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Read Ebook: The Land of Promise: A Comedy in Four Acts by Maugham W Somerset William Somerset

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Ebook has 53 lines and 4614 words, and 2 pages

Johannes R. Becher

Verfall und Triumph

Zweiter Teil

Versuche in Prosa

Berlin

Hyperionverlag

Inhalt

De Profundis Das kleine Leben Der Dragoner Kindheit Der Idiot Um Dagny heulen wir Gespenster

De Profundis

Hymne / Fragmentarisch

Was gafft ihr, ihr albernen G?nse, zieht die geschminkten Fressen wie zum Lachen breit! Sperrt die grossen M?uler auf, wie vor der Jahrmarktsbude eines fremdl?ndischen Wunders, -- bin ich denn gar so ein Scheusal, ein zerfressenes Gerippe! -- die dreckigen H?nde in den nassen Hosentaschen, Laufburschen, Louis, lausige Hanswursten! Ach, schon bin ich wieder gelangweilt und erm?det durch euere, ach so wenig unterhaltsame Gesellschaft, ach, schon wieder gelangweilt und erm?det, bevor ich noch den Mund zum ersten Worte aufgetan. Es wird ja unn?tz sein. Euch nicht mehr als eine mehr oder minder missverstandene spassige oder gruselige Abendunterhaltung, w?hrend welcher ihr einander bestehlt oder den Weibern unter die R?cke greift. Wahrlich! und dazu muss ich noch -- so: ein eigent?mlicher Kuppler und n?rrischer Schmerzensausschreier -- gew?rtigen, dass einer von euch pl?tzlich veitstanzt oder ein anderer aus euerer sauberen Genossenschaft mir in einem manischen Anfall mit einem Schiefer r?cklings den Sch?del einschl?gt. So lockt mich einzig nur die Gefahr, ihr Guten. Die Laune, euere erstaunten Mienen zu beobachten, wie ihr emp?rt und im Innersten beleidigt oder aufgebracht allerhand tolle Fratzen schneidet, bald zu pl?rren anfangt, bald davonlauft, wiederkommt, murmelt, schreit oder aufhorcht. Euer Gesicht aus Scham und Wut verzerrt. Erz?rnt die F?uste hebt! . . . So h?rt! Ich singe euch vor meinem endg?ltigen Abschied noch das religi?se Lied meiner fanatischsten Ekstasen, das arge Ende meiner entz?ckten Liebesr?usche. Die grosse Jeremiade, eine pathetische und mystisch verkl?rte Agonie. Das zynische Klagelied. Vernehmt bewundernd oder im Tiefsten angewidert das Ende einer bitteren Passion. Seltsame Tr?ume. Meine Taten, die guten und die b?sen. Sie ziehen an euch vor?ber in einem bunt abwechselnden, aufreizenden, karnevalesken Reigen. Flammen leuchten auf. Trommeln. Trompeten schmettern. Der laute Schlachtruf der K?mpfenden, der himmlische P?an, dem ich, h?rte ich ihn nur von weit, schon als Knabe wild wie ein Tier nachst?rzte, wobei ich alles im Stiche liess und um keinen Preis zu halten war, vielleicht in der sicheren Vorahnung, dass er einst meiner letzten K?mpfe, meiner ?rgsten Schlacht Begleiter sei, in der Hoffnung, dass er einst mich zur Heimat geleite, einst mich erl?se.

Was? Ihr lacht? Macht Beifall, L?rm? Nein. Nichts, nichts von alledem. Der silberne Mond schwebt hoch ?ber dem verlassenen Platz. In seiner Mitte, unter der S?ule, gegen?ber dem L?wentor des zerfallenen Palastes stehe ich. Laut und eindringlich habe ich, meiner Gewohnheit nach, in einer vision?ren Erregung zu einer unsichtbaren Versammlung gesprochen. Doch wer vern?hme meine Rede auch in dieser raschen Zeit! Doch! Von neuem! Ich versuche es. Ich gebrauche die hohle Hand! Dann beginne ich! Stammle entz?ckt und voll Wonnen! Also, zum Anfang!

Einst, o einst, da ich wuchs empor, bl?hend heran, inmitten kl?glichen, schmutzigen Kindergewimmels. Auf engen, dunklen H?fen, steilen, br?chigen Holztreppen, verdreckten Strassenpl?tzen. Graue Mauern starren auf. Rote Fenster in weissen Kalkgem?uern, ewig verschlossen. Die Mietskasernen. Ausfl?chte der Seele, hart vergittert. Aber das Lied des umherziehenden Orgelmanns tat zum ersten Male mein Herz auf und aller Knaben und M?dchen sch?chterner, aufjauchzender Ringeltanz. Veilchenblauer Himmel. Bl?hende Sonne. Sterne und der Mond am feurigen Nachtfirmament. Das Kindlein in der Krippen . . . Einst, o einst: zwischen gleichm?ssigem L?ffelgeklirr das unaufh?rliche Getropfe der m?tterlichen Tr?nen auf den irdenen Teller. Die Schl?ge, das harte Schweigen oder die Schelte des erz?rnten Vaters. Streit der Geschwister. Unzufriedenheit, Intrigen, Hass, Neid und Zank, Gegrein und Geschluchze aus kalten, rohen, roten, zerrissenen und zerschlissenen Betten. Ungeziefer schwirrt. Zerfetzte Kleider, Hunger, K?lte. Finstere, verrusste Ecken. Erbrochene Kassenschr?nke und Wanderungen. O, da meine Sehnsucht ?bergross ward und nach wunderlichen Sonnen und fremdartigen L?ndern, grossen, rauschenden St?dten, m?chtig mein Verlangen ging. Mich mein Sehnen zog. Das Herz schlug.

Armut! Armut! Man ?bernachtet in Menge in Heustadeln oder auf freiem Feld, oder lagert gleich einer r?udigen und ?belriechenden Herde Viehs in w?sten Gassenschenken.

Erinnerung, du umschimmerst mich. Erinnerung du aus fr?hen Kampftagen. Zerbrochen bin ich, doch nicht geschlagen. Getr?umte L?nder, warme L?nder, Sonnenl?nder! O ihr, meine L?nder, herrlich und pr?chtig, durchzogen von den trunkenen Scharen jauchzender V?gel und den flatternden Kolonnen der singenden Fische! Apokalyptische Himmel! Blutige Sternengew?lbe, violett umhaucht von der Glut silberner Sonnen, dem Geknister elektrischer Monde, j?h emporgetaucht aus dunkelgr?nen Eisn?chten. Riesenschlangen, tr?g und schwer auf den ?sten der Laubb?ume. Raubtiere lauernd in Dickichten. Blumen, eine helle, fr?hliche Sprache sprechend und umherblickend mit blauen, unschuldigen Menschenaugen. Getr?umte L?nder, warme L?nder, Sonnenl?nder! O, so h?rt mein Freiheitlied! Denn aus den grossen, kalten, nordischen St?dten komme ich, aus Strohh?tten, Spelunken, tr?bsten H?hlen der Hungernden, Verworfenen, Verbrecher und Verbannten. So h?rt mein Freiheitlied:

>>Ihr Lumpenhunde, Saufkumpane! Gaukler, Gecken! Onanisten! P?derasten! Fetischisten! Kaufleute, B?rger, Aviatiker, Soldaten! Louis, Dirnen! Ihr grossen Metzen! Syphilitiker! Br?der, Menschenkinder alle! Erwacht! Erwacht! Ich rufe euch zum hitzigsten Aufruhr, zur brennendsten Anarchie. Zum b?sesten Widerstreit begeistere, reize ich euch. Revolution! Revolution?re! Anarchisten! Gegen den Tod! Gegen den Tod! Br?der! H?llen und D?mone! Mein spr?hendes Manifest. Kanonendonner, Lichtgarben! Ich f?hre euch. Vorw?rts. Marsch! Marsch! Den gelben Klang der Trompete, den grauen, gleichm?ssigen Wirbelschlag der Trommel, das weisse Aufschrillen der Pfeife, das flatternde Blut der roten Fahne, die violette Farbe unregelm?ssiger, gef?hrlicher, schw?rmender oder konzentrierter, t?dlicher Bewegungen --: f?hle ich in meinem Blut. Ich wittere Morgenluft. Sonnenluft. Auf! Granaten zerplatzt! Kart?tschen, Fanfarenhymnen steigt! Infernalisches Geschmetter! Vorw?rts, wir kommen. Dieser st?hlerne Vogel, der laut jubelnd der Morgensonne entgegenschiesst, ist unser Bote, diese Granate, die hell durch die Luft pfeift, unser Gruss. Wir r?cken an. Aus unseren Schildern, auf unseren Helmspitzen leuchtet auf, steil und flammend, der Triumph der neuen Zeit. Das silberne, zart aufjauchzende Lied glitzernder Bajonette umschmiegt sie. Gl?nzende Riesenst?dte schlagen erstaunt M?rchenaugen auf aus grauen, nebelverschleierten Ebenen. Bl?hende Himmel. Voll T?rmen und Zinnen. Und Gold! Und Gold! . . .<<

Alles K?rperhafte habe ich von mir gestreift. Alles Irdische habe ich von mir getan. Nackt bin ich in diese einsamsten Hallen getreten. Die k?hl sind und vom Glanze mattesten Goldes. Die wie vergessen schwebende R?ume inmitten kreisender Welten sind . . . Suchte ich dich Ewigen nicht im zaghaften Gefl?ster aller erwachenden Liebe oder auch in den drohenden Brandst?rmen aufgepeitschten, dampfenden Blutes? Dich, der du der Richter bist der ewigen Kriege. Aber auch im Morgenraunen der B?ume, wie im verl?schenden Gold der Sonne ?ber der abendlichen Flur, oder im heimatlichen Gesang der V?gel, sowie die schwere Nacht angeht. Aber in allen R?uschen des Blutes fand ich mich dir am n?chsten. Oder im verschrillenden Sausen, im helldr?hnenden Fanfarengeschmetter oder dumpfem Marschschritt, heulendem Anmarsch nahenden Todes. Die verpestete Luft erf?llt vom dumpfen Gedr?hn ziehender Belagerungsgesch?tze, vom glorreichen Aufstrom schallender Vogelch?re, vom Gest?hn der schmerzvoll Hinsterbenden, vom weissen Schweigen der Gefallenen in den verfeuchteten Laufgr?ben, vom Siegesgeschrei, dem rauhen Gebr?ll der Lebendigen . . .

Mein Gehirn ist nur mehr ein F?hlbares, ein nur mehr Begreifbares. Etwas nur mehr sich durch einen kleinen, gleichm?ssigen Schlag Bemerkbarmachendes. Als ob wer die kn?cherne Umh?llung sprengen m?chte. Vergangenheit, Vergangenheit wohnt darin. Wir, die wir Vergangenheit sind. Gegenwartsfremd. Zukunftfeind. Wir, die wir die bedr?ckten Tr?ger einer tr?ben Tradition sind. Wir, die wir die Nachtgeborenen sind. Der helle Tag findet unsern K?rper m?d, unsere Seelen verschlossen. Doch die dunkle Mutter ?ffnet ihren Kindern die schweren Augen. Auf den samtenen Fittichen einer trunkenen Traurigkeit werden die Ahndungsvollen mit sanfter Gewalt dem Bann der dunklen Erde entr?ckt und zu den Gefilden der Seligen, den himmlischen G?rten hin entf?hrt, wo die leuchtenden Sternkugeln ?berherrlich entz?ndet sind.

Ich treib auf Tr?mmern, ziellos, unentwegt. Lang ist die Irrfahrt. Das Haupt dr?ckt schwer. M?d ist die Hand. O, alles zerbarst, alles zerkrachte. Wie w?tend die Wellen schlugen. Alles ?ber Bord -- O, splittert Planken! Noch einmal, o, noch einmal und -- letzter Kampf! O: alles dann aus und Raub der Wogen . . . Und ich warte. Alles geht ?ber mich. Alles verweht mich. Was hilft mir zur Ewigkeit? Komm Untergang!

Seht, oben bin ich seltsam gut und tr?umerisch. Unten aber schlecht, verseucht und angefault. Das bin ich. Doch meine Tiefen sollen wieder H?hen werden. Aller Schmerzen Abgr?nde jubelnde Bl?uen. Und meine Verirrungen -- denn noch jage ich trunken dahin, unbewusst, dumpf benommen und wie von dem schw?len Duft aufbl?hender Rosenhecken und dem bet?ubenden Geruch s?sser M?dchenleiber umh?llt -- und meine Verirrungen sind mir Gew?hr eines einst sich besseren Zurechtfindens. Doch das wird lange dauern. Das braucht Zeit. Ich habe Zeit . . .

Wenn ihr klug seid, vertut die sch?ne irdische Zeit mit Spiel und Tanz, mit Weib und Wein! Schlaft trunken ein unter Rosenhecken, unter goldenem Sternenglanz, umspielt vom weichen Strome milder Fr?hlingsd?fte. Erwacht dann wieder, s?ss umschlungen, erweckt von holdem Engelsgesang, der himmlischen Musik . . . Die Nacht vergeht. Der Tag bricht an. Die Sonne sinkt. Dazwischen schallender Gesang der V?gel. Wasserrauschen. Durch die Wipfel der B?ume Brausen des Windes.

Unsere Heimat ist die Erde. Von Erde sind wir. Zu Erde werden wir. Dornenkr?nze um die geneigten Stirnen, Wunden an H?nden und F?ssen, Narben in den schmerzlich entstellten Angesichtern, mit bleichen verbluteten Lippen: allen Leiden der Menschheit, dem Tode vertraut, der raschen Zeit, dem lauten Leben fremd und leidlos abgewandt: so wandern wir einst, Millionen Gekreuzigte, im blauen Abendschein unserer Heimat, unserer Erde zu. Einsam waren wir. Einsam ziehen wir von hinnen. Unser Schicksal hiess Kampf und Begehr. Ein Unbestimmtes trieb uns. Ein Geheimnis zwang uns Ohnm?chtigen gebieterisch seinen unbarmherzigen Willen auf. Es bannte uns. Es jagte uns. ?ber gr?ne Fr?hlingsfluren, besprengt mit Blut dahin. Von ?ngsten zerfetzt, von Wahnsinn zermartert, standen wir pl?tzlich hilflos, gleich den von ersten Bl?tend?ften trunkenen Kindern, unschl?ssig und staunend vor feurigen Abgr?nden. Ein Flammenstrom verschlang uns.

Wir f?hrten die Waffen im jugendlichen Heldenkampfe um ein getr?umtes Reich, dessen strahlende Herrlichkeit und lichte Himmelswonnen wir aber nicht im Irdischen erschauen durften. Denn es bl?ht bei Gott. Hier zermalmen uns Not und Gefahr, verruchte Willk?r, Blut und Sehnsucht, heller Tag. Doch uns Erm?dete tr?stet die blaue Nacht. Ein himmlischer Gesang, der fernher n?her dringt. ?ber die Gr?ber weht er. ?ber die Gr?ber braust er. Die Toten erweckt er. Das Innere der Erde durchdringt ein warmer, g?ttlicher Hauch. Die irdische Decke birst. Ineinander st?rzen Strom und Berg, Acker, Wald und Tal. Das dunkle Grab bricht auf. Dampfendes, st?hnendes Gew?hl von Millionen heiss ineinander verschlungener, blanker Menschenleiber. Aus dunklen, verfeuchteten Grabkammern und Gew?lben Rasseln, Schall und Gedr?hn der schweren, zerklirrenden Ketten. Goldene Spangen, gl?nzende R?stungen, silberne Schwerter. Das hell aufblitzende, bleich schimmernde, das erwachende Totenmeer. Ewigkeiten, Firmamente jubeln auf darin.

Wie ich so daliege, die beiden H?nde gefaltet, das Angesicht nach oben, die Augen den Sternen zugekehrt, vergeht wieder diese t?richte, schw?rmerische Schw?che. Ich sehe wieder klar. Ein klein wenig Auswurf Blut kommt aus meinem Herzen. Aus meinem Munde str?mt es nun. Aus Nase, Ohren. Ich sehe die kleine Welt durch einen blutig nassen Schleier. Bemale mich. Das Messer streckt sich steil aus meiner Brust. Wippt bei jedem Atemzug. Ein vergessenes Holzscheit, das tief in der Erde steckt. Ein Anblick, der gleich zum frivolsten Gel?chter als zum gl?ubigsten Erschauen zwingt. Doch ich will nicht daran r?hren . . . Was ist Leben: Rausch, Taumel, Versinken in Blut. Nur am Ende: aus r?tlichen D?mmerungen empor und befreit goldene Fl?gel spannen.

Die Flammen, die auf mich eindringen, mich gl?hend und heiss bedr?ngen, wandeln sich in rauschende, wildflatternde Str?me purpurnen Weines und wallenden Blutes, die ich gierig in mich hineintrinke.

Das kleine Leben

>>Ich m?chte mit dir in einer Kaschemme wohnen, unter der Br?cke ?bernachten, deine Apache, deine kleine Dirne sein -- wenn wir nur immer beisammen sein k?nnten!<<

>>Unsere Liebe wird uns alles ?berwinden helfen!<<

Wir legen uns, uns umarmend, nieder. Wir schlafen selig ein, eng aneinandergeschmiegt. Stehen umschlungen auf. Essen zusammen. Wir sind immer beieinander. Es w?re erreicht!

Wir sind sehr gl?cklich.

Heute nacht -- wir leben eine Woche so -- ?berf?llt mich zum erstenmal und brennend der Gedanke, dass man allm?hlich bedacht sein m?sse, sich Geld zu verschaffen. Es gibt wohl sehr viele Erwerbsm?glichkeiten, aber die liegen, so scheint es mir, f?r uns alle auf ein- und derselben Linie. Meine Frau w?lzt sich unruhig neben mir. Sie spricht Unverst?ndliches im Traum. Ich suche irgendwo Rat und Halt. Da ich ihren warmen K?rper f?hle, bin ich beruhigt. Ich kann nicht l?nger mehr dar?ber nachdenken.

Bin ich nicht sehr gl?cklich?

Das Haus zittert. Ich glaube auf untergehendem Schiff zu sein, auf hoher See. Es ist sehr ?lig, verworren und dumpf. St?sse. Rennen. Stimmengewirr. Fackeln flackern. Das Fahrzeug schaukelt wie eine Wiege. Doch die Musik des Sturmes ist sehr s?ss.

Umschlungen versinken wir.

Am kommenden Morgen will ich meine Besorgnis meiner Frau mitteilen. Doch weshalb sie in Unruh setzen? Ich unterlass es. Zwei Tage k?nnen wir noch auskommen. Sie wird es ja selbst wissen. Aber ich f?rchte mich bei dem Gedanken, dass sie das weiss. Weiss sie es denn auch wirklich? Zwei Tage . . . das ?brige ist mir wurscht. Wird meine Frau auch so denken? Ich bin sehr in Sorge, sie k?nne es nicht tun. Es ?berl?uft mich heiss und kalt, wenn ich l?nger solchen Erw?gungen nachh?nge.

Nachmittags gehen wir aus, Arm in Arm. Sie bittet immer, sehr d?nn: >>Fass unter!<< Unsere Kleidung ist sehr d?rftig, aber es ist Gott sei Dank sehr warm geworden, ?ber Nacht. Wir betrachten uns oft in den Spiegelscheiben der Schaul?den. Sie lacht ?bergl?cklich dabei auf, mich heftig pressend . . .

Da sie aber, pl?tzlich erschauernd, sich an mich schmiegt, weiss ich, auch sie muss also heute nacht dar?ber nachgedacht haben, dass unsere Mittel bald zu Ende sind, dass wir ersch?pft sind. Ich erstaune heftig dar?ber, dass sie das weiss. Aber es ist eigentlich doch nicht mehr als nat?rlich. Auch sie hat es mir also verschwiegen. Sie wollte mich nicht verletzen; ja, wahrscheinlich. Sie hat sich f?r mich gesch?mt; ja. Ich sollte doch f?r den Lebensunterhalt meiner Frau aufkommen. Das ist klar. Sie wird mir das ja nie ins Gesicht sagen, dies Selbstverst?ndliche. Aber sie sagt es mir daf?r in jedem Blick, sie bedeutet es mir vorwurfsvoll mit jeder Bewegung.

>>Nein, Dorka, ich werde dich nie verlassen. Zwei Tage werden wir noch aushalten. Dann . . . man verzichtet ja auf das Leben leicht. Nicht? Zwei Tage, Dorka, sind sehr lang. Unser Gl?ck kann noch sehr gross werden . . .<<

Und mir f?llt ein: auf der Neuhauserstrasse lernte ich sie eines Sonntags, nachts, kennen. Sie liess die Handtasche lang herunterh?ngen. Sie schlenkerte. Sie blieb oft herausfordernd vor den hellerleuchteten Schaufenstern stehn, richtete ihr Haar zurecht oder kn?pfte ihren Schleier fest. Manchmal drehte sie sich um. Wir haben uns eigentlich nie dar?ber n?her ausgesprochen, ich habe immer so Angst davor gehabt.

>>Nun bist du acht Tage lang nicht im Gesch?ft gewesen. Du, Dorka, vielleicht geht es doch noch. Versuch es einmal.<<

Abends besuchen wir das Kino. Alles sitzt da in diesem Raum, umschlungen. Wir legen friedlich die H?nde ineinander, unsere Kniee ber?hren sich mit z?rtlichem Druck, ihr Kopf neigt sich langsam auf meine Brust herab. Wie sch?n das ist! Es ist ruhig und and?chtig wie in einer Kirche. Dorka schluchzt oft und auch ich muss mich bezwingen, meine Tr?nen zur?ckzuhalten. Eine Liebestrag?die wird gespielt. Die Leinwand ist aufs ?usserste bewegt. Sie erinnert mich an unseren Papierofenschirm, den unsere Vormieter hinterlassen haben. Es zuckt und rinnt. Die Musik: zittrige Geige, schwaches Klavier, ist sehr s?ss. Wir sind tief ersch?ttert. Es ist, als gehe ein Sturm durchs Haus, es braust, und wir befinden uns auf untergehendem Schiff, auf hoher See. Umschlungen versinken wir.

Wir gehen Arm in Arm nach Haus. Wir tauchen aus blendender Lichterf?lle, bunt belebt, voll sch?ner, sanfter Damen, t?nzelnder Equipagen, flimmernder Kavaliere in unser Dunkel wieder, verworren, ?lig und dumpf. Die Nacht beschert seltsame Tr?ume, gute und b?se. Oft ist es hell, wie es nur am lieben Tag sein mag, oft schwarz, wie es nur unter der Erde sein kann.

Meine Frau geht wieder ins Gesch?ft. Sie bes?uft sich jede Nacht, sie muss sich besaufen jede Nacht. Die Herren geben ihr ziemlich viel Geld, daf?r muss sie ihnen sch?n tun, z?rtlich sein, die Arme um den Hals legen, sich streicheln lassen, den Mund geben, ihnen Hoffnungen machen und oft bis sp?t in den Tag hinein mit ihnen bummeln. Sie tanzt einen Apachentanz, tanzt Twostep, kann Cancan. Sie stellt sich auf einen Stuhl, f?hrt unter allgemeinem Beifall unanst?ndige Gespr?che, h?lt grosse Reden. Lacht unnat?rlich, sehr gezwungen, hell. Hebt die R?cke hoch, dreht sich, nach allen Seiten hin sich bewundernd, vor dem Spiegel. Sie ist ein Karussell. Ich sitze dabei. Das Blut schliesst mir die Faust.

Einige Ausl?nder, neun Schweden, geh?ren zu ihrem n?chsten Verehrerkreis. Sie sind sehr f?r sie interessiert. Der eine, Andreas S?raas mit Namen, liebt sie. Er ist ein kleiner blonder Junge, zwanzig Jahre alt, mit blauen Augen. Er hat viel Geld, das er achtlos, sehr elegant f?r sie verschwendet, indem er sie h?ufig zu Automobilfahrten, fast t?glich zum Abendbrod einl?dt. Sie hat immer Blumen von ihm. Er tut ihr bereitwilligst alles, was sie nur will. Begleitet sie oft, oft stundenlang durch die Stadt, wo sie vor allen Schaufenstern stehn bleiben, sich unterhalten, unerm?dlich, herzlich interessiert ?ber alle Str?mpfe, Unterw?sche, Blusen, Schmuck, H?te, R?cke. Ich kann das nicht.

Ich warte nachts zwei Uhr, nach Gesch?ftsschluss, auf meine Frau. Versteckt, im Schatten, an einer Ecke. Ein Haufen Studenten kommt angeheitert, den Dessauer pfeifend, ausspeiend und johlend, sehr langsam daher.

>>Bei der ist heute nichts zu wollen,<< fl?stert einer, etwas beklommen, im Vor?bergehn, >>ihr Zuh?lter wartet auf sie.<<

Ich bin unendlich stolz darauf; kindisch, wie ich es so oft bin, freut mich das.

Oder ich liege unruhig im Bett und warte, bis sie knarrend ?ber die Treppe heraufkommt. H?re sie schon, schwer das Haustor aufschliessend, sich verabschiedend von ihrer Begleitung, das leichtere Ger?usch der T?rschl?ssel, das ?ffnen der Aussent?r . . . Gleiten ?ber den Gang . . . und sie tritt zu mir, l?sst mich an ihren Blumen riechen, entkleidet sich rasch, umschlingt mich heiss. Wir w?lzen uns wie Tiere. Sie r?lpst. Sie stinkt immer nach Wein, Tabak, sehr aufdringlichem Parf?m und Sekt. Sie klebt.

Den Tag verbringe ich unt?tig, meist schlafend im Bett. Oder sehr vertr?umt. Was soll man auch tun? Und nichts geschieht. Nur die Zeit vergeht, sehr langsam. Wir langweilen uns.

>>Man kann ja schliesslich, auf die Dauer, nicht von Umarmungen leben, das wird einem am Ende auch fad. Lass mich in Ruh!<<

Wir mimen der ?ffentlichkeit gegen?ber Ausl?nder, Russen. Wir sprechen fliessend, obwohl wir nur, vielleicht f?nf Worte k?nnen. Wir halten die deutschen B?rger zu Narren. Das belustigt uns ungemein, eine Zeitlang. Meine Frau gibt sich als Schauspielerin aus. Sie tr?gt sehr sentimentale Lieder vor, tanzt russische T?nze. Aber auch das wird fad. Auch fehlt es immer an Geld.

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