Read Ebook: Mein buntes Buch: Naturschilderungen by L Ns Hermann
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Ebook has 455 lines and 35965 words, and 10 pages
Anmerkungen zur Transkription
finden sich am Ende des Buches.
Hermann L?ns
Mein buntes Buch
Naturschilderungen
Adolf Sponholtz Verlag, G. m. b. H. / Hannover
Alle Rechte, besonders das der ?bersetzung, vorbehalten Copyright 1916
Rodardruck von C. G. R?der G. m. b. H., Leipzig
Der Feldrain.
Mitten durch die Feldmark zieht sich ein Rain neben dem Koppelwege hin. Wenn ich nicht Zeit habe, den fernen Wald aufzusuchen, gehe ich hierhin. Gest?rt werde ich von Menschen nicht. Die ziehen die Anlagen vor. So kann ich, gegen die B?schung gelehnt, meine Gedanken mit den Lerchen emporflattern lassen, so viel ich will.
Im Sommer, wenn die Frucht hochsteht und die R?nder der Felder von bunten Blumen starren, ist es hier viel sch?ner als jetzt. Anderseits sieht man jetzt alles das, was aus der Erde schiesst und spriesst und dar?ber kreucht und fleugt, mit dankbareren Augen an als sp?terhin, wenn alles ?ppig gr?nt und bl?ht.
Auf dem Grabenanwurfe, neben den halb verbl?hten Blumen des Huflattichs in ihrer orangeroten Farbe, schieben sich die Bl?tenst?nde des Schachtelhalmes aus den Lehmschollen, seltsam anzusehen. Einst beherrschten riesenhafte Schachtelhalme die Erde; jetzt sind sie niedrige Ackerunkr?uter.
Sonst ist noch wenig Gr?n hier zu sehen ausser den roten Taubnesselbl?ten zwischen der ?ppig wuchernden Luzerne, in der hier und da kr?ftige Ackerehrenpreispfl?nzchen ihre himmelblauen Bl?mchen leuchten lassen. Auf den kahlen Stellen reckt das Hungerbl?mchen seine winzigen Bl?ten, da kriecht der blass bl?hende efeubl?ttrige Ehrenpreis, und Mastkraut und Vogelkreuzkraut, diese Dauerbl?her, haben sich wieder geschm?ckt, so gut sie es verm?gen. Auch die Massliebchen auf der Trift, die noch im Weihnachtsmonde bl?hten, entfalten ihre weissen Sterne. Die L?wenzahnblumen sind erwacht.
Die Lerchen trillern, in der Linde hinter mir singt der Goldammer sein z?rtliches Liedchen, und vor mir auf den Schollen zwitschert ein H?nflingsh?hnchen. Pr?chtig leuchtet in der Sonne sein purpurner Scheitel und die rosenrote Brust. Es k?mmert sich nicht um den Turmfalken, der ?ber dem Kleest?cke nach M?usen r?ttelt. Ein Bachstelzenp?rchen kommt angeschwenkt. Der Hahn macht der Henne auf ganz schnurrige Weise den Hof. Fort sind die beiden. Gr?nfinken, Gierlitze und Distelfinken schnurren laut lockend vor?ber und fallen auf der Brache ein, hinterher kommt, fr?hlich l?rmend, ein kleiner Zug Feldspatzen, dann ein Trupp Buchfinken.
Alle Augenblicke meldet sich neues Leben. Ein Star l?sst sich auf der Linde nieder, klappt mit den F?ssen, pfeift, quietscht, quinquiliert ein Weilchen und fliegt dem Dorfe zu. Seinen Platz nimmt der Grauammer ein, rasselt sein blechernes Lied herunter und streicht dann plump mit herabh?ngenden F?ssen ab. Dann h?pft ein alter, tiefschwarzer Rotschwanzhahn auf dem Steinhaufen herum, fortw?hrend die rostroten Schwanzfedern zittern lassend und einen Knicks nach dem anderen machend, bis ein laut heranburrendes Feldhuhnpaar ihn verscheucht. Herrisch ruft der Hahn und rennt hochaufgerichtet der geduckt dahin trippelnden, sch?chtern lockenden Henne nach, sie in die hohen Schollen des Sturzackers treibend.
Ich sehe den vielen Saatkr?hen nach, die heiser kr?chzend der Marsch zufliegen, den Dohlen, die lustig rufend ?ber die Felder taumeln, und dem Steinschm?tzer, der ?ber dem Rande des Steinbruches wie albern herumflattert und dabei ganz schnurrige T?ne zum besten gibt. Pl?tzlich l?sst er sich j?h abfallen, und auch der Goldammer bricht sein Liedchen in der Mitte ab und huscht in den Schlehbusch hinein. Der Wutschrei der Rauchschwalben warnte beide, und so kam der Sperber zu sp?t. Gestern schlug er dicht vor mir eine Lerche, und vor einigen Tagen holte er einen lustig pfeifenden Starmatz von der Eiche. Leben und Tod sind dicht beieinander auf der Welt.
Aus den Weidenb?schen des alten Steinbruches t?nt der Ruf des Laubv?gelchens hervor, und auf dem verfallenen Schuppen quietscht der Rotschwanz m?hsam sein Liedchen aus der Kehle. Fremde Laute erschallen, bald rauh, bald weich, scheinen n?her zu kommen, entfernen sich und sind wieder dichter bei mir. Hundert Kraniche und mehr ziehen unter dem Himmel gegen Abend hin, unaufh?rlich rufend. In derselben H?he kommen zwei Gabelweihen angestrichen, ebenfalls nordw?rts reisend, und darauf vier Bussarde. Dann erschallen Fl?tent?ne, weiche, und ein Dutzend Brachv?gel fallen auf der Saat ein, stelzen kopfnickend dort umher, erheben ihr Gefieder aber bald wieder und eilen weiter.
Lange sehe ich zwei Hasen nach, die bald die H?sin treiben, bald aneinander geraten und sich backpfeifen, und freue mich an dem Haubenlerchenp?rchen, das ?ber den festgetretenen Fussweg trippelt, bis es neben mir im Grase raschelt und sich erst ein rosenrotes R?sselchen und zwei gleichfarbige, breite, scharf bekrallte H?ndchen und dann ein schwarzbepelztes K?pfchen hervorw?hlt. Ein Maulwurf ist es; eilfertig wuselt er unter dem Raine her. Ein zweiter folgt ihm, ein dritter, und dann gibt es ein grimmiges Gebeisse und ein giftiges Gezwitscher zwischen den beiden letzten Schwarzr?cken, denn es sind M?nnchen, und das erste, das sich jetzt hurtig unter den Bocksbeerranken eingr?bt, ist ein Weibchen. Hinter ihm her huscht das M?nnchen, das bei dem Kampfe obsiegte. Das andere aber putzt sich das arg zerbissene Schn?uzchen und watschelt tr?bselig seinem Loche zu, in dem es langsam versinkt.
Ich bin zu faul, mich wieder umzudrehen, und so bleibe ich mit den Augen in der N?he kleben. Da ist ebensoviel zu sehen wie in der Ferne. Prachtvolle Erdbienen mit tiefpurpurnen Brustschildern und goldgelb behaarten Leibern sonnen sich auf den kahlen Lehmschollen, ein schwarzes Herrgottsk?ferchen mit roten Tupfen erklimmt einen Halm und fliegt von dessen Spitze in die Welt hinein, und ein langer, dicker, dunkelblauer ?lk?fer gr?bt langsam und bed?chtig ein Loch, um darin seine unz?hlbaren Eier abzulegen. Eine Unmenge winziger L?rvchen wird daraus hervorschl?pfen, die Blumen erklimmen und warten und warten, bis eine Biene ankommt, die sie zu ihrem Neste tr?gt. Wer von ihnen dieses Gl?ck nicht hat, muss elend umkommen. Und auch die, die in ein Bienennest gelangt, aber kein Bienenei findet, geht zugrunde. Von den vielen Tausend werden nur ganz wenige zu K?fern. Der Tautropfen, der sich in dem Blattquirle des Wegerichs gehalten hat, lockt eine dicke, schwarze, mit Gold verbr?mte Hummel heran. Sie l?sst sich nieder, steckt den R?ssel in das Wasser und saugt sich satt. Ein Mistk?fer, der ?ber ihr herumkrabbelt, verliert den Halt und kullert an sie heran. Unwillig brummt sie und reckt die Vorderf?sse drohend gegen den St?renfried, der sich m?hselig wieder auf die Beine hilft und weiter kriecht. Ein grosser, goldgr?ner, blitzblanker, sch?n geriefter Laufk?fer hastet von Scholle zu Scholle, in jede Ritze den Kopf steckend. Jetzt st?sst er auf eine Graseulenraupe. Er beisst sie hinter den Kopf und in das Hinterende, l?sst sie liegen und rennt weiter, bis er einen Regenwurm antrifft, mit dem er es ebenso macht. Um die Feuerwanzen, die an den ?ppigen Wurzeltrieben der Linde saugen, k?mmert er sich aber gar nicht; ihre grellen Farben werden ihn wohl abschrecken.
Die Sonne prallt nur so gegen den Rain. Ich meine es sehen zu k?nnen, wie sich die Blatt?ten der Brombeere auseinander wickeln, und w?hrend ich hier liege, hat die Taubnessel schon Dutzende von ihren Bl?ten aufgeklappt, die vorhin noch geschlossen waren, und ladet die Bienen, Hummeln und Schwebfliegen ein, sich g?tlich zu tun. Auch der gelbe Ackerstern, der eben noch nicht sichtbar war, leuchtet jetzt grell aus dem alten Laube hervor, sehr zur Freude eines winzigen Bienchens, das sich darin niedergelassen hat. ?berall huschen flinke, blanke K?ferchen und rennen gelbe und braune Ameisen umher, bis sie die von dem Laufk?fer get?tete Raupe entdecken, sich daran machen, sie auszuh?hlen und Fetzchen um Fetzchen nach ihrem Neste unter den jungen Rainfarrenbl?ttern zu schleppen. Zwei Schmetterlinge, kleine F?chse, spielen vor?ber, und von der anderen Seite ein Morgenrotfalter, der nach den Wiesen hin will, wunderbar anzusehen mit den rosig leuchtenden Spitzen seiner Schwingen. An der Grabenpf?tze, die vom letzten Nachtregen hier stehenblieb, l?sst sich eine Biene nach der andern nieder, saugt sich voll, putzt sich den R?ssel ab und summt von dannen.
Pl?tzlich plumpst ein langer, ganz in blauen Stahl gekleideter Raubk?fer zwischen den Bienen nieder, die drohend ihre Stacheln herausstrecken, sich aber beruhigen, wie der K?fer ihnen aus dem Wege geht. Hastig huscht er dahin, den Hinterleib im Bogen aufw?rts gekr?mmt, die gef?hrlichen Zangen weit ge?ffnet. Jetzt hat er die grosse graue Fliege entdeckt, die infolge ihrer verkr?ppelten Fl?gel unbehilflich auf derselben Stelle umherhopst. Blitzschnell dreht er sich um, starrt einen Augenblick nach ihr hin, macht einen Sprung und greift sie. Sie zirpt j?mmerlich, aber er zerrt sie unter den Vorhang, mit dem der Gundermann ein Mauseloch halb verdeckt hat.
Unglaublich viel ist hier zu sehen. Wenn ich auch nicht, wie gestern den Hamster, und wie vorgestern das Wieselchen zu Gesicht bekomme, ja noch nicht einmal den Raubw?rger, wie ein anderes Mal, es ist schon so sch?n, nur das junge Kraut zu betrachten, das aus dem gelben Boden dr?ngt, die Blattrosen des L?wenzahns, keine der anderen gleich, die Unmenge von Kn?terichkeimlingen im Graben, die protzige Fetthenne, den gr?ngelben Blattstern der Wolfsmilch, die silbernen Fingerkrautbl?ten, kaum halb erschlossen und vor allem die ?ppige Weizensaat, leuchtend in der Sonne.
Eine weite gr?ne Fl?che, hinter der sich drei purpurrot bl?hende Pappeln in den blauen Himmel recken, warme Sonne und Lerchengesang; ist das nicht allein genug f?r mich, um ihn lieb zu haben, den Platz am Feldrain?
Der Waldrand.
Die Sonne bescheint freundlich den Waldrand.
Gestern schien sie heller als heute; dennoch ist die Haubenlerche viel fleissiger. Unaufh?rlich l?sst sie ihren Lockruf ert?nen, und nun fliegt sie sogar auf einen Erdhaufen und singt ihr kleines Lied.
Die Luft ist weich und schmeckt nach warmem Regen. Ein weisser Hauch liegt ?ber dem Felde und nimmt der Sonne Schein und Farbe. Aus den umgest?rzten Schollen steigt ein starker Geruch, und alle Zweige und St?mme sehen aus, als dufteten sie nach dem neuen Leben, das in ihnen empordr?ngt.
Die ?ppigen Rasen der Vogelmiere auf dem Brachacker hatten j?ngst, als der Wind scharf von Morgen kam und der Boden beinhart gefroren war, nicht weniger weisse Bl?tenstreifen als heute, und das Kreuzkraut ebenso viele goldene Kn?pfchen, auch bl?hten die Massliebchen gleichfalls am Raine. Damals wirkte das widersinnig, heute aber nicht.
Auf dem Brombeerbusche am Grabenrande sitzt der Goldammerhahn und versucht sein Lied zusammenzubringen; gestern, als die Sonne hell vom hohen Himmel schien, dachte er nicht daran. Auch die Kohlmeise besinnt sich auf ihre Fr?hlingsweise; da sie aber damit nicht fertig wird, so lockt sie wenigstens dreimal so z?rtlich, als am gestrigen Tage. S?ss und seltsam h?rt sich das an.
Der Haselbusch am Graben ist g?nzlich aufgebl?ht; zwischen den goldenen Troddeln gl?hen purpurne Sternchen. Die Eller ist ihm sogar schon voraus; der Weg ist mit braunen K?tzchen bes?t. Die silbernen Knospen an den Weiden recken und strecken sich und die der Espen quellen und schwellen. Aus dem Vorjahrslaube dr?ngt sich das junge Gras, ?berholt von den fetten Bl?ttern des Aronstabes, die Scharfwurz verh?llt den kahlen Boden und lustig wuchert das zierliche Gr?n des Ruprechtskrautes.
Die Sonne kommt noch einmal am dunstigen Himmel hervor. ?berall spielen die Winterm?cken, dass es lustig blitzt, und hier und da surrt eine Fliege vor?ber. In der alten Samenbuche sitzt eine Kr?he und quarrt und schnarrt auf ganz absonderliche Art; das ist ihr Liebeslied. Aus den Fichten kommt ein wunderliches Quietschen und Schnalzen; der H?her gibt seinen z?rtlichen Gef?hlen Ausdruck. Da hinten auf der grasgr?nen Saat maulschellen sich zwei Hasen um die H?sin. Der Fr?hling kommt.
Ist es auch wahr? Ist es nicht nur ein blosses Ger?cht, eine falsche Verheissung? Zwar wippt da schon ein Bergbachstelzenpaar an dem Graben entlang, hier w?hlt ein Maulwurf das knisternde Fallaub auf, sieben Starm?tze pfeifen auf dem Hornzacken der Eiche, im Graben pl?tschert zwitschernd und quitschernd ein Spitzmauspaar umher, fauchend und schnalzend jagt ein Eichkater die Liebste von Ast zu Ast, und ein Goldh?hnchen singt schon so gut, wie es das besser nie k?nnen wird.
Aber da hinter dem fernen Walde im kalten Moore liegt der Nordostwind und schl?ft. Vielleicht wacht er ?ber Nacht wieder auf und zu Ende ist es mit Lied und Liebe. Statt der Winterm?cken spielen die Schneeflocken, Star und Bachstelze fl?chten von dannen, die bunten Bergfinken, die der weiche Wind nach Norden lockte, werden verschwinden, und Amsel, Meise und Goldh?hnchen vergessen ihre halb gelernten Lieder wieder. Die Bl?mchen auf der Brache und die K?tzchen an den B?umen werden wirken wie unangebrachte Witze.
Die Sonne ist fortgegangen; dichter und unsichtiger wird die Luft. Um so mehr aber leuchten die halb aufgesprungenen Knospen an den grauen Zweigen des Dornbusches und an den schwarzen ?sten der Traubenkirsche hinter dem Grabenbord und im Unterholze des Geissblatts kecke junge Bl?tter. Ein sachtes Rieseln kommt herunter, unh?rbar und leicht. Fr?hlich schmettert der Zaunk?nig sein Liedchen, lustig trillert die Meise, und selbst der sch?chterne Bauml?ufer erhebt sein d?nnes Stimmchen lauter als zuvor.
Der Regen nimmt zu, die D?mmerung geht leise am Waldrande entlang. Da trommelt ein Specht auf einmal los, dass es weithin dr?hnt; das ist das Zeichen f?r alles, was Schn?bel hat. Mit einem Schlage bricht ein vielt?niges Zwitschern und Fl?ten los, so wirr, so kraus, dass keine einzelne Stimme sich daraus hervorhebt. Ein Viertelst?ndchen h?lt es an; dann bleibt davon nur das Gest?mper der Amsel ?brig und des Rotkehlchens erst halb gelerntes Lied. Auch das verlischt im leisen Regengeriesel, und der ihrem Schlafwalde zuziehenden Kr?hen rauhes Gepl?rre gibt dem weichen Tage einen harten Abschluss.
Dunkel wird es im Walde. Keine neue Knospe im Gezweig, nicht ein frisches Blatt am Boden ist mehr zu sehen. Leblos stehen die St?mme da und recken kahle Wipfel in die Luft. Doch immer noch will das Leben, das dieser Tag erweckte, sich nicht zur Ruhe begeben. Vom Felde her schrillt des Rebhahnes herrischer Ruf und von der Mergelgrube kommt das breite Geschnatter eines arg verliebten Erpels. Wie winzige Gespenster taumeln bleiche Wintermotten auf der Weibchensuche um die Buchen, zwei Flederm?use zickzacken am Graben auf und ab, und im Geb?sch schnauft ein Igel aufgeregt hinter der Auserw?hlten her.
Die Nacht kommt n?her; tiefer wird der Himmel. Kein einziger Stern steht an ihm. Die letzte Kr?he hastet, verlassen schreiend, ?ber die Wipfel hin. Dichter f?llt der Regen; lauter tr?pfelt er in das tote Laub. Dumpf unkt in den Fichten die Ohreule; hohl heult in den Kiefern der Kauz los.
Zu Ende ist der milde Tag, an dem der Vorfr?hling am Waldrande spuken ging.
Das Genist.
Vorgestern sah der Bach rein und klar aus und rann bescheiden zwischen seinen Ufern dahin.
In der Nacht gingen gewaltige Regeng?sse in den Bergen nieder und gestern fr?h war der Bach tr?be und lehmig; er polterte ungest?m dahin, stieg ?ber seine Ufer und ?berschwemmte ein gutes St?ck der Wiesen.
Nun f?llt er bereits. Nicht mehr so wild wie gestern strudelt er dahin, f?hrt nicht so viel Spreu mit sich, und tritt auch schon langsam wieder von den Wiesen zur?ck, einen br?unlichen Streifen da hinterlassend, bis wohin gestern die Vorflut gereicht hatte.
Das ist das Genist, ein Sammelsurium von Grummetresten, d?rren Stengeln, trockenen Zweigen, Grasrispen, Fruchtkapseln, Rindenst?cken, Wurzeln, Samenk?rnern, Bl?ttern, Beeren, K?ferfl?geln, Schneckenh?usern, Puppenh?llen, Kerbtierleichen, Steinchen, Federn, Haaren, Moosfl?ckchen, Muschelschalen, Knochen und hunderterlei anderen Dingen, teils aus dem Haushalte der Natur herstammend, teils aus Tr?mmern von Gegenst?nden bestehend, die der Mensch anfertigte.
Ganze Mengen von Grasbl?ttern und Wurzeln sind in den Weidenb?schen h?ngen geblieben, um deren Zweige die Flut sie fest herumgewickelt hat. Nun h?ngen sie da wie die Reste verwitterter, zerschlissener Wimpel und flattern im Winde. Dunkelk?pfige graue V?gelchen, Sumpfmeisen und Weidenmeisen, schl?pfen daran herum und pfl?cken heraus, was sich in dem Gewirre an K?rnern und Kleingetier gerettet hat.
An der Vorflutmarke aber, wo der Bach feineres Genist als ununterbrochenen Streifen abgesetzt hat, sind die Kr?hen dabei, herauszusuchen, was ihnen gut zu fressen d?nkt, die schwarzen Rabenkr?hen und die zur H?lfte aschgrauen Nebelkr?hen aus Ostland, ferner eine Anzahl der blanken Saatkr?hen sowie einige Dohlen. Auch etliche Staare, die infolge der milden Witterung vorl?ufig hiergeblieben sind, st?bern dort umher, desgleichen zwei Bergbachstelzen und einige nordische Pieper, die eigentlich weiter zum S?den reisen wollten, aber wegen der St?rme der letzten Tage diese Absicht aufgeschoben haben.
Sie finden alle ?berreiche Nahrung, denn es krimmelt und wimmelt nur so aus dem halbnassen Geniste hervor, zumal da jetzt die Mittagssonne so hell scheint und das Gespreu abtrocknet und anw?rmt. ?berall schl?pfen schwarze Laufk?fer aller m?glichen Gattungen und der verschiedensten Gr?sse hervor und streben dem trockenen Lande zu, dazwischen sind gr?nliche und hier und da ein gleissend kupferroter, der hier sonst nicht vorkommt und den das Wasser aus den Bergen mitgerissen hat, winzige, die wie blanker Stahl aussehen, br?unliche mit gelben Flecken, rote mit schwarzer Kreuzzeichnung, und ein gelblicher, gr?ngezierter, rund wie ein Marienk?ferchen, dem man es nicht ansieht, dass er zu den Laufk?fern geh?rt.
Dann sind Halbfl?gler da, gr?ssere, gl?nzend schwarze, kupfrige, gr?nliche und blaue, kleinere, die gelbrot und blau gemustert sind, andere mit roten Halsschildern, und unz?hlige ganz winzige, die an sch?nen Abenden gern ?ber den Landstrassen schwirren und den Radfahrern verhasst sind, weil sie ihnen in die Augen fliegen und sie durch ihren beissenden Mundsaft zum Tr?nen bringen. Ferner gibt es noch gr?ssere und kleine Mistk?fer, stattliche und unglaublich winzige R?ssler, Blattk?fer, Erdfl?he, die kaum sichtbaren Haarfl?gler, seltsame Ameisenk?fer, Stutzk?fer, blank wie Erz, Borkenk?fer, Schnellk?fer und wer weiss noch welche K?ferarten, solche, die hier in der Ebene leben, andere aus dem H?gellande da hinten und wieder andere oben aus dem Gebirge.
Die drei Sammler, die dort eifrig an der Arbeit sind, das Genist durchzusieben und ganze Mengen von Kleink?fern in ihre Gl?ser zu f?llen, werden zu Hause beim Aussuchen manches sehr seltene St?ck finden, ebenso wie der andere Sammler, der die R?ckst?nde nach Schneckenh?usern durchsiebt, denn die liegen zu Tausenden hier. Da sind einzelne Weinbergschnecken, rote, gelbe, braune, gesprenkelte und gestreifte grosse Schnirkelschnecken mit weissen oder braunen Munds?umen, kleinere, br?unliche mit seltsam gefalteten ?ffnungen, spitze Schliessmundschnecken, viele Arten von Moospuppen, darunter ganz seltene Arten, halb und ganz durchsichtige Hyalinen, Vitrinen und Dauderbardien, winzige Schneckchen mit Haaren, Rillen und Stacheln, die h?ufigen Bernsteinschnecken und allerlei grosse und kleine Posth?rner und andere Wasserschnecken, mit Kiemen atmende kleine Deckelschnecken, darunter eine nadeld?nne, braunrote, gl?nzende, die auf dem Lande lebt und sehr selten ist, ferner ein weisses, bleiches, zartes und kleines Schneckchen, das kaum anders als auf diese Weise gefunden wird, weil es eine unterirdische Lebensweise f?hrt, noch kleinere Deckelschnecken aus den Quellt?mpeln des Gebirges und das noch viel kleinere schneeweisse Ohrschneckchen, das wie ein Grassamenkorn aussieht. Auch kleine M?schelchen finden sich vor und ab und zu Nacktschnecken, besonders eine kleine Verwandte der Ackerschnecke, die wie ein junger Blutegel anzusehen ist.
In solchen Unmengen setzt das Hochwasser mehrere Male im Jahre die Schneckenh?user und Muschelschalen hier ab, dass der Boden rechts und links von dem Bache viel kalkhaltiger und fruchtbarer ist als weiterhin. Auch hat er eine ganz andere Pflanzenwelt, denn das Wasser f?hrt aus dem Gebirge eine Masse von Samen solcher Gew?chse mit, die hier in der Ebene nicht vorkommen. In den d?rren Stengeln, die das Wasser mitf?hrt, in den Grasb?scheln, Rindenfetzen und Holzst?cken findet sich noch manches lebensf?hige Ei, manches Fliegent?nnchen, manche Larve oder Puppe, die im Fr?hling auskommen, und so siedelt sich an der Grenze der Flutmarke den Bach entlang allerlei kleines Leben an, das von Rechts wegen der Ebene nicht angeh?rt.
Die meisten Menschen gehen gleichg?ltig an dem Streifen von Spreu vor?ber, den das Wasser hier angesp?lt und zur?ckgelassen hat, ohne zu ahnen, welche Bedeutung er hat. Wenn sie sich aber einmal b?ckten, eine Handvoll von dem Geniste aufn?hmen, es auseinanderzupften und alles das betrachteten, woraus es besteht, so w?rden sie staunen ?ber die F?lle von Leben, das darin verborgen ist.
Die Fr?hlingsblumen.
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