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Read Ebook: Der Junker von Denow; Ein Geheimnis; Ein Besuch; Auf dem Altenteil: Erzählungen by Raabe Wilhelm

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Ebook has 526 lines and 31603 words, and 11 pages

>>Was macht der Junker? wo ist der Junker?<< rief Anneke Mey, eine Hand, welche ihr entgegengestreckt wurde, ergreifend.

>>Da! da! er spricht zu denen vom vierten F?hnlein -- da -- da -- Jesus, sie werfen den Hauptmann Eberbach nieder, und mein Mann, Jesus, mein Mann!<< --

Die Augen der Armen wurden starr, mit einem Sprung war sie von der H?he herab und st?rzte sich mitten in das Get?mmel; ?ber den am Boden liegenden Hauptmann sank unter den Hieben und St?ssen der Meutrer der Doppels?ldner Franz Hase von Erfurt zusammen. Vergeblich hatte sich Christoph von Denow unter die Piken und Hellebarden geworfen, mit seinem Schwert die Spitzen niederschlagend; im vollen Lauf st?rzte jetzt das aufr?hrerische Kriegsvolk auf die Treugebliebenen und die Befehlshaber, Sch?sse krachten hin?ber und her?ber. Ihr Messer aus der Scheide reissend trieb Anneke Mey in den Aufruhr hinein. Christoph von Denow sah sie pl?tzlich an seiner Seite unter den F?ssen der K?mpfenden; -- noch ein Augenblick, und sie war verloren, noch ein Augenblick, und er hatte sie, fast ohne zu wissen, was er tat, zu sich emporgezogen aufs Pferd; alles drehte sich um ihn her -- >>Mordio! Mordio!<< br?llte es auf allen Seiten -- -- Da -- -- urpl?tzlich -- -- blieben alle die zum Verbrechen gez?ckten und geschwungenen Waffen, wie durch ein Zauberwort aufgehalten in der Luft -- jeder Wut- und Angstschrei erstarrte auf den Lippen -- Angreifer und Angegriffene standen lautlos, bewegungslos!

Im Westen ?ber Rees hatte sich, begleitet von einem donnerartigen Krachen, der dunkle Nachthimmel blutig-rot gef?rbt. Alle Gesch?tze auf den W?llen, alle Gesch?tze in den Angriffslinien br?llten los; im Lager des Reichsheeres flog ein Pulvervorrat in die Luft, dazwischen rollte, immer st?rker werdend, das kleine Gewehrfeuer.

Mit einem Male hatte sich die Szene im aufr?hrerischen Lager vollst?ndig ver?ndert.

>>Sturm! Sturm! Rees zu Sturm geschossen!<< ging es von Mund zu Mund. >>Sturm! Sturm! Gen Rees! gen Rees!<<

Und als peitsche der Satan sie vorw?rts, seiner H?lle zu, hatte sich pl?tzlich diese ganze Masse von Kriegern, F?hrern, Weibern, Trossknechten in Bewegung gesetzt, dem flammenden Vulkan im Westen entgegen. Gier nach Beute, unbefriedigte Gier nach Blut trieb sie von dannen. Im wildesten Taumel, Reiter und Fussvolk und Wagen bunt durcheinander, raste sie ?ber das Feld durch die Nacht. Im wildesten Taumel und Traum, das Schwert am Faustriemen, vor sich auf dem Sattel das M?dchen aus den Weserbergen, sass Christoph von Denow auf seinem schwarzen Ross. -- --

>>Sturm! Sturm! Rees zu Sturm geschossen! Vivat der Graf! Vivat der Graf von Hollach! Vorw?rts! Vorw?rts!<<

Ein sekundenlanges Anhalten in dieser w?sten Menschenflut war eine Unm?glichkeit, ein Fehltritt, ein Straucheln der sichere Tod. Schon h?rte man zwischen dem Donnern und Krachen um die Stadt den Schlachtruf der Feinde: >>Spanien und die Jungfrau! Spanien und die Jungfrau!<< und lauter und n?her den Ruf der angegriffenen Belagerer: >>Das Reich! das Reich! Vorw?rts, das Reich!<<

Hinein in die Atmosph?re von Blut und Feuer brauste die anst?rzende Menschenmasse, und die Letzten dr?ngten bereits die Vordersten in die angegriffenen Laufgr?ben, aus denen eine andere Flut ihnen entgegen wogte. Das waren die Hessischen, die schlecht bewaffneten, halbverhungerten, im Regen und Rheinwasser fast ertr?nkten Schanzgr?ber, welche dem wilden Anprall der Spanier nicht hatten widerstehen k?nnen.

>>Spanien! Spanien! Spanien und die Jungfrau!<< rief Francisco Orticio, sich ?ber einen Schanzkorb in die H?he schwingend.

>>Spanien! Spanien und die Jungfrau!<< wiederholten seine Krieger ihm nachdringend.

>>Rette, Hessen! Rette!<< schrien die fl?chtigen S?ldner des Landgrafen im panischen Schrecken.

>>Braunschweig! Braunschweig!<< br?llte es von den H?hen der B?schungen.

>>Braunschweig! Braunschweig!<< brauste es dem Sch?ppenstedter nach, und >>Braunschweig! Braunschweig!<< jubelten auch die Hessen, welche mit neuem Mut sich wandten gegen ihre Verfolger.

>>Braunschweig! Braunschweig!<< rief Christoph von Denow, dem es gelungen war, sich von seinem Pferde zu werfen, welches sich auf der B?schung hoch b?umte, im n?chsten Augenblick aber, von einer Kugel getroffen, zusammenbrach. Anneke Mey stand unbesch?digt auf den F?ssen, doch auch sie wurde mit hinabgerissen in die Gr?ben, wo sie jedoch samt Hans Niekirche hinter einem Haufen umgest?rzter Schanzk?rbe den verlorenen Atem wieder gewinnen konnte.

Und jetzt Angriff und w?tende Verteidigung, Fl?che in sechs Sprachen, Todesrufe; -- auf engstem Raum Vernichtung jeder Art! -- Alle Hauptleute der Braunschweiger: Adebar, Maxen, Wulffen, Wobersnau, Russwurmb, Dux, Statz, und wie sie hiessen, hatten ihre Stellen als Befehlshaber wieder eingenommen und dr?ngten tapfer k?mpfend die Spanier zur?ck. Tapfer stritten aber auch die Spanier. Sechs Gesch?tze hatten sie in den hessischen Schanzen genommen und in den Rheingraben versenkt, Schritt f?r Schritt wichen sie zu den flammenden Mauern und W?llen der Stadt ?ber die Leichen ihrer Landsleute und ihrer Feinde. Der Graf von Hohenlohe in vollster R?stung mit seinen Herren f?hrte stets neue Truppen an; Haufen auf Haufen liess Don Ramiro de Gusman hervorbrechen.

Dicht an den Spaniern k?mpfte Christoph von Denow, das Blut rieselte aus einer Stirnwunde, -- er merkte es nicht. Anneke Mey hatte sich mutig auf ihren Schanzkorb geschwungen und den widerstrebenden Niekirche nachgezogen. Sie hielt ihr Messer noch immer gez?ckt in der Rechten, mit der Linken hielt sie den schlotternden Trommelschl?ger am Kragen.

>>So schlage den Sturmmarsch, Junge!<< rief sie lachend. >>Willst' nicht? Wart, gleich fliegst du herunter, dass sie dich drunten zu Brei vertreten, Feigling!<<

>>Ja! ja! ich will!<< jammerte Hans. >>Ach w?r' ich doch daheim! Ach w?r' ich doch zu Haus! Mein Mutter! mein Mutter!<<

>>Na, na, schlage nur immer zu, du kommst noch davon!<< sagte Anneke beg?tigend und liess den Kragen des Armen los. >>Dein' Mutter wartet schon a bissel! Schau, wie lustig das aussieht -- da, guck, sie geben's den welschen Bluthunden! W?r' ich 'n Knab, wie du -- hei, ich wollt's ihnen auch schon zeigen!<< Und mit heller Stimme fing das M?dchen an zu singen:

>>Mein Vater wollt' ein Kn?belein, Mein Mutter wollt' ein M?gdelein, Mein' Mutter t?t gewinnen, Des muss den Flachs ich spinnen -- Ja spinnen! Das ist mir grosses Leid!<<

Immer mutiger schlug Hans Niekirche, durch seine Gef?hrtin aufgemuntert, seine Wirbel, und unter beiden Kindern vorbei dr?ngten ununterbrochen die Scharen des Reichs vor und zur?ck, wie der Kampf vor- und zur?ckwich; bis die Spanier in die Stadt gedr?ngt waren, und das Zeichen zum Sammeln von allen Seiten den Deutschen gegeben wurde. Don Ramiro hatte die Rheinschleusen, welche er in seiner Gewalt hatte, ?ffnen lassen.

>>Sieh das Wasser! das Wasser!<< rief Hans Niekirche in neuer Angst. >>Lass uns fort, Anneke, sie wollen uns ers?ufen, wie die jungen Katzen.<<

Ein allgemeiner Schrei erhob sich unter dem Get?mmel in den Laufgr?ben; schon standen manche Haufen bis an den G?rtel in der reissend schnell steigenden Flut.

>>Halt, halt!<< rief Anneke Mey. >>Er ist noch nicht zur?ck; aber -- geh nur -- geh -- ich bleib'!<<

>>Und ich bleib' auch!<< schrie Hans der Trommler.

>>Zur?ck! zur?ck!<< t?nte es aus den r?ckw?rts weichenden Scharen des Reichsheeres: >>Das Wasser! Der Rhein! Das Wasser!<< Und immerfort donnerte das Gesch?tz der Spanier von den W?llen, immerfort schlugen die Kugeln verheerend in das wirre, verzweiflungsvolle Durcheinander.

Es war eine b?se Belagerung -- die Belagerung der Stadt Rees am Rhein: es war kein Gl?ck, es war keine Ehre dabei zu holen.

>>Der Junker! der Junker! Christoph! Christoph von Denow!<< schrie die junge Dirne auf ihrer H?he, die H?nde ringend, und das Wasser stieg und stieg. Schon waren die letzten der Haufen unter ihr vor?ber, und die Toten, von den Fluten gehoben, wirbelten um sie her. Da griff eine Hand aus den Wassern nach dem Schanzkorbe, auf welchem sie stand, und ein bleiches Haupt erhob sich zu ihren F?ssen: >>Rette! Rette!<<

>>Christoph! Christoph!<< schrie das M?dchen, sie lag auf den Knien, sie fasste die triefenden Locken, sie fasste den Schwertriemen -- der Junker von Denow war gerettet. Valentin Weisser, der Riese, dessen Blutdurst und Mut durch den Kampf und den Rhein bedeutend gek?hlt war, brachte mit Hilfe gutwilliger Genossen den wunden Junker, die Dirne und Hans, den Trommelschl?ger, gl?cklich auf das Trockene und weit hinein ins Feld, wo die gelichteten, zerrissenen, wunden Krieger des Reichsheeres um die Wachtfeuer murrend und grollend in stumpfsinniger Ermattung lagen und die F?hrer bereits wieder unheimliche und drohende Worte zu h?ren bekamen.

Tr?be d?mmerte der Morgen. Auf die w?ste Nacht folgte ein ebenso w?ster Tag. Vergeblich hatte Herr Otto Heinrich von Beylandt, Herr zu Rethen und Brembt, Leib und Leben und Seligkeit den Meuterern zum Pfande eingesetzt, dass sie nicht von des Reichs Boden weggef?hrt werden sollten; vergeblich hatte der Graf von Hohenlohe geflucht, gebeten und gedroht. Zwischen sieben und acht Uhr waren zehn F?hnlein des braunschweigischen Regiments aufgebrochen und aus dem Feld gezogen, M?nster zu. Weiber, Kinder, Dirnen folgten jetzt dem pl?ndernden, ehrvergessenen, eidbr?chigen Haufen durch den grauen Nebelregen. Keiner befahl, keiner gehorchte. Die einen meinten, es gehe gradaus zum Herzog von Braunschweig, ihrem Zahlherrn, nach Wolfenb?ttel; andere glaubten, es gehe gegen den Bischof von M?nster; die meisten aber dachten gar nichts, und so schwankte der tolle Zug, einem Betrunkenen gleich, hier vom Wege ab, dort vom Wege ab, jetzt auf ein Dorf zu, jetzt auf ein einsames Geh?ft. Kleinere Banden schweiften zur Seite, oder vor und nach -- fort und fort ?ber die Heide; hier im Kampfe mit einer ergrimmten Bauernschar, dort im Hader untereinander. Der Nebel ward Regen und hing sich in perlenden Tropfen an die letzten Bl?ten des Heidekrauts und tr?ufelte von den Stacheln und Zweigen der Dornb?sche. Kr?henscharen begleiteten den Zug lautkr?chzend, oder flatterten in dichten Haufen westw?rts dem Rhein zu, wo von Rees her das Feuer der Berennung nur noch in einzelnen Schl?gen dumpf grollte. St?rker und st?rker ward der Regen, die blutigen Spuren der vergangenen Nacht, der Schlamm der Laufgr?ben mischten sich auf den pulvergeschw?rzten Gesichtern, den zerrissenen, verbrannten Kleidern, den verrosteten Waffenst?cken -- die M?nner fluchten und sangen, die Weiber ?chzten, die Kinder schrien, und Anneke Mey auf ihrem Wagen, mit einem Bierfass beladen, hielt tr?stend das Haupt des wunden Christoph von Denow in ihrem Schoss und sprach ihm zu und verh?llte ihn, wie eine Mutter ihr Kind, mit einem groben Soldatenmantel; w?hrend Hans Niekirche z?hneklappernd das magere Ross leitete, welches vor dem Karren ging. -- Lange Zeit hatte der Junker wie besinnungslos gelegen, jetzt hob er den Kopf m?hsam empor und strich die Haare aus der Stirn und warf einen Blick auf seine Umgebung.

>>O Anneke, weshalb hast mich nicht gelassen in dem Wasser -- oh! oh!<<

>>Still, still, lieget ruhig, Herr! Die ganze Welt ist auseinander --<<

>>Weshalb hast mich nicht gelassen im Lager -- im Heer vor Rees?<<

>>Es ist aus, aus! Alles aus, sagen sie. Alles l?uft auseinander --<<

>>Und wohin gehen wir?<<

>>Weiss nicht! weiss nicht!<<

>>Bin also so weit! Ein Spiessgesell von R?ubern und M?rdern und landesfl?chtigem Gesindel! Kr?chzt nur, ihr schwarzen Galgenv?gel, ihr habt einen feinen Geruch, wittert den Frass, wann er noch lustig auf den Beinen herumstolpert und den Bauerng?nsen die H?lse abhaut und die Rinder aus dem Stall zieht. O Christoph! Christoph! Und du k?nntest einen adeligen Schild f?hren!<<

Der junge Gesell stiess solch einen herzbrechenden Seufzer aus, dass ein neben dem Karren reitender S?ldner aufmerksam wurde. Er dr?ngte sein Pferd n?her heran, zog seine Feldflasche hervor und reichte sie dem Wunden zu.

>>Hoho, Junker, was spinnst f?r Hanf? Da w?rme dir das Herz, bis wir uns den M?nsterschen Dompfaffen in die warmen Nester legen! Aufgeschaut, aufgeschaut, Christoffel! 's ist beschlossen, Ihr sollt unser Obrister werden!<<

Der Junker machte eine unwillige Handbewegung und antwortete nicht.

>>Auch gut,<< brummte der Reiter. >>Der Satan hol' alle diese Maulh?nger! M?cht' nur wissen, was die Gesellen f?r einen Narren an ihm gefressen haben. Hat den Vorspruch gemacht gestern beim Grafen nach ihrem Willen und soll den F?hrer spielen, und kann den Kopf nicht grad halten -- Bah! H?tten hundert Bessere gefunden; kann mit seinem Adel weder den Mantel noch die Ehre flicken. Fort, M?hre, was scheust? Dacht ich's doch, da liegt wieder einer der trunkenen Schelme im Wege. Vorw?rts, Schecke, lass liegen, was nicht mehr laufen mag. Was will die Trompete? Holla, was ist das?<<

Ja, was wollte die Trompete? Auf der rechten Seite des Weges der Meuterer waren zwar von Zeit zu Zeit vereinzelte Sch?sse gefallen, niemand hatte sie aber beachtet, weil man sie nur den obenerw?hnten Scharm?tzeln mit den Bauern und Hahnenfedern zuschrieb. Jetzt aber wurde das Feuer regelm?ssiger, Reitertrompeten erschallten. Der Zug stutzte und hielt. Gestalten, schattenhaft, tummelten sich in dem dichten Nebel, und erschreckte Stimmen erklangen: >>Die Spanier! Die Spanier!<<

>>Zum Henker die Spanier; wie kommen die Spanier soweit ?ber den Rhein?<< brummte der Reiter, welcher eben dem Junker die Feldflasche geboten hatte. Er lockerte aber nichtsdestoweniger das Schwert in der Scheide und wickelte den rechten Arm aus dem Mantel los.

Keiner von den Meutmachern machte Miene, an dem Gefechte teilzunehmen; aber die Musketen waren auf die Gabeln gelegt, die Lunten aufgeschroben, die Spiesse gesenkt, und man hatte instinktm?ssig einen Kreis um die Wagen mit den Weibern und Kindern und den Raub geschlossen.

Jetzt schienen die Spanier wieder zur?ckgedr?ngt zu werden; der L?rm des Kampfes verlor sich in der Ferne. Der Zug der Aufr?hrer wollte sich bereits wieder in Bewegung setzen.

>>Halt, halt!<< rief einer der Fussknechte, >>da kommen sie wieder! Rossestrab!<< Er kniete nieder und legte das Ohr an den Boden. >>Viel Pferde im Galopp!<< Man konnte kaum zehn Schritte weit im Nebel und Regen deutlich sehen; es waren wieder nur unbestimmte Schatten, die man nahen sah.

Ein >>Halt<< wurde ihnen zugerufen, und sie hielten, und eine einzelne Gestalt l?ste sich von dem Haufen ab. Aus dem Ring der aufr?hrerischen S?ldner des Reichs traten ihr einige entgegen.

>>Wer seid Ihr? Woher des Weges? Was f?r Begehr?<<

Der Nahende ritt, ohne zu antworten, n?her heran.

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