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Read Ebook: Der Satansgedanke by Bartsch Rudolf Hans

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Ebook has 121 lines and 8506 words, and 3 pages

rimmig zusammen wie Wettergew?lk.

Auch auf der Gasse ging es nicht geheuer zu. Zwei M?nner hatten, jeder verhohlen und ungesehen vom andern, auf die Chrysoloras gepasst. Zuerst sprang der junge Stainer aus dem Dunkel und wollte der Geliebten nach. Sie ermorden, sie sch?tzen? Was wusste er selber! Er war namenlos ungl?cklich! Helena, die Dirne des Meisters!

Der andere mass ihn flink und berechnete seine Bewegung, seine Gestalt und sein unsicheres Unterfangen; dann eilte auch er vor und fasste den Scholaren am Arm: >>Still,<< zischelte er.

Der Junge erstarrte. Im schwachen Mondlicht sah er ein Antlitz, abgr?ndig h?sslich. Breite, freche, h?hnische, nichts glaubende und nichts bemitleidende Lippen, t?ckische Augen, breiter, niedriger Wollsch?del, abstehende Ohren, Lasterfalten am ganzen gemeinen Antlitz heruntergezogen. Erst dachte er: >>Des Fausti Schwager, der Leibhaftige!<< Aber dann ward er sogleich inne, dass keiner der B?sen so auszusehen verm?chte. M?gen sie entsetzlich sein, sie sind Geister und sind gross. Dieses Antlitz, in seiner niedrigeren Gemeinheit und g?nzlich seelenlosen H?sslichkeit, konnte nur einem Menschen geh?ren!

>>Was wollt Ihr?<< stammelte der Student.

>>Warum hast du auf die Chrysoloras gelauert?<< fragte der andere so drohend dawider, dass Stainer sich verteidigte: >>Ich bin doch ihr Vetter, der Sympert!<<

>>Dann mags gut sein; mich hat ihr Vater aufgestellt, der alte Chrysoloras.<<

>>Du bist so einer, was die Welschen Bravo nennen?<< fragte Stainer mit Grauen.

>>Ich bin sein Diener, weiter nichts; das merk dir. Du hast gesehen, wie weit die beiden sind. Du weisst nicht, ob du dawider sein sollst oder daf?r?<<

>>Wahrhaftig, das weiss ich nicht,<< stammelte der junge Mensch.

>>Na. Ich will dir Zweifel und M?he bald abnehmen.<<

>>Mann,<< sagte der Student traurig: >>Das wird kaum notwendig sein; denn er selber sinnt sich nichts anderes, als seinen Tod.<<

>>Mag ehedem gewesen sein; ehe er das M?del hatte.<<

Der junge Mensch griff sich nach dem Herzen. Wenn der Meister um des Weibes willen, um seiner sehnlich Begehrten willen, abstand von dem ?bergrossen und sich im Get?ndel niederliess, dann war f?r ihn das allerletzte dahin. Dass er die Helena erst hinnahm, aber dann dem Gott, mit h?hnischem Dank, wieder zustellte, das h?tte er ihm zugetraut. Aber dass der weitgewagteste aller Menschen -- -- Nein!

>>Der gibt sich weder gefangen, noch gibt er sich zufrieden,<< sagte Stainer endlich. >>Lasst ihn. Er wird Euren letzten Dienst nicht brauchen. Auch k?nnt Ihr ihm nicht an. Nur er sich selber. Und das wird geschehen.<<

Der fremde Mann trat kurz lachend in die Nacht zur?ck und Sympert sah, wie lang der Oberleib des kleinen Kerls war und wie abscheulich krumm und verdreht seine Beine. Ihn ekelte.

Was alles dem Meister nach dem Leben strebte, das er doch selber l?ngst verachtete! -- Aber wenn sich der Faust dennoch aufl?ste in dieser sp?ten Liebe?

Mit Zweifeln und Verzweiflungen sich umherschlagend, ging der junge Mensch, der sich in den Todesgedanken so merkw?rdig verstrickt hatte, nach Hause.

Faust oben blieb allein und unbehelligt.

Er stand immer noch vor seinem hingeworfenen, roten Mantel und trug beinahe selber Scheu, das greulich zum Leben erweckte schwarze Rund wieder zu enth?llen; -- so, in einsamer Nacht. Endlich riss er doch die Schaube fort und lachte kurz und kr?mpfig auf. Ihm tat es nichts. Er wischte die Kohle weg, die f?r den Meister nichts als Kohle war, so leicht, wie der loseste Spinnweb. ?berall flog sie nichtig umher, als er sie zerst?ubte. Dann ging Faust in der Stube hin und wider.

>>So hab' ich sie! Jaha, so hab' ich sie: Das ewige, versteckte M?tterchen! Ich soll den Affentanz mittun, weiterf?hren und teilhaben an dem Spottgewimmel; jaha! Und wenn mein Sohn Kaiser w?rde:

>>Was ist mir, Fausto, der Kaiser? Ein allen voraustanzend' arm' Prunk?fflein; immer auf sein eigen Spiel bedacht. Dem?tig Dienst und Erkenntnis seines Amts hat er nicht in sieben Tagen seines Lebens. Und dann hat er dumme und rohe Einfl?sterer dazu. Nein, mein Sohn w?r mir zu gut, um Kaiser zu werden. Und was w?rd' er dann sonst? Wie ekelfett sind diese Herzen von V?tern, die ihre eigene Brut mit and?chtiger Liebe salben, bloss weil sie, in ihrer verdeckten Eitelkeit, vermeinen, die w?ren von ihnen!

Er schritt wieder auf und ab, dann blieb er stehen:

>>Und k?mpfte ich vergebens gegen ihn, der sich des Symbols der Erden, des lechzenden Weibes, bedient, um Liebe zu heucheln, die nur Eigenliebe ist? Gegen die Weiber soll ja Eisen und Feuer vergebens sein! Und k?mpfte ich vergebens, -- ich, der eine? Gibts was Sch?neres, als der Einzige sein, gegen alle?!

O du, o du, o du!<< Und der ergrauende Mann mit den Irrlichtaugen sch?ttelte die Faust gegen den Himmel. Dann lachte er, sagte: >>Da ist er ja gar nicht, Narr.<< Und presste die Faust gegen seine Brust.

Am andern Tage war der Doktor von Innsbruck fort und sowohl die Sp?her des sich verhalten und vorsichtig geb?rdenden, aber im tiefsten vor Wut rotgl?henden Griechen, als auch das besinnungslos liebende M?dchen stellten ihm vergebens mehr die Wege ab. Er aber reiste durch eine jener geheimen K?nste, wie er sie dem Studenten gezeigt hatte, nach der Stelle in den Bergen, wo sich der weisse Kalk vom roten Porphyr zu jener grauenhaften Kluft abgespalten hatte. Dorthin kam ihm nach wenigen Tagen schon der junge Stainer nach, stillgeworden, in gepresster und zusammengehaltener Verzweiflung. Mit dem arbeitete nunmehr Faust Tag und Nacht. Es war alles so weit gediehen, dass beinahe unausgesetzt die schreckliche gr?ne Stickluft unter der fortw?hrend hinuntersp?lenden S?ure aus dem Braunstein trat und sich ins bodenlos scheinende hinuntersenkte. Faust hatte die Tiefe zu ermessen versucht und erwartete nunmehr mit klammem Herzen, ob es endlos dauern w?rde, bis die gr?ne Bluthustenluft so weit stieg, dass man an sie herniedermessen konnte; denn sie sank, gleich einer schweren Fl?ssigkeit, immer wieder in die Tiefe. Um das zitterte der grosse Zerst?rer, dass die Erde dort unten einen geheimen Nebengang haben k?nnte, der uners?ttlich von seinem Werk abtr?nke und fr?sse, so dass er wohl bis zum j?ngsten Tage da den Braunstein zersetzen konnte. Aber da er zur Probe immer wieder lebende Tiere, in einem Korb an endlosen Schn?ren, in die Tiefe kurbeln und dann wieder in die H?he ziehen liess, da kamen sie, eines Tages endlich, nicht mehr lebend zur?ck. So oft er den Versuch wiederholte, immer waren sie drunten erstickt und rochen schandbar nach dem reissenden, gr?nen Gift. Nun besorgte er freilich wieder das Gegenteil, die Kluft k?nnte nicht tief genug sein und verbrachte Tag und Nacht mit verzweifelten Berechnungen. Aber es schien alles zur Gen?ge richtig zu sein. Dann stemmte er die Arme empor und lachte die Sonne jaulend wie ein Verr?ckter an.

Er schien g?nzlich besessen, und ebenso verzaubert und benommen war auch der junge Mensch, den er sich da gez?gelt und gerichtet hatte. Sie redeten beinahe nichts miteinander, trieben ihr Werk mit zusammengebissenen Z?hnen und arbeiteten und arbeiteten, zwischen dem wimmelnden und scheuen Knappenvolk, das zwar allerhand Sagen tuschelte, aber immer von dem einen Gedanken wieder gel?hmt und verdummt wurde: Gold.

Kurze Zeit aber vor dem Tag Christi Geburt kam Helena Chrysoloras zu den unheimlich schaffenden M?nnern.

Manuel, ihr Vater, hatte sie hart angefahren. Dann in sie geredet, was Menschenberedsamkeit vermochte. Hatte sie ber?uchert. Hatte sie durch Priester beschworen, dass sie entzaubert w?rde. Aber sie weinte nur um Faust. Man hatte ihr seinen etwas hohen R?cken bis zu einem Buckel grossgelogen. Aber sie wurde nur um so irrer und verzweifelter, indem sie ausrief: >>Dann, wenn er so h?ckrig ist, weiss ich, warum er mich verl?sst: Ich bin immer noch nicht sch?n genug, um all' das gutzumachen, was ihr an ihm H?ssliches entdeckt!<< Zuletzt war sie all' ihrem Anhang, ihrer Freund- und Verwandtschaft heimlich entwichen und kam, eine halb Gest?rte, in den w?sten Felsen an, in denen der verlorene Faustus arbeitete.

Faustus war durch die ?ble Luft und durch die ungeheure Erregung und Anspannung aller Seelenkr?fte ganz gelb im Antlitz geworden; sein Sch?ler aber glich schon grauem Papier, wie jenes ist, aus dem die Wespen ihre Nester bauen.

Es ist wohl wahr, dass beide immerzu von neuem f?rchterliche Kr?mpfe und K?mpfe in ihrem Innersten mit der Verzweiflung des Lebens zu durchtoben hatten, das sich aufschreiend ins Sonnenlicht zur?ckretten wollte. Es war nur merkw?rdig, dass der Junge diese entsetzlichen, masslos reissenden Todes?ngste viel weniger und auch seltener versp?rte, als der Faustus, dem sich alles Ingeweide wand und wehrte, je n?her er an sein Ziel zu kommen w?hnte. Fr?her hatte er an dem Wagnis, immer knapp an den Rand des Wahnsinns oder des Todes heranzutreten, ein verderbtes Gefallen gefunden. Jetzt zerfrass ihn die bedingungslose Feigheit der Kreatur oft so sehr, dass er w?hnte, sich nie und nimmermehr aufraffen, sondern ihr unterliegen zu m?ssen. Es ist auch das einzige v?llig ?bermenschliche an ihm, dass sein Stolz und seine rettungslose ?berzeugung vom Unrecht und der Torheit Gottes sich immer wieder aus diesen Vernichtungen emporwanden und er, wenn er n?chtens die Helena und ihre kleinen Kinder jammervoll herbeigerufen und zur?ckgew?nscht und die liebe Sonne sein Eins und Alles genannt hatte, am Tage wieder verbissen und eisern wurde.

Der Student war v?llig seiner Melancholie verfallen und so stumpfsinnig, wie ein Tier in der Tretm?hle. Er begeisterte sich nicht mehr, er liebte nicht mehr und hasste nicht mehr, wollte nichts mehr ergr?nden noch wissen, sondern trieb, wie ein Aas auf dem Flusse, wesenlos kreiselnd dem Untergange zu. So musste Faust ihn haben und so allein war er zuverl?ssig und zu gebrauchen.

Aber da geschah das Unerwartete.

Der verlorene und gest?rte Sch?ler stand h?stelnd am Abgrunde des Felsenschachtes und sah glasaugig zu, wie die F?sser mit dem Hirschhorngeiste, der entsetzlich aus ihnen hervorstank, in die Tiefe gelassen wurden. Da trat ein Wesen neben ihn und erfasste flehend seine Hand, kniete vor ihn hin, k?sste gar diese seine eiskalte Hand. Er starrte sie an.

Der kahle Wintersonnenschein fiel auf ihr wirres Haar, und obwohl das nach Art einer Begine nonnenhaft gekleidete Wesen an den Schl?fen ganz weiss geworden war, so ergl?hte noch ihr Scheitel, wie sie die Stiftsfrauenhaube zur?ckzog, im traumhaften Golde einer zersprungenen, seligen Erinnerung.

Helena!

Der Bube starrte seine Base an.

Eine Zerst?rung ohnegleichen hatte ?ber diese r?hrende Sch?nheit hinweggefegt. Um die Augen waren Gramsprenkel ringsumher und tiefste, tierische Angst starrte heraus, wenn man in ihre Sterne sah. Der Mund war scharf und heruntergezerrt; ein Winkel hing willenlos und greisenhaft hernieder und nur die feine, klare Nase war sich ?hnlich geblieben. Bloss war sie leidvoll schmal und kindlich geworden.

Immer noch starrte der Student in die Verw?stung. Unfern von ihm sass der Faustus; der schien davon zu wissen und hatte seinen zottigen Kopf wie ein Trotzender vergraben. Alles kam dem Studenten wie ein grauenhaft unwahrscheinlicher Traum vor. Er rang nach Atem und bekam einen ganzen Schwall H?llenluft in die Lungen. Jetzt sah er in die Tiefe. Da wirrten die Schn?re hinunter, liefen die Taue der Flaschenz?ge, an denen immer neue F?sser voll Stank in das Eingeweide der Erde versanken.

Mit einem neuen Entsetzen stierte er wieder auf die, welche seine allersch?nste und allerfernste Base gewesen war.

Die nickte traurig und jammervoll. Aber es schien, als sei ihr die Gabe der Rede v?llig geschwunden. Genau ebenso, wie jene ungebornen Kindlein, die sie in ihrer rasenden Sehnsucht und Bezauberung gesehen, so bewegte sie die m?mmelnden Lippen. Es sah elend und herzzerstechend aus, aber sie brachte kein Wort hervor und keinen Ton.

Die Knappen wimmelten an den W?nden des Schachtes umher, klebten daran oder hingen an Seilen, alle h?stelnd, so dass es wie ein ewiges Ticken und Tr?pfeln klang; alles ganz unwirklich. Alles ameisenhaft. Alles wie heller Hohn auf Menschen. Gold glaubten sie zu erkrabbeln und fingerten und hantierten f?r den entsetzlichen Tod. War es j?mmerlicher oder war es ver?chtlicher, dass all' das einen solchen Sinn hatte? Und das ganze Leben, war es nicht dasselbe Fingern und Hantieren und Wimmeln um einen sicheren Tod?

Wie hatte der Faust geh?hnt? 'Die Menschen sind die immerw?hrenden Leichenmaden am ewig faulenden und ewiglich sterbenden Leibe Gottes!'

Da ging ein Riss durch die ganze Seele des schwerm?tigen Knaben. Ein Riss, den das Wesen nicht mehr aushielt. Die zerst?rte Sch?nheit der hinreissend Geliebten, das Madengewimmel der Menschlein ringsum, der Gestank; -- der stumpfe H?llenmeister da dr?ben! Es war so gr?sslich, dass das erwachende junge Blut augenblicklich ?berkochte und ins Rasen geriet.

Er, der Student Sympert Stainer, musste zerst?ren, was zerst?rt sein wollte. Die N?he? Oder die Ferne mit? Ob die ganze Erde, ob nur sich und diese jammervolle Umgebung, gleichviel, es war nicht mehr zu ertragen. Und, beinahe im Augenblick, wie dieser schmerzhafte Riss durch sein ganzes Wesen zerrte, sprang er zum grossen und wohlverwahrten Flaschenzuge hin, dessen Geheimnis nur ihm und Faust bekannt war, l?ste ihn und zog mit wahnwitzverzerrtem Angesichte, das vor Anstrengung ins Blaurote quoll, an dem Todestau.

Die Chrysoloras faltete die H?nde, als betete sie. Wusste sie, was das bedeute?

Es war, eine ungeheuerlich scheinende Weile, ganz stille und man h?rte kaum aus der Tiefe ein Gurgeln und Rieseln und dann ein st?rkeres Rauschen; zuletzt ein Kollern, und dann war Ruhe.

Fahl und entseelt wie ein Betrogener schaute Stainer um sich. Sollte alles fehlgerechnet gewesen sein und war auch hier die ewige Unzul?nglichkeit am Werke, die, nach Fausti Hohn, ganz allein diese Erde am Leben erhielt?

Da aber schoss es aus der Tiefe br?llend und grauenvoll empor, wie ein vertausendfachter Geyser Islands. Nur nicht kochendes Wasser. Aber Feuer, Steine, gr?ne Stickluft und ammonisches Gas durcheinander, das sich wieder zu Feuer und Krachen vereinte. Eine H?llengarbe, eine Protuberanz, unm?ssig und scheusslich in die Luft fahrend. Fast senkrecht hinauf gegen die Sonne, als h?tte Satan selber eine Faust gegen Gott ausgereckt, so t?richt und j?mmerlich und frevelhaft, wie Faust die seine.

Was in der N?he war, das zerriss in Winzigkeiten und flog mit empor.

Der Schlund spie alles, was man ihm gegeben, wie aus einem ungeheuren Blaserohr, in einem engen Verderbensstrahle in die H?he. Bloss oben, in den Wolkenh?hen trieb das aufgeschossene Ungeheuer sich auseinander, wie ein riesenhafter Giftschwamm, dessen Stiel kaum mehr sichtbar war, dessen Hut dort oben aber strotzte, sich zerballte und faul auseinanderfiel. Auf die steinige W?ste dieser H?hen sanken Rauch und Staub und Stickluft tr?ge hernieder; ihnen voran prasselten ungez?hlte Steinmengen, vor denen zerstob, was bisher an aufschreiendem Menschenleben noch im Runde festgebannt war.

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