Read Ebook: Die Reise zum Mars by Dominik Hans
Font size:
Background color:
Text color:
Add to tbrJar First Page Next Page Prev Page
Ebook has 67 lines and 9346 words, and 2 pages
>>Man k?nnte es f?r einen Nachmittag im Berner Oberland halten,<< meinte Doktor M?ller.
>>Ich mag gar nicht mehr in das Raumschiff hinein,<< sagte Monsieur Durand.
>>Aber wir m?ssen,<< erwiderte Doktor M?ller. >>Wir m?ssen erst einen ausgedehnten Kriegsrat halten, bevor wir etwas Weiteres unternehmen k?nnen, also vorl?ufig noch einmal zur?ck in das Raumschiff.<<
Als unsere beiden Reisenden wieder in ihrem Fahrzeuge Platz genommen hatten, setzte sich Doktor M?ller in Positur und begann also: >>Wir haben einen grossartigen Erfolg zu verzeichnen gehabt, einen Erfolg, wie kein Irdischer vor uns. Unser Planetenschiff liegt fest verankert auf dem jungfr?ulichen Boden des Mars. Wir haben auf unserer ersten Reise zweifelsohne konstatiert, dass die physikalischen Verh?ltnisse des Mars hier eine Ansiedlung der Menschheit ganz sicherlich zulassen. Wir haben auch niedere Lebensformen, wie W?rmer und Insekten, gefunden. Wirbeltiere haben wir einstweilen noch nicht zu Gesicht bekommen und ?ber die etwaige menschen?hnliche Bev?lkerung des Mars wissen wir noch gar nichts. Mag sein, dass vern?nftige menschen?hnliche Wesen nahe bei uns in den T?lern dieses Gebirges leben, mag auch nicht sein. In keinem Falle k?nnen sie die H?he unserer Entwicklung erreicht haben, denn sonst w?re es an ihnen gewesen, unserer Erde zuerst einen Besuch abzustatten. Selbstverst?ndlich k?nnen wir nicht wissen, wie weit ihre Entwicklung fortgeschritten ist. Vielleicht stehen sie bereits auf der H?he, die wir im Jahre 1896 kurz vor der Erfindung der elektrischen Wellentelegraphie erreicht hatten, vielleicht auch leben sie noch im Zustande der Griechen zur Zeit des trojanischen Krieges oder gar der uralten H?hlenmenschen des Neandertales. Vielleicht auch hat das Leben von Primaten, von hochorganisierten Wirbeltieren, auf diesem Planeten noch gar nicht begonnen und wir sind die ersten vernunftbegabten Gesch?pfe auf einem neuen Stern. Sei dem nun aber, wie ihm wolle. In jedem Falle k?nnten wir das nur ersp?hen, wenn wir mit unserem Raumschiff eine Umfahrt um den Mars in sehr m?ssiger H?he vollf?hrten. Wenn wir in etwa zweihundert Meter H?he seine Oberfl?che bestrichen, w?rde uns alles dieses klar werden. Dazu aber m?ssten wir das Fahrzeug wiederholt abarisch und dann wieder schwer machen. Unser Fl?ssigkeitsvorrat ist aber aussergew?hnlich knapp geworden. Wir k?nnen nur noch eben unsere Erde wieder erreichen, w?hrend jeder Versuch, hier eine Kreuzfahrt zu vollf?hren, uns dieser letzteren M?glichkeit beraubt. Mein entschiedener Vorschlag geht daher dahin: wir errichten hier einen zuverl?ssigen Merkstein, dass wir im Namen der Erde auf dem Mars gelandet sind, und kehren dann sofort zur Erde zur?ck, um von dort aus mit neuen und reicheren Mitteln eine zweite Expedition zu unternehmen.<<
>>Wenn dem so ist, haben Sie unbedingt recht,<< erwiderte Monsieur Durand. >>Dann m?ssen wir zur?ck, aber vorher wollen wir ein Denkmal unserer Anwesenheit errichten. Ich denke, wir machen es folgendermassen: zun?chst wollen wir die genaue geographische Breite und L?nge unserer Landungsstelle ermitteln und auf unseren Marskarten eintragen. Das ist so wie so n?tig, da unsere Astronomen mir eine genaue Tabelle mitgegeben haben, aus welcher ich f?r jeden Ort der Marsoberfl?che die besten Abfahrtszeiten zur Erde entnehmen kann.<<
Nach diesen Worten verliessen die beiden Reisenden wiederum das Raumschiff, und Doktor M?ller begann mit dem Sextanten zu arbeiten. Es folgte eine kurze Rechnung. Dann markierte er einen Punkt der vor ihm liegenden Marskarte und trug die genauen L?ngen- und Breitengrade in das auf der Karte bereits befindliche Gradnetz ein. Weiter begann er in einer umfangreichen Tabelle zu bl?ttern und bemerkte nach einem Blick auf die Uhr: >>Wir haben noch sechs Stunden achtzehn Minuten und zehn Sekunden Zeit. Wenn wir dann mit voller Abarie abfahren, erreichen wir die Erdscheibe in guter glatter Fahrt. Jetzt wollen wir an den Merkstein gehen. Zun?chst eine kleine Steinpyramide vor dieser glatten Felswand und auf diese Pyramide die Flaggen unserer beiden L?nder. Weiter aber irgend eine allgemein verst?ndliche Zeichnung auf diese glatte Felswand.<< Nach diesen Worten begannen die beiden Feldsteine zusammenzuschleppen, und im Laufe einer Stunde war eine zwei Meter hohe Pyramide errichtet, von deren Spitze lustig die Fahnen Deutschlands und Frankreichs im Winde flatterten. Danach ging Doktor M?ller in das Raumschiff zur?ck, um in K?rze mit verschiedenen ?lfarbent?pfen und Pinseln wiederzukehren.
>>Ich denke,<< begann er, >>zun?chst einmal malen wir unser Sonnensystem mit seinen Planeten und Planetoiden an diese Felswand. Wenn wir dann den Erdplaneten mit den Fahnen Deutschlands und Frankreichs schm?cken und eine sch?ne knallrote Routenlinie von der Erde zum Mars und wieder zur?ck ausmalen, werden auch weniger intelligente Martier begreifen, dass hier jemand von der Erde zu Besuch gewesen ist.<< Seinen Worten liess der Doktor alsbald die Tat folgen.
>>Nun k?nnten wir noch etwas Mathematisches dalassen,<< meinte jetzt Monsieur Durand. >>Mein Landsmann Laplace hat bereits vor dreihundert Jahren vorgeschlagen, in den Steppen Sibiriens in ungeheuren Abmessungen aus starken Lampen die Figur des pythagor?ischen Lehrsatzes zusammmenzusetzen. Jedes vernunftbegabte Wesen, so meinte er, muss den Sinn dieser Zeichnung verstehen.<<
>>Das k?nnen wir ja sofort machen,<< stimmte Doktor M?ller bei, und unter seinen kunstfertigen Fingern entstand alsbald ein anschauliches Bild des Pythagoras.
>>Geben wir ihnen noch etwas zu,<< fuhr er dann fort und malte weiter den Satz von den gleichen Scheitelwinkeln, die drei Kegelschnitte, den Satz des Apollonius und einige andere Dinge, welche auch unseren Lesern aus dem Mathematikunterricht her sattsam bekannt sein d?rften.
>>Nun wird es aber Zeit zum Einsteigen,<< mahnte schliesslich Monsieur Durand. >>Wir haben nur noch eine halbe Stunde Zeit. Ausserdem haben wir auf dem Mars unsere Fahnen zur?ckgelassen. Da wollen wir der alten Mutter Erde von unserem Ausflug wenigstens einen Strauss frischer martischer Gebirgsblumen mitbringen.<< Dementsprechend wurde gehandelt, und nach zehn Minuten betraten die Reisenden, reiche Girlanden und Str?usse in den H?nden, ihr Raumschiff, um alles zur Reise fertig zu machen. Rastlos schritt der Zeiger der Uhr vorw?rts, und schon nahte die Sekunde der Abfahrt. In diesem Augenblick brach ein Lebewesen, etwa einem riesigen Urwaldb?ren vergleichbar, durch das Dickicht und trollte auf das Raumschiff zu.
>>Es ist gut, dass uns das Tier nicht ?berraschte, als wir waffen- und wehrlos mit unserer Malerei besch?ftigt waren,<< meinte Monsieur Durand.
>>Hoffentlich leckt uns dieser unangenehme Zeitgenosse nicht die frische Farbe ab,<< sagte Doktor M?ller und liess im selben Augenblick, da die Abfahrtssekunde gekommen war, den abarischen Hebel spielen. Dicht vor der Nase des staunenden Meister Petz stieg das Raumschiff in die H?he und nahm seinen Kurs mit einer Geschwindigkeit von etwa zwei geographischen Meilen in der Sekunde auf die Erde. Sorgf?ltig untersuchte Doktor M?ller seine Vorr?te. Man konnte es versuchen, die Geschwindigkeit unter Benutzung der Anziehungskraft der Marsmonde zu steigern. Dementsprechend verfuhr er und erzielte wiederum die alte Reisegeschwindigkeit von vier Sekundenmeilen.
Es folgten die ruhigen Zeiten der Heimfahrt, bis endlich die Erde wieder in ihre Rechte trat. Bereits bedeckte ihre strahlende Scheibe den gr?ssten Teil des Horizontes, und jetzt begann sich auch die irdische Atmosph?re durch die Reibung bemerklich zu machen. Wiederum setzten die Landungsman?ver mit wechselnder Abarie und Schwere ein, welche wir bereits von der ersten Landung auf dem Mars kennen. Immer langsamer wurde der Flug des Schiffes, immer mehr schwebte es wie ein Luftballon und schliesslich ging es mit kaum f?hlbarem Ruck in der n?chsten N?he von Berlin vor Anker. Bereits nach wenigen Sekunden ?ffneten die Reisenden die Luken und betraten mit Entz?cken und in vollem Wohlbefinden wieder den Boden ihres Heimatplaneten, den sie verlassen hatten, um ein unerh?rtes Abenteuer zu bestehen.
Die Ankunft des Raumschiffes war nicht unbemerkt geblieben. Bereits seit Tagen hatten die Astronomen es mit ihren Fernrohren verfolgt, und als es jetzt nach l?ngerem Luftflug landete, stand eine zahllose Menge bereit, die k?hnen Reisenden zu empfangen. Mit tausendstimmigem Hurra begr?sste man die Landung des Schiffes, begr?sste man ferner das Erscheinen der Reisenden selbst. Ein reich geschm?ckter Staatskraftwagen brachte die beiden zun?chst nach der deutschen Hauptstadt. Dort erstatteten sie den ersten vorl?ufigen Bericht ?ber ihre Fahrt, welcher noch am selben Abend durch Millionen von Extrabl?ttern verbreitet wurde. Dann fuhren sie nach Paris, um dort alle Angelegenheiten bez?glich des Marspreises zu regeln. Doktor M?ller gelangte in den Besitz einer Summe von f?nfzig Milliarden Mark, in jedem Falle genug, um bei einiger Sparsamkeit auszukommen. Das Restkapital der Stiftung verblieb dem Kuratorium, und es wurde nicht ?bel angelegt. Diese Art der Anlage, welche vorz?glich dem tatkr?ftigen Eingreifen des Monsieur Durand zu verdanken ist, l?sst sogar den ganzen, an sich nicht ganz einwandfreien Handel betreffend der R?ckzedierung von f?nfundsiebzig Prozent in einem milderen Lichte erscheinen. Unter der tatkr?ftigen F?hrung des ersten Direktors, Monsieur Durand, und des zweiten Direktors, Doktor M?ller, ging das Marskuratorium alsbald an die Schaffung regelrechter Marsverbindungen nach Art der grossen Ozeandampfergesellschaften, welche im neunzehnten Jahrhundert den Verkehr ?ber den Atlantic vermittelten. Wer die Verkehrsgeschichte aus der ersten H?lfte des zweiundzwanzigsten Jahrhunderts mit einigem Eifer verfolgt, wird immer und immer wieder auf die Namen Durand und M?ller stossen, sei es nun als die Leiter der grossen internationalen Erde-Marslinie, sei es auch als die Namen der beiden ersten grossen Marsschnellschiffe, welche die ?berfahrtszeit zuerst auf einen Zeitraum von weniger als einer Woche herabdr?ckten. Doch das sind meistens Dinge, die man besser in den technischen Geschichtswerken jener Zeit selbst verfolgt.
Anmerkung zur Transkription
Quelle: Das Neue Universum, Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig, 1908, pp. 1-17.
Add to tbrJar First Page Next Page Prev Page