Read Ebook: Der Damen-Reitsport by Schoenbeck Richard
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Ebook has 296 lines and 44813 words, and 6 pages
>>Dem Damensattel will ich in gewissen F?llen die Berechtigung nicht absprechen. Er eignet sich f?r diejenigen Reiterinnen, welche der Abwechslung wegen, aus Modesache oder aus was sonst f?r Gr?nden , ein Pferd besteigen, in g?nstigem Terrain, wom?glich auf wohlgepflegten Reitwegen grossst?dtischer Parks ein St?ndchen spazieren reiten. Das ist aber in meinen Augen nicht reiten, sondern Spielerei. Wer sich aber lediglich aus Passion in den Sattel setzt, bei nicht immer g?nstigen Boden- und Witterungsverh?ltnissen meilenweite Ritte macht, der wird sehr bald die grossen Vorteile sch?tzen lernen, die der Herrensitz gew?hrt. Ich bekenne offen, dass, nachdem ich soviele Jahre ausschliesslich den Damensattel benutzt habe, der ver?nderte Sitz mir anfangs Schwierigkeiten machte. Ausser der Z?gelf?hrung war alles neu, der >>Schluss<< fehlte, und vor allem war die Balance eine ganz andere. Das Lernen w?re mir entschieden leichter geworden, h?tte ich den Damensattel vorher nicht gekannt. Doch mit Lust und festem Willen l?sst sich vieles erreichen. Ich habe unerm?dlich ge?bt und mit meines Mannes Hilfe an mir gearbeitet, bis ich sicher war. Und jetzt m?chte ich um keinen Preis den als praktisch erprobten und mir lieb gewordenen Sitz gegen den zuerst erlernten wieder austauschen. -- -- Bei langem Trabtouren kommt mir der Herrensitz ungeheuer zu statten, er erm?det viel weniger, als der ehemalige Seitsitz. Und nun zum Hauptvorteil des Herrensattels! Welcher von uns wahren Reiterinnen liegt nicht das Wohl und Wehe ihres Pferdes am Herzen, als w?re es das eigene? Der einseitige Sitz mit der ungleichen Gewichtsverteilung, die selbst der allerkorrekteste Damensitz nicht vermeiden kann, strapaziert das Pferd ungeheuer, besonders auf langen Strecken, abgesehen von der trotz neuester Sattelkonstruktion immer noch bestehenden Gefahr des Gedr?cktwerdens.<<
>>Die Darlegung meiner Ansichten und Erfahrungen<<, so schliesst Frau H. sehr vern?nftigerweise, >>soll durchaus nicht als Propaganda f?r den Herrensitz gelten, das liegt mir fern. Ich lasse jedermann nach seiner Fa?on selig werden. Die betreffenden Damen werden selbst am besten den f?r sie geeigneten Sitz herausfinden. Ich glaube selbst, dass von hundert Damen, die den Herrensitz erlernen wollen, neunundneunzig zu dem altgewohnten zur?ckkehren, denn, wie gesagt, so einfach ist die Sache nicht, es geh?rt fester Wille, Ausdauer, Ausdauer und abermals Ausdauer dazu und wenn wahre Passion die Triebfeder zum Reiten ist. Wem diese Eigenschaften innewohnen, der wird gleich mir f?r den Herrensattel stimmen.<<
Na bravo, da sind wir ja einig!
In der Deutschen Medizinischen Wochenschrift, No. 46, 1901 findet sich ein K. S. und Dr. F. F. unterzeichneter Aufsatz, welcher dasselbe Thema behandelt, welcher zweifellos von einer Dame, vielleicht unter Assistenz eines Arztes geschrieben ist und der zu ganz entgegengesetzten Resultaten kommt, wie die beiden bereits erw?hnten Damen. Ich halte den Inhalt f?r wichtig genug, um ihn hier w?rtlich wiederzugeben; und das um so mehr, als hier auch der ?rztliche Standpunkt endlich einmal ein wenig mehr in den Vordergrund tritt.
>>Schon seit Jahren sind viele Sportsleute und ?rzte der Ansicht, dass eine Reform in der Damenreiterei not tue, und zwar, wie man meint, aus rein sportlichen und dann aus sanit?ren Gr?nden. Besagte Reform besteht in der Einf?hrung des Herrensitzes anstatt des herk?mmlichen Seitsitzes. In fr?herer Zeit mag man vieles am Seitsitz auszusetzen gehabt haben: er war f?r Reiterin und Pferd noch recht mangelhaft; das trifft sogar heute noch zu, wenn man den deutschen Damensattel betrachtet. Seine Fehler sch?digten allerdings viel mehr das Pferd als die Reiterin, welche nur ?ber Unbequemlichkeit zu klagen hatte. Der neue englische Damensattel, der den deutschen vollst?ndig verdr?ngt hat, weist keinen jener M?ngel auf und w?rde allen Anforderungen entsprechen; aber man ist noch immer nicht zufriedengestellt, der ganze Sitz soll ge?ndert werden! Kein stichhaltiger Grund daf?r ist vorhanden. Sehen wir die Sache vom Standpunkt des Sports an, so m?ssen wir uns sagen, dass ?berhaupt die wenigsten Damen das Reiten als das auffassen, was es ist -- n?mlich als eine Wissenschaft. Den meisten gen?gt es, ein gut zugerittenes Damenpferd zu meistern, die Dressur, die dann allenfalls im Winter vorgenommen wird, ist eine sehr leichte, da das Tier ja bereits auf Gehorsam dressiert ist und alle Hilfen kennt. Mit der wirklichen Dressur eines rohen Pferdes gibt sich keine Dame ab, die nicht gerade besonders passioniert ist, und deren gibt es sehr wenige. F?r jene Sorte Reiterinnen w?rde also der Herrensattel, der doch eine gr?ssere Herrschaft ?ber das Pferd einr?umen soll, ganz ?berfl?ssig sein, und f?r die anderen Damen ist er, wie wir sehen werden, entbehrlich. Man lasse ihnen daher ruhig ihren gewohnten Sitz, der nicht nur ?sthetisch ungleich besser wirkt, sondern auch gesundheitlich nichts zu w?nschen ?brig l?sst. Einen wirklich auch auf widerspenstige Pferde stark wirkenden Schenkeldruck w?rde kaum eine Dame zuwege bringen, da bei den Frauen die Muskelkraft, besonders in den Beinen, nicht so ausgebildet ist wie beim Manne, erstens von Natur aus nicht, zweitens durch das Wegfallen der k?rperlichen ?bungen, die Knaben durch Turnen, Klettern und Springen haben. Und die Einwirkung des Schenkeldrucks ist der einzige Grund, der in Frage kommen w?rde. Reiterinnen, die es wirklich darauf anlegen, ihr Pferd t?chtig durchzuarbeiten, kriegen das auch im Seitsitz fertig, daf?r hat man viele Beispiele. Ich habe mir mein Pferd, einen jungen temperamentvollen ungarischen Wallach, der niemals einen Sattel auf dem R?cken gehabt hatte, in sechs Wochen im gew?hnlichen Seitsitz vollst?ndig zugeritten; das Tier folgte jeder Hilfe, ging auf blosse Schultereinwirkung hin tadellose Seiteng?nge und war weich und durchgearbeitet im Genick, letzteres nicht etwa infolge von Kandarenwirkung, sondern durch richtiges Durcharbeiten, Abbiegen und Abbrechen mit einer Wassertrense. Beiderseitiger Schenkeldruck waren dem Tier unbekannt geblieben, weshalb es, als ein Herr es bestieg, nichts mit sich anfangen liess, sondern offen seine Emp?rung ?ber diese neue Behandlung zeigte. Sp?ter nat?rlich gew?hnte es sich auch daran. Es war dies nicht das erste Pferd, das ich zurechtritt; man sieht also, dass man mit Geduld und Ausdauer auch im Seitsitz nachhaltigen Einfluss auf ein Pferd haben kann.
: Im Original steht immer Quersitz. Da ich, um Verwechslungen vorzubeugen, den Sitz im Damensattel stets als Seitsitz bezeichnet habe, da andere Autorinnen unter Quersitz sogar den Herrensitz verstehen, so setze ich ein f?r allemal daf?r >>Seitsitz<<. Der Verf.
Was nun die sanit?re Frage betrifft, so halte ich den Herrensitz f?r eine Frau auf die Dauer f?r unbedingt sch?dlich, obwohl auch da individuelle Faktoren mitsprechen k?nnen. Die Frau eignet sich schon ihrer Bauart und geringeren Muskelkraft wegen nicht dazu. Der gespreizte Sitz, bei welchem die Stellung der Beine einen Winkel von ca. 60-70? bilden, also ein wenig nat?rlicher, ist f?r die ?usseren wie die inneren weiblichen Organe von grossem Nachteil, da einesteils entz?ndliche Reizungen, andererseits innere Zerrungen und Dehnungen der Verbindungsb?nder entstehen. Auch jene scheinbar geringen und harmlosen mechanischen Reizungen rufen durch ihre dauernde Wirkung oft fest eingewurzelte und h?ufig unheilbare chronische Schleimhautentz?ndungen hervor. Die inneren Lockerungen und Dehnungen werden sich nat?rlich verschieden intensiv ?ussern, wenn es sich um eine Frau, die bereits mehrere Kinder gehabt hat, oder um ein junges M?dchen handelt. Im letzteren Falle n?mlich, wo jene B?nder noch kurz und straff sind, mag sich erst nach Monaten eine schmerzhafte Zerrung bemerkbar machen, bei einer Frau hingegen, bei der die B?nder bereits gelockert sind, wird die Dehnung schneller und leichter erfolgen, und infolgedessen m?ssen die weiblichen Organe, ihres Halts beraubt, nach vorn sinken. Auf diese Weise wird die Frau dauernd und unwiederbringlich den sch?nsten weiblich-?sthetischen Reiz, ihre schlanke Figur, verlieren. Wenn man bedenkt, dass es schon nach jeder Geburt einer besonders sorgf?ltigen, konsequent durchgef?hrten Binden-, resp. Massagebehandlung bedarf, um die vergr?sserten und gelockerten Teile wieder zur R?ckbildung zu bringen, und dass sehr viele junge Frauen, die als M?dchen wirklich schlanke, grazi?se Erscheinungen waren, nach der ersten Geburt eben infolge unvollst?ndiger R?ckbildung der inneren Organe etwas Plumpes bekommen und leider behalten, so ist es ohne weiteres verst?ndlich, dass die unnat?rliche, bei weitem gewaltsamere Dehnung und Verl?ngerung jener B?nder, wie sie durch das fortgesetzte Reiten im Herrensitz hervorgerufen werden muss, erst recht nicht zu beseitigen w?re. Bei jungen M?dchen werden sich diese Verunstaltungen, wenn auch in geringerem Grade, allm?hlich entwickeln. Das hier Gesagte gilt auch nur f?r die Allgemeinheit, wo es massgebend sein d?rfte. Ausnahmen gibt es ?berall.
Vom ?sthetischen Standpunkte aus betrachtet, steht die Sache noch ung?nstiger. Solange man die Reiterin, die rittlings auf dem Pferde sitzt, im Profil sieht, kann man nichts direkt Unsch?nes daran finden, ausgenommen in F?llen, wo die Betreffende sehr korpulent ist; dann ist der Anblick in jeder Richtung geradezu grotesk. Aber auch die sch?nste schlanke Figur sieht, von vorn oder r?ckw?rts gesehen, ?usserst un?sthetisch aus. Das Kost?m ist schon h?sslich, der gepriesene geteilte Rock sieht l?cherlich aus; das Unsch?ne des Herrensitzes besteht ja nicht darin, dass man die Beine sieht, sondern lediglich in der Stellung selber. In Beinkleidern ist man auf den Pferder?cken verbannt: eine Frau in Reithosen zu Fuss sieht entschieden nicht gut aus; jeder feinf?hligen Dame muss das Aufsehen, das sie in diesem Kost?me erregt, peinlich sein.
: De gustibus non est disputandum. Also grade das Gegenteil von dem, was Frau Dr. Anita Augspurg findet. Der Verf.
: Sehr richtig! Der Verf.
: Allerdings hatte man ja mit dem Aufkommen des Radfahrsportes Gelegenheit, sich an manchen Anblick gew?hnen zu m?ssen, der alles andere als sch?n war! Der Verf.
Nun noch zum letzten der Gr?nde, die gegen den einseitigen Sitz hervorgehoben werden: n?mlich die Unabh?ngigkeit und Sicherheit zu Pferde. Die Unabh?ngigkeit ist allerdings, falls die betreffende Dame nicht allein auf- und absteigen und sich nichts am Sattel ohne fremde Hilfe richten kann, sehr gering; aber wieviel Damen hegen den Wunsch, ohne Begleitung Reittouren zu unternehmen? Diejenigen, die es tun, k?nnen sich eben in allem helfen. Eine gute Reiterin, die auch Interesse f?r ihren Gaul hat, muss ihn selber satteln und aufz?umen k?nnen, wenn es n?tig ist; eine genaue Kenntnis der Sattelung und Z?umung tr?gt nicht wenig zur Sicherheit und Selbstst?ndigkeit bei. Auf dem Lande, wo manchmal niemand zu haben war, der mit einem Damensattel umzugehen verstand, habe ich mein Pferd oft ohne fremde Hilfe satteln m?ssen. Das Aufsteigen ohne Hilfe ist schon schwieriger; hat man ein frommes, gutm?tiges Tier, das ruhig steht, so gen?gt es, dasselbe an irgend eine Erh?hung, eine Bank, einen Zaun oder eine B?schung zu f?hren, von wo es dann leicht ist, sich in den Sattel zu schwingen. Ist das Tier zu unruhig und tritt seitw?rts, so empfiehlt es sich, einfach den B?gel lang zu schnallen und, in denselben steigend, sich in den Sattel zu ziehen, was nach einiger ?bung recht gut geht. Grazi?s sieht es ja nicht aus, aber wenn niemand in der N?he ist, geniert es nicht; das Pferd kehrt sich nicht daran. In puncto Sicherheit wird wohl jeder zugeben, dass es viel schwerer ist, aus dem Damensattel geschleudert zu werden, als aus dem Herrensattel; mit dem H?ngenbleiben im Steigb?gel ist die Gefahr in diesem wie in jenem Falle dieselbe, vorausgesetzt, dass die Reiterin einen Herrensteigb?gel ben?tzt -- das einzig richtige -- und nicht eine Menge Gummib?nder oder gar grossartige Sicherheitsvorrichtungen am Rocke hat. Geht ein Pferd durch, so kann eine Dame ebensogut die Gewalt ?ber dasselbe wiedererlangen, wie ein Herr. Bei gr?sseren Ungl?cksf?llen, wie St?rzen von Reiter und Pferd, ist das Verh?ltnis das gleiche, es ist eben Gl?ckssache, ob man heil davonkommt, da hilft einem die Zugeh?rigkeit zum starken oder schwachen Geschlechte gar nichts. Es liegt also kein Grund vor, den ebenso grazi?sen wie ausreichenden Seitsitz aufzugeben.<<
Dieser Artikel, welcher meines Erachtens in jeder Beziehung sachlich ist und das Richtige trifft, hat in demselben Organ eine Entgegnung durch Dr. M. Senator, Frankfurt a. M., gefunden, welcher wieder den Reitsitz f?r die Damen bef?rwortet. Da er jedoch mehr vom reitsportlichen Standpunkt und ohne besonders neue Gesichtspunkte ins Feld zu f?hren geschrieben ist, so will ich nur dasjenige daraus hervorheben, was mir als besonders erw?hnenswert erscheint.
>>Was nun die sanit?re Frage betrifft, so bef?rchtet Verfasserin aus dem Herrensitz f?r die Damen erhebliche Nachteile; sowohl die inneren wie die ?usseren Organe sollen leiden. Dass letztere durch die Reibung und den Druck entz?ndlichen Reizungen ausgesetzt sind, will ich nicht bestreiten; dass allerdings durch den sehr ?hnlichen Sitz auf dem Rade, wo doch auch derartige Nachteile einwirken, die bef?rchteten Sch?dlichkeiten eingetreten sind, ist mir nicht bekannt. Verfasserin bef?rchtet ferner vom Herrensattel eine Lockerung und Dehnung der B?nder mit st?renden Folgen f?r Gesundheit und ?ussere Erscheinung. Gerade diese Frage bedarf wegen ihrer enormen Wichtigkeit des erh?hten Interesses des Arztes und des Reiters, oder besser noch einer in beiden >>Wissenschaften<< erfahrenen Pers?nlichkeit. Ich selbst bin passionierter Reiter und will meine Liebhaberei nicht aufgeben, sollte ich auch von einigen ?blen Einwirkungen nicht verschont bleiben , aber f?r eine gesundheitliche ?bung in streng medizinischem Sinne kann ich das Reiten nicht ansehen. Tats?chlich wird Lockerung und Senkung der Baucheingeweide beg?nstigt, wie ja schon die vermehrte Disposition der Reiter f?r Eingeweidebr?che beweist; aber ich glaube, dass diese Sch?digungen im Reiten selbst, in der stossweisen Ersch?tterung im Trabe namentlich, bedingt sind und dass Herren und Damen sich dem in gleicher Weise aussetzen. Dass die Folgeerscheinungen f?r den Frauenk?rper schwerwiegender sind, ist gewiss . Sicherlich aber wird der freiere Sitz im Herrensattel, die bessere M?glichkeit, sich den Bewegungen des Pferdes anzupassen auch hierin g?nstig wirken. Dass der gespreizte Sitz nachteilig sein soll, will mir nicht einleuchten; ist denn die Drehung des K?rpers im Damensattel gut zu heissen?
?ber den ?sthetischen Standpunkt l?sst sich schwer streiten. Ich kann an einer rittlings sitzenden Dame nichts Unsch?nes finden, weder im Profil noch in Vorder- oder R?ckansicht.<<
: Dieser Ansicht pflichten viele ?rzte und alte Reiter nicht bei. Wie Vielen wird das Reiten als besondere Kur verordnet? Der Verf.
: Eine auf dem neuen englischen Sattel korrekt sitzende Dame nimmt infolge des Seitsitzes nur eine so minimale Drehung des Oberk?rpers zum Unterk?rper an, dass sie kaum erw?hnenswert ist. Auch hat die bisherige Erfahrung nicht best?tigt, dass infolgedessen nennenswerte St?rungen der Gesundheit eingetreten sind. Der Verf.
: Daran k?nnen wir also abermals sehen, wie verschieden eine und dieselbe Sache beurteilt werden kann. Der Verf.
Alles in allem scheint mir die Antithese des erstangef?hrten Artikels nicht so ?berzeugend ausgefallen zu sein, wie es als Widerlegung erforderlich gewesen w?re!
Um aber endlich zum Schluss dieses Kapitels zu kommen, f?r welches mir noch reiches Material vorliegt, u. a. auch ein Artikel der nur von Damen redigierten franz?sischen Zeitung >>La Fronde<<, welcher sich selbstverst?ndlich f?r den Herrensitz ausspricht, bringe ich die aus fachm?nnischer Feder geflossene, im >>Berliner Lokal-Anzeiger<< enthaltene Antwort auf den Artikel des Fr?ulein Dr. Anita Augspurg, welchem ich meinerseits nichts hinzuzuf?gen habe. Meiner Ansicht nach enth?lt derselbe, in seinen wesentlichsten Punkten wiedergegeben, alles, was zu diesem Thema etwa noch gesagt werden kann.
>>Es scheint gerecht und billig, das F?r und Wider in dieser, die reitenden Damen lebhaft interessierenden Frage genau zu pr?fen und mit gr?ndlicher Fachkenntnis zu erw?gen. Zuerst ist es n?tig, festzustellen, dass es sich beim Damenreiten in der Stadt und Manege um andere Bedingungen handelt, als beim eventuellen Reiten in der Wildnis. In letzterem Falle lernen die Kinder und jungen M?dchen von fr?h an auf den verschiedenartigsten S?tteln in jedem Sitz das Reiten, so gut es eben geht, ohne Anspruch auf Eleganz. Die Anforderungen nun zu N?tzlichkeitszwecken sind eben ganz andere, als die Reitkunst sie an die Damen in unseren gesellschaftlichen Verh?ltnissen zu stellen hat, bei denen das Alleinreiten wenig Zweck haben d?rfte und zu mancherlei Unzutr?glichkeiten f?hren kann.
Wie gesagt, ich schliesse mich dem, was der umsichtige Fachmann hier ausgesprochen hat, voll und ganz an.
Sie aber, sch?ne Leserin, die Sie sich in dieses Kapitel mit Verst?ndnis vertieft haben, m?gen nun w?hlen, ob Sie sich f?r den einen oder den anderen Reitsitz entscheiden wollen. Wie wir gesehen haben, sind die mit so grosser Verve f?r den Herrensitz angef?hrten Gr?nde zum gr?ssten Teil gr?ndlich widerlegt -- also: pr?fet alles und das Beste behaltet!
Das harmonische Bild der Reiterin aber beschr?nkt sich nicht auf das Kost?m allein, die Figur muss sich auch mit dem Pferde verbinden, die Gr?sse beider muss ?bereinstimmen. Eine Dame von Mittelfigur muss auch ein Pferd von solcher Figur reiten, eine kleine Dame ein kleineres, eine grosse ein gr?sseres Pferd. St?rkere Damen -- es hat das f?r die Amazone eine Grenze -- m?ssen kr?ftige Pferde mit gutem Fundament, leichte schlanke Damen leichte Pferde mit leichten G?ngen reiten. Sitz und Haltung m?ssen tadellos sein, so dass sich keine unliebsame Kritik daran wagen darf. Die Dame zu Pferde ist selbst heute noch, wo der Damenreitsport immer mehr in den Vordergrund tritt, eine dem Urteil der Menge verfallene Erscheinung, wenn sie nicht harmonisch wirkt. Es muss eben alles in den hier genannten Rahmen fallen. So sollte eine Dame, deren Figur aus irgend welchen Gr?nden nicht auf das Pferd passt -- in erster Linie ist hier von der Leibesf?lle die Rede -- sich nicht ?ffentlich zu Pferd zeigen. Das Reiten kann freilich eine ?rztliche Verordnung, es kann besondere Passion sein -- aber dann m?ge die Dame W?lder und T?ler, fern ab menschlichen Treiben, durchschweifen. Mir ist eine derartig gestaltete Dame, welche noch dazu im Herrensitz ritt, in der Erinnerung, deren Erscheinung stets wahre Lach- und Spottsalven hervorrief -- nat?rlich nur bei den weniger gebildeten Passanten -- immerhin konnte auch der Mann der Gesellschaft nicht ohne ein gewisses Gef?hl der Befriedigung dar?ber diese Reiterin sehen und ein L?cheln auf den Lippen unterdr?cken.
Es ist eigent?mlich, dass die Damen hierbei ein laisser aller an sich haben, welches sie f?r Promenade, Diner usw. f?r shocking erkl?ren w?rden. Viele Damen werden mir darauf allerdings erwidern, dass wir hier in Berlin ?berhaupt keine Reitpromenade im Sinne des Bois de Boulogne und des Hydepark haben, aber wenn auch diese Einwendung gewiss nicht ganz ohne Berechtigung ist, so m?ssen -- bis vielleicht in dem neuanzulegenden Volkspark Grunewald etwas derartiges geschaffen wird -- der Tiergarten, der Kurf?rstendamm und der Grunewald als solche gelten. Was irgendwie reitet, trifft sich doch vormittags dort.
Ich erachte es demnach, da Paris noch immer f?r die Moden der Damen auch auf diesem Gebiete massgebend ist, f?r meine sch?nen Leserinnen interessant, zu erfahren, in welchem Ajustement die Dame im Bois de Boulogne nach dem Bericht einer franz?sischen Dame zu Pferde erscheint.
Um mit dem Intimsten zu beginnen, so ist das einzig Elegante bei diesem Anzug ein Manneshemd von Baumwolle mit leicht umgebrochenem Kragen. Dieses Hemd muss zum korrekten schwarzen, blauen oder dunkelgr?nem Reitkleid, wie es im Bois getragen wird -- auch zum roten Jacket -- weiss sein, darf jedoch zum Phantasiereitkleid kleine Muster -- Erbsen, Kleebl?tter, Streifen -- haben. Diese Muster d?rfen sich jedoch nur mikroskopisch pr?sentieren, sonst wirken sie abscheulich. Der Brustteil des Hemdes braucht nicht gest?rkt, Kragen und Manschetten dagegen m?ssen hart wie Holz sein, w?hrend alles ?brige sich schmiegsam anf?gen muss.
Das einfache kurze Beinkleid aus weissem Tuch oder Floretseide wird im Schenkel sehr weit und unter dem Knie, wo es durch drei kleine Perlmutterkn?pfe geschlossen wird, sehr eng getragen. Vom dritten Knopfloch reicht eine kleine Schleife aus demselben Stoff wie das Beinkleid bis zum oberen Rande des Stiefels.
Das Trikot ist vielleicht weniger schick wie dieses Beinkleid, aber unendlich praktischer. Im Winter muss es aus Seide, im Sommer aus sehr feinem Zwirn und immer von perlgrauer Farbe sein. Vornehmlich darf man keine Phantasie-Farbennuancen w?hlen. Vor allen Dingen muss man sich aber vor der Fleischfarbe h?ten.
Das Trikot wird im Sitz, in der rechten Kniekehle und im rechten Knie erweitert angefertigt. Obwohl es nicht zu eng sein darf, muss es doch fest anschliessen und darf keine Falte schlagen.
Der Stiefel muss aus lackiertem Kuhleder oder dem gew?hnlichen Lackleder bestehen und im Schaft oben geschmeidig sein; das ist die Form des alten Stiefels nach Stallmeisterinart, welcher sich l?ngs des Beins gut anschmiegt, und zu welchem ein sehr niedriger englischer Absatz geh?rt. Viele Damen tragen den Chantillystiefel, und das ist abscheulich.
Dieser Stiefel n?mlich, der einzig elegante und praktische f?r die Herren, passt ganz und gar nicht f?r die Damen, und zwar aus zwei Gr?nden. Erstens verunstaltet er den Kn?chel und macht ihn plump, und zwar dermassen, dass man in diesem Falle auf die entsetzliche lange Hose zur?ckzugreifen gezwungen ist. Der andere ist der, dass beim Traben der Rock sich in den zu harten Schaft zw?ngt und dann unangenehm auf dem Knie spannt. Der Stiefel dagegen muss im Spann so weit sein, dass er beinahe ausgeschlenkert werden kann.
Der Sporn sei gerade und kurz, aus Stahl, Nickel oder Silber, das R?dchen mit spitzen Stacheln versehen, denn der Sporn soll weder ein Spielzeug noch ein Zierrat, sondern vielmehr wirklich ein Hilfsmittel sein. Er wird mit einem kleinen Riemen aus sehr weichem Lackleder befestigt.
Die Busenkrawatte besteht aus weissem Batist oder aus solchem mit kleinen, kaum wahrnehmbaren Mustern; die Nadel ist einfach, ein Hirschhaken, eine Tiegerklaue, ein St. Georgstaler oder sonst eine goldene M?nze, aber keine Nadel, die den Anschein eines >>Kleinods<< hat.
Als Kopfbedeckung wird ein schwarzer Seidencylinder oder ein solcher aus grauem Filz getragen. Niemals aber tr?gt die Dame, welche Anspruch erhebt, korrekt zu sein, irgend einen anderen Phantasiehut im Bois. Auf dem Lande ist das selbstredend gestattet. Der Hut von hoher Form braucht sich nicht nach der neuesten Mode zu richten. Er muss ziemlich hoch sein und darf keine flache Krempe haben. Im ?brigen ist das einzige erlaubte Arrangement ein kleiner, grauer, schwarzer oder blauer, um den Hut gewundener Gazeschleier, B?nder aber oder irgend etwas >>Flatterndes<< sind nicht statthaft.
Der kleine melonenf?rmige Hut, der Matrosenstrohhut und selbst der Tirolerhut werden auf dem Lande getragen.
Zum Reiten werden die Haare geflochten oder gewunden und enganliegend getragen, was den Kopf klein macht. Nichts ist h?sslicher als ein dicker Kopf, auf dem Pferde vielleicht noch mehr als anderswo. Man kann auch s?mtliche Haare zusammendrehen, sie unter Freimachung des Nackens emporheben und unter den Hut stecken. Bei dieser Manipulation braucht man weder Schildpattnadeln noch -Kamm. Das h?lt ganz von selbst, den Fall, wo man den Hut verlieren sollte, ausgenommen.
Die Handschuhe seien aus weissem oder gelbem Hirschleder, aber niemals aus Hundeleder. Das ist gemein, unbequem und macht wahre Tatzen. Der Handschuh muss in den Fingern sehr lang, sehr geschmeidig und vornehmlich sehr weich sein, der Hand ebensoviel Spielraum zu lassen, als ob sie unbekleidet w?re.
Die Farbe des Reitkleides ist in Paris schwarz, dunkelblau oder dunkelgr?n. Letztere Farbe ist jedoch so dunkel gehalten, dass man sie nur in der Sonne wahrnimmt. Der sehr kurze und durchaus glatte Rock aus schwerem Tuch darf, wenn man aufrecht steht, links nicht ?ber den Sporn herabreichen. Rechts ist er wegen der f?r das Knie und das Horn erforderlichen Weite viel l?nger und wird an dieser Seite, wenn man zu Fuss ist, hochgekn?pft. Die durchaus einfarbige glatte Taille endigt hinten in einen kurzen Schoss, die auf den H?ften aufst?sst und vorn in einer stumpfen Spitze ausl?uft. Der Schoss kann aber auch rund und kurzgeschnitten sein. Hier und dort werden die Taillen auch mit langen und abgerundeten Sch?ssen getragen. Der Paletot zum Reitkost?m ist kurz und in der Art der Herrenpaletots gearbeitet. Schmuckgegenst?nde, Samtkragen, Schleifen oder Phantasiekn?pfe werden niemals getragen.
>>Die Reiterin verletzt sich sehr leicht, die geringste Falte in ihren Kleidern veranlasst eine Hautabsch?rfung. Bei einem langen Ritt, besonders bei der Jagd, empfiehlt es sich, dass sie kein langes Hemd, sondern ein kurzes Hemdchen von sehr feinem Stoff tr?gt, welches ?ber den H?ften befestigt ist. Der Kragen und die Manschetten m?ssen an dem Hemdchen festsitzen -- nicht mit Stecknadeln befestigt sein, welche nicht sitzen bleiben, sondern herausfallen und stechen.
Ich habe soviele Frauen von einem Spazierritt schmerzerf?llt und leidend zur?ckkommen sehen, welche infolgedessen verurteilt waren, mehrere Tage auf der Chaiselongue zuzubringen, dass ich doch dahin gelangt bin, allen diesen anscheinend nebens?chlichen Dingen eine gr?ssere Wichtigkeit beizumessen.
Freilich glaube ich, mich nicht auf ?berdinge zu verirren, wenn ich empfehle, die Haare recht sicher zu befestigen. Die Dame, welche damit besch?ftigt ist, ihren Hut oder Schleier festzuhalten oder zurecht zu setzen, denkt wenig an ihr Pferd, und man kann wohl sagen: Wenn sie ihren Hut verliert, ist sie nahe daran, auch ihren Kopf zu verlieren.<<
F?r l?ngere Touren ist es praktisch, einen Reitmantel aus Plaidstoff mit sich zu f?hren, der gerollt am Sattel befestigt wird, falls kein Groom mitreitet, da es immer unangenehm ist, pl?tzlich ausbrechendem Gewitter ohne irgend welchen Schutz preisgegeben zu sein.
In der rechten Hand wird eine kurze starke Reitpeitsche getragen, welche, wie schon angef?hrt, den ?ber den Sattel gelegten rechten Schenkel des Herrn ersetzen soll, und der in Verbindung mit dem linken die betreffenden Hilfen f?r die verschiedenen Gangarten des Pferdes gibt.
Hat eine Dame erst festen Sitz gewonnen, so kann sie am linken Absatz einen kurzen Sporn mit scharfem Sternrad tragen.
muss man allerdings von vornherein voraussetzen, dass er mit allem vertraut ist, was nicht nur bei seinem eigenen, sondern auch vor allen Dingen beim Damenreiten von Wichtigkeit ist, um jeden Augenblick fertig und bereit zu sein, sowohl zu belehren, als auch praktisch einzugreifen, wenn es n?tig ist.
Ist die Reiterin im Freien noch nicht ganz sicher in der F?hrung ihres Pferdes, oder gibt das Pferd selbst zu irgend welchen Bedenken Anlass, so empfiehlt es sich -- um allen Eventualit?ten vorzubeugen -- dass der Kavalier das Pferd der Dame an einem Leitz?gel f?hre, welcher in ein in die Trense des Damenpferdes eingeschnalltes Kinnst?ck -- ev. mit einem Karabinerhaken -- befestigt wird, dessen mit einer Schleife versehenes Ende der Kavalier in die linke Hand nimmt, oder ?ber dieselbe streift. Ich darf wohl annehmen, dass, wenn eine Dame ihren Kavalier als einen Mann mit den eben geschilderten Eigenschaften kennt, sie mit bedeutend mehr Vertrauen reiten wird, als wenn sie in dieser Beziehung Bedenken hegen zu m?ssen glaubt. Nat?rlich spreche ich nur von Anf?ngerinnen, denn f?r solche ist dieses Buch ja nur geschrieben. Perfekte Reiterinnen werden genug Selbstvertrauen haben, um sich ganz auf sich selbst zu verlassen. --
Das Damenreitpferd.
Die Hauptteile des Pferdek?rpers sind: der Kopf , der Hals , der Rumpf und die Extremit?ten .
In bezug auf die Reiterei teilt man das Pferd in 3 Teile ein, und zwar in
A) die Vorhand: Kopf, Hals, Schultern, Brust und Vorderbeine --,
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