Read Ebook: Gedichte by Kraft Paul
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Ebook has 169 lines and 9654 words, and 4 pages
Paul Kraft
Gedichte
Die klare Welt bleibt klare Welt.
Goethe.
Kurt Wolff Verlag ? Leipzig
Dies Buch, entstanden Oktober 1913 bis Januar 1915, wurde gedruckt als achtzehnter Band der B?cherei >>Der j?ngste Tag<< bei Poeschel & Trepte in Leipzig
Copyright 1915 by Kurt Wolff Verlag, Leipzig
Verzweiflung
O Blitze, zuckt in mich hinein Aus Armut, Zweifel, Sturz und Tod Und steigert wenigstens meine Not Zu h?herem, wenn auch schw?rzerem Sein.
Brennt doch hinein in meinen Geist Und reisst zerst?rend ihn hinab Und schmeisst ihn weg zu Schutt und Grab, Wenn innere Not ihn nicht zerbeisst.
Werft Pulver doch in mich hinein, Schiesst meinen K?rper doch zusammen, Ergiesst euch, hergesehnte Flammen, Vernichtend in mein halbes Sein.
Zerbrecht doch meiner Seele Band, Das ?berm Abgrund sie noch h?lt, Dass sie, so schlaff und schwach gespannt, Zerrissen in die Tiefe f?llt!
T?rmt doch in meinem Innern auf Ein wirkliches, fassbares Weh, Aus Gift und Blut und Falln im Lauf, Aus D?mon, W?ste, Nord und Schnee!
Doch nicht dies blasse Halbverzagen, Doch nicht dies schale Halbverwehn, Lasst lieber mich ein Ganzes tragen An Hass und donnerndem Vergehn!
Wirbelt mich durch der Welten Schmach, Schleift mich durch Tier und dumpfes Sein, Und wenn ich nicht an mir zerbrach, Zerbrecht mich doch an anderer Pein!
Doch nicht dies dumpfe Nichtvertraun, Kein Blitz, kein Bl?hen, kein Erhellen, Kein Wald, kein Lachen, keine Quellen, Kein fester Grund, auf dem zu baun.
Zerrt mich zerknickt durch H?llenmund, Durch Rauch und Ruten und Spelunken, Dass ich zerknittert und zertrunken So tief, o Schmerz, in dich gesunken, An dir erst werde recht gesund!
An gewisse Andere
Tier im Menschen, Mensch im Tiere, Eingeschn?rt in Nacht-Visiere, Ewig Grausein, ewig Schlechtsein, Ewig dumpfes Ungerechtsein, Kraut im Feld und Rauch im All, Schlamm auf Strassen, Sturz und Fall, Staub und Asche, Stank im Blut, Niedergang und d?rrer Mut, Eure G?te noch ist Hass, H?rte ohne Ziel und Mass.
Eure N?chte erst sind Tag, Euer Leuchten ist mein Dunkel, Sein Erl?schen mein Gefunkel, Wenn ihr schlaft erst bin ich wach.
Ekel spritzt vor euch zur Erde, O ihr Tiere! O ihr Herde! Falsch erworbener St?rke N?tzer, Hass- und Niedertracht-Verspritzer, Allen Schwachen Tyrannei, Schl?gt die G?te ihr entzwei.
Herz! O Herz! Du dennoch Sieger, Ob ihr spottet, wenn ich mahne, Ewigd?rren Feldes Pfl?ger Als des Lebens schlechtste Krieger, ?ber Pranger eures Eifers B?sbehaglichen Gegeifers, ?ber euch und euren Hohn, ?ber Gott und Gottes Thron Donnern meine Wort-Orkane, Wirbelt meiner G?te Fahne.
Lied des m?den, abgearbeiteten Grossst?dters
Was habe ich vom Gr?n des Sommers denn? Von Helle und Spazierg?ngen an Seen! Wenn B?ume sanft und leicht nach vorne wehn, Wenn weisse Kinder lachend spielen, wenn
Das Goldene auf dem Blau des Himmels liegt. Wie sehn' ich mich, das Lichte zu umfassen, Wenn Sonnen-Schein des Morgens auf den Strassen Die Welt in neues tiefes F?hlen wiegt.
Was habe ich von schneeigen Wintertagen, Wenn Ihr, in Kraft und Frische aufgereckt, Von seltsam-mutigem Gef?hl bedeckt, Durch K?lte hinmarschiert und Wohlbehagen?
Was habe ich von Sichergehn in G?rten Und P?rken an des Abends weicher Hand? O schmerzliches Vorbeiwehn an begehrten Frauen und Weiss und Sternen-Strand.
O schmerzliches Vorbei an Tennispl?tzen Und Neid auf sch?ne Menschen, die da spielen, O schmerzliches Einst?rmen von Gef?hlen, Die meiner Seele letzten Trost zerfetzen!
O Neid auf Reiter, die durch Morgentau Und braunen Sand und wunderbare K?hlen Und wunderbare Frische von Gef?hlen Hinst?rmen wie im L?cheln einer Frau.
O Herz! O dunkles Herz! O Durst und Sehnen Nach Tagen, selig hingespielt im Glanz Des Nichtstuns, wilder junger Freuden Tanz Und innigem Geniessen alles Sch?nen.
Schweben durch P?rke, die dich mild umarmen, Schwimmen durch Seen, die dich sanft umkosen, Schwelgen im blauen Dufte aller warmen S?ssen, von Purpurschein durchgl?nzten Rosen.
Baden in M?dchen, die so weich und gut sind Und die Geliebte stundenlang betrachten Nicht mehr vergebens -- irre nach ihr schmachten In Betten, die eiskalt und die voll Blut sind.
Und N?chte, die zerbrechen von Gef?hlen Und meiner Seele Berge ?bersausen. O Explosion! O Steigerung! O Brausen Durch Lauben, die mein Denken gr?n umsp?len.
Kein Abgespannt sich in die Stadtbahn werfen, Nicht mehr stillsitzen auf den hohen St?hlen, Keine Geh?ssigkeit, kein Schwarz, kein W?hlen Im Schmerze meiner ?berreizten Nerven.
Nur Tage, die in Licht und Hauch versinken, Nur N?chte, die zergehn in Lustgef?hlen, Und nur durch Taumel schimmerndes Sich sp?len Und nur aus Liebe wieder Liebe trinken.
An die unbekannte Geliebte
An M. S.
Immer bin ich dir nah, Geliebte, ob ich des Abends M?de mich in g?tige Decken wickle Oder am Morgen von h?llendem Bett aufstehe, Ob ich, noch halb verschlafen, am Kaffeetisch sitze,
Zitternd vor b?ser Schule marternder Dumpfheit, Ob ich auf Strassen gehe, wo Menschen schwirren, Grinsende Worte mich ekeln, gute mir schmeicheln, Oder ob ich vor grausamer Arbeit verzweifle:
Immer schwebst du vor mir, besternt und bestrahlt, Himmel am Abend, goldener Widerschein Purpurner Sonnen im Meere, leichtes Gew?lk, Duft und Zerfliessen, schattiger Wald im Gl?hen
Dr?ckender W?rmen, unendliche Melodie, Aufsteigend, schmetternd, rasend und dann vergehend, Schmeichelnd, peitschend, Seelenatem zerreissend, L?chelnde Blumen auf brennendes Denken streuend.
Deine Seele, die in verborgene Tiefen Nur ihr Letztes ausstrahlt, und die ich nicht kenne, Die sich mir nie enth?llte, liegt dann ganz oben, Ausgebreitet dem suchenden Blick. Und die Reinheit
Glanzvoller Tage blendet mich, dass ich erbebe Und Verz?ckung einatme und seliges Rauschen Aller strahlenden Fl?sse und schimmernden Meere In mir erklingt und Triumph und funkelnde Glorie
Wie Raketen zu brennenden H?hen steigen Und die Schw?rze zerfliegt und himmlische Fahnen Wehen, Fanfaren donnern und singende Engel Leuchtend vom Himmel zur Erde herniedertanzen.
Immer sch?pf' ich, Geliebte, aus goldenem Brunnen Worte , die dein durchschienenes Antlitz Auf das weisse Papier abspiegeln sollen und zeugen Von seinen purpurnen Fr?chten und ewigen Sonnen.
Wenn ich den Hauch meines Mundes einatme, entsteigt ihm Dein berauschender Duft. Die S?sse des Apfels, der Birne Birgt deine S?sse und durchfliesst mich in tiefer, Seliger, dunkler, geheimnisvoller Verwandlung.
Und ich f?hle die werdende, str?mende Weihe Heiligen Abendmahls, wenn ich in der W?rze des Brotes Wahrhaft deinen Leib f?hle und deine Glieder Und bis in innerste, gl?hendste Tiefen erschaure.
O Gef?hle, bedr?ckende und aufreissende Gef?hle: dass ich, ungekannt, ungeliebt von dir, Altar dir auf Altar errichte wie einer G?ttin, Lichter um dich entz?nde und schwebende Sterne.
Wo bist du jetzt? Wo fliegen deine Gedanken? In leichten L?ften? In dumpfer Niederung? Im Atem steigenden Lebens oder in D?nsten Sinkender Schw?che und zerfallener Krankheit?
Schl?fst du schon, eingeh?llt in Decken und Kissen, Ruhig, wunschlos? Oder sehnst du den Leib Br?nstigen Zuckens nach der starken Umarmung Schauernder Wollust und hinstr?mender Triebe?
Was soll dies alles? Weiss ich das eine doch nur: Dass ich hier sitze und schreibe und an dich denke Und du mir fern bist und -- ob du nun weinst oder lachst, Klar oder verworren in dir bist, nicht an mich denkst.
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