Umgebung l?ngst dem Grossherzogtum, das er soeben durchreiset, einverleibet worden; nicht wenig musste es ihn daher verwundern, hier einen gn?digsten Herrn F?rsten und einen Hof zu finden. Die Sache hatte aber folgenden Zusammenhang. F?rst Iren?us regierte sonst wirklich ein artiges L?ndchen nicht fern von Sieghartsweiler, und da er mittels eines guten Dollonds von dem Belvedere seines Schlosses im Residenzmarktflecken seine s?mtlichen Staaten zu ?bersehen vermochte, so konnt' es nicht fehlen, dass er das Wohl und Weh seines Landes, das Gl?ck der geliebten Untertanen, stets im Auge behielt. Er konnte in jeder Minute wissen, wie Peters Weizen in dem entferntesten Bereich des Landes stand, und ebensogut beobachten, ob Hans und Kunz ihre Weinberge gut und fleissig besorgten. Man sagt, F?rst Iren?us habe sein L?ndchen auf einem Spaziergange ?ber die Grenze aus der Tasche verloren, so viel ist aber gewiss, dass in einer neuen mit mehrern Zus?tzen versehenen Ausgabe jenes Grossherzogtums, das L?ndchen des F?rsten Iren?us einfoliiert und einregistriert war. Man ?berhob ihn der M?he des Regierens, indem man ihm aus den Reven?en des Landes, das er besessen, eine ziemlich reiche Apanage aussetzte, die er eben in dem anmutigen Sieghartsweiler verzehren sollte.

Ausser jenem L?ndchen besass F?rst Iren?us noch ein ansehnliches bares Verm?gen, das ihm unverk?rzt blieb, und so sah er sich aus dem Stande eines kleinen Regenten pl?tzlich versetzt in den Stand eines ansehnlichen Privatmannes, der zwanglos nach freier Willk?r sich das Leben gestalten konnte wie er wollte.

F?rst Iren?us hatte den Ruf eines feingebildeten Herrn, der empf?nglich f?r Wissenschaft und Kunst. Kam nun noch hinzu, dass er oft die l?stige B?rde der Regentschaft schmerzlich gef?hlt, ja, ging auch schon einmal von ihm die Rede, dass er den romanhaften Wunsch, in einem kleinen Hause, an einem murmelnden Bach, mit einigem Hausvieh ein einsames idyllisches Leben procul negotiis zu f?hren, in anmutige Verse gebracht, so h?tte man denken sollen, dass er nun, den regierenden Herrn vergessend, sich einrichten werde mit dem gem?tlichen Hausbedarf, wie es in der Macht steht des reichen, unabh?ngigen Privatmannes. Dem war aber ganz und gar nicht so!

Es mag wohl sein, dass die Liebe der grossen Herren zur Kunst und Wissenschaft nur als ein integrierender Teil des eigentlichen Hoflebens anzusehen ist. Der Anstand erfordert es Gem?lde zu besitzen und Musik zu h?ren, und ?bel w?rde es sein, wenn der Hofbuchbinder feiern und nicht die neueste Literatur fortw?hrend in Gold und Leder kleiden sollte. Ist aber jene Liebe ein integrierender Teil des Hoflebens selbst, so muss sie mit diesem zugleich untergehen und kann nicht als etwas f?r sich fort Bestehendes Trost gew?hren f?r den verlornen Thron oder das kleine Regentenst?hlchen, auf dem man zu sitzen gewohnt.

Add to tbrJar First Page Next Page Prev Page

 

Back to top