Read Ebook: Das Bücher-Dekameron Eine Zehn-Nächte-Tour durch die europäische Gesellschaft und Literatur by Edschmid Kasimir
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Ebook has 1043 lines and 114289 words, and 21 pages
KASIMIR EDSCHMID:
DAS B?CHER- DEKAMERON
Eine Zehn-N?chte-Tour durch die europ?ische Gesellschaft und Literatur
Zweite Auflage
ERICH REISS VERLAG / BERLIN 1923
Geschrieben im Juli und halben August Neunzehnhundertzweiundzwanzig
Copyright by Erich Reiss Verlag 1922
INHALT
Erster Vormittag DEUTSCHLAND SEITE 9
Die erste Nacht DEUTSCHE SEITE 41
Die zweite Nacht FILM ? THEATER ? SCHAUSPIELER ? REGISSEURE ? ESSAYISTEN ? LEBENDIGE SEITE 69
Die dritte Nacht BIBLIOTHEK SEITE 95
Die vierte Nacht SATIRE SEITE 121
Die f?nfte Nacht KUNST UND GESELLSCHAFT SEITE 145
Die sechste Nacht POLITISCHE DICHTUNG?? SEITE 185
Die siebente Nacht NEUE SCHULEN SEITE 227
Die achte Nacht DIE ANDERN SEITE 251
Die neunte Nacht UND EUROPA?? SEITE 267
Die zehnte Nacht MIJNHEER! SEITE 297
Letzter Vormittag GELASSENHEIT SEITE 301
Erster Vormittag
Mijnheer, wir sind eingeschneit.
Von den Spiessh?rnern bis zur Todtnauer H?tte jagt der Schneesturm schon den dritten Tag. Das Zastler Loch ist verh?llt und um Herzogenhorn ballt sich die Schneeflut zu neuem Angriff. Zum B?rental h?uft sich der Schnee schon wie Meer. Als ich zuletzt Sie traf in ?hnlicher Lage, war es am Brenner, Sie kamen mit Wolken Schnee auf breiten Eschenbrettern herauf, ich schnallte die Hickorys, um in die Schweiz zu fahren, und die schon fast italienische Sonne gl?hte ?ber Tirol das Gebirge zu Metall.
An diesem Tag zog D'Annunzio mit seinen Freischaren nach Fiume, heut empf?ngt er den russischen Volksbeauftragten Tschitscherin. Was ich an dem blitzkurzen Tag Ihnen damals sagte, steht in der >>Doppelk?pfigen Nymphe<<. Was macht es, solange meine Landsleute sich mit seinem Ja und Nein nicht lernend auseinandersetzen? Habe ich recht behalten oder nicht? Wie hat in der Zwischenzeit das Karussell der Zeit sich umgedreht!
Finden Sie Boden in diesem Mosaik, das mit Pferden und Menschen und Schreien um die eigne Achse sich ohne Pause dreht? Damals schoss man in Haufen auf den Strassen um Weltanschauungen. Heute doziert in Offenburg, w?hrend die Witwe geladen ist, der Staatsanwalt an Erzbergers pr?pariertem Sch?del den Bauern-Geschworenen mit dem Bleistift die Einschussrichtungen seiner M?rder. In den Festungen sitzen nach dem Proletarischen hin ausgeschw?rmte Dichter. Feldherren des Kaisers nehmen Paraden ab ?ber die Truppen der Republik. Auf dem Rhein flitzen belgische Kanonenboote, auf keinem der Dampfer zwischen Mainz und Bingen sehen Sie die Farbe Schwarz-Rot-Gold. Die B?der der deutschen Ostsee-K?ste sind zwischen den Strandkorbburgen millionenhaft mit den Fahnen des Kaiserreichs beflaggt. Der erste deutsche Botschafter in Amerika ?bergibt seine Beglaubigung im Namen von >>The German Empire<<, und man antwortet ihm in Washington, er meine wohl seine Republik. In Bayern ist in Sturmtrupps die Bauernschaft blockiert: vivat Rupertus Rex. Der Reichspr?sident, der M?nchen besucht, erh?lt feierlich am Bahnhof unter Gepfiff eine rote Badehose gereicht.
Sie interessieren sich nicht f?r Politik?
Ich auch nicht.
Es ist unsere Zeit aber Mijnheer. Das ist der Boden, den wir treten, das sind die Wolken, unter denen wir atmen. Wo schieben sich ?hnlich knisternd Begriffe und Revolten und erlauchte Traditionen durcheinander!
Zwei Stunden n?rdlich ?bers Gebirge, in Baden-Baden, endigte fr?her die bevorzugte Schnellzugslinie von Paris. Hier fuhr als Dauphin Eduard der Siebente in Hemds?rmeln viersp?nnig den Blumenkorso ?ber die Lichtenthaler Allee, f?hrte Prinz Hamilton am blauen Band ein Schwein als Wette durch den Kurgarten, sauste der britische Hoftross mit Bettlaken nachts in Droschken zum alten Schloss, Gespenster f?r harmlose Passanten zu spielen. Die F?rstin Gagarin telegraphierte aus Syrakus an ihr Palais Stourdza, um ihre Ankunft zu melden: >>Pr?parez trois cotelettes pour les chiens<<, hier wurde den Gazellen des siamesischen Sultans jeden Morgen in einem Springbrunnen ein Bad fin champagne ger?stet, wurde dem jungen Portugiesenpr?tendenten eine Strasse gebaut, um zwei G?rten zu vereinen. Hier, wo Liane von Pouchi tanzend ihre Triumphe feierte, beginnt einige Jahre nach Krieg und Revolte unbedr?ckt vor Angst, dass niedere Klassen mit Sch?ssen und Raub darauf antworten, unter jahrhundertalten B?umen das Leben wieder feierlich und reich zu spielen.
Die bengalischen Feuer schmeicheln dem sanften Anfang der dunklen H?hen, und unter den Schatten der Bosketts gleiten die Lampions mit den wohligen Seufzern der Menschen zusammen zum immer festlich bereiten Nachthimmel. Die Bl?te aller B?ume von Flieder bis Magnolien und von den feierlichen Kastanien bis zu den wilden Rosen und Geisblatthecken wird dieses Jahr zusammenfallen, und die von den Font?nen bespr?hten siebenfarbenen Rhododendronb?sche werden vor der Spiegelfassade des Hotel Stefanie mit unbekannter unterdr?ckter Leidenschaft bl?hen.
Man musste den manischen Alten, der vor Sucht nach einem Republikaner verging, wegen Farbenblindheit einer Heilanstalt zuf?hren, die Sehnsucht nach der Republik hatte ihm seinen Beruf und seine wissenschaftliche Carriere gekostet. Kein Bankier kaum ansonst, kein Industrieller, der auf die neue Flagge schw?rt und h?chstens einige Juden, die versch?mt ?ber die Thora mit ihr kokettieren. Selbst die Direktoren demokratischer Industrieregenten wagen in Ruhrort und Recklinghausen und Duisburg nicht, durch das gleiche Bekenntnis wie ihr Zar dem gesellschaftlichen Terror zu widerstehen. Denn Gesellschaft heisst in Deutschland nicht wie in anderen L?ndern: durch die Jahrhunderte in einem Rassebewusstsein zu gewissen Neigungen und Bewegungen filtriert sein, sondern heisst jene Clique, die vor dem Krieg zuf?llig verdiente, adlig war und die ?mter beherrschte. Die schw?rt heute auf die Reaktion. Die arbeitende Klasse k?mpft, schon in der Verteidigung wieder, um den Achtstundentag. Die grossen Auseinandersetzungen werden noch kommen.
Auf dieser Atempause der Geschichte, auf einem gl?sernen Regenbogen steht die Republik.
Eine Generation junger frecher und halb hilfloser Leute mit sehr roten Handschuhen und hellen Koffern aus Leder hat zwischen Franc und Dollar die Pl?tze der Eisenbahnen belegt. In Innsbruck sahen wir, von den ?tztaler Alpen vor drei Wochen heruntersteigend, den Adel Tirols aus den Schl?ssern zusammenstr?men und ihre Komtessen tanzen in den Kost?men der Mode von vor f?nfzehn Jahren, da ihr Geld die neue nicht mehr kauft, aber mit phantastischem Familienschmuck, den sie nicht ver?ussern, noch exklusiver wie fr?her, und einen gewissen t?tlichen Stolz in den zwanzigj?hrigen Gesichtern. Das ist Deutschland.
Bald haben alle F?rsten und Feldherrn ihre Memoiren herausgegeben und alle schieben die Schuld auf den andern genau wie, als die Franzosen den vorletzten Krieg verloren, Ollivier, Benedetti, Leboeuf, Wimpfen sich die Niederlage an die K?pfe warfen, bis man in dem Spitzbart Bazaine den Pr?geljungen entdeckte. F?r unser Schrifttum ist der Haufen Papier ein verwegenes Nichts, f?r die Erinnerungsliteratur keine Bereicherung des Stolzes, der letzte grosse Memoirenschreiber der Deutschen aber, der pfaueneitle jedoch illustre F?rst von Muskau h?tte mit einer Handbewegung diesen Hahnenkampf seiner Kaste abgelehnt: >>Quelle blague.<< Ich traf im Sommer auf einem Bodenseedampfer einen fr?heren russischen Attach?, der Schweine f?r die deutsche Regierung in Belgrad gekauft hatte, der riet, zur S?dsee auszuwandern mit einem Harem von Frauen und sch?nen Tieren, und f?nfzigj?hrig in das dann befriedete Europa zur?ckzukehren wie Apoll, der bei Winterbeginn zu den Hyperbor?ern jagt, um erst wieder, von P?anen gerufen, im Fr?hling zum silbernen Kephissos und seiner geliebten Quelle Kastalia im Schwanenwagen zur?ckzukehren.
Den Russen langweilten die Zuckungen, mit denen die Erde Europas sich langsam wieder in ein festes Bett zur?ckstemmt und er wusste, dass nicht die Spur nachzuhelfen sei mit Kongressen, Parlamenten und Paraden des Geschw?tzes, und dass elementare Gewitter nicht durch Beschw?rungen der Regenmacher sondern nur durch elementare Ausstr?mungen langsam sich s?nfteten.
Ich bin, obwohl ich abenteuerlustig las, in Mozambique bei Beira h?tten Kaffern endlich die Seeschlange angeschwemmt gefunden, und obgleich Sir William Loyd Davkins in >>Manchester Guardian<< hinzuf?gt, ihre K?pfe seien gross wie die Leuchtfeuer von Makuti gewesen und die Kaffern h?tten zw?lf Tage lang an der gelben Gallerte fressend gelegen . . . . . . ich bin, obwohl alle Himmel der Fremde und alle noch nicht genossene Seligkeit der Erde mit beispiellosen Kontinenten, Mondgebirgen und barbarisch dunklen Meeren dahinter locken . . . . ich bin f?r Bleiben.
Diese Deutschen!
Man muss hinter D?sseldorf am Rhein gelegen sein, um die Gr?sse dieses Landes mit dem stillen Verstr?men des Flusses zu sp?ren. Man muss zwischen Bingen und Sankt Goar seine Romantik fliegen gesehen haben voll jahrhundertblauer Gewalt. Wie haben die Spessartw?lder gedr?hnt von der Musik ihrer donnernden W?lbung. Wie haben die bayrischen Seen unter der Pranke des Herbstmonds mit aufschiessenden Nebeln gebuhlt und die Morgenberge mit wilder Idylle gespiegelt. Wie hat der sommerliche Schwarzwald vor Behagen aus allen samtenen Fichtenh?ngen geraucht und die Nacht noch sanfter an den glatten Muskeln des Vogesenbruders in den Rheingau fallen sehen. Wie hat der Odenwald von Sagen an allen Quellen aufgezittert und wie reif sind ?ber der Mosel die Sonnensegnungen gelegen.
Wie haben die Sturmfluten die Nordseeh?fen ?berdeckt, w?hrend der Mond bleirote L?hmung gespenstisch dar?ber flutete, dass die Molen verzaubert von soviel Glanz reglos von den Raubwellen zerrissen wurden -- und mit welchem Jubel haben wir als J?nglinge die t?nzerische Grazie Bayreuths und die Stierwucht von Bamberg und die Rothenburger Silhouette vor den Abendhimmeln des Sommers empfunden. Die Parke unserer Kindheit waren voll von Tritonen und B?chen und fl?tentragenden G?ttern der B?sche und W?lder und den stampfenden Pferden besinnungslosen Gl?cks auch im dunklen Erschauern der Zukunft.
Wie hat Friesland uns sp?ter mit schwarzen Bauerng?tern in fetter Erde unter seinen Herden gebebt, wie haben die Ostseeleuchtt?rme den Dreimastern und Hochseebooten herzbange Gr?sse durch die Jasminnacht geworfen, wie haben die Z?ge gejauchzt, als die s?ddeutschen Erntefelder sie mit beispielloser Goldf?lle verschlangen. Wie hat der Wein des Elsass sich zur Melancholie der Eifel in unseren Knabenfahrten herrlich gesellt, und mit welchen Farben haben die mecklenburgischen Teiche sich noch an den grauen Himmel pommerscher Rieseng?ter gemalt, wenn die Wildg?nse dar?ber flogen.
Wie hat das ganze Land sich gereckt wie ein Weib, bis es die Sch?nheit erreichte und bis aus jeder Falte ihrer Erde der Duft der Anmut und der Vollendung in solcher Musik stieg, dass wir vor Liebe und Demut die S?nden und Fehler der Bewohner fast vergassen. Die Luft unserer Jugend ist st?rmisch wie die des Cinna und Hannibal, aber, unverr?ckbar, die Seen und W?lder und Berge unserer Leidenschaft und unserer Heimat sind von erhabenem Gleichmut der Sch?nheit.
Welche Zeiten!
Gleichsam auf einer zweiten unsichtbaren Ebene dar?ber aber steht wie ein zitternder Kessel zwischen den Manometern und Fieberkursen der Valuten >>The German Empire<<, so, als sei zwischen den Zustand seiner Fluren und den eines m?glichen Gl?ckes die heutige Misere wie ein verlegener Alpdruck hineingeschmettert und als seien die Geister, die um diesen Zustand irrten, vor Verzweiflung fast schon bereit sich selbst zu verh?hnen und auch der letzten Entschlusskraft beraubt. Ich f?rchte, g?be es in der Politik einen Eros und Stufungen der Geschlechter wie bei den Lebewesen, man w?rde >>The German Empire<<, das weder wagt mit dem Glanz der Senatoren von Catos Strenge bis zu Clemenceaus Unerbittlichkeit eine Republik zu sein, noch sich f?r ein wahrlich neues Kaiserreich zu entscheiden, zu den Zwischenstufen z?hlen, denen zwar viel N?ancen aber keine eindeutigen Himmelfahrten erlaubt sind.
Aber der Hass auf ihre Gegenwart hat nie vermocht, die Liebe zu ihr zu unterdr?cken, und die besten Augen des Landes sind unbeirrbar auf jede ihrer Bewegungen gerichtet. Denn man liebt nur, wo man helfen will und man ist voll Z?rtlichkeit nur da, wo man zu verzweifeln begonnen hat.
Im Kreis darum aber laufen die Ringe unerbittlich weiter, die die M?rder mit den Heiligen und die T?chtigen mit den Tr?umenden durcheinander werfen. Ein Tropf, der nicht sein Schicksal zu korrigieren sucht, wo Kunst und Wahrheit nie so isoliert in der Welt standen. Wer vermag festen Grund zu sehen, wo alle Massst?be aufh?ren, wo das Nat?rlichste: gut zu speisen und innerhalb Deutschland zu reisen, schon ungew?hnlicher Luxus d?nkt und das Leben der mittleren Schichten eine Versuchung ist mit Gott zu hadern. Die apartesten Gegens?tze durchdringen sich mit einer gewissen Heiterkeit, und jede Handlung wird mit auff?lligem Ernst von einer Gegenhandlung begleitet, deren Gesicht die Grimasse des Widerspruchs tr?gt.
Vermuten Sie, dass am Tag, als Max H?lz mit Kommunisten und R?ubern das Vogtland unterjochte, ein eigens gebautes Segelboot mit dreiundzwanzig deutschen K?nstlern aufbrechen sollte, die Welt zu umreisen zum gr?sseren Ruhm des Geistes? Ach Sie vermuten nicht, dass am gleichen Vormittag, als diejenigen Deutschen, die gerne mit endlichem und praktischem Erfolg die Welt befrieden m?chten, zu einer grossen Konferenz zusammentraten, in der anderen Ecke dieses Landes die m?nnlichen Mitglieder einer Junkerfamilie zum Spass mit Schrotgewehren auf alle vorbeifahrenden Automobilisten schossen. T?glich beobachtet man, dass f?hrende Gener?le der Kriegszeiten pl?tzlich ausgerechnet die Agenturen der Lebensversicherungen ?bernehmen, dass Juden mit einem Male f?hrende Sportleute werden, dass korrekte Assessoren Autofabriken gr?nden, dass die Boh?mes der Literaturkaffees pl?tzlich infolge der Besch?ftigung mit Wohnungsschiebung liebensw?rdige Cavaliere werden mit einem Anflug sicherer Beleibtheit, die den Frieden mit Gott, Welt und Satan immer voraussetzt.
Sehen Sie die Wirtschaft gigantisch wachsen, die von der Kohle ?ber die Erze, die Hoch?fen, die Walzwerke, die Maschinenfabriken, ?ber den Vertrieb der Erzeugnisse, ?ber die Schiffahrtslinien eine ungeahnte neue Konzentration herstellt und, fast schon m?chtiger als der Staat, beinahe alles erzwingen aber alles verhindern kann, w?hrend vor sechs Jahren man glaubte, sie sei in der Hochkurve? Vermutlich wird sich das technische Zeitalter noch zu einer mythischen Gr?sse recken, Dampfer von ungeheuren Massst?ben und tausendfacher Kraft werden durch Motore gelenkt werden, dass sie wie die Delphine im kleinen Kreise tanzen, und die Luft wird derart bezwungen scheinen, dass die Menschen, knapp an die Grenze der grossen Weltgeheimnisse wirklich kommend, erst im letzten Augenblick, und nicht ohne Gr?sse, gest?rzt werden.
Aber heute gastieren im Schatten dieses Wachstums noch die vielen Schauspieler der Verwirrung und ich vergesse nicht, wie es entr?stete und am?sierte, als auf dem Concours hippique in Kissingen im Fr?hjahr nur der Stallmeister der luxemburgischen Grossherzogin im grauen Seidenzylinder erschien und dann ein Kinobesitzer und nicht Graf G?rtz die Sache machte. Man glaubte, das Apokalyptische k?me hernieder und die germanische Midgardschlange lasse die Erde aus ihrer Umklammerung fallen. Die Oberfl?che der Zersetzung schwankte ein wenig und man sah die gesamten Akteure der Zeit mit einem Male, wie sie ?ber die H?rden und Koppelricks herauf und herunterjagten, als welle sich die Erde unter ihnen.
Europa ist heute ein grosser Faschingsball mit sch?nen Debardeurs und anderen maskierten Gestalten und dem fallen die Triumphe zu, der die k?hnsten Griffe und die besten Lenden aufweist. Man demaskiert erst in einer sp?teren Zeit. Ich habe daran denken m?ssen heute Nacht, als ich h?rte, man habe den grossen Ahnen aller Abenteurer des Geistes und Lebens zur?ckgerufen, indem man das Grab des Marquis von Seintgalt in Dux in B?hmen gefunden. Es war nur ein Zufall, der es beim Legen von Wasserrohren wieder in die Welt spielte, auf dem Grabstein stand mit einer gewissen schlichten Haltung: >>Casanova Siebzehnhundertneunundneunzig.<< Im gleichen Jahre wurden der Baron Balzac und der Jude Heinrich Heine geboren, die die gleichen Umschichtungen des Lebens in Frankreich in ihren B?chern damals schon schilderten und mit Kunst einen gewissen Schlussstrich setzten unter die letzte grosse Kurve einer Zeit, die der kluge und geniessende Casanova im Leben noch einmal unerh?rt gespiegelt hat: den Glanz und die spielerische Abenteuerlichkeit der Welt . . . ., eh sich die Wagschalen des Daseins in die tragischen Entscheidungen von heute stellten.
Man hat nunmehr gelernt n?chtern zu werden, selbst in der erregtesten Zeit, teilt Arbeit und Leben und berechnet selbst seine Zuf?lle. Wir sind eingeschneit, Mijnheer. Ihr grosses Gep?ck ist nicht transportabel, der Schneepflug braucht drei Stunden f?r hundert Meter Weg. Die Dame, die Sie erwarten, kann nicht herauf, es sei denn, sie fl?ge. Von St?benwasen bis Gisib?den steht der Schneesturm und wirft Sie ?ber den Kamm, sobald Sie ihn betreten. Versuchten Sie ohne Gep?ck ins Tal zu kommen auf Skiern, ist Ihnen nur der Weg der Waldfl?chen offen, wo der Schnee sich nicht so hoch gesetzt hat, aber schon an den ersten Matten ersaufen Sie im Schnee trotz Ihrer Bretter wie eine Maus.
Wir sitzen fest. Am Tage ists manchmal m?glich, vielleicht sich in die Latschen zu schlagen oder Sprungh?gel zu bauen, vielleicht geht die Sonne auf und dr?ckt die Schneeflut zusammen, man hat M?glichkeiten und man rechnet mit ihnen. V?llig abmarschieren kann man aber erst, wenn der Sturm gefallen ist, jedoch der Meteorologe versichert, er stehe zehn Tage ?ber dem Gebirg. Das war noch nie, und solche Kaskade von Weiss warf der deutsche Himmel seit meiner Geburt noch nie ?ber Baden. Man muss resignieren und eine Besch?ftigung suchen, die wir leicht von selbst gehabt h?tten, w?re es uns nicht eingefallen, die braun brennende Sonne des Arlberg mit der schwarzen des Schwarzwalds noch zu vertauschen. In St. Anton w?re der Sirocco uns zu Hilfe geeilt und h?tte die Wolken nach Norden geschmissen, die hier von allen Schwarzwaldbergen sich heben und wie Rabench?re um den Feldberg kreisen. Schon Lukian hat die Reiselust verspottet, nun sind wir die Opfer. Es gibt nichts, was einem unabh?ngigen Gentleman unertr?glich werden k?nne? Beweisen wir es.
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