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Read Ebook: Im Sattel durch Zentralasien: 6000 Kilometer in 176 Tagen by Salzmann Erich Von

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Ebook has 27 lines and 8771 words, and 1 pages

llen Kampf zu beobachten. Nasr suchte mich auf jede Weise zu schikanieren; dabei war er doch unter allen Umst?nden der Reingefallene, denn sein Trinkgeld wurde nur immer schm?ler.

Wir zogen eine lange, ?usserst steinige, mit Baumreihen eingefasste Landstrasse entlang. Die H?user sind hier schon mit Nummern bezeichnet und ab und zu sieht man russische Firmenschilder und Annoncen. Es war dr?ckend heiss, und bei der entsetzlichen M?digkeit der Tiere, die nichts Ordentliches zu fressen bekommen hatten, wurde der Weg geradezu zur Qual.

Im chinesischen Turkestan sind Pferde sehr viel billiger, als im russischen Turkestan; daher pflegen die Leute, die mit Karawanen ?ber das Gebirge gehen, in Russland ihre s?mtlichen Tiere zu verkaufen. Dass sie in den letzten Tagen die Tiere nicht mehr ordentlich f?ttern, ist bei der Herzlosigkeit der T?rken gegen ihre Tiere begreiflich. Ich glaube, dass mein Karawan-Baschi die ganze Reise ?ber nicht drei Rubel f?r Futter ausgegeben hat. Er liess die Tiere stets nur grasen, und ich musste hinterher das Trinkgeld an die Kirgisen bezahlen.

Auf dem weiteren Wege begegneten wir mehrfach russischen Damen in Troikas; sie sahen sich erstaunt nach mir um. Gegen 11 Uhr, nach 22 Kilometer Marsch, rastete ich in einem Nest mit Basar, es war dringend n?tig f?r die ?berm?deten Tiere; ich musste wieder f?r mein Geld Futter kaufen. Die Karren hierzulande sind merkw?rdig: sie laufen auf zwei R?dern mit einer Art fester, sich nach vorn verj?ngender Plane; bespannt sind sie mit einem in der Schere gehenden Pony. Dieser tr?gt einen Sattel, auf dem der Kutscher mit hoch angehockten Knien und auf die Scherendeichsel gestellten F?ssen sitzt. Vom Karren selbst aus sah ich nicht fahren. Die Frauen gehen s?mtlich verschleiert. Nach einer Stunde Rast, w?hrend der ich mich an Aprikosen, ?pfeln sowie jungen Gurken delektiert hatte, ging es weiter.

Wir kreuzten noch zwei H?gelreihen und n?herten uns allm?hlich Andischan, das sich durch mehr und mehr vom letzten Erdbeben zerst?rte Ortschaften ank?ndigte. Es sah trostlos aus in diesen D?rfern; die Einwohner wohnten in Strohh?tten, in Jurten, und wo sich immer nur ein gesch?tztes St?ckchen Erde bot. Gegen 3 Uhr hatten wir Andischan erreicht. Einige in Tr?mmern liegende Villen und eine Menge provisorischer Baracken gemahnten mich an die erste Zeit meines Tientsiner Aufenthaltes; es sah hier ganz ?hnlich aus. Wie die sch?nste Opernmelodie t?nte mir von weitem der Pfiff und das Stampfen der Lokomotive in das Ohr, ein sehr lange entbehrter Genuss. Kein Mensch konnte uns Auskunft geben, wo Unterkunft zu finden sei. "Sie m?ssen eben suchen", war die stereotype Antwort, "wir wohnen draussen, es ist alles zerst?rt." So zogen wir eine ungef?hr 300 Meter breite, von hohen Pappeln eingefasste Strasse entlang zum Basar. Auch hier riesiges Gewimmel von kleinen Holzh?uschen, Buden, aber nirgends ein freier Platz. In Zelten war ein Lazarett aufgeschlagen. Alle Gewerbe waren hier eifrig bei der Arbeit, einige Gasth?user waren schon wieder aufgebaut, und in denselben, hockte auf Filzteppichen, wie ?berall, die rauchende Nichtstuergesellschaft. Eine Gruppe h?bscher J?dinnen, jedenfalls bucharischer Herkunft, konnte mir in keiner der mir gel?ufigen Sprachen Antwort geben. Schliesslich fragte ich nach den Soldatenbaracken; man wies uns in der Richtung nach dem Bahnhof zur?ck. In der N?he des letzteren gelangten wir auf eine Art russischen Basars, auf dem eine Menge russischer und armenischer Kaufleute handelte, zwischen denen viele Soldaten mit ihren weissen, sehr sauberen Uniformen herumspazierten. Ich liess in einem Teehause abpacken, um mich selbst nach Quartier auf die Suche zu begeben, und fand bald inmitten einer grossen Menschenmenge s?mtliche Offiziere des hier garnisonierenden Bataillons mit ihren Damen um einen Tisch versammelt, an dem Waren aus einem gerade zusammengest?rzten Magazin ?ffentlich verkauft wurden.

Ich ging heran und stellte mich dem ?ltesten Offizier auf franz?sisch vor; er verstand mich jedoch nicht. Die neben ihm sitzende Dame aber sprach franz?sisch, und gleich darauf, als ich erkl?rte, dass ich deutscher Offizier sei, sagte der eine der Offiziere neben mir: "Ich spreche deutsch." Es war der Distrikts-Chef Baron Stackelberg. Ich hatte Gl?ck, denn auf meine Bitte, mir zu einem Quartier behilflich zu sein, dr?ngte sich ein junger Mensch durch die neugierige Menge und sagte: "Ich bin Deutscher, ich werde den Herrn f?hren." Ich bedankte mich nun bei den Offizieren und liess mich nach einem Hotel bringen. Dieses war in Barackenstil neu aufgebaut, machte einen sauberen Eindruck und wurde von einem Armenier gehalten. Das Zimmer kostete pro Tag einen Rubel. Ich liess sofort meine Sachen hierher bringen, packte aus und f?hlte mich wieder als Mensch.

Mein neuer F?hrer nannte sich Modrow, war f?nf Jahre russischer Soldat gewesen und augenblicklich hier als Fleischer t?tig. Er erwies sich sofort als sehr n?tzlich, nebenbei war ich mit einem Schlage von dem ganz kleinlaut gewordenen Nasr, der mir bisher als Dolmetscher gedient und sich f?r unentbehrlich gehalten hatte, ganz unabh?ngig. Wir wanderten in die Stadt, um Eink?ufe zu machen: W?sche, Stiefel, ein Fass zur Verpackung meiner Sachen, Photographien zum Andenken; es gab alles, aber nat?rlich zu entsprechenden Preisen. Ich sah ein St?ck der Stadt, die im grossen Stil, mit breiten langen Strassenlinien und sehr vielen G?rten angelegt ist. Beim Erdbeben sind nur die Kapelle und die einem Deutschen geh?rige Bierbrauerei stehen geblieben; letztere machte nat?rlich jetzt gl?nzende Gesch?fte und verkaufte ein recht angenehmes Bier, f?r mich seit sechs Monaten wieder das erste. Wir assen in einer provisorischen Kneipe gut und billig.

Die russische Milit?rverwaltung hielt alles unter sch?rfster Kontrolle, und ?berall herrschte musterhafte Ordnung. Die reichlich vorhandenen Polizeisoldaten mit aufgepflanztem Bajonett sahen auch nicht so aus, als ob sie mit sich spassen liessen. S?mtliche Preise, sowohl was die Zimmermiete, als auch was den Nahrungsmittel- und Alkoholverkauf anbetraf, standen unter Kontrolle. Viele Wirtschaften durften ?berhaupt weder Bier noch Schnaps versch?nken; gestohlen soll hier so gut wie gar nicht werden, und auch unmittelbar nach der Katastrophe soll, dank dem sofort reichlich hergesandten Milit?r, keinerlei Unordnung eingerissen sein.

Ich sah noch einen h?bschen, grossen, ?ffentlichen Park, in dem abends die Milit?rkapelle frei konzertierte, als Er?ffnungsst?ck die Marseillaise spielend. In meinem Gasthause wohnte eine ganze Menge zweifelhafter Personen weiblichen Geschlechts. Der Wirt jedoch ?bte strenge Aufsicht und so lange die Lampen brannten, war keine Ann?herung erlaubt. Was nachher geschah, daf?r schien er sich weniger verantwortlich zu f?hlen, denn er verschwand gegen 10 Uhr.

Am 29. Juni morgens schickte ich meinen Pass zur Polizei, die dann selbst in Gestalt eines Offiziers erschien und meine Angelegenheiten als geordnet bezeichnete. Bis dahin hatte mir mein Wirt nicht recht ?ber den Weg getraut. Zwar hatte mir der "Baron" auf offenem Markte die Hand gegeben, auch hatte von mir in der hiesigen "Gazetta" gestanden, aber bis die Polizei nicht ihr endg?ltiges Urteil abgegeben hatte, schien ihm die Sache doch nicht geheuer. Ich veranstaltete eine Generalrevision meiner Sachen; aus allen, nicht zum Mitnehmen bestimmten wurde ein grosses B?ndel gemacht, mit dem Modrow zum ?ffentlichen Verkauf auf den Basar ging. Unterdessen schrieb ich Briefe und Tagebuch, ass zu Mittag bescheiden in einem Garten und brachte dann bei der in einem Eisenbahnwaggon untergebrachten Post meine Briefe unter. Am Nachmittag packten wir Kisten und um 4 Uhr ging ich zum Obersten und zum Distrikts-Chef, um meine Besuche zu machen. Ich wurde liebensw?rdig aufgenommen und meist im mangelhaften Franz?sisch von den zugeh?rigen Damen ?ber meine Reise ausgefragt.

Modrow benutzte den Abend, um sich einen t?chtigen Rausch zu holen; noch am 30. Juni fr?h war er vollkommen betrunken, ausserdem hatte er sich ein blaues, verschwollenes Auge von einer Pr?gelei mitgebracht. Ich hatte am vorhergehenden Abende ?brigens Gelegenheit, mich von der ziemlich laxen Moral des niedrigen Volkes zu ?berzeugen. Die Zust?nde grenzen in dieser Beziehung allerdings nahe an das Unm?gliche.

Ein Tischler schloss meine Kisten und wir brachten sie zu einem Speditionsgesch?ft zum Versenden nach Deutschland. Das Erledigen der Formalit?ten dauerte dort so lange, dass ich den einzigen am Tage fahrenden Zug verpasste und noch einen Tag bleiben musste. Ich benutzte diesen, um mir die deutsche Brauerei anzusehen und wurde vom derzeitigen Manager, einem Herrn Kilb, sofort sehr freundlich aufgenommen. Die liebensw?rdige Familie hielt mich bis zum sp?ten Abend fest, worauf mich der Besitzer in seinem eigenen Fuhrwerk zum Hotel zur?ckschickte.

Dort ?berreichte mir mein Diener einen Brief vom Baron Stackelberg. Nasr hatte sich bei der Polizei ?ber mich beschwert und verlangte ausser seinem Lohn und den 5 Rubeln Trinkgeld noch fernere 20 Rubel. Nebenbei wurde er unversch?mt, und da sich der Gastwirt weigerte, ihn aus meinem Vorzimmer zu entfernen, zog ich es vor, das Hotel zu r?umen und nach einem andern, von einem Deutschen gehaltenen Hotel ?berzusiedeln. Von dort aus schrieb ich an Baron Stackelberg einen Brief mit der n?tigen Aufkl?rung ?ber meinen Nasr und begab mich dann zur Ruhe.

Zur Heimat zur?ck.

Ganz fr?h schon kam der ausnahmsweise n?chterne Modrow an; ich bezahlte im Hotel meine Rechnung und wollte gerade zur Bahn gehen, als noch Herr Kilb ankam, um mir Lebewohl zu sagen. Dann setzte ich mich in den Zug, der mich in nicht ganz vier Tagen nach Krasnawoldsk brachte. Ich brauchte nur einmal umzusteigen und fand im ?brigen die erste Klasse, die man hier benutzen muss, billig und gut. So bezahlte ich f?r die ganze lange Strecke in der ersten Klasse nur 31 Rubel.

Unterwegs lernte ich mehrfach sehr nette Leute kennen, die stets hilfreich einsprangen, wenn ich darum bat; so einige italienische und englische Kaufleute, sp?terhin auch ein russischer Offizier, Herr von Bockscha-Roczewski, der mir versprach, mich im Herbst in Deutschland aufzusuchen. Die eingeborene Bev?lkerung fand ich im allgemeinen frech und zudringlich, besonders die Sarten fielen mir unangenehm auf. Ich hatte den Eindruck, dass sie von den Russen viel zu gut behandelt werden, w?hrend dasselbe Volk jenseits der chinesischen Grenze h?flich und entgegenkommend ist, weil es von seinen Unterdr?ckern, den Chinesen, sehr kurz gehalten wird. So sitzt man z. B. im nicht besonders gut eingerichteten Speisewagen mit allem m?glichen schmutzigen Volke zusammen.

Hoch bewunderungsw?rdig ist das, was die Russen hier in kolonisatorischer Beziehung geleistet haben; ?berall entlang der durch Steppe, W?ste und zeitweise auch fruchtbare Landstriche f?hrenden Eisenbahn liegen russische Ansiedlungen, die im Aufbl?hen begriffen sind. Der letzte Teil der Bahn, dicht vor Krasnawoldsk, f?hrt am Kaspischen Meere entlang; im Norden liegen hohe Felsw?nde, w?hrend im S?den von der herrlichen blauen See her ein k?hler Luftzug nach der langen, heissen Reise Erfrischung bringt. Die Stadt ist am gleichnamigen Golf h?bsch angelegt. Mein neuer Freund, der Rittmeister von Bockscha-Roczewski, brachte mich gleich zum Dampfer "Imperatrice", mit dem wir ?ber den Kaspischen See gehen wollten. W?hrend ein anderer Bekannter von der Eisenbahn, ein j?discher Kaufmann aus Baku, die Billetts und das Gep?ck besorgte, stellte mich Herr von Roczewski dem Kapit?n vor, mit dem wir einen Willkommenstrunk nahmen. Um 11 1/2 Uhr ging das Schiff ab. Nachmittags setzte leichter Wellengang ein und man sah manche recht beklommene Gesichter. Ich selbst hatte auch eine miserable Nacht, denn mein Mitreisender wollte nicht, dass das Fenster offen bliebe, und ich, der an frische Luft gew?hnt war, kam mir vor wie im Gef?ngnis. Einer der russischen Offiziere ?usserte laut die Vermutung, dass ich ein Spion sei, man m?sse mir meinen Pass nachsehen; dabei hatte ich keinen Augenblick ein Hehl daraus gemacht, dass ich deutscher Offizier sei. Die mitreisende Frau eines Generals zeigte mir, wo sie nur immer konnte, recht auff?llig ihre Verachtung, jedenfalls galt diese wohl in der Hauptsache dem Kakianzug, nach welchem man mich meist f?r einen Engl?nder hielt.

Als ich am 6. Juli morgens aufwachte, stoppte der Dampfer gerade am Kai von Baku; ohnedies h?tte der durchdringende Naphthageruch die N?he der Stadt schon verraten. Ich zog mich an, bezahlte und wanderte mit einem andern Bekannten von der Eisenbahn, einem Herrn von Z., russischer Titularrat, nach dem Hotel de l'Europe; unsere Sachen hatten wir einem franz?sisch sprechenden Kommission?r des Hotels anvertraut. Im Hotel assen wir f?r teures Geld recht gut und sahen uns dann Baku n?her an. Es bietet bis auf einige Kirchen durchaus nichts von Interesse und macht immer noch den Eindruck einer im Entstehen begriffenen Stadt. Ber?hmt ist es wegen seiner ewigen Staubst?rme, von denen uns gleich eine unangenehme Probe zuteil wurde; es wohnen daher nur Gesch?ftsleute und Arbeiter hier, und jeder flieht so bald er nur kann den ungem?tlichen Aufenthalt.

Gegen 11 Uhr fuhren wir in einer der ebenso gut bespannten wie gefahrenen Droschken zum Nobelschen Naphthawerk, wo wir uns die Fabrikation oder vielmehr die Gewinnung des nat?rlichen Erd?ls bis zum Versand erkl?ren liessen. Eine grosse Kalamit?t ist hier die Wasserfrage. Man pumpt Seewasser in die Berge, wo es gereinigt und destilliert wird und als Leitungswasser zur?ckkommt. Die die Werke besitzenden Gesellschaften bedecken mit ihren Anlagen einen unendlichen Raum. Wir fuhren zum Hotel zur?ck, assen dort und befanden uns bald auf der Fahrt nach Batum, passierten am 7. Juli fr?h Tiflis, von wo aus die herrliche Fahrt durch den Kaukasus beginnt. Bewaldete H?nge, Wasserf?lle, Wiesen, T?ler, hohe Br?cken, Ruinen, grosse und kleine Ortschaften, alles zog in buntester Abwechslung an uns vor?ber. Am Abend fuhren wir dicht am Meere entlang in einer herrlichen Landschaft.

Als wir um 8 Uhr fr?h in Batum landeten, war uns gerade der Dampfer nach Konstantinopel vor der Nase weggefahren. Ich belegte daher mit meinem Bekannten zusammen auf dem nach Odessa fahrenden Dampfer "Grossf?rst Konstantin" eine Kabine, um von dort aus Konstantinopel zu erreichen, da wir in Sebastopol auch gerade um zwei Stunden den Anschluss verfehlt h?tten. In der Nacht zum 8. Juli ging der Dampfer in See. Als ich an Deck kam, hatten wir Poti bereits hinter uns und fuhren dicht an der K?ste entlang, die mit ihren Fischerd?rfern, vielen bewaldeten und Schneegipfeln im Hintergrund einen abwechslungsreichen Anblick bot. Die Ausstattung des Schiffes war ganz leidlich; die Kabinen, ebenso wie die Bedienung waren nicht besonders gut, auch war ?berall Ungeziefer. Unangenehm ist, dass die gesamte zweite und dritte Klasse sich auf dem Promenadendeck der ersten Klasse aufhalten darf, so dass man eigentlich niemals einen freien Platz findet. Ich machte die Bekanntschaft mit Angeh?rigen einer Rigaer deutschen Schule, die einen Ausflug nach dem Kaukasus gemacht hatte. Eine besonders auffallende Figur auf dem Schiff war ein alter Tscherkessen-Offizier, der nicht weniger als vier Georgenkreuze, die bekanntlich nur f?r pers?nliche Tapferkeit verliehen werden, trug. Das Publikum war sonst recht gemischt.

Vorbei an mehreren Badeorten, an dem griechischen Kloster Neu-Athos, erreichten wir am 9. Juli ?ber Noworossisk Kertsch, wo wir ausstiegen und ein sehr sch?nes Bad nahmen. Am 10. Juli, bei ebenso sch?ner Fahrt -- es war ?hnlich wie am Mittell?ndischen Meer -- gelangten wir bis Feodosia, einer im Aufbl?hen begriffenen, h?bsch angelegten kleinen Stadt. Das Meer war stets glatt, oft von Delphinen belebt. Am 11. Juli fr?h waren wir in dem nach Norden zu gesch?tzt gelegenen Yalta, welches infolge seines milden Klimas besonders als Zufluchtsort f?r Lungenkranke aufgesucht wird. Dann fuhren wir weiter nach Sebastopol, in dessen Hafen bereits viele Kriegsschiffe zu den Herbst?bungen versammelt waren. Viele Leute behaupteten, sie l?gen unter Dampf, um sofort nach Konstantinopel fahren zu k?nnen. Vom Hafen aus kann man den internationalen Friedhof, den Malakoff und die andern bekannten Orte sehr gut sehen. Ich machte einen Spaziergang durch die Stadt und besuchte die Begr?bnisst?tte der im Krimkriege gefallenen Admir?le und Gener?le, ebenso das Museum, das viele Andenken an den blutigen Feldzug birgt.

Unsere Weiterfahrt brachte uns ziemlich starken Seegang, so dass das Deck bald ger?umt war; nur ganz wenige seefeste Leute, darunter ich, blieben oben. Man konnte unter den Passagieren allerhand spassige Beobachtungen machen. So lernte ich einen deutsch sprechenden Reisenden kennen, der, nachdem er mir die Seele aus dem Leibe gefragt hatte ?ber meine Reisen, meine Stellung als Offizier usw., mir schliesslich seine Tochter mit 100 Mille Verm?gen zur Heirat anbot und obendrein noch sehr erstaunt war, als ich lachend abschlug. Er hatte geglaubt, ich w?rde sofort zugreifen und wollte mich gleich mitnehmen, um mich mit seiner Familie in Odessa bekannt zu machen. Einem andern Russen, der Adelsmarschall irgendeines kleinen Kreises bei Kiew war und vorz?glich englisch sprach, schloss ich mich an, da er auch einen Tag in Odessa zu bleiben beabsichtigte und ich infolge meiner Unkenntnis der russischen Sprache auf die freundliche Unterst?tzung meines Mitreisenden angewiesen war.

Gegen 11 Uhr vormittags, nach einer ziemlich st?rmischen Fahrt, kamen wir in dem grossen Hafen Odessas, in dem viele Schiffe aller Nationen liegen, an. Wir fuhren zum Hotel Bristol, in dem man f?r teures Geld gut unterkommt. Wir hatten einige M?he, ?ber die n?chste Verbindung nach Konstantinopel Auskunft zu erhalten. Endlich, nach langem Herumfragen, erfuhren wir im Hafen, dass morgen der Dampfer "Memphis" der Messagerie Maritime gehe; das passte mir recht gut, da ich zur Erledigung der Passformalit?ten doch bis morgen bleiben musste. Nebenbei wurden mir von dem t?rkischen Konsulat f?r das einfache Visieren des Passes 4,50 Rubel abverlangt, was ich f?r mehr als reichlich halte. Der Kommission?r des Hotels besorgte mir schnell und gut die Passkontrolle durch die russischen Beh?rden, denn ohne visierten Pass wird kein Mensch aus Odessa heraus- und noch viel weniger in Konstantinopel hereingelassen. Dann ging es zum Schiff, das schmierig, alt und dabei noch um 50 pCt. teurer war als die russischen Linien. Mein Pass wurde wiederum von der russischen Polizei visiert; im ?brigen war ich der einzige Passagier w?hrend der ganzen, anderthalb Tage dauernden Fahrt.

Das Schiff hatte viel Mais geladen und auf Deck viele Tausende von H?hnern in K?sten, die f?r Frankreich bestimmt waren. Nach der allgemeinen S?uberung machte es auch einen besseren Eindruck als anfangs; die Kabinen waren besser eingerichtet und ger?umiger als auf dem russischen Schiff, dagegen der Salon und das Essen weniger gut. Da wir abends nicht in den Bosporus hineindurften und der Kapit?n nicht unn?tz herumliegen wollte, fuhren wir den ganzen Weg mit halber Kraft. Fr?h gegen 5 Uhr am 15. Juli kam ich an Deck, um die herrliche Einfahrt, die leider sp?ter durch Nebel etwas beeintr?chtigt wurde, zu geniessen; sie war doch das Sch?nste, was ich bis jetzt in meinem Leben gesehen habe!

Um 7 Uhr waren wir am Kai. Ich vertraute mich einem Kommission?r des Hotel Kontinental an. Zuerst mussten wir zur Passrevision, dann zur Zollrevision. Ich hatte nichts Verzollbares, jedoch nahm man mir meine s?mtlichen B?cher, meist franz?sische und englische, weg. Einen Teil derselben bekam ich auch sp?ter nicht wieder. Nun ging es zum Hotel und weiter zur deutschen Post, wo ich Briefe von meinen Eltern vorfand, ebenso die Scheine der Pakete, deren Inhalt mich ?usserlich endlich in einen anst?ndigen Menschen verwandeln sollte. Die Pakete selbst musste ich bei der Steuer abholen. Ich habe wohl manches umst?ndliche Bureauverfahren erlebt, aber etwas derartiges, wie auf dieser Steuer ist mir denn doch noch nicht vorgekommen. Jeder einzige der Beamten musste erst geschmiert werden, sonst w?ren wir wahrscheinlich mit den verschiedenen Formalit?ten in drei Tagen noch nicht fertig gewesen. Schliesslich forderte man auf meine schon getragenen Zivilanz?ge Zoll und f?r die kurze Zeit des Lagerns der vier kleinen Postpakete 78 M. Lagergeld. Ich h?tte nat?rlich beim Konsulat reklamieren k?nnen, das h?tte aber wieder mehrere Tage Aufenthalt gegeben, auch h?tte ich noch l?nger in meinem etwas auffallenden Kost?m in Konstantinopel umhergehen m?ssen. Ich war daher tats?chlich froh, dass ich die Sachen ?berhaupt bekam und bezahlte gutwillig ?ber vier Goldf?chse. Mein Kommission?r meinte dazu, ich w?re noch billig weggekommen, andern w?re es in dieser R?uberh?hle noch schlimmer ergangen.

Nun ging es zum Hotel zur?ck, wo ich mich umzog, um bei dem in t?rkischen Diensten stehenden deutschen Offizier, Generalleutnant Imhoff Pascha, General-Adjutant Seiner Majest?t des Grossherrn, an den mich ein Brief meines Vaters wies, meinen Besuch zu machen. Ich wurde in der Familie, die zwei T?chter hat, auf das liebensw?rdigste aufgenommen und f?hlte mich bald ganz wie in der Heimat. Am Abend machte ich mit Exzellenz Imhoff Pascha einen Ausflug per Boot nach Eyub, es war die reizendste Bootfahrt, die ich je gemacht habe. Zur?ckgekehrt, sahen wir im Klub dem Tennis der Damen zu, w?hrend ich sp?ter den Abend bei Imhoffs verlebte. Da ich wegen Passangelegenheiten doch noch einen Tag zugeben musste, hatte ich am 15. Juli Zeit mir Konstantinopel mit allen seinen Herrlichkeiten anzusehen; es ist so oft von berufeneren Federn beschrieben worden, dass ich nicht weiter darauf eingehen werde. Im ?brigen hatte ich von Konstantinopel denselben Eindruck, den die meisten andern Reisenden auch gehabt haben. Das Volk auf den Strassen ist frech, die L?den sind unerschwinglich teuer; jedoch die verschiedenen Denkm?ler der alten Kultur sind hochinteressant und lohnen die Strapazen der Besichtigung doppelt und dreifach. Am 17. Juli mittags hatte ich Gelegenheit, den Selamlik, das bekannte Freitagsgebet des Sultans, anzusehen. Eigentlich muss man dazu seitens der betreffenden Gesandtschaft angemeldet werden; dazu war es zu sp?t, aber ich gelangte doch noch durch die liebensw?rdige Vermittlung von Imhoff Pascha auf die f?r die Fremden bestimmte Balustrade gegen?ber der Moschee, in der der Sultan sein Gebet verrichtet. Ich konnte das ganze imponierende Schauspiel mit seinem bunten orientalischen Pomp sehr gut sehen. Die Truppen, die hierbei zum Vorschein kommen, machten einen recht guten Eindruck, sowohl was Ausr?stung als auch Disziplin anbetrifft. Bei der Infanterie sah ich als Bewaffnung das neueste Mausergewehr. Hinterher wurde ich Schakir Pascha vorgestellt und sah noch viele andere europ?ische, in t?rkischen Diensten befindliche Offiziere, ebenso eine Menge hoher t?rkischer W?rdentr?ger. Nach dem Essen fuhr ich per Dampfer nach Terapia, dem Sommerquartier der Gesandtschaft, wo ich von Baron Wangenheim, dem stellvertretenden Botschafter, empfangen wurde. Am 18. Juli morgens erhielt ich endlich meinen Pass von den t?rkischen Beh?rden zur?ck und konnte also abfahren. Imhoff Pascha nahm mich noch im Wagen mit zu Seki Pascha, dem Grossmeister der Artillerie, welcher gew?nscht hatte, mich kennen zu lernen. Dann verabschiedete ich mich von den Damen, bezahlte im Hotel und bahnte mir durch ungez?hlte, Trinkgeld fordernde Bedienstete den Weg zu meinem Abteil. Ich hatte Schlafwagen genommen, fuhr glatt bis Deutschland durch und war am 21. Juli mittags um 12 Uhr endlich in der Heimat, wo ich auf dem Anhalter Bahnhof nach dreij?hriger Abwesenheit von meinen lieben Eltern und meiner Schwester in Empfang genommen wurde.

Wenn ich auch froh war, wieder zu Hause und bei meinen Angeh?rigen zu sein, so beschlich mich doch bald ein wehm?tiges Gef?hl bei der R?ckerinnerung an die lange Reise, und am liebsten w?re ich nach einem oder zwei Tagen wieder umgekehrt und in die asiatische Wildnis zur?ckgewandert. Aber der k?nigliche Dienst ruft, und ich kann nur hoffen, dass es mir in meiner ferneren Zukunft ein anderes Mal gelingen wird, meine schon jetzt vorhandenen Zukunftstr?ume, die wiederum in Asien kreuz und quer gehen, zu verwirklichen.

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