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Read Ebook: Die Bibliothek meines Oheims: Eine Genfer Novelle by T Pffer Rodolphe

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Ebook has 898 lines and 56679 words, and 18 pages

In der Regel half ich ihm dadurch aus der Noth, dass ich ihm die Spitze meiner Feder hinhielt; dies f?hrte mich zu der gr?ssten, gl?cklichsten Entdeckung. Ich kann in diesem Betracht mit Berquin sagen, dass eine gute Handlung niemals unbelohnt bleibt. Mein Maik?fer hatte sich an den Bart der Feder angeklammert, und w?hrend er sich erholte, schrieb ich eine Zeile, wobei ich mehr auf ihn und seine Thaten achtete, als auf die des Julius C?sar, den ich eben ?bersetzte. Wird er davonfliegen oder die Feder herunterklettern? Von welchen Zuf?llen h?ngen doch alle Dinge ab! H?tte er sich zu dem ersten entschlossen, so w?re es um meine Entdeckung geschehen gewesen, ich h?tte sie nicht einmal geahnt; gl?cklicherweise kletterte er bergab. Als er sich der Dinte n?herte, empfand ich eine Vorahnung; ich f?hlte, dass grosse Dinge geschehen w?rden. So ahnte Columbus, ohne die K?ste zu sehen, sein Amerika. Wirklich netzt mein Maik?fer, als er an dem Ende des Schnabels angekommen ist, seine Schwanzspitze mit Dinte. Schnell ein weisses Blatt...... ein Augenblick der h?chsten Spannung.

Ich versehe dem staunenden Thiere die Schwanzspitze wohl mit Dinte und setze es auf die erste Seite meines Heftes. Dann nehme ich einen Strohhalm, um seine Arbeit zu leiten, um seine Pfade zu lenken, und zwinge den Maik?fer sich so zu bewegen, dass er meinen Namen schreibt. Es bedurfte zweier Stunden; aber welch' Meisterwerk!

>>Die edelste Eroberung, welche der Mensch je gemacht hat, sagt Buffon, ist.... sicherlich der Maik?fer!<<

Um die Arbeit zu leiten, hatte ich mich dem Fenster gen?hert, eben wurde der letzte Buchstabe fertig, da rief eine Stimme leise: Freundchen! Ich sah schnell auf die Strasse. Da war niemand. -- Hier! rief dieselbe Stimme. -- Wo? fragte ich. -- Im Gef?ngnisse.

Jetzt merkte ich, dass die Worte aus dem Kerkerfenster gekommen und von dem Verbrecher, dessen abscheuliches L?cheln mich so heftig erschreckt hatte, an mich gerichtet waren. Ich fuhr bis an die andere Wand meines Zimmers zur?ck.

-- F?rchten Sie nichts, fuhr die Stimme fort; ein braver Mensch spricht mit Ihnen... -- Schurke! rief ich, wenn Sie mich noch l?nger anreden, so rufe ich die Wache!

Er schwieg einen Augenblick. -- Als man mich neulich durch die Strasse brachte, hub er darauf wieder an, sah ich Ihr Gesicht und schloss daraus, dass Sie ein mitleidiges Herz h?tten und ein ungl?ckliches Opfer der Ungerechtigkeit beklagen k?nnten.... -- Schweigt! rief ich aufs Neue, B?sewicht! Ihr habt einen Greis und ein Kind ermordet!....

-- Ach! ich sehe wol, Sie sind verblendet wie Alle. Noch so jung und doch schon das Schlimmste glauben! Er schwieg, denn er h?rte jemand die Strasse kommen. Es war ein schwarzgekleideter Mann, ein Leichentr?ger, wie ich nachher erfuhr.

Als der Mann vor?ber war, fuhr er fort: -- Ach! der ehrw?rdige Gef?ngnissprediger ist ganz anders. Der weiss, Gottlob! dass mein Herz rein und meine Seele ohne Flecken ist! Er schwieg wiederum. Diesmal ging ein Gendarm vor?ber. Ich trug Bedenken, ihn anzurufen und ihm die Reden des Gefangenen mitzutheilen; allein diese Worte selbst hatten schon zu sehr auf meine Leichtgl?ubigkeit eingewirkt, als dass ich diese Regung wieder unterdr?cken konnte. Ausserdem schien es mir ein Verrath zu sein, da doch der Gefangene der Ehrlichkeit meines Gesichts vertraut hatte. Meine Eigenliebe f?hlte sich zu sehr geschmeichelt, als dass ich ein solches Lob L?gen strafen konnte. Ich habe ja eben gesagt, dass diese Leidenschaft sich von Allem n?hrt, es ist keine Hand so schmutzig, dass sie sich nicht gern davon streichen liesse.

Nach der Unterhaltung, die mich zum Fenster gelockt hatte, blieb der Gefangene ruhig und ich kehrte zu meinem Maik?fer zur?ck.

Welches Entsetzen! das Unheil war gross, unverbesserlich! schnell ergriff ich den Urheber und warf ihn zum Fenster hinaus, dann betrachtete ich mit Schrecken die verzweifelte Geschichte.

Das waren entsetzliche Flecken; Seen, Fl?sse, eine ganze Kette von Kreuz- und Querstrichen, ohne Geschmack, ohne Genie.... ein schwarzes, abscheuliches Bild!!

Ach! das Buch, das Buch war eine Elzevir-Ausgabe meines Lehrers, ein Elzevir in Quarto, ein seltener, kostbarer, unersetzlicher Elzevir, der mir aufs eindringlichste auf die Seele gebunden war. Ich war unrettbar verloren.

Ich fing die Dinte mit L?schpapier auf, ich trocknete das Blatt und dann begann ich meine Lage zu ?berdenken.

Ich empfand mehr Angst als Gewissensbisse; am meisten f?rchtete ich mich, dass ich den Maik?fer bekennen musste. Wie schlimm musste nicht mein Lehrer diesen sch?ndlichen Zeitvertreib ansehen, f?r einen Knaben von meinen Jahren, wie er zu sagen pflegte, diesen so kindischen und wahrscheinlich h?chst unmoralischen Zeitvertreib. Das machte mich zittern.

Schon war der sinnreiche Plan ganz fertig, als ich Herrn Ratins Schritte auf der Treppe vernahm.

In meiner Verwirrung schlug ich das Buch zu, ?ffnete es wieder, schlug es nochmals zu und ?ffnete es rasch aufs neue, damit der Flecken selber spr?che, und mir wenigstens die Unannehmlichkeit des ersten Gest?ndnisses ersparte....

Herr Ratin kam, um mir Stunde zu geben; er legte den Hut ab, r?ckte den Stuhl an, setzte sich und schnaubte sich, ohne das Buch zu sehen. Um Fassung zu bekommen, schnaubte ich mich ebenfalls. Auf diese Bewegung hin sah Herr Ratin mich gross an; es war ja die Nase dabei im Spiel.

Anfangs merkte ich nicht, dass Herr Ratin eine Absicht darin vermuthete, dass ich zu gleicher Zeit mit ihm das Schnupftuch zog. Ich bildete mir also ein, er habe den Flecken gesehen und schlug die Augen nieder. Sein forschendes Schweigen brachte mich weit mehr ausser Fassung, als seine Fragen, auf welche ich Antworten bereit hatte, vermocht h?tten. Endlich sprach er mit feierlichem Tone: Julius! ich lese auf Deinem Gesichte... -- Nein, Herr... -- Ich lese, sage ich Dir... -- Nein, Herr, es ist die Katze... unterbrach ich ihn.

Hier wechselte Herr Ratin die Farbe. Meine Antwort schien ihm im h?chsten Grade alle denkbaren Grenzen der Ehrerbietigkeit zu ?bersteigen, und er begann bereits sich zu ereifern: da fielen seine Blicke auf den entsetzlichen Flecken. Dieser Anblick ?bte einen gewaltigen Schlag auf ihn, der in Wechselwirkung auf mich ?berging.

Jetzt war es Zeit, den Sturm zu beschw?ren. -- Herr, als ich ausgegangen war... die Katze... um eine Feder zu kaufen... die Katze... weil ich den Schl?ssel verloren... gestern beim Baden... die Katze... Je weiter ich sprach, desto heftiger wurde Herrn Ratins Blick, so dass ich ihn zuletzt nicht mehr ertragen konnte, ich wurde verwirrt und bekannte gleich von vornherein mein Vergehen. -- Ich l?ge... Herr Ratin... ich selbst habe das Unheil angerichtet!

Und nun entstand eine grosse Stille.

Wundere Dich nicht, sagte Herr Ratin endlich mit feierlicher Stimme, wenn das Uebermass meines Unwillens die Gewalt desselben zusammenpresst und seinen Ausbruch verz?gert. Ja, es fehlen mir sogar die Worte, um auszusprechen... hier kam eine Fliege... ein Kitzel von Lachen durchzuckte mein Gesicht.

Es entstand aufs Neue ein tiefes Schweigen.

Endlich stand Herr Ratin auf. -- Du wirst zwei Tage das Zimmer h?ten, um ?ber Deine Auff?hrung nachzudenken, unterdess werde ich ?berlegen, welche Massregeln ich in einem so ungew?hnlichen Falle zu treffen habe...

Damit ging Herr Ratin, schloss das Zimmer zu und nahm den Schl?ssel mit.

Das offene Bekenntniss meiner Schuld hatte mich erleichtert, die Entfernung des Herrn Ratin ersparte mir die Scham; so schienen mir die ersten Augenblicke meiner Gefangenschaft eine wonnige Freiheit zu sein; ohne die Verbindlichkeit, zwei Tage lang an meinen Fehltritt zu denken, w?rde ich mich sehr gefreut haben, wie man es nach einem entscheidenden Augenblicke zu thun pflegt.

Ich ging also ans Bedenken, aber die Gedanken wollten mir nicht recht kommen. Als ich meinen Fehler so recht gr?ndlich erkennen wollte, fand ich daran nichts ?bles als die L?ge, und die hatte ich ja augenblicklich durch mein Gest?ndniss wieder gut gemacht; noch obendrein hatte ich dies aus freien St?cken gethan. Indessen der guten Ordnung willen bestrebte ich mich Reue zu empfinden, und als ich merkte, wie viel M?he es mir machte wirklich dazu zu gelangen, begann ich zu f?rchten, dass mein Herz wirklich schon sehr schlecht und verdorben sei, wie Herr Ratin behauptete, und ich fasste ganz zerknirscht den Entschluss, in Zukunft nicht mehr zu lachen.

Wie ich eben im besten Zuge war, kommt just der Pastetenmann ?ber die Strasse; es war dies seine Stunde. Nat?rlicherweise trat der Gedanke, Pasteten zu essen, sogleich vor meine Seele; ich machte mir jedoch ein Gewissen daraus, in einem Augenblicke, wo ich mich mit meiner Seele besch?ftigen sollte, einem fleischlichen Gel?ste nachzugeben. Also liess ich den Burschen harren und schreien und blieb ruhig in meinem St?bchen sitzen.

Um indess den ehrenwerthen Handelsmann draussen nicht l?nger im Irrthum zu lassen und um seine kostbare Zeit zu bringen, trat ich an's Fenster, um ihm zu sagen, dass ich heute keinen Kuchen nehmen w?rde.

-- Geschwind! rief er, ich hab's eilig... Ich hab' ja schon gesagt, dass er mehr Glauben an mich hatte als ich selber.

Nein, versetzte ich, ich habe kein Geld.

's thut nichts.

Und dann habe ich auch keinen Hunger!

Nicht wahr!

Und bin auch sehr besch?ftigt.

D'rum schnell!

Ja, ich bin auch eingeschlossen.

Ach, Sie haben mich zum Besten, sprach er und nahm den Korb, als wolle er gehen.

Diese Bewegung ?bte einen wunderbaren Eindruck auf mich. -- Halt, rief ich ihm zu.

Einige Augenblicke darauf wandelten zwei Pasteten.... ganz frische!... in einer M?tze, die kunstreich an einem Bindfaden befestigt war, in die H?he.

Dummes Thier von Maik?fer, dachte ich und verzehrte meinen Kuchen, -- hat vier Fl?gel zum Fliegen und f?llt in ein Dintenfass! Ohne diese unbegreifliche Dummheit h?tte ich meine Aufgaben ruhig gemacht, w?re artig gewesen, Herr Ratin zufrieden und ich auch; keine L?ge, keine Einsperrung... Dummkopf von Maik?fer.

Ha! kein ?bler Gedanke das! Ich hatte den S?ndenbock gefunden, dem ich einen nach dem andern alle meine Fehltritte auflud, und mein Gewissen nahm wieder eine gl?ckliche Ruhe an. Nicht wenig, bilde ich mir ein, trug dazu bei, dass die Entr?stung des Herrn Ratin so stark gewesen war, um ganz und gar zu vergessen, mir Arbeiten aufzugeben. Ach! zwei Tage und keine Arbeiten!... Das war vielleicht unter allen Strafen mir die willkommenste!

Einmal mit meinem Gewissen abgefunden und zwei Festtage vor mir, wollte ich einige Ver?nderungen vornehmen, die mir zur Versch?nerung meines Zimmers vorz?glich schienen. Die erste war, dass ich den Elzevir, das W?rterbuch und alle B?cher und Arbeitshefte aus dem Gesichte r?umte. Als dies geschehen, empfand ich ein so herrliches als neues Gef?hl, und es war, als h?tte man mich von Banden befreit. In meiner Gefangenschaft also sollte ich zum ersten Male den ganzen Reiz der Freiheit kennen lernen.

Welch' herrliches Gef?hl! Mit vollem Rechte schlafen, nichtsthun, tr?umen zu k?nnen... und dies in einem Alter, wo uns unsere eigene Gesellschaft so s?ss, unser Herz so reich an entz?ckenden Unterhaltungen, unser Geist in seinen Gen?ssen so leicht befriedigt ist; wo Luft, Himmel, Land, Mauern, Alles etwas hat, das zu uns spricht, uns bewegt; wo eine Akazie eine Welt, ein Maik?fer ein Kleinod ist! Ach! dass ich diese gl?cklichen Stunden nicht wieder zur?ckrufen, diese bezaubernde Lust nicht wiederfinden kann! Wie bleich ist heut' zu Tage die Sonne! Wie langweilig sind die Stunden, wie undankbar die Mussezeit!

Ich begegne meiner Feder alle Augenblicke ?ber diesen Gedanken. Jedes Mal, wenn ich schreibe, dr?ngt es mich, denselben auszusprechen; ich hab' es tausendmal gethan und werde es ferner thun. Umsonst hat das Gl?ck mich geleitet, umsonst haben die Jahre mir jegliches seinen Zoll an G?tern gebracht, umsonst gehen die Tage rein und klar auf: diese Erinnerungen von einst verwischt nichts aus meinem Herzen. Je ?lter ich werde, desto jugendfrischer erscheinen sie mir und desto mehr find' ich eine Ursache schwerm?thiger Betr?bniss darin. Ich besitze mehr, als ich je begehrte, allein das Alter, wo man begehrt, sehne ich zur?ck: die wirklichen G?ter erscheinen mir bei weitem nicht so genussreich, als die leere aber funkelnde Wolke, welche mich damals umh?llte und mich in stetem Freudenrausche erhielt.

Frische Maimorgen, blauer Himmel, lieblicher See, ich sehe euch noch, aber.... wo ist euer Glanz geblieben, was ist aus eurer Klarheit geworden, wo ist jener unbeschreibliche Zauber von Freude, Geheimniss, Hoffnung geblieben! Ihr gefallt meinen Augen, aber ihr f?llet meine Seele nicht mehr; ich bleibe kalt bei eurem lachenden Entgegenkommen; um euch noch ferner zu lieben, bedarf's, dass ich in die Jahre zur?cksteige, dass ich in eine Vergangenheit zur?ckfliehe, die nimmer wiederkehren wird! O Traurigkeit, o bitteres Gef?hl!

Dies Gef?hl findet man im Grunde aller Poesie, wenn es nicht die Hauptquelle derselben ist. Kein Poet lebt von der Gegenwart, alle sehnen sich zur?ck: ja mehr noch: durch die T?uschungen des Lebens zu jenen Erinnerungen hingezogen, werden sie darin verliebt; sie umkleiden dieselben mit einem Reize, den die Wirklichkeit nicht hatte, sie verwandeln ihr Sehnen in Sch?nheit, womit sie dieselben schm?cken, und indem sie sich nach Herzensgel?st ein herrliches Traumbild schaffen, weinen sie, dass sie verloren, was sie nimmer besassen.

In diesem Sinne ist die Jugend das Alter der Poesie, die Zeit, wo dieselbe ihre Sch?tze sammelt, nicht aber, wie Einige glauben, die, wo sie davon Gebrauch machen kann. Sie weiss nichts mit dem lautern Golde anzufangen, welches um sie herum geh?uft ist. Aber lasst die Zeit kommen und ihr St?ck um St?ck entreissen, dann f?ngt sie eben, indem sie derselben die Beute streitig macht, an zu begreifen, was sie besass; aus dem Verluste erkennt sie ihren Reichthum, aus dem Schmerze die entschwundenen Freuden. Dann schwillt das Herz, die Einbildungskraft entflammt sich, der Gedanke reisst sich los und schwingt sich zu den Wolken... dann singt Virgil!

Doch was soll man zu jenen unb?rtigen Poeten sagen, die in jenem Alter singen, wo, wenn sie wahrhaft Poeten waren, ihr ganzes Sein nicht zureichte, um zu empfinden, sich in der Stille an jenen D?ften zu berauschen, die sie einzig und allein sp?ter in ihre Verse ausstr?men k?nnen.

Es gibt fr?hreife Mathematiker, wie Pascal beweist; aber Poeten, nein. Ein sechzigj?hriger Homer ist weit denkbarer als ein Lafontaine als Kind. Vor zwanzig Jahren k?nnen wol einzelne Schimmer durchbrechen, allein vor diesem Alter und noch dr?ber hinaus hat kein poetischer Genius seine Reife erreicht. Viele freilich strecken ihre Fl?gel weit eher aus: schwacher Aufflug, rascher Fall; daf?r, dass sie zu zeitig den Flug unternahmen, liegen sie bald auf dem Boden. Zeitungen, Coterien, das ist euer Werk, hebt sie nun auch wieder auf!

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