Read Ebook: Das Exemplar by Kolb Annette
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Ebook has 733 lines and 60885 words, and 15 pages
>>Ferner wollte ich wissen,<< fuhr sie fort, >>warum dagegen bei so grosser Divergenz des Geistes die Sottise fran?aise und die B?tise allemande so stammverwandt sind, und so ausgezeichnet harmonieren, dass sie die reine Terz abgeben! Dies ist meine Entdeckung. Was geben Sie mir daf?r?<< und sie streckte lachend die Hand aus. Denn Maricl?e wurde stets sehr aufger?umt, wenn man auf ihre Worte achtete. Vor leidlich klugen Leuten konnte sie nicht bestehen. Es bedurfte wirklichen Scharfsinns, denn sie war allzu elektrisch: wer nicht fest auf die Klinge dr?ckte, vernahm keinen Ton.
Als sie nach Hause kam, lag schon ein Brief ihrer Freundin vor, der genaue Angaben betreffs ihres Zuges enthielt, und ebensowenig wie das Telegramm auf das bewusste >>ganz unm?glich<< einging. Sie las ihn noch unten in der Halle. >>Es wird, wie's wird,<< dachte sie, >>zum Absagen ist es zu sp?t.<< Und sie betrat den Fahrstuhl, vor dessen T?r ein Junge wartete. Den Dienst besorgten zwei Liftboys, von welchen der eine h?sslich war und untersetzt, der andere einen eleganten Kopf auf einem hochgewachsenen K?rper trug. O Macht der Sch?nheit! Immer zog sich ihr Herz zusammen, wenn sie der H?ssliche hinaufzog.
Drittes Kapitel
Fr?h am n?chsten Nachmittag fuhr sie statt in einem Taxameter aus Liebhaberei in einem Hansom zur Bahn, weil es sie jedesmal optimistisch stimmte, wenn sie in diesem so geschmackvollen und w?rdigen Vehikel einherzog. Der Londoner Himmel sah aus, als ob er ?berhaupt nie wieder zu regnen, noch je ein W?lkchen aufzubringen ged?chte. Ihr Hansom fuhr recht gem?chlich, so dass sie Zeit hatte, eine Revision ihres Geldbestandes vorzunehmen. Denn Maricl?e notierte nie eine Ausgabe, weil es sie deprimierte, und ihre Rechenk?nste beschr?nkten sich darauf, dass sie hin und wieder zusammenz?hlte, was ihr noch blieb. Man hatte ihr versichert, in England sei es akzeptiert dritter Klasse zu fahren, selbst f?r die reichsten Leute; sie fand das zwar im h?chsten Grade merkw?rdig von diesen reichen Leuten, allein die Fahrt war teuer, sie trug sich noch mit ungewissen Pl?nen, und musste in petto die sehr bed?chtige Ameise spielen, wollte sie auf ein Weilchen den Schein der zirpenden Grille vertreten. Sie lief also erst auf den Perron, sah mit Sp?herblicken umher, und musterte alle Reisenden. Es war ein denkbar philistr?ses Publikum, und sie l?ste beruhigt eine Karte; kaum schritt sie aber wieder den Zug entlang, als eine Dame vor ihr stand, die genau aussah, als f?hre sie nach Glenford. Ihr Haar war wundervoll aufgebaut, in der Hand hielt sie ein Safrant?schchen und nicht nur eine Jungfer, es summte auch, halb Hofprediger, halb Monsignore, der distinguierteste aller Kammerdiener um sie her. Maricl?e wollte an das andere Ende des Zuges gehen, aber der Schaffner beschied sie, dass nur ein einziger Wagen bis nach Ollerton lief. Es war derselbe, den die Dame bestieg. Ihre Reisegef?hrten, ein borstiger alter Brite und seine unsch?ne ?ltliche Tochter waren vielleicht sehr reich, elegant waren sie nicht. Sie sahen aus als bewohnten sie in irgendeinem geistt?tenden Nest ein phantasieloses Cottage. Und so war es auch. Als der Zug vor einem ?den, roten St?dtchen hielt, befanden sich die beiden offenbar zu Hause. Statt ihrer zog jetzt eine grosse Hutschachtel in das sehr sch?bige und schmutzige Kupee, gefolgt von einem Fr?ulein in Filosellhalbhandschuhen und mit zerstochenen Fingern. Aber vielleicht war sie sehr reich und n?hte nur zu ihrem Vergn?gen. Die Dame mit der Tiaratasche fuhr noch immer mit. Schon wurde Leicester ausgerufen. Da -- o unverhoffte Freude! Wahrhaftig sie entstieg dem Zuge, auf Nimmerwiedersehen ?berschritt sie die Plattform, von ihrer Jungfer, ihrem p?pstlichen Legaten und Maricl?es Segensw?nschen gefolgt. Bald darauf kam ein Fluss und ein H?gel, der sich ganz f?r sich allein am Ufer hinzog und hier stieg auch das Fr?ulein mit der Hutschachtel aus und Maricl?e war allein. Wie eine schimmernde Schale breitete sich das Land vor ihren Blicken aus, und der Tag schien in seinem eigenen Glanze versunken. Die Sonne goss jetzt ermattet Str?me silbernen Lichtes ?ber die umfriedeten ?cker und die in biblischer Ruhe gelagerten Schafe. Und die umflitterten B?ume, das wellige Land, die schwimmenden Fernen, sie alle schienen zum Meere hinzuwallen oder zu rufen: >>Als eine Insel liegen wir im Meeresschoss!<<
In den leeren Wagen drang bald darauf der Abend mit k?stlicher Frische herein; niemand st?rte sie mehr. Der Zug fuhr durch das versonnene Land wie im Traume dahin und erf?llte die stille Luft mit seinem Gerausch. W?lder tauchten empor, D?rfer, verlorene St?dtchen richteten sich auf, doch unaufhaltsam eilte er jetzt an ihnen vorbei. ?ber den schlicht gepolsterten Sitzen hing ein Spiegel. Maricl?e band sich einen neuen Schleier um, und fing an sich zu richten. Ihr halb gejagter, halb duldender Blick machte ihr nichts weis. Sie wusste, das Wesen, das sie da mit so ernster Miene ansah, war jetzt doch in seinem Element und liebte es halb als Heldin, halb als Abenteuerin sich zu f?hlen. Bald kam es jetzt, das prunkende, ewig umd?sterte Haus, Englands ber?hmtes Geisterschloss mit seinen trauernden Fenstern. W?rde man ihr wieder dasselbe Zimmer geben? sie erschrak bei dem Gedanken. Weiss Gott! der Gespenster hatte sie vergessen.
Der Zug n?herte sich wieder einer kleinen Station, aber statt durchzufahren hielt er diesmal an. Ein Lakai im langen weissen Mantel lief hin und her, w?hrend ein grosser Herr in hellem ?berrock auf jemanden zu warten schien. Es stieg aber niemand aus.
Da riss ein Schaffner an ihrer T?re, rief heftig: >>Ollerton<< und im Nu sprang Maricl?e heraus. Die Station war erweitert worden, sie hatte sie nicht wieder erkannt. Geschwind war sie beim Gep?ckwagen und zeigte dem weissen Lakaien ihren Koffer, der mit grosser Eile ausgeladen wurde. Schmerzlich fielen ihr dabei alle Gegenst?nde ein, die in ihrem Kupee f?r die n?chste Million?rin, die dort einsteigen w?rde, zur?ckblieben: ein Sonnenschirm, ein T?schchen, Handschuhe und ein Buch. Sie hatte noch Zeit. Sollte sie sie schnell aus der bekannten Dichterklasse hervorholen? Nein, gewiss nicht. Dazu war sie viel zu feig. Stand der Herr noch hinter ihr? hatte er sie gesehen, oder hatte er sie nicht gesehen? Aber nat?rlich hatte er sie gesehen. Sie war ja das einzige, was auf dieser Plattform zu sehen war. Nicht nur, dass er sie gesehen hatte, er sah sie an.
Mit einem halben L?cheln n?hertretend, zog er den Hut und sie erwiderte seinen Gruss.
Wenige Schritte vor ihnen stand ein Auto, der weisse Lakai hatte sich schon zum Chauffeur geschwungen und sie stiegen ein.
>>Ein heisser Tag,<< begann er. >>Ich war ?ber Land und kam von einer anderen Seite.<<
Das Auto fuhr, leise schwirrend wie ein Pfeil.
Pl?tzlich sagte Maricl?e: >>Ich hoffe nur, mein Gep?ck ist nicht zur?ckgeblieben!<<
Er dr?ckte an den Knopf, liess sofort halten, versicherte sich, dass alles in Ordnung war und sie fuhren wieder zu. Er hatte es so angelegentlich getan, dass sie ihm h?tte danken sollen, und es lag ihr auf der Zunge. Aber etwas hielt sie zur?ck und sie schwieg; denn es war ihr nicht gegeben, zwei Dinge auf einmal zu tun und die Art, wie er sich einer so geringf?gigen Sache als w?re sie von grosser Wichtigkeit, annahm, hatte sie zu sehr frappiert. Denn die >>Manier<< war unverkennbar die des Don Juan.
Sie flogen im hellen Abendlicht die weite Schlossallee entlang, perlmutterfarbene Wolken schwammen am sonnenlosen Himmel ?ber die W?lder hin. Und wie damals ging ein Rufen, Schlagen, Wehen, wie von Tieresstolz ?ber Boden und Gezweig. Wie damals tauchte wieder aus einer Mulde, und keinem unbefugten Auge sichtbar, ein riesengrosser, schweigsamer und strenger Bau empor, der auf finsteren Gedanken, wie auf Pfeilern gegr?ndet schien; -- hinter einer breiten kurzen Br?cke zuerst der niedere Teil des ehemaligen Konvents, und unter steinernen, wappentragenden L?wen, der offene Eingang in der ged?mpften, gem?tlichen Pracht seiner kostbar ausgeschlagenen W?nde.
>>Sind viele G?ste hier?<< fragte Maricl?e mit verhaltenem Atem.
Sie hatte im Park helle Silhouetten und wallende H?te bemerkt.
>>F?r den Augenblick fast niemand.<<
>>Aber wer ist das M?dchen?<< Und sie deutete auf eine hohe Gestalt mit einem beb?nderten Schleierhut, die ruhigen Schrittes dem Portale zuging.
>>Das ist Ihre Freundin,<< sagte er. Sie hatte jedoch schon eine verheiratete Tochter.
Einen Augenblick sp?ter begr?ssten sie sich. >>Und dasselbe Zimmer sollst du wieder haben,<< verk?ndete sie ihr. Maricl?e nickte wie jemand, dem man etwas mitteilt, was er schon weiss. Denn vom Moment an, wo sie wieder ?ber diese Schwelle gezogen war, hatte sie dies gewusst.
Viertes Kapitel
Don Juan zeigte sich bei Tische, wo er Maricl?es Nachbar war, als ein ungew?hnlich begabter und vielseitiger Mann und wie einer selbstgef?llig seine Hand ausstreckend, geschliffenes Glas im Lichte dreht und wendet, so drehte und wendete er ihr alle Fazetten seines Geistes zu und liess sie funkeln und gefiel sich mit viel Nat?rlichkeit und noch mehr Geschick an seinem eigenen Feuer. Es trug niemand eine Tiara und sie waren nur zu sechs: Don Juan und Maricl?e, ihre Freundin, deren Gatte Lord S., seine Mutter und seine Schwester. Maricl?e hatte nicht gedacht je wieder hier zu sein, und wie f?hlte sie sich doch wieder mit ihren innersten Fibern an dies prunkvolle und interessante Haus gew?hnt, als sei etwas von ihrem Geiste all die Weil in diesen Mauern zur?ckgeblieben. Wie hatten sie selbst die Schauer der oberen Zimmer wieder angeheimelt, da sie die alten Eindr?cke so unver?ndert wiederfand. Die Pracht der M?bel, der Gobelins und Kamine war es ja nicht allein, denn in Museen sieht man vereinzelt, wie ausgestopft, solche St?cke. Sondern ?berall das Zusamment?nen und -leben dieser stillen Truhen, dieser alten Teppiche, dieser seidenen Draperien und Quasten, mit den schlanken Fachk?sten und St?hlen und dem kunstvoll so rein und naiv gewundenen oder skulptierten Holz. Wo an den niedern W?nden der Raum nicht von den Wappen mit den ausgehauenen L?wen ausgef?llt, oder k?stliche Schreine eingelassen waren, zogen sich durch jene oberen Zimmer hindurch fr?h mittelalterliche Gobelins. Lange Prozessionen schritten da einher, K?nige, Bisch?fe und Heilige; edle Jungfrauen blickten r?hrend und ernst, und hinter dem Stuartbett heute wie damals eine geheimnisvolle sch?ne, eine grosse, weinende Gestalt. Alles dies hatte sie schon erlebt und ihr stilles Wiedererkennen war ein inneres Gr?ssen. Ob es die Gespenster schon wussten, dass sie wieder gekommen war?
Man hatte sich nach Tische in den grossen Saal verf?gt, und Maricl?e war mit ihrer Kaffeetasse an das ?usserste Ende gegangen, und staunte wie die Beauvais, die alten M?bel und Bilder, die ausgesch?ttete Pracht kostbarer Dinge hier wie zu leuchtender Musik zusammenflossen, als sie pl?tzlich merkte, dass Don Juans schwerer Blick auf ihr ruhte. Aber sie hielt ihn aus und l?chelte ein wenig, ein L?cheln, das ihn intrigierte, weil er es nicht verstand.
Und dann sassen sie alle beisammen und man sprach f?r den Rest des Abends von nichts anderem mehr, als von Politik. Es war der Sommer, in dem es in ganz England nur ein einziges Thema gab: Das Budget; und Maricl?e dachte f?r den Rest des Abends nur mehr an dies Budget, das sie nichts anging.
Am n?chsten Morgen h?rte sie die Stimme ihrer Freundin, die vom Garten aus nach ihr rief. Sie folgte ihr und beide gingen plaudernd die Terrassen auf und nieder, als Don Juan aus dem Hause trat und sich zu ihnen gesellte; es hatte sich ein Irrtum mit seinem Zuge herausgestellt und vor Nachmittag konnte er nicht fahren.
Die Sonne stieg h?her und sie setzte sich mit den beiden unter einen Baum, dessen m?chtiges Gezweige einen weiten Schattenring am Rasen zog. Sie gerieten bald sehr eifrig ins Gespr?ch. Das intellektuelle Prestige der Deutschen ist in England ebenso enorm, wie ihre Unbeliebtheit; so viel hatte Maricl?e schon heraus. >>Dass die Engl?nder die Deutschen nicht kennen,<< sagte sie, >>ist n?mlich gar nicht wahr: Deutsche und Franzosen kennen einander nicht, aber zwischen uns und England besteht nichts anderes, als ein durch das Tantengetratsch der Zeitungen immerw?hrend hin- und hergetragner Bruderhass. Wenn wir einmal zu einer Verst?ndigung kommen, gibt es eine Familienfeier, wie sie kolossalischer nie dagewesen ist.<<
>>Und inzwischen das Tempo, mit dem ihr eure Dreadnoughts beschleunigt!<< warf ihre Freundin ein.
>>Und inzwischen euer Argwohn!<< seufzte Maricl?e.
>>Unser sehr berechtigter Argwohn,<< schloss Don Juan.
Und wohin sie in England kam, es hallte ihr ?ber die Deutschen nirgends ein anderer Ton entgegen!
Zum Schluss nat?rlich -- wie w?re es anders m?glich gewesen? -- sprachen sie von Liebe.
Es war zuvor von Politik die Rede gewesen, und es reizte Maricl?e, Don Juan gegen?ber die These zu verfechten, die Politik sei eine passionelle Ader und ein grosser Staatsmann k?nne nicht zugleich eine Laufbahn als homme ? bonnes fortunes verfolgen; sie zitierte dabei Bismarck, Beaconsfield und Gladstone.
Es am?sierte sie so, ihm das zu sagen.
Und diesmal widersprach er nicht, nur wollte er diesen >>Zug<< sehr einfach auf einen Instinkt der Selbsterhaltung zur?ckleiten; die Liebe griffe so ungleich m?chtiger in unsere Organismen ein, dass die Natur selbst in gr?sserer Zur?ckhaltung Schutz suche. Aber dies war den Freundinnen doch nicht subtil genug. Freilich destillierten sich die h?chsten Dinge aus den primitivsten, aber wie ein Grundstein die erste Bedingung zu schwebenden Pfeilern sei. Man brauche ihn nicht zu sehen und f?r das Bild des Ganzen sei er unbetr?chtlich.
Und so disputierten sie hin und her, um sich dann wieder auf irgendeinen Scherz des Don Juan hin zu einigen, bis sie die Luncheon-Glocke unterbrach.
Bei diesen Luncheons fand Maricl?e vor allem zwei Dinge nach Wunsch: dass man seinen Hut aufbehielt und dass man sich selbst bediente. Der butler und sein Generalstab erschienen nur zu Anfang, reichten einiges herum und zogen dann wieder ab. Auf den m?chtigen Seitentischchen brannten Fl?mmchen unter den silbernen langstieligen Kasserolen und warfen Reflexe auf die farbigen Teller, das Gold und Silber der Bestecke, die feierlichen Platten, die da warteten. Nichts aber von allen Speisen schien ihr so pr?chtig zu einem Stilleben geeignet, wie zerlegte grouse. Die Teile schichteten sich mit so satter Kompaktheit auf, der Ton des Fleisches, mit seiner, wie in sich ruhenden F?lle, war so souver?n, dass zu ihm gehalten solch allt?gliche Dinge wie Indiane oder Fasane jede k?nstlerische Berechtigung verloren. Es war das Ideal.
Man war von Tisch aufgestanden und hatte sich in die Halle verf?gt, denn es war dort am k?hlsten. Maricl?e schlich indes in die Bibliothek, um diese Rede, die ihr entgangen war, nachzulesen. Sie brauchte eine ganz Weile, um sie herauszufinden, vergrub sich dann mit ihrer Zeitung in einen tiefen Lehnstuhl und machte sich gewissenhaft dar?ber. Da ging pl?tzlich die T?re auf, und Don Juan trat herein.
>>Ich komme mich zu verabschieden<<, sagte er. Und wie er vortrat und l?chelnd auf sie zukam, und ihre Hand fasste, und sie hielt und die Hoffnung aussprach ihr wieder zu begegnen, so dass unwillk?rlich ihre Haltung der seinigen entsprach, und sie ihn ansehen und ein wenig lachen musste, -- das Ganze war ein Meisterst?ck. Weiss doch ein Frauenk?nstler so geschickt mit ihnen umzugehen wie ein Virtuos mit seiner Geige. Zwar kannte sie ja die Art, und das Prinzip war ?berall dasselbe: selbst nach fl?chtiger Begegnung leichthin den Schein anzunehmen, als sei ein Eindruck hingenommen worden, einzig zu dem Zwecke, dass ein Eindruck hinterbliebe.
Aber aber -- -- -- zuf?llig war ihr schon der Don Juan Deutschlands und Frankreichs, Don Juan d'Austria, ja sogar der S?ditaliens begegnet. Und nichts sieht einem Erleben so ?hnlich wie ein Erkennen.
F?nftes Kapitel
Maricl?e ging in die Halle zur?ck und fand dort ihre Freundin im Gespr?ch mit der Herzogin, die, wieder ganz verschleiert, aussah wie Scheherazade. Als die beiden Frauen sie gewahrten, l?chelten sie, als m?ssten sie l?cheln, weil sie daherkam, da sie eben von ihr sprachen. Maricl?e bemerkte es, aber an keinem Ort der Welt f?hlte sie sich so sicher. Ihre Freundin besass eine starke Eigent?mlichkeit, ohne dass man je versucht gewesen w?re, sie eigent?mlich zu nennen. Sie hatte so viel in der Welt gelebt, dass eine nat?rliche Anlage die Menschen zu behandeln, wie es ihnen am wohlsten tat, sich bei ihr so ausgebildet hatte, dass es kaum mehr eine Intuition, schon mehr ein Instinkt zu nennen, war. Sie hatte Routine wie ein anderer eine Glatze, sie war taktvoll, wie ein anderer korpulent ist, das heisst es war ihr zur Natur geworden. So verfuhr sie mit Maricl?e unwillk?rlich, als w?re diese von Glas, und in der Tat war sie, obwohl gar nicht empfindlich, im h?chsten Grade zerbrechlich. Liess man sie im Stiche, so fiel sie allsogleich um, und wenn sie nicht sehr behutsam zwischen zwei Fingern gehalten wurde, lag sie gleich in Scherben. Dann war sie weder Seele noch Leib, nur mehr ein sichtbares St?ck Unbehagen, das sich nach Unsichtbarkeit sehnte, ungef?ge und erloschen.
Don Juan hatte der sch?nen Herzogin in den Wagen geholfen und entschwand mit ihr durch dieselbe Allee, durch die er tags zuvor mit Maricl?e einherzog. Sie folgte jetzt der Freundin, die sie vom Peristyle aus gerufen hatte und trat mit ihr ins Freie. Der Ausblick war hier von einer unerh?rten D?sterkeit. Hatte sich Glenford mit dieser Landschaft oder diese Landschaft mit Glenford in Einklang gesetzt? Sie gemahnte an die machtvollen und zugleich unerbittlich verfallenen Shakespeareschen K?nigsdramen. Und welcher Meister hatte diese flachen Beete, diese Senkungen und diese in ihrer Gepflegtheit so selbstherrlichen Plane gelegt, die bis an den Saum der tiefen W?lder reichten, und den gesteigerten Ton dieser Natur noch erh?hten? Maricl?e dachte an die erwarteten G?ste. Wo blieben sie nur?
>>Komische Leute!<< sagte da pl?tzlich Lady S. >>Man hat doch seine Tage so ausgerechnet. Unsere Freunde wollen am Freitag kommen, aber Samstag fahren wir ja selber nach Schottland. Ich kann sie nat?rlich nicht haben.<<
Da warf Maricl?e einen stummen Blick zu den B?umen empor, die wie starke Tore gegen Norden die Mulde versperrten. Heute ist Mittwoch, dachte sie, also drei N?chte! Im ?brigen liess sie sich nichts merken, sondern zeigte sich gespr?chig und heiter, erz?hlte und liess sich erz?hlen, aber abends dehnte sie das Zusammensein m?glichst lange hinaus. Die anderen hatten sich schon eine gute Weile zur?ckgezogen, als sie mit der Freundin die weite Treppe hinaufging. Auf dem Freiplatz trennten sie sich und Maricl?e wollte in ihren stillen Gang einbiegen, da durchschauerte sie ein pl?tzlicher Frost. Im selben Augenblick f?hlte sie sich am Arme erfasst!
>>Du f?rchtest dich!<< rief ihre Freundin.
Aber Maricl?e machte sich auf der Stelle von ihr los.
>>Wovor denn?<< fragte sie mit dem nat?rlichsten Lachen der Welt.
>>Keine Torheiten. Es ist doch so einfach, dass ich dir eine Jungfer schicke!<<
>>Und ich muss dich wirklich bitten, mich damit zu verschonen, ich f?rchte mich kein bisschen. Wovor soll ich mich f?rchten?<<
Und sie tanzte den Gang hinab.
>>Ich w?rde es dir wirklich sagen,<< lachte sie noch an der T?re. Und sie schl?pfte in ihr Zimmer hinein. Dort sank sie in einen Stuhl. Das mit der Jungfer war n?mlich durchaus nicht so einfach; sie wusste von fr?her her genug t?richte St?cke von den Glenfordschen Leuten. Man hatte das ganze Personal l?ngst unter Dach nach einer anderen Himmelsrichtung untergebracht. Und dann hatte sie kein Verlangen, ihre Gespensterfurcht so fraternisieren zu lassen. Denn sie tat sich etwas darauf zugute. Allein sie glaubte wahrhaftig, wenn Don Juan nur noch bis zum Abend geblieben w?re, sie h?tte sich zu seinen F?ssen gest?rzt, damit er sie nicht allein liesse. Denn sie verging vor Angst. Zwar nur von jener T?re drang sie wieder auf sie ein. Warum war sie jetzt maskiert? Und von neuem dachte sie an den Marquis von Chandieu, der bei ihrem letzten Besuch ihr Nachbar gewesen war, und sie immer so eindringlich nach ihren Eindr?cken befragt hatte. Aber damals hatte sie keine zu verzeichnen, es war alles erst nach seiner Abreise geschehen. Wie stolz hatte sie ihn damals angeh?rt! Wie hatte sie sich innerlich gebr?stet, wenn er ihr seine gest?rten, schlaflosen N?chte gestand, w?hrend sie so g?nzlich unangefochten von derlei Nervosit?ten blieb. Was war aus ihm geworden? Warum hatte sie all die Zeit hindurch niemals an ihn gedacht? Und warum, da sie ihn so vergessen hatte, war er ihr mit einem Male so gegenw?rtig, als m?sste sie aufstehen und den Gang ?berschreiten und ihm erz?hlen, wie alles ?ber sie gekommen und sie eins geworden war mit ihm in ihrer Angst, aber viel sp?ter, erst eine Woche nachdem er so pl?tzlich verreiste, und sie allein in diesen G?ngen und dieser Flucht von Gem?chern zur?ckblieb. Und pl?tzlich ?berkam sie eine grosse Reue, dass sie es nie getan hatte, und sie nahm sich vor es nachzuholen. Es w?rde das erste sein, dass sie sich morgen nach ihm erkundigte.
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