Read Ebook: Mein buntes Buch: Naturschilderungen by L Ns Hermann
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Ebook has 455 lines and 35965 words, and 10 pages
Die Fr?hlingsblumen.
Mit verdriesslichem Gesichte stand der Tag auf. Nun hat er die m?rrische Laune ?berwunden und zeigt eine zufriedene Miene.
Die gelben L?wenzahnbl?ten am Raine danken es ihm und ?ffnen sich, bunte Schmetterlinge tanzen ausgelassen ?ber die Landstrasse, ?berall flattern Lerchen aus den lachenden Saaten auf und erf?llen die frische Luft mit fr?hlichen Stimmen.
Die Sonne soll uns den Weg weisen. Voll und heiss scheint sie gegen den Vorwald, dessen Rand dichtes Geb?sch verschleimt, lustig gr?nender Weissdorn, fr?hlich bl?hende Schlehen, strahlende Weidenb?sche und von den grauen Ranken der Waldrebe umsponnener Bergholunder, ?ber und ?ber mit gr?nlichen Bl?tentrauben bedeckt.
Hier h?pft und schl?pft es in einem fort und singt und klingt auf mannigfache Art. Aber wie sich auch Ammer und Laubvogel, Rotkehlchen und Braunelle, Meise und Fink anstrengen, der Knirps von Zaunk?nig ?berstimmt sie doch alle mit seinem keck hinausgeschmetterten Liedchen.
Das braune Fallaub am Boden ist fast verschwunden unter jungem Grase und frischen Bl?ten, weissen und gelben, blauen und roten, bunt durcheinander gemischt, eine immer sch?ner als die andere. Aber ob auch die Windr?schen so zierlich, die Waldveilchen so herzig und der Lerchensporn so ?ppig ist, die Himmelsschl?ssel ?berragen sie alle an Vornehmheit und W?rde.
Einen leichten Pfirsichduft entlockt ihnen die Sonne. Er mengt sich mit dem Geruche der Erde und dem Hauche, der aus den aufbrechenden Knospen quillt, bis er unter dem Atem des Moschusbl?mchens verschwindet oder von dem des Waldmeisters, dessen schwache und doch so kecke Quirle ?berall das alte Laub durchbrechen.
Es raschelt im Geb?sch; eine Waldmaus springt dahin. Es raschelt im Grase; eine Eidechse schl?pft von dannen. Im Moose schimmert eine Blindschleiche, die sich da sonnt, und in dem kleinen Wasserbecken leuchtet es feuerrot und himmelblau auf. Es sind Bergmolche, die dort emportauchen, um Luft zu schnappen, und wieder hinabsinken und auf dem Grunde ihre seltsamen, l?cherlichen Minnespiele treiben.
Ein Pfauenauge schwebt vor?ber. Ein anderes tanzt darauf zu. Munter wirbelt das Paar dahin. Ihm folgen zwei Zitronenv?gel, ein gr?nlich weisses Weibchen, st?rmisch von dem goldenen M?nnchen getrieben. Zwei Kr?hen stechen sich, wie Esel quarrend, in der Luft. Z?rtlich heult der T?uber, steigt stolz ?ber die Kronen und klatscht laut die Schwingen gegeneinander, um der Liebsten zu gefallen. Zu demselben Zwecke trommelt der Specht so unverdrossen, und aus keinem anderen Grunde f?hlt sich der Gr?nfink bewogen, den Flug der Fledermaus nachzu?ffen.
Dort hinten ist eine neue Farbe im Walde. Eine Buche ist es, die an den untersten Zweigen ihre Knospen ge?ffnet. Lauter goldgr?ne Schmetterlinge scheinen den silbernen Stamm zu umflattern. Das sieht so wundersch?n aus, dass wir uns hier lagern m?ssen, um uns in Ruhe daran zu freuen, und an den Windr?schen darunter, den weissen, versch?mten, den gelben, kecken, an dem protzenhaften, gespreizten Aronstab und dem wunderfeinen, zierlichen Sauerklee, der den moosigen Stumpf mit leuchtenden Bl?ttchen und schimmernden Bl?tchen verh?llt.
Die Drosseln schlagen, die Finken schmettern, ein T?uber ruft, ein Bussard schreit aus der H?he herab, und doch ist es, als w?re es still, friedlich still hier im Walde. Verstohlen flattert eine Kr?he von Ast zu Ast und bricht heimlich Nestreiser. Ein Eichk?tzchen h?pft ?ber den blumigen Erdboden und scharrt nach K?fern. Zwei helle Tauben schweben heran, blicken lange umher und lassen sich endlich im Grunde nieder, wo das goldene Milzkraut den Spring rund umher einfasst und weiterhin die Lungenblumen versuchen, ihre rosenroten und himmelblauen Bl?ten dagegen zur Geltung zu bringen.
Die Sonne verfleckt sich, die Blumen verblassen, das Gr?n verdunkelt sich. Ein k?hler Luftzug kommt ?ber den Berg und bewegt die Wipfel. Die V?gel verstummen zumeist. Ein Fink schl?gt noch; auch er h?rt auf, und einzig und allein die Spechtmeise l?sst unaufh?rlich ihr eint?niges, erm?dendes Gefl?te h?ren. Wir steigen bergab und wieder bergauf und abermals hinab, bis dahin, wo ein Wiesental sich ?ffnet, und da finden wir die Sonne wieder und Vogellieder und Blumen, soviel Blumen unter den hohen Eichen, dass jedes Fleckchen erf?llt von ihnen ist. Und damit der Weg nicht zu sehr von dieser Pracht absteche, haben ihn die Ahornb?ume mit goldenen Bl?tenb?scheln bestreut.
Wir m?ssen wieder rasten, so sch?n ist es an diesem Ort. Das Moos ist weich und die Sonne warm, ein B?chlein ist da, das uns allerlei erz?hlt, und so kommen und schwinden die Stunden, wie die goldenen Falter, die zwischen den silbernen St?mmen auftauchen und untergehen. Menschenstimmen, ein wenig zu laut f?r diesen Tag, treiben uns weiter, durch d?steres Tannicht, durchzittert von dem Liebesgezwitscher unsichtbarer Goldh?hnchen, durch helles Buchenholz, erf?llt vom Geschmetter der Finken, ?ber eine breite, von Wildf?hrten gemusterte Trift, durch enge Stangen?rter, wo die Sauen im festen Boden gebrochen haben, an Buchenjugenden vorbei, deren Vorjahrslaub in der Sonne wie Feuer lodert.
Ohne Plan und Ziel schweifen wir dahin, bis der Tag zur Neige gehen will und der weite, gr?ne Teppich von B?renlauch, der den Hang bedeckt, sein lustiges Funkeln einstellt und herb und streng aussieht und die weissen Windr?schen ?ngstliche Gesichter bekommen. Die D?mmerung erwacht und tritt aus den Dickungen in das hohe Holz, eindringlicher klingt das Lied des Rotkehlchens; bald wird die Eule rufen. Aber noch einmal beschert uns dieser Fr?hlingstag ein kostbares Geschenk. Hier im jungen Stangenort, rechts und links von dem schmalen Steige, hat er so viel rote und weisse Blumen ausgesch?ttet, dass unsere Augen ganz gross werden. Von allem, was uns dieser Tag bot, ist dieses das Herrlichste.
Schiene die Sonne, fl?gen die Falter, schimmerten die St?mmchen, nicht so wunderbar anzusehen w?re dann dieser Zaubergarten wie nun, wo die Jungbuchen stumpf und hart aus der m?rchenhaften Bl?tenf?lle herausstreben und das Summen der Hummeln ein fernes Glockengel?ute vort?uscht.
Wir stehen und starren und staunen und wissen: immer, nach Jahren noch, werden wir dieses Tages Ende, dieser Stunde hier und ihrer Gabe dankbar gedenken.
Der Porst.
An der Quelle, die am Fusse der hohen Geest aus dem anmoorigen Boden springt, steht ein brauner, blattloser Strauch, ?ber und ?ber mit goldig schimmernden Bl?tenk?tzchen bedeckt.
Ein Porstbusch ist es. Schon im Sp?tsommer, als er noch im vollen Laube stand, hatte er seine Bl?ten halb fertig; im Herbst und Winter vollendete er sie, und dann stand er da und wartete auf seinen Fr?hling. Lange hat er warten m?ssen. Die Kolkraben kreisten laut rufend ?ber der Wohld, die Birkh?hne bliesen und trommelten auf den Wiesen, Hasel und Erle bl?hten auf und bl?hten ab; doch erst als der Kranich im Moor in die Trompete stiess und die Birke sich r?hrte, durfte der braune Busch seinen tausend Knospen den Willen lassen, und nun steht er da, umgeben von goldenem Schein und atmet einen strengen und starken Duft aus, der sich mit dem Hauche des jungen Birkenlaubes und dem Kiengeruche der sprossenden Kiefern vermischt.
Alle die anderen Porstb?sche, die zwischen den Rinnsalen, die aus der Geest quellen, stehen, hier einzeln und hoch, von Birken, Weiden, Eichen und Erlen bedr?ngt und von gewaltigen Wacholdern und hohen Stechpalmen, dort niedriger und in Scharen vereinigt, durchwuchert von silbern anbl?hendem Wollgrase und lustig spriessendem Riede, haben ebenfalls ihre K?tzchen erschlossen. Wenn sie aber auch noch so sehr prahlen und prunken, zur Alleinherrschaft kommen sie hier doch nicht. Denn das Bergmilzkraut ist noch da, das mit hellbl?hendem Rasen die W?sserchen umflicht, stolze Dotterblumen protzen aus saftigem Laub hervor, die Weidenb?sche leuchten von oben bis unten vor Bl?tenpracht, und das junge Laub der Birken, vermengt mit zierlichen Troddelchen, schimmert und flimmert im Morgensonnenlichte.
Einst, als der Wolf hier noch das Hirschkalb hetzte, bei Tage der Adler das grosse Wort hatte und bei Nacht der Uhu, herrschte der Porst unumschr?nkt von der Geest bis an die Aller. Aber die Bauern brannten ihn nieder, rodeten ihn aus, schlugen Pf?hle ein, zogen Dr?hte, trieben das Vieh in die Gatter, kalkten das Land, und nun sind Wiesen und Weiden da, wo ehemals nichts war, als Porst und Porst und immer wieder nur Porst und hier und da eine Eiche, ein Wacholder, ein Stechpalmenbusch. Nur an den Seiten der Wiesen und an einigen Gr?ben hat er sich noch halten k?nnen und zieht braune, goldig leuchtende Streifen durch die gr?nen, vom Schaumkraut bl?ulichweiss ?berhauchten Fl?chen. Hinter den Wiesen aber, in der grossen Sinke, die von zwei flinken B?chen und einem faulen Fl?sschen ?berreich mit Wasser versorgt wird, hat der Porst noch die Obergewalt. Es fehlt dort anfangs nicht an B?umen und Str?uchern, knorrigen Eichen, schlanken Birken, stolzen Fichten und krausen Kiefern; aber jetzt, wo der Porst in Bl?te steht, kommen sie nicht zur Geltung, denn die ganze weite, breite, nur hier und da von einer Kr?ppelkiefer, einem Erlenhorste, einem Weidenbusche unterbrochene Fl?che ist ausgef?llt von ihm, ist ein einziges goldenes, gl?hendes, loderndes Gefilde, erf?llt von tausendf?ltigem Leben.
Dumpf murren in den T?mpeln die Moorfr?sche, hell locken im Riede die Heerschnepfen, wehleidig klagend taumeln die Kiebitze dahin, und mit jauchzendem Schrei kreist der Bussard unter den Wolken. Auf dem grauen Wacholdergerippe sitzt der Raubw?rger, schrill rufend, helle Weihen werfen sich mit gellendem Keckern aus der Luft, der Brachvogel steigt empor und l?sst seine wehm?tigen Triller weithin schallen, Kuckuck und Wiedehopf l?uten, die Turteltauben schnurren, und viele kleine und feine Stimmen erklingen, ab und zu ?bert?nt von den herrischen Fanfaren des Kranichs oder von dem dr?hnenden Basse des Rehbockes, der von einem Menschen Wind bekommen hat und nun durch den Porst fl?chtet, dass der Bl?tenstaub hinter ihm herwirbelt und die graue Glockenheide, die braune Sandheide, das gr?ne Ried und das silberne Wollgras mit dichtem gelbem Puder verh?llt.
Heute herrscht der Porst hier noch und morgen und ?bermorgen. Um das d?stere Erlengeb?sch frohlockt er und jauchzt aus dem modrigen Birkenwalde heraus. Aber die Sonne, die ihm nach langem Warten die Sch?nheit brachte, wird sie ihm bald nehmen, der Wind streift ihm den goldenen Staub aus den K?tzchen, der Regen gibt ihm den Rest. Mit verdorrten, fahlen Bl?ten wird er dann dastehen; niemand wird nach ihm hinsehen, wenn er sich mit jungem Laube schm?ckt, und je voller er sich bebl?ttert, um so unsichtbarer wird er und verschwindet zwischen der Heide und dem Riede und den Weiden und dem ?brigen Bruchgeb?sch als ein Strauch, den keiner sieht und kennt. Im Herbste wird er dann noch einmal goldgelb und feuerrot leuchten und lodern und im Winter sich purpurrot aus dem Schnee erheben, um auf den Fr?hling zu warten; doch niemand freut sich an ihm.
Hinter den Erlen quillt eine Rauchs?ule empor, und noch eine und immer mehr. Die Bauern brennen den Porst; er steht ihnen im Wege. Hier liegen die bl?henden B?sche zu Tausenden am Boden, da starren sie tot und schwarz aus dem jungen Grase. ?ber das Jahr wird der feurige Busch nicht mehr so unumschr?nkt hier herrschen; Wiesen und Weiden werden ihn durchziehen. Und noch ein Jahr und abermals eins wird kommen, und aus ist es mit ihm. Nicht mehr wird der Birkhahn hier balzen, der Kranich trompeten, die Heerschnepfe meckern.
Verschwunden wird bis auf einige d?rftige Reste der Porst sein mit seiner Pracht und all dem bunten, reichen Leben, das sich in ihm barg.
Der Baumgarten.
Die Kohlmeise war es, die den Baumgarten aus dem Winterschlafe brachte. Sie sang so lange in dem Haselbusche, bis dessen Troddelchen sich reckten und streckten und goldenen Staub aussch?tteten.
Da f?hlte sich die Amsel bewogen, die Aprikosen wachzusingen. Es dauerte eine ganze Weile, ehe ihr das gelang; aber dann entfalteten alle auf einmal ihre rosenroten Bl?ten und die Leute, die die Strasse entlang kamen, blieben stehen, lachten mit den Augen und sagten: >>Ah!<<
Das machte den Buchfinken eifers?chtig und er begann zu schlagen, dass erst die Knospen an den Kirschb?umen und dann die der Birnb?ume aufsprangen und die Zweige aussahen, als seien sie frisch beschneit, und als der Gr?nfink zu schwirren begann und der Girlitz trillerte, ermunterten sich auch die Pflaumenb?ume und die Leute blieben wieder stehen und sagten: >>O wie sch?n!<<
Aber die Apfelb?ume r?hrten sich immer noch nicht, soviel M?he sich Meise, Amsel und Fink auch mit ihnen gaben, und Gr?nfink und Girlitz, H?nfling und Stieglitz. Es musste erst das Gartenrotschw?nzchen aus dem S?den kommen; das weckte die Fr?h?pfel auf, und die sp?ten Sorten sch?ttelten auch dann noch nicht den Schlaf ab, sondern warteten, bis der Wendehals da war. Dann aber bedeckten sie sich mit rosenroten Knospen, zwischen denen die schlohweissen Bl?ten leuchteten und abermals blieben die Leute stehen und sagten: >>Ach wie entz?ckend!<<
Mittlerweile war auch das Gras ?ppig gewachsen und zwischen ihm ?ffneten sich Hundert und Aberhundert von goldenen Kettenblumen, so dass die roten und weissen Taubnesseln gar nicht mehr so zur Geltung kommen konnten, wie bisher. Sobald die Sonne am Morgen warm schien, ?ffneten sich ihre Abbilder, eins nach dem anderen, wandten sich ihr zu und strahlten und gl?hten gleich ihr, und nun war der Baumgarten eigentlich erst g?nzlich aufgewacht und lebte in lauter Bl?ten und Liedern. Um die Stachelbeerb?sche und Johannisbeerstauden summten die Bienen, ?ber den goldbesternten Rasen flogen F?chse und Pfauenaugen, und in den herrlich geschm?ckten Zweigen sang und klang es von fr?h bis sp?t.
Kohlmeise, Amsel und Buchfink, die bislang das gr?sste Wort haben, verschwinden mit ihren Liedern beinah vor denen der ?brigen V?gel, so singt und klingt es in den Wipfeln. Da ist zuerst der Star. In dem Nistkasten, der in dem h?chsten Birnbaume h?ngt, baut er und wenn er nicht Neststoff eintr?gt oder auf Nahrung ausfliegt, dann sitzt er vor seinem Hause, str?ubt die Kehlfedern, klappt mit den Fittigen und quiekt und schnalzt und quinquiliert und dreht sich und wendet sich, dass sein Gefieder nur so blitzt und so blinkert.
Dann ist der Gr?nfink da, der in dem Rotdorne br?tet und den ganzen Tag lockt und schwirrt, bis es ihm auf einmal einf?llt, dass er noch etwas Besseres kann, um seine Frau zu belustigen, und dann fliegt er, hin und her taumelnd, genau so wie eine Fledermaus. Das kann ausser ihm nur noch sein kleiner Vetter, der Girlitz, von dem zwei P?rchen in dem Baumgarten nisten. Es sieht zu putzig aus, wenn der sein seltsames Geflatter beginnt, bis er wieder auf einem Wipfel einf?llt, lustig mit dem Schw?nzchen wippt und fr?hlich trillert und das Gezwitscher der Stieglitze und das Geschw?tz der Bluth?nflinge ?bert?nt, obgleich er viel kleiner ist als diese. Daf?r sind ihm diese aber an sch?nen Farben voraus.
Sie k?nnen aber nicht mit dem Gartenrotschwanz wetteifern, dessen silberklarer Gesang ab und zu laut aus dem Stimmengewirr heraust?nt. Silberweiss ist seine Stirn, kohleschwarz seine Kehle und sch?n rot seine Brust. Der allersch?nste Vogel in dem ganzen Baumgarten ist es, obgleich der schwarzweisse Trauerfliegenschn?pper sich auch wohl sehen lassen kann, und auch h?ren, denn sein Liedchen, wenn auch nur kurz, ist hell und klar und fr?hlich, und das V?gelchen ist so flink und so lebhaft, dass es sehr von den ?brigen Bewohnern des Baumgartens absticht.
Das tut der Kleinspecht nicht, obgleich er mit seiner schwarzweissroten F?rbung auffallend genug aussieht. Aber er ist ein stilles, bescheidenes Kerlchen, das meist schweigend an den St?mmen und ?sten entlangrutscht und die Blutl?use vertilgt und nur ab und zu lockt. Nur wenn er seinem Frauchen den Hof macht, wird er lebhaft. Dann kichert er schrill und fliegt mit sonderbarem Geflatter um sie herum, dass er wie ein grosser bunter ausl?ndischer Schmetterling anzusehen ist. In dem toten Ast des alten Winterapfelbaumes hat er sich seine Nesth?hle gezimmert und bringt dort Jahr f?r Jahr seine vier bis f?nf Jungen aus. Wenn die beflogen sind, sieht es reizend aus, wenn die Eltern sie lehren, wie man sich durch das Leben schl?gt. Das ist dann ein wunderliches Gerutsche und Gekrabbel in den Kronen und ein Hin- und Hergeflatter und Gequieke und Gepiepse den ganzen Tag lang, bis am Abend alle miteinander wieder ins Astloch schl?pfen.
Ein ?beraus schnurriger Gesell ist der Vetter des Zwergspechtes, der Wendehals. Er sieht mit seinem br?unlichen, ?usserst fein gestrichelten Gefieder und dem breiten, sch?ngeb?nderten Schwanze gar nicht aus, als ob er zu den Spechten geh?rte, ruft aber ?hnlich wie der Rotspecht, der in dem benachbarten Eichwalde wohnt und ab und zu hier Gastrollen gibt. Aber wenn der Wendehals an einem Stamme entlangklettert, oder an einem morschen Aste nach Larven h?mmert, dann sieht man es ihm sofort an, wohin er zu rechnen ist. Ganz albern stellt er sich an, wirbt er um sein Weibchen. Dann spreizt er die Schwingen, f?chert den Schwanz, richtet die Scheitelfedern auf, macht den Hals lang und dreht und wendet ihn so aberwitzigster Art, dass man meinen sollte, er habe gar keine Knochen darin.
Vielerlei V?gel sind es noch, die in dem Baumgarten leben oder ihn Tag f?r Tag besuchen. Da sind die Gartengrasm?cke, der M?nch, die Dorngrasm?cke und das M?llerchen, alle vier fleissige S?nger, die in den Weissdornhecken und in den Stachelbeerb?schen br?ten. Dann ist der Gartensp?tter noch da, der in dem Fliederbusche sein kunstvolles Nest hat, das vier rosenrote Eier enth?lt, ein ganz emsiger S?nger, und ein sehr beweglicher Vogel, der den ganzen Tag in den Zweigen umherklettert und laut dabei singt. Sein Verwandter, der Weidenlaubvogel, liess sich im ersten Fr?hling fleissig mit seinem seltsamen Liedchen vernehmen. Auch sp?ter singt er noch genug, doch ?bert?nen ihn die vielen anderen S?nger ebenso wie die Kohlmeise, die Gartenmeise und die Blaumeise, die mit ihm die Vorfr?hlingss?nger waren, wie denn auch das feine Liedchen des Bauml?ufers, der wie ein M?uschen an den St?mmen emporrutscht, jetzt ganz verschwindet in der F?lle von Lauten.
Einer aber, der sogar mitten im Winter hier sang, ist nicht unterzukriegen, obwohl er der kleinste aller S?nger ist. Das ist der Zaunk?nig. Wenn der loslegt, sei es, dass er sein Liedchen schmettert oder dass er vor einer stromernden Katze warnt, dann ist er mehr als deutlich zu vernehmen. Viel mehr f?llt er auf, als die Braunelle, die in der Hecke br?tet, und das Rotkehlchen, das in einer der vier Fichten, die in den Ecken des Gartens stehen, sein Nest hat, und am liebsten in der Fr?he oder vor dem Abend sein silbernes Liedchen erschallen l?sst, das sich mit dem lauten und anspruchsvollen Gesange der Nachtigall, der von dem Parke her?berschallt, zwar nicht an St?rke, wohl aber an Innigkeit wohl messen kann. Von dort t?nt abends und oft die ganze Nacht hindurch auch das weiche, s?sse Lied des Gartenrohrs?ngers, der dem Baumgarten oft einen Besuch abstattet, hervor und mischt sich mit dem klagenden Rufe der K?uzchen, die manchmal am hellen Tage dort angeschwebt kommen und sich einen Sperling holen, an denen es nat?rlich auch nicht fehlt, sowohl an Hausspatzen, wie an den niedlichen Feldsperlingen.
Der schlimmste R?uber n?chst den Katzen aber ist der Sperber. Jeden Tag kommt er an dem Zaune entlang geschwankt, schwingt sich ?ber die Hecke und geht, ehe sich die V?gel in dem dichten Gezweige bergen k?nnen, mit einem Spatzen, einer Amsel, einem Finken oder einem anderen V?gelchen ab. Zu den V?geln, die der Besitzer des Gartens nicht gern sieht, geh?ren die Dohlen, die auf dem Turme der alten Kirche horsten, denn sie holen sich von den Pflaumenb?umen die Tragreiser zum Bau ihrer Nester, pl?ndern sp?ter auch die Kirschen, wobei ihnen Pirol und Kornbeisser helfen, w?hrend wintertags der Dompfaff die Bl?tenknospen der B?ume verbeisst.
Auch dann ist es im Baumgarten nicht still. Meisentrupps, von einem Buntspechte gef?hrt, fallen ein und s?ubern die ?ste von Frostspannereiern, Kr?hen kommen und stellen den M?usen nach, und ist sonst nichts los, so sorgen die Sperlinge daf?r, dass dort etwas Leben ist. Am allerlustigsten aber geht es im Baumgarten jetzt zu, wo alle Zweige voller Bl?ten sind und im Rasen die goldenen Butterblumen bl?hen.
Die Kirchhofsmauer.
Die Dorfkirche ist schon sehr alt. Man sieht das an den gewaltigen Strebepfeilern, an den Schiessscharten, die freilich schon lange vermauert, aber noch zu erkennen sind, an den Hals- und Armeisen des Prangers neben der Hauptt?re, an der steinernen Sonnenuhr und an den gr?nlichen Grabsteinen, die sie umgeben.
Auch die Mauer, die den Kirchhof einschliesst, ist sehr alt. Sie bildete mit der Kirche zusammen einst die Feste des Dorfes, in die sich die Bauern zu Kriegszeiten, wenn die Not am h?chsten war, zur?ckziehen konnten. Sie ist hoch und breit und aus grossen Bruchsteinen gebaut. Jetzt ist sie ein wenig verwittert und von Rosen und Pfeifenstrauch, Spillbaum und Judendorn ?berwuchert und hier und da von Efeu berankt, und allerlei zierliche Farne und anderes Gekr?ut wuchert zwischen den grauen, mit gelben Flechtenkringeln und dunkelgr?nen Moospolsterchen bewachsenen Steinen hervor.
Im ersten Fr?hling, wenn der Huflattich am Grunde der Mauer seine goldenen S?nnchen entfaltet, bl?ht in ihren Ritzen das zierliche Hungerbl?mchen und die Fingerkrautpolster bedecken sich mit weissen und gelben Bl?ten. Sp?ter bilden rote und weisse Taubnesseln dichte bunte Str?usse, der L?wenzahn prahlt stolz, der Ehrenpreis blickt freundlich, bis Sch?llkraut und Labkraut ihn und die andern im Verein mit blutrot besterntem Storchschnabel ?berprotzen und an manchen Stellen das Gestein fast ganz verh?llen, w?hrend an anderen die Fetthenne, ganz mit goldenen Bl?tchen bedeckt, dichte, tief herunterh?ngende Rasen bildet, und weiterhin der Gundermann seine blaubl?henden Ranken bis an den Grund der Mauer herabh?ngen l?sst.
Vielerlei Getier lebt an der Mauer, bunte Schnirkelschnecken und die graue spitze Schliessmundschnecke, Sprungspinnen und M?rtelbienen, auch verschiedene K?fer und sonstige Lebewesen. Gern sonnen sich hier die F?chse und das Pfauenauge, und nicht selten verschl?ft ein rotes Ordensband dort den Tag. In einer von Efeu ?berwucherten Spalte neben der Treppe hat der Zaunk?nig gebaut, in dem struppigen Judendorn hat die Braunelle ihr Nest und unter den verbogenen Wurzeln der alten Linde die Bergbachstelze. Auch das Rotkehlchen, das im Pfarrgarten wohnt, schl?pft oft an der Mauer hin und her, und der Rotschwanz, der unter dem Kirchdache seine Brut hat, flattert oft vor ihr umher und f?ngt Fliegen.
Dann haben dort noch Kr?ten ihren Unterschlupf. Rechts von der Linde, wo die Mauer schon sehr zerfallen ist und Gras und Quendel dicht wuchern, wohnt eine dicke Erdkr?te, und da, wo unter dem Holunderbusch die kleinen blauen Glockenblumen in dichter F?lle herabh?ngen, eine ebenso dicke Wechselkr?te. Den Tag ?ber halten sich beide meist versteckt. Nur wenn nach l?ngerer D?rre ein sanfter Regen herunterkommt, verlassen sie auch einmal bei hellem Lichte ihre L?cher und steigen auf den Friedhof hinauf, um zwischen den eingesunkenen Gr?bern auf die Jagd nach Nacktschnecken und Regenw?rmern zu gehen, die dann reichlich aus dem Grase und dem Erdboden hervorkommen.
Langsam und bed?chtig schiebt sich die Erdkr?te dann ?ber die moosigen Wege dahin, ab und zu ungeschickt h?pfend, wenn ein Mensch mit seinen Tritten den Boden ersch?ttert. Dann dr?ckt sie sich zwischen einige Steinbrocken oder hinter einen Grasb?schel, und setzt sich erst wieder in Bewegung, wenn es ringsumher ganz still geworden ist. Dann und wann, wenn sich vor ihr etwas r?hrt, macht sie halt und schnellt die Klappzunge nach der Ackerschnecke, die an einem Blatte emporkriecht, oder reisst mit derbem Rucke den Regenwurm ganz aus der Erde und schlingt ihn, mit den H?nden nachstopfend, hinab. So treibt sie es, bis sie ?bersatt ist und gen?gend Nachttau mit der Haut aufgenommen hat, um sich dann, wenn die Fr?hd?mmerung herannaht, wieder in ihr Mauerloch zur?ckzuziehen.
Die h?bsche, gr?n und weiss gefleckte Wechselkr?te ist viel gewandter als sie. Sie h?pft so flink wie ein Frosch, klettert sicher an den steinernen Umfassungen der Gr?ber empor und l?uft, wenn sie sich in Gefahr glaubt, hurtig in einen Schlupfwinkel. Wenn ihre goldgr?nen Augen irgendwo eine Bewegung im Grase ersp?hen, so ist sie schnell da und schnappt die Beute fort. Mit ganz grossen Tauw?rmern wird sie leicht fertig, und wenn ihr ein winziger Grasfrosch in den Weg kommt, so macht sie mit dem auch wenig Umst?nde. Nur um die m?chtigen, blauen, goldgr?n und kupferrot schimmernden Maiwurmk?fer mit den unf?rmlichen Leibern, die sie bei ihren Tagesfahrten oft antrifft, k?mmert sie sich nicht, denn die sind ihr ekelhaft.
Im M?rz, wenn die Sonne das Wasser des Dorfteiches anw?rmt, tritt die Erdkr?te allj?hrlich die grosse Reise nach den Flachsr?steteichen unter dem Dorfe an, wo sie sich mit ihresgleichen trifft. Aus dem Murren der Grasfr?sche klingt dann ihr trockener, h?lzerner, wenig lauter Paarungsruf heraus, und bald darauf glitzern zwischen den Wasserpflanzen ihre langen, schwarzgeperlten Laichschn?re, aus denen sich schnell winzige schwarze Kaulquappen entwickeln, auf die die drei Arten von Molchen, die dort ebenfalls ihre Laichpl?tze haben, eifrig Jagd machen. Erst lange nachher, wenn die Laubfr?sche dort meckern und die Wasserfr?sche pl?rren, kommt auch die Wechselkr?te anger?ckt und ihr helles Trillern hebt sich dann scharf von dem Quarren der Fr?sche und dem Schnarren der Kreuzkr?ten ab. Ist aber die Laichzeit vor?ber, so tritt sie wieder die lange Reise nach der Kirchhofsmauer an und sucht wie die alte Erdkr?te ihr Loch bei der Linde, ihre Steinspalte unter dem Glockenblumenbusch auf, das sie Nacht f?r Nacht verl?sst, um zwischen den Grabh?geln zu jagen.
Es sind die beiden besten und sichersten Schlupfwinkel in dem alten Gem?uer, und schon so lange wie der alte Pfarrer hier lebt, kennt er die beiden Kr?ten. Wahrscheinlich sind es nicht immer dieselben, denn im Herbst schnobert der Iltis hier oft umher und sammelt Fr?sche und Kr?ten f?r die karge Zeit. Aber immer wieder sind die beiden L?cher von alten, dicken Kr?ten, hier von einer Erdkr?te, da von einer Wechselkr?te, besetzt, und das wird wohl so lange dauern, wie die Kirchhofsmauer besteht.
Die Moorwiese.
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