Read Ebook: Moriz: ein kleiner Roman by Schulz Friedrich
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Ebook has 697 lines and 42855 words, and 14 pages
f meinen Gef?hrten. Dieser sass noch auf dem Flecke, wo ich ihn gelassen hatte und erwartete mich ganz ruhig. Als ich nicht weit mehr von ihm war, fing ich an zu schimpfen und ihn mit meinen Steinen zu ?ngstigen. Sie fielen so hageldicht, dass er seine ganze Gelenkigkeit zusammen nehmen musste, um ihnen auszuweichen. Als ich mich verschossen hatte, lief er auf mich zu, und umklammerte mich so fest, dass ich mich nicht regen konnte.
Achtes Kapitel.
Wir gingen um die Stadt herum und traten eine halbe Stunde von derselben in einen Gasthof. F?r etwas Grosses schien uns der Wirth nicht zu halten, denn er fragte uns mit solcher Zudringlichkeit aus, dass er in wenig Minuten soviel von mir wusste, als mein Gef?hrte. Hierauf erkundigte er sich nach unsern P?ssen und gab durch den Ton, womit er dies that, deutlich genug zu verstehen, dass er uns nicht aufnehmen w?rde, wenn wir nicht Schwarz auf Weiss darthun k?nnten, dass wir weder Diebe noch Landstreicher w?ren.
Mein Gef?hrte suchte in allen Taschen, und als er nichts fand, fing er an, auf seine Unachtsamkeit zu fluchen. Das Ende davon war, dass er keinen Pass hatte. >>So geht, wo ihr hergekommen seyd,<< sagte der Wirth zu ihm, >>ich will mir eurentwegen keine Strafe zuziehen!<< -- Mein Gef?hrte bat ihn nur um eine einzige Nacht, erhielt aber nichts, als Nachricht, wo er einen Logiszettel bekommen k?nnte, wenn er seine Umst?nde, Vorhaben und Handthierung anzeigte.
Unterdessen erwartete ich mit Furcht und Zittern meinen Bescheid. >>Du kannst hier bleiben,<< sagte er zu mir, >>du bist weder Dieb noch Spitzbube, wenigstens siehst du nicht so aus.<<
Mein Gef?hrte ging, und wenn er mir nicht den boshaften Streich mit meinem Phylax gespielt h?tte, so w?re ich mit ihm gegangen. Wenigstens liess er es an Bitten und Vorstellungen nicht fehlen, und trieb es so lange, bis ihm der Wirth ernstlich die Th?re wies.
Als er fort war, nahm mich der Wirth noch einmal in die Presse. Ich hatte mich schon bey dem ersten Verh?re verlauten lassen, dass ich mit aus Furcht vor dem Legationsrath, meinem Papa entlaufen sey; jetzt erkundigte er sich noch einmal und genauer nach diesem Manne. Ich gab ihm so viel Umst?nde von ihm an, als ich konnte, und nicht lange darauf zog er sich an und ging fort.
Meine Angst, als ich damals auf dem Heuboden meinen Gef?hrten von Halsabschneiden schwatzen h?rte, kann nicht gr?sser gewesen seyn, als die ich jetzt empfand. Bey jedem kleinen Ger?usche fuhr ich zusammen und glaubte die Stimme des Legationsraths zu h?ren. Ich sah und fand keinen Ausweg, der mich diesmal aus der Klemme f?hren konnte. Entlaufen? war nicht m?glich. Nicht mitgehen, wenn er k?me, um mich abzuholen? eben so wenig. Ich war um ein Haar in dem Zustand eines zum Rade Verurtheilten, der im Troge daliegt, und dem Stosse, der ihm die Brust zerschmettern soll, nicht ausweichen kann, weil er an Hals und Fuss gebunden ist. Ich dr?ckte die Augen fest zu, und konnte nichts thun, als den Ausgang erwarten.
Der Wirth und Bediente sprachen noch einige Worte heimlich und gingen zur Stube hinaus. Ich sprang auf und bemerkte durch ein Fenster, das auf den Hof ging, beyde auf demselben. Mein Entschluss war bald gefasst. Ich sprang zur Th?r hinaus, durch das Haus auf die Strasse, ging erst einige Schritte langsam und lief darauf im Sprunge davon! Vor mir sah ich Weinberge und ein Dickigt von kurzen Sandweiden, an welchen die Elbe hinstr?mte. Hier glaubte ich mich eine Zeitlang verkriechen zu k?nnen. Aber die Weinberge waren mit Mauern eingeschlossen, und der Boden des Sandhegers, worauf die Weiden standen, war schwammig und nass. In einen dicken Tannenwald, der mir zur Linken auf einer Anh?he lag, wagte ich mich nicht, weil ich geh?rt hatte, dass es in Sachsen wilde Schweine gebe. Es blieb mir also nichts ?brig, als ein schmaler Weg zwischen der Elbe und den Weinbergen. Ich verfolgte ihn, kam an ein Dorf, lief hindurch, fand eine F?hre an der Elbe, die eben im Begriff war, nach dem andern Ufer abzufahren, sprang hinein, fuhr mit hin?ber, sprang wieder heraus, ohne mich um das F?hrgeld zu bek?mmern; von neuem ein Dorf, von neuem hindurch, und endlich sank ich hinter demselben unter einzelnen Tannen ohnm?chtig nieder.
Neuntes Kapitel.
>>Wes Landes?<< hub er an.
Ich wusste nicht, was ich antworten sollte.
>>Aus Jud?a, oder aus Samaria?<< fuhr er fort.
Ich sah ihn mit grossen Augen an und sein starrer Blick machte mir allm?hlig Angst. Auf einmal schien es, als ob er aus einem tiefen Schlaf erwachte. Seine Miene heiterte sich etwas auf; er nahm mich bey der Hand und fragte mich mit einer sanften Stimme: >>Kind, du f?rchtest dich vor mir? Ich bin ein armer elender Mann, ich thue dir nichts. Ach! ich kann dir nichts thun! Sieh hier diese d?rre verwelkte Hand; sie kann kaum dies leichte St?ckchen heben. Bef?rchte nichts, Kind! Nein, du hast nichts zu bef?rchten!<<
Mit diesen Worten setzte er sich zu mir und nahm mich von neuem sanft bey der Hand.
>>Ich bin sehr lange krank gewesen, liebes Kind,<< fuhr er fort, >>heute bin ich zum erstenmal wieder ausgegangen. Ich habe an der Hypochondrie laborirt. Ein schreckliches Malum, mein Kind, ein sehr schreckliches Malum! Kennst du es?<<
Ich sah ihn befremdet an, und sch?ttelte den Kopf.
>>Du kennst es nicht? Wenn du still und tr?bsinnig, mit krummen R?cken und mit zur Erde geschlagenem Blick, ?ber Stock und Stein, durch S?mpfe, Moore und B?che, durch Sandpf?tzen und W?lder hinschleichst; mit jedem altem Weibe, das dir begegnet, zusammen l?ufst; wenn sie zur rechten ausweicht, rechts springst; wenn sie zur linken ausweicht, links springst; und wieder rechts und wieder links und dich abarbeitest, um ihr nicht vor den Kopf zu rennen; wenn mitten unter diesem Bestreben, von ihr loszukommen, dem alten Weibe pl?tzlich ein spitziger Schnabel ans Maul w?chst, womit sie dir in die Brust pickt, die Haut absch?lt und endlich zwischen die obern Rippen hindurchf?hrt und dir am Herzen zu nagen anf?ngt; wenn dirs dann gr?n und gelb und feuerfarb und himmelblau und rabenschwarz vor Augen wird; wenn sich alle diese Farben zusammen mischen und in Kugeln, oder Schlangengewinden, oder Meereswogen vor deinem Auge umherrollen; wenn es dicke Nacht in allen deinen Sinnen wird; Gewitterwolken sich ?ber dein Haupt zusammen ziehen und Sturm tobt, und tausend Donner br?llen, und Blitz auf Blitz dir zischend durch das Gehirn f?hrt; wenn mitten in diesem schrecklichen Gewirr eine eherne, gl?hende Pfanne aus dem Boden heraufsteigt, Teufelslarven, Schlangen, L?wen und Riesen um sie her tanzen, Feuer anlegen und es ansch?ren, dass die Lohe himmelan spr?ht; wenn dich dann eine der schrecklichsten Gestalten beym linken Fuss packt, und dich in die gl?hende Pfanne schleudert, dass das siedende Oel rauschend, zischend und raschelnd ?ber dich zusammen schl?gt und aufsch?umt; wenn du in dem Augenblicke, da du glaubst, dass sich Feuerstr?me in deine innersten Fibern hineinfressen werden, urpl?tzlich auf eine bl?hende Wiese entr?ckt wirst, wo Nachtigallen dein Ohr letzen; wo Wohlger?che und k?hlende Balsamd?fte eine herzerhebende Linderung durch dein ganzes Wesen giessen; wo M?dchen in Engelsgestalt, in weissem luftigen Gewande vor deinem trunknen Blick einher schweben; wenn du rasch aufspringst, voll Sehnsucht, eine dieser Huldg?ttinnen zu umarmen; wenn sie flieht, du sie einholst, sie fest umschlossen h?ltst, deinen Mund fest auf den ihrigen dr?ckst; wenn dein Herz an ihrem Busen pocht; wenn du mit matten, in Liebe schwimmendem Auge aufblickst, um das M?dchen zu sehen, das Himmel und Erde vor deinem Blicke schwinden machte -- und pl?tzlich eine ungeheure von Gift geschwollene schuppigte Schlange, statt ihrer, fest in die Arme schliessest, die ihren schrecklichen Rachen aufreisst und Pesthauch auf dich her bl?st -- wenn du solche Erscheinungen hast, dann bist du hypochondrisch!<<
Er schwieg und holte Athem.
Es war eine schreckliche Schilderung, die das Feuer und der bald bebende, bald rauschende, bald ?ngstliche und weinerliche Ton und das lebhafte Geb?hrdenspiel, womit er sie hersagte, mir im ?ussersten Grade f?rchterlich machte.
Jetzt bin ich von diesem Uebel befreyt, setzte er hinzu, und, wie ich hoffe, auf immer. Ich muss mir nur fleissig Bewegung machen, und oft in Gesellschaft gehen. Das ist das beste Mittel darwider!
Ich erholte mich nach und nach von meiner Aengstlichkeit und sprach einige Worte mit ihm. Er liess auch am Ende sein Lieblingsthema, seine Krankheitsgeschichte fahren, fragte nach meinen Eltern, wie ich hiehergekommen etc. etc. und da ich Zur?ckhaltung bey ihm nicht n?thig zu haben glaubte, oder weil einem Offenherzigkeit in der Jugend so nat?rlich ist, so entdeckte ich ihm alles, und schloss mit dem Wunsche: wenn ich nur w?sste, wo ich diese Nacht bleiben sollte!
Du gehst mit mir! sagte er, und wollte aufstehen, fiel aber kraftlos zur?ck. Ich sprang auf und half ihm auf die F?sse. Wir setzten uns in Bewegung, aber mir war immer, als ob ich etwas vergessen h?tte. Ich sah mich um, und wie ward mir! mein Phylax war nicht da. Ohne meinem Begleiter ein Wort zu sagen, ohne selbst eine lebhafte Idee zu haben von dem, was ich thun oder lassen sollte, um meinen Hund zu finden, flog ich davon. Alle funfzig Schritte stand ich still und rief Phylax! und wenn er dann nicht erschien, so lief ich unter Geschrey der Ungeduld weiter. Endlich fiel mir ein, dass er im Gasthofe zur?ckgeblieben seyn m?sse. Nun stutzte ich und ging bald vor- bald r?ckw?rts, bis ich mich endlich, aber mit uns?glicher M?he und Beklemmung entschloss, Phylaxen zu lassen, wo er w?re, und mich nicht der Gefahr einer Auslieferung auszusetzen. Ueberdies hatte ich das festeste Vertrauen auf seine Sp?rkunst, und ?berzeugte mich endlich, weil ich musste und es w?nschte, dass er mich ganz gewiss wiederfinden w?rde.
Der Alte erwartete mich und fragte nach der Ursach meines pl?tzlichen Entlaufens. Der besorgliche Mann hatte geglaubt, seine Gesichtsbildung sey mir auf einmal so f?rchterlich geworden, und ob ich ihm gleich meinen Verlust sehr deutlich erkl?rte, fragte er mich in der Folge doch noch einigemal: ob er denn etwas f?rchterliches im Gesichte habe?
Wir kamen an das Ufer der Elbe, und als wir ein paar hundert Schritt an demselben hingegangen waren, ward mein Begleiter auf einmal unruhig.
>>Nicht wahr, Kind,<< hub er an, und sah starr in den Strom: >>man hat Beyspiele, dass reissende Str?me pl?tzlich angeschwollen sind, und Land und Leute verschlungen haben?<<
Ich hatte nichts davon geh?rt.
>>Ja, Kind,<< fuhr er mit zunehmender Bangigkeit fort: >>es ist dir sehr oft geschehen! Es k?mmt von Wolkenbr?chen, mein Sohn, von starken Wolkenbr?chen! Sieh einmal die Wolke, Kind! Eine dicke, schwarze Wolke, so schwer, so langsam zieht sie da herauf! Wenn nur nicht -- Kind, siehst du nicht die schwarze, dicke Wolke da? -- Sie enth?lt lauter Wasser, lauter Wasser!<<
Es war ein kleines, unbedeutendes W?lkchen, weder schwarz, noch schwer, noch dicke.
>>H?rst du es nicht rauschen?<< fuhr er fort, und sah sich angstvoll nach der Elbe um: >>Sie tritt ?ber -- sie bricht aus -- lauf, lauf, lauf!<<
Und mit den Worten fing er an zu laufen, als ob ihm der Strom schon auf den Fersen w?re. Rette dich! rette dich! rief er eines Rufens, und lief dabey, nach seiner Art, vogelschnell feldein. Ich nahm mir mehr Zeit, denn die Elbe blieb, wo sie war. Ob er sich gleich nicht umsah, versicherte er mir doch immerfort, der Strom w?re uns sehr nahe. Ich sprach aus allen Kr?ften dagegen, aber er lief immer schneller, und als ich sah, dass mit Vorstellungen nichts auszurichten war, lief ich zur Gesellschaft mit.
Zehntes Kapitel.
Er ging mit mir durch lauter entlegene Strassen, die fast immer an der Stadtmauer fortf?hrten, und schien den Anblick der Menschen eben so sehr zu fliehen, als ich: und das war mir recht, denn ich war in grosser Besorgniss, der Legationsrath m?chte mir begegnen. Wir kamen endlich an ein gew?lbtes finstres Thor, das auf eine Br?cke f?hrte. Ueber diese gingen wir und geriethen in eine schmale, dunkle Gasse; am Ende derselben stand ein altes, bauf?lliges Haus, in welches er mich f?hrte. Es fuhr mir eine Art von Schauder durch alle Glieder, doch beruhigte mich der Gedanke etwas, dass hieher wohl schwerlich Nachsetzer kommen w?rden. Wir stiegen im Hofe eine verfallene Treppe hinan und krochen durch eine niedrige Th?r, in eine enge r?uchrige Stube, die an M?beln nichts, als ein Pult, einen uralten Lehnstuhl und zwey kleinere Rohrst?hle, die durchgesessen und wackligt waren, aufzuweisen hatte. Er setzte sich nieder und fing noch einmal von dem Wolkenbruche und dem dadurch verursachten Austreten der Elbe an. Mich liess er wenig zu Worte kommen, als ich ihm noch einmal versichern wollte, sein Schrecken sey ungegr?ndet gewesen.
Es fing an, mich sehr zu hungern, und doch sah ich nicht, dass er Anstalt machte, mir etwas anzubieten. Endlich sagt' ich ihm dreist heraus, woran ich litte. Sogleich griff er in seine Tasche und holte unter einer Menge Brodkr?mchen zwey Dreyer heraus. >>An dem Thore, wo wir hereingekommen sind,<< sagte er, >>wohnt ein B?cker, geh und hole f?r dies Geld!<<
Alle Z?ge des alten Mannes wurden lebendig und heiter. Siehst du, Kind, rief er schluchzend, in dem Evangelio steckt ein Trost, auf welchen sichs besser schl?ft, als auf gewonnene Schlachten. Dass ich dich mitgenommen habe, dass ich dir Essen und Nachtlager gebe, diese uneigenn?tzige Bereitwilligkeit, dir zu dienen, verschafft mir den s?ssen Trost, der in dem Evangelio allen denen versprochen wird, die Kinder lieb haben. Und nun schlaf wohl! Ich mag nicht essen, nicht trinken. Ich will die himmlischen Empfindungen, die mich jetzt beseelen, nicht unterbrechen. Schlaf wohl!
Bey diesen Worten ?ffnete er eine Seitenth?r, die in eine finstre Kammer f?hrte, warf sich in vollem Zeuge aufs Bette und schnarchte bald darauf von ganzem Herzen.
Nun war ich allein und meinen Betrachtungen ?berlassen. Diese peinigten mich nicht sehr, denn meine Semmel besch?ftigte mich ziemlich lange; und sobald diese gegessen war, fand sich die Schl?frigkeit ein, welche die Verdauung ank?ndigt, und hielt alle traurige oder f?rchterliche Vorstellungen so gut von mir ab, dass ich nach einigen Minuten auf dem Lehnstuhle meines Wirthes ruhig einschlief.
Eilftes Kapitel.
Pl?tzlich schreckte mich ein starkes Poltern auf, und in meiner Schlaftrunkenheit kam es mir vor, als ob das ganze Haus ?ber mich zusammen st?rzte. Die Finsterniss vermehrte mein Schrecken. Eben war ich im Begriffe, meinen alten Wirth zu rufen, als meine Angst in Todesfurcht ?berging: denn es traten drey M?nner, in grosse blaue M?ntel verh?llt, deren einer eine Laterne trug, stillschweigend in die Stube und schritten auf mich zu; der eine nahm mich bey den Schultern, der andre bey den F?ssen, und so schleppten sie mich die Treppe hinunter, alles, ohne einen Laut von sich zu geben. Ich wollte schreyen und konnte nicht. Erst unten auf dem Hofe bekam ich Kr?fte, aus voller Kehle einen Schrey zu thun. Sogleich h?rte ich des Alten Stimme. Ich bat ihn, mir zu helfen, mich zu retten, man wollte mich umbringen! Aber die drey furchtbaren M?nner liessen sich durch mein Geschrey nicht irre machen. Sie trugen mich durch das Haus, und als Wirth und Wirthin erschienen, um zu sehen, was es g?be, sagte ihnen der Mann mit der Laterne einige Worte, worauf sie sich beruhigten und in ihre Stube zur?ckgingen.
Man legte mich in eine Kutsche, die um und um zugemacht war. Die beyden grossen M?nner setzten sich, dicht in ihre M?ntel geh?llt, zu mir, und sagten zu dem mit der Laterne, wenn der Alte k?me, sollt' er ihn zur?ckhalten. Und nun ging es fort!
Alle Schrecken, die ich von dem Augenblick an, wo mir Malchens Mama die Schelle gab, bis zu den f?rchterlichen Begebenheiten auf dem Heuboden und im Wirthshause, empfunden hatte, waren nichts gegen diesen. Ich erbebte durch alle Glieder und schnappte schluchsend nach Luft.
Bald wollte ich schreyen, dass die halbe Stadt mich h?rte, bald aufspringen und mit H?nden und F?ssen an die Th?re donnern; aber zu beydem fehlte mir Kraft und Muth. Besorgniss und Angst nahmen ihre alte Stelle wieder ein und brachen sich in einen Thr?nenguss, der rund umher, wo mein Kopf lag, das Bette benetzte. Doch erlagen sie bald nachher einem Schlafe, der zwar von f?rchterlichen Tr?umen unterbrochen ward, aber doch bis gegen Morgen dauerte.
Bald nach meinem Erwachen erschien der Blaumantel, setzte Thee und Semmel hin, ging wieder, ohne ein Wort zu reden, und schloss die Th?r hinter sich zu. Ich hoffte jeden Augenblick, dass man die Fensterladen ?ffnen sollte; aber vergebens. Ich trank meinen Thee, und liess grosse Thr?nen in die Schaale tr?pfeln. Endlich ging meine Furcht in starre Hartherzigkeit ?ber, die alles, sey es auch das Aergste, was man ?ber mich verh?ngen w?rde, ausdauren wollte.
Nach ein paar Stunden erschien der Blaumantel wieder, und brachte noch einen Mann mit. Dieser sollte mir das Maas zu Rock, Weste und Beinkleider nehmen, meynte aber: bey der Finsterniss k?nne er nicht sehen. >>Seht, wie Ihrs macht,<< sagte der Blaumantel zu ihm, >>so ein B?sewicht muss weder Tages- noch Talglicht sehen!<< Sie lachten ?ber dieses witzige Wortspiel von ganzem Herzen, aber mir war es nicht m?glich. Doch weiss ich nicht, wie es kam, meine Bangigkeit nahm dadurch um einen grossen Theil ab.
Den Abend geschah ein Gleiches. Ich schlief viel ruhiger, als die vorige Nacht, und der Thee schmeckte mir den folgenden Morgen auch weit besser, als Tages vorher. Eben so das Mittag- und Abend-Essen. Ich vergass, dass ich ein Gefangener war und in der Finsterniss leben musste, und bemengte mich endlich auch nicht mehr mit ?berschrecklichen Vermuthungen ?ber das, was mir bevorstand.
Am dritten Abend ?fnete sich die Th?r --
Zw?lftes Kapitel.
Und es trat herein der Schneider, im Gefolge des Blaumantels, der ein Licht trug. Jener warf sein B?ndel auf den Tisch, nahm mich herzu, und zog mich bis aufs Hemde aus. Ich zitterte in banger Erwartung. Er probirte mir Rock, Weste und Beinkleider an, fand sie nach seinem Geschmacke, zierlich geschnitten und fein gearbeitet, w?nschte mir Gl?ck dazu und ging ab.
Ihm folgte ein Bedienter, der mich wieder auszog, mir einen Pudermantel ?berhing, frisirte und puderte, ein weisses Hemde, seidene Str?mpfe, neue Schuhe mir anzog, einen Federhut aufsetzte, und das neue Kleid wieder anziehen half.
Ich staunte und stutzte mich an, aber er liess mir nicht Zeit, meiner Verwunderung nachzuh?ngen, sondern nahm mich bey der Hand, f?hrte mich eine Treppe hinan, hustete -- pl?tzlich flog eine Doppelth?r auf, und ich stand in einem grossen, pr?chtig erleuchtetem Saale, in dessen Hintergrunde ich ein Gewimmel von Herren und Damen sahe, die alle ihre Blicke auf mich richteten.
Ich stand wie versteinert. Es war mir als s?he ich in einen Guckkasten. Ich wusste nicht, ob ich stehen bleiben, oder vorr?cken, ob ich lachen oder weinen sollte.
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