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Read Ebook: Aus einer kleinen Garnison: Ein militärisches Zeitbild by Bilse Fritz Oswald

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Ebook has 1162 lines and 50069 words, and 24 pages

Aber wie hatte es nur kommen k?nnen, dass er sich so vergass?

Der verdammte Sektfr?hschoppen mit dem leichtsinnigen Saufaus, dem Borgert, und dann das schwere T?rkenblut, das M?ller zum Essen spendierte, weil er eine Wette verloren, und dann die unselige Maibowle am Abend, das alles hatte ihm, der selten ein Glas Wein zu trinken pflegte, den klaren Verstand geraubt! Die gemeinen Kerle, die das merkten und ihm immer mehr zu trinken gegeben hatten, wahrscheinlich weil er sie in der Trunkenheit am?sierte!

Freilich mochte er die kleine zierliche Frau gern leiden, sie war so ganz nach seinem Geschmack, niedlich, mollig und zutunlich. Oft verlieben sich grosse, starke M?nner in kleine Frauen. Aber so etwas wie gestern war ihm doch nie in den Sinn gekommen, es war ihm unerkl?rlich. Er musste hingehen und tausendmal um Verzeihung bitten, r?ckhaltlos seine S?nde eingestehen, das konnte seine Schuld etwas mindern, wenn auch nicht tilgen.

Da klopfte es an der T?r. Als wenn der Rachegeist schon selbst erscheinen m?sse, fuhr der gequ?lte Mann zusammen und liess ein dumpfes >>Herein<< ert?nen.

Oberleutnant Borgert trat ?ber die Schwelle, den Helm in der Hand. Er schien etwas erstaunt, den Kameraden in diesem Zustande vorzufinden, dann aber nahm er ihn scharf ins Auge und sagte:

>>Verzeihung, wenn ich st?re, aber eine peinliche Angelegenheit veranlasst mich, mit Ihnen zu reden.<<

>>Dienstlich oder privat?<< brummte Pommer.

>>Beides, wie Sie wollen,<< antwortete Borgert dreist.

>>F?r Privatsachen bin ich jetzt nicht in Stimmung. Bitte lassen Sie uns den Fall ein andermal besprechen.<<

Pommer besann sich einen Augenblick. Er, der vor seiner Offizierslaufbahn drei Jahre die Universit?t besucht und dann in grossen Bankh?usern t?tig gewesen war, der das Leben von der ernstesten Seite kennen gelernt und die doppelte Erfahrung besass, wie die meisten seiner Altersgenossen, er sollte sich von einem Menschen zur Rede stellen lassen, der nichts als trinken, schimpfen und Geld ausgeben konnte, der im Dienst eine Null war? Und zu dieser Handlungsweise war jener berechtigt, sie war dienstlich sanktioniert?

Richtig, ja, es war so, jetzt fiel es ihm ein, dass er schon fr?her einmal ?ber diese widersinnige Bestimmung nachgedacht und ?berlegt hatte, wie sehr jenes Recht gemissbraucht werden k?nnte, wenn es einem nur daran lag, einem j?ngeren Kameraden ordentlich eins auszuwischen, ohne dass dieser sich wehren konnte. Alle durften sich also einem J?ngerem gegen?ber jederzeit als Vorgesetzte aufspielen, wenn es ihnen eine Laune eingab! Wirklich grossartig!! --

Ein sp?ttisches, grimmiges L?cheln ging ?ber Pommers blasses Gesicht, dann antwortete er mit fester Stimme:

>>Bitte, was steht zu Diensten?<<

>>Der Zufall f?hrte mich gestern Abend in den Garten, wo ich etwas sah, das ich mir noch nicht erkl?ren kann. Sie haben......<<

>>Jawohl, ich habe eine Dame, die Gattin des Rittmeisters Kahle gek?sst, ihr von Liebe gesprochen u. s. w., das weiss ich.<<

>>Darf ich Sie um eine Erkl?rung bitten, wie Sie dazu kommen?<<

>>Ich war betrunken, sonst w?re es nicht vorgekommen!<<

>>Nun, Ihre Erkl?rung klingt ja ganz kurz und einfach, warum betrinken Sie sich, wenn Sie es nicht vertragen k?nnen und so wenig Herr Ihrer Handlungen bleiben?<<

>>Dass ich betrunken war, ist nicht nur meine Schuld, in erster Linie mussten andere.....<<

Borgert schnitt ihm das Wort ab, um nichts zu h?ren, was ihn als Vorwurf treffen konnte. Mit ironischer Miene fiel er ein:

>>Sie scheinen sich ?ber die Schwere Ihrer Handlungsweise nicht ganz im Klaren zu sein, deshalb m?chte ich Sie nochmals darauf hinweisen!<<

>>Ihrer Belehrung dar?ber bedarf ich nicht, ich weiss selbst, was ich......<<

Pommer wollte auffahren, aber die kalten Augen und der entschiedene, schneidende Tonfall der Worte des Oberleutnants geboten ihm Schweigen.

>>Was Sie da getan haben, ist das schwerste Vergehen gegen die Kameradschaft, welches ich mir denken kann. Die Frau eines Kameraden anfassen, heisst einen Treubruch, fast ein Verbrechen begehen, welches mit Recht eine schwere S?hne fordert. Bedenken Sie nur, was Sie tun w?rden, wenn Sie Ihre Gattin in den Armen eines anderen f?nden, ich glaube, Sie w?rden ihn sofort umbringen oder wenigstens nachher zum Zweikampf auf Leben und Tod herausfordern. Sie aber haben sich an einer verheirateten Frau vergriffen, an einem Etwas, das uns ein Nolimetangere, ein Heiligtum sein soll! Schon ein H?ndedruck, ein Blick kann zum Ehebruch werden, allein der geheime Wunsch, die Frau eines anderen zu besitzen, zu k?ssen! K?nnen Sie dem Manne jetzt noch ehrlich ins Gesicht sehen, nachdem Sie ihn so hintergangen und betrogen haben? Ich k?nnte es nicht! Ich w?rde vor ihn treten, meine S?nde freiwillig eingestehen und ihm Genugtuung geben. Nie h?tte ich von Ihnen geglaubt, dass Sie einer solchen Handlungsweise f?hig w?ren, sch?men Sie sich bis in den Grund Ihrer Seele! -- Ich will Sie nun nicht ins Ungl?ck st?rzen und den Fall nicht weiter verbreiten, denn sonst d?rften Sie verloren sein. Abgesehen von Ihrer Stellung w?rde Ihr Leben auf dem Spiele stehen. Ich erwarte aber von Ihnen, dass Sie noch heute der Dame einen Besuch machen, um Verzeihung bitten und sich vergegenw?rtigen, was ich f?r Sie getan habe!<<

Borgert reckte sich siegesgewiss in die H?he und mit ?berlegenem Blick schaute er auf den armen Pommer herab, dessen erst widerwillige Miene allm?hlich den Ausdruck stiller Ergebenheit, eines grossen Schuldbewusstseins angenommen hatte. Immer mehr war der grosse starke Mann auf seinem Stuhl zusammengesunken, und sein leerer Blick starrte wie leblos zu Boden.

Zwei dicke Tr?nen blinkten ihm im Auge, der Mann weinte. Tat er es, weil seine Schuld ihm so schwer auf dem Gewissen lag, oder weil er vielleicht gar noch vor die Pistole des betrogenen Gatten treten musste? Nein, gefehlt hatte er nun einmal, und er war Manns genug, die Folgen zu tragen. Feige war er nicht.

Aber er sch?mte sich! Und das Gef?hl der Scham ist es, welches den Mann am meisten vor sich selbst erniedrigt.

Zugleich stieg ein warmes Gef?hl der Dankbarkeit in ihm auf gegen den, welcher Zeuge seines Verbrechens gewesen, ihn aber jetzt, statt ihn der Kugel des Betrogenen zu ?berantworten, grossm?tig auf seinen Fehler hinwies. Und es war recht gewesen, was er gesagt hatte!

Da erhob sich der Offizier und reichte Borgert stumm die Hand, ihm fest ins Auge blickend. Borgert's Auge aber wich scheu nach der Seite und der Oberleutnant sagte g?tig:

>>Nun, tr?sten Sie sich nur! Machen Sie die Sache wieder gut und nehmen Sie sich k?nftig in Acht!<<

>>Ich danke Ihnen<<, brachte Pommer mit tr?nenerstickter Stimme hervor. >>Ich habe Ihr Wort, dass die Sache unter uns bleibt? Es ist nicht meinetwegen, aber der Dame soll man nichts nachsagen k?nnen:<<

>>Sie haben mein Wort, ich schweige!<<

Und als er jetzt dem Oberleutnant mit dankerf?llten Blicken nachschaute, w?hrend er ihn verliess, glaubte er, ?ber die Schwelle schritte ein Freund, dem er sein Leben danken m?sse! --

Der grossm?tige Held war recht befriedigt von seiner Mission. Das war so ganz ein Fall nach seinem Geschmack! Zu riskieren gab es nichts dabei, im Gegenteil, er spielte die Rolle eines guten, rettenden Engels, der den Fehlern des N?chsten Verzeihung bot und ihn liebevoll auf den verlassenen Pfad der Tugend zur?ckgeleitete. Ausserdem war es ja ein ganz am?santes Schauspiel, einen Kameraden, der sonst als ganzer Mann dastand und den nichts r?hren konnte, jetzt zu seinen F?ssen zu sehen. Auch schien ihm ein gl?cklicher Gewinn, dass er Pommers Einfluss auf das gesamte j?ngere Offizierkorps nun in seine Hand bekommen und sich dienstbar machen konnte. Schliesslich fehlte auch das Pikante an der Sache nicht, denn er w?rde nat?rlich auch Frau Kahle dem?tigen und sie fragen, in welcher Weise die Sache ihre Erledigung gefunden habe. Wie freute er sich darauf, wenn die kleine Frau weinend vor ihm niedersank und ihn um Schweigen bat!

Ein Liedchen tr?llernd, betrat Borgert sein Haus, gab dem Burschen S?bel, Mantel und Helm und stieg die Treppe zu Leimanns hinaus.

Er traf sie nicht allein. Der Regimentsadjutant war anwesend, er hatte heute schon um 1/2-12 das Gesch?ftszimmer verlassen, weil der Oberst sich auf Jagd befand. Frau Leimann trat auch herein, und, da die beiden Herren gerade plaudernd zum Fenster hinaus auf die Strasse sahen, wo Frau K?nig mit Leutnant Bleibtreu vorbei ritt, k?sste er der Angebeteten st?rmisch beide H?nde.

Die Herrschaften aber wollten sich vor Lachen aussch?tten, als Borgert in der ihm eigenen witzigen Weise mit furchtbar drolligen Gesten und trefflichem Mienenspiel seine neuesten Erlebnisse zum Besten gab.

Inzwischen sass Pommer am Schreibtisch und machte in einem langen Briefe an seine Mutter dem gepressten Herzen Luft. Dabei sang er dem neuen Freunde wahre Loblieder und r?hmte seine vornehme Gesinnung in ?berschw?nglicher Weise.

Er war jetzt ruhiger geworden, die Vorg?nge des verh?ngnisvollen Abends erschienen ihm zwar immer noch in demselben Lichte, aber mehr vom Standpunkte eines Menschen betrachtet, der, im Innersten ?berzeugt, eine verwerfliche Tat begangen zu haben, sich sagen kann, dass nur durch einen ungl?cklichen Zufall, nicht aber aus verderbter Gesinnung oder Schlechtigkeit jener Fehltritt geschah.

Um die Mittagsstunde kleidete er sich fertig an, um Frau Kahle aufzusuchen, denn um diese Zeit pflegte der Gatte nicht zu Hause zu sein. Vielleicht w?re es ihm gleich gewesen, was ein Fremder mit seiner Frau zu verhandeln hatte, aber man konnte nicht wissen, es war besser so.

Klopfenden Herzens, mit dem Gef?hl einer tiefen Reue und Besch?mung, schritt er die teppichbelegten Stufen zu Frau Kahle's R?umen empor, und er hatte auch nicht lange zu warten, bis man ihn einliess.

Mit einem leichten Aufschrei eilte die Dame auf ihn zu, umschlang seinen Hals und k?sste dem Widerstrebenden st?rmisch den Mund.

>>Wie danke ich dir, dass du kommst! Wie habe ich mich nach dir gesehnt! Jetzt bin ich wieder gl?cklich, da du bei mir bist. Mein Mann ist bis zum Abend fort, bleibe bei mir, Hans, ich kann nicht ohne dich sein!<<

Bei diesen Worten hatte sie ihn neben sich auf den Divan gezogen und schloss ihm den Mund mit st?rmischen K?ssen.

>>Die ganze Nacht habe ich ruhelos verbracht,<< fuhr sie s?ss fl?sternd fort, >>ich konnte mein Gl?ck nicht fassen, ich glaubte, es sei ein Traum, dass ich in dir ein Wesen gefunden habe, das ich lieben darf, das mich liebt. O, wie danke ich dir, du einzig Geliebter!<<

Leutnant Pommer sass da wie versteinert. Er brachte kein Wort hervor und duldete schweigend die Liebkosungen der Frau. --

Wo waren seine Vors?tze geblieben, wozu war er hierher gekommen? Um sein Unrecht wieder gut zu machen, um seiner Reue Worte zu verleihen, um zu beichten, dass alles nur die Eingebung eines unseligen Augenblicks, die Tat eines vom Rausch verwirrten und entfesselten Gef?hls gewesen sei!

Aber er konnte sich jetzt nicht anklagen, konnte nicht mit einem banalen Wort den Traum zerst?ren, welcher die liebende Frau umfing. Und was er vorher f?r eine Ehrenpflicht gehalten, erschien ihm jetzt unm?glich angesichts der lodernden Glut, die er im Herzen des Weibes entfacht. Lieber sterben, als jetzt eingestehen m?ssen, es ist alles nur L?ge, Schein, Laune gewesen. Dieser gl?henden Liebe durfte er nicht mit einem Faustschlag antworten!

Und als der Kopf der ganz den Gef?hlen ihres Gl?ckes hingegebenen Frau an seinem Busen ruhte, in welchem das Herz zum Zerspringen klopfte, ging eine Wandlung in ihm vor: aus dem sonst so willensstarken Manne ward ein willenloses Opfer einer gewaltigen Macht: der Liebe. --

Sein Blick streifte an der Gestalt des Weibes herunter, die ihn in ihren Armen hielt. Das leichte Morgenkleid liess die Formen eines jugendlichen K?rpers erkennen, die weissen Arme, von denen die Spitzen des ?rmels herabgeglitten waren, und der Duft, welcher von ihnen ausstr?mte, alles verwirrte und bet?ubte ihm den Sinn und liess den letzten Rest Entschlossenheit in dem sonst so zielbewussten Manne ersterben. Und er umschlang das zitternde Weib mit wilder, sinnlicher Glut. -- -- --

Der Tag neigte sich schon seinem Ende zu, als Pommer die T?r des Hauses hinter sich schloss, in dem Frau Kahle wohnte.

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