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Read Ebook: Der Satansgedanke by Bartsch Rudolf Hans

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Ebook has 121 lines and 8506 words, and 3 pages

Der Schlund spie alles, was man ihm gegeben, wie aus einem ungeheuren Blaserohr, in einem engen Verderbensstrahle in die H?he. Bloss oben, in den Wolkenh?hen trieb das aufgeschossene Ungeheuer sich auseinander, wie ein riesenhafter Giftschwamm, dessen Stiel kaum mehr sichtbar war, dessen Hut dort oben aber strotzte, sich zerballte und faul auseinanderfiel. Auf die steinige W?ste dieser H?hen sanken Rauch und Staub und Stickluft tr?ge hernieder; ihnen voran prasselten ungez?hlte Steinmengen, vor denen zerstob, was bisher an aufschreiendem Menschenleben noch im Runde festgebannt war.

Und zum Prasseln der herniederfallenden Steine rollte die Erde ihren Antiphon dazu. Das schwarze Loch, das zuerst weiter auseinanderzuklaffen schien, schloss sich unter den sich neigenden Felsen. Mit Donnern rollten die endlosen Gesteinsch?tten hinunter und versiegelten es auf ewig.

Der Riss zwischen Kalkfels und Porphyr, der bis zu den Feuergr?nden der Erde f?hren sollte, war nicht mehr.

Der ihn n?tzen hatte wollen stand aber immer noch, weitaufgerissenen Auges und ragend, und beinahe erwartend da. Rundum schmetterten die Steine hernieder und zerschleuderten Mensch und Wagen und Zugvieh. Er stand und starrte und lauschte.

Eine unermessliche Wolke von Staub und Rauch h?llte die ganze Gegend ein. Ihrer inmitten stand und wartete immer noch der Faust. Er blieb ungetroffen, blieb innerlich ebenso unber?hrt vom Entsetzen des Geschehens. Er hatte nichts als eine grenzenlose Verwunderung, ein Ringen nach Erkl?rung in sich, und einen heissen Schreck: >>Hei, zerreissts wohl jetzt die Erden?<<

So ungeheuerlich war der Satanspfiff aus der Riesenfl?te gefahren, dass der Faustus wirklich glaubte: >>Ich hab' den j?ngsten Tag angerichtet, mag alles mit mir zum Teufel sein.<< Mehr und anderes dachte er nicht, wie denn, im Augenblick des Allergr?sslichsten, dem Menschen oft weder Verstehen, noch Entsetzen, noch grosse Worte und Begriffe zu Gebote stehen, sondern zumeist nur ein volkst?mlich derber Ausruf.

Aber so lang er auch in der Wolke stand und ihm der Atem klammte, es geschah nichts mehr. Bloss im Berge grollte und rollte und donnerte es noch lange nach.

Dann verzog sich der Rauch. Etwas Sonne kam wieder hernieder und mit namenlos entg?tterten Augen sah der Faustus, wie winzig sein Werk sich gehabt hatte.

Es waren etliche Dutzend Knappen erschlagen, die andern waren verkrochen und gefl?chtet. Ein paar Zugtiere lagen tot, einige versuchten auf die Beine zu kommen, andere rasten ?ber die Hochfl?che wildscheu dahin.

Faust sah noch, wie ein Gespann an den Felsrand kam und abst?rzte, sah es haargenau und stand immer noch, -- wie gel?hmt von so j?her L?sung so entsetzlicher Spannung, -- w?hrend seine Augen und Ohren gleichm?tig weiterzuarbeiten schienen.

In der N?he kniete die Chrysoloras und schluchzte.

Wahrlich, die konnte schluchzen!

Vom Famulus war keine Spur zu sehen. Der war in Nichts zerspr?ht worden. Der Gebenedeite! Er war es los und ledig. Vor Fausti eigenen Augen aber war die ganze Kraft seines Manneswillens vernichtet. All sein Wesen zerstob mit in diesem Misslingen. In ihm blieb nichts mehr. Pl?tzlich kam eine grauenvolle Angst ?ber den T?ter gekrochen. Alles misslungen und er der Schuldige? Der goldene Galgen? Der Hass und das Geschrei der unsagbar ver?chtlichen Menge, die er wegschaffen hatte wollen? In die H?nde der Menschen fallen? In die H?nde der ewigen Niedrigkeit und H?sslichkeit? Der Mann war dahin, -- zum ersten Male erwachte das kindische Alter.

Da rannte er um sein Leben; er, der aller Leben hatte gefordert.

Immerzu gegen Nordwesten, wo die Grenze am n?chsten war. Er musste das Finsterm?nz gewinnen, ehe ihm die Ferdinandischen Reiter oder die Spione des Chrysoloras auf dem Halse waren.

Die Angst griff ihm erbarmungslos ins Genick. Er stolperte, raffte sich auf, ?berlegte, sparte bald Kr?fte, dann schund er wieder aus seinem alten Leibe mehr Eile heraus, als der hergeben konnte.

Den Rhein hinunter, am Bodensee auf kleinem Kahn, bettelarm und ohne Hilfe, als sein Flehen bei armen Leuten schuf, die ihm k?mmerliche Nahrung gaben, so kam der Faust in Kostnitz an und wagte dort aufzuatmen; aber nur wie einer, dem Frist, nicht Gnade gew?hrt worden war. Er schrieb einen langen dem?tigen Brief an den r?mischen K?nig ?ber sein Ungl?ck und wie der Student das Unternehmen vorschnell zerst?rt h?tte. Man m?ge die Chrysoloras ausfragen, die dabei Zeugin gewesen sei: er h?tte sich nicht vor der Rache oder Strafe seines gn?digsten Herrn, die er ganz und gar nicht verdient, sondern nur vor dem Grimm des Bergknappenvolkes gefl?chtet. Und damit ging es weiter; -- unw?rdig, klein, zerbrochen, zitterndes Gebettel um's Leben und um den armseligen Tag!

So war Faust geworden.

Immer sass ihm das Grauen im Nacken. Er wusste, einer setzte im stetiglich nach; er sp?rte es im Wachen und im Traume und er gebrauchte verzweifelnd alle seine verwirrenden, magischen Betr?ge, um den zu verhindern, zu verschrecken, aufzuhalten, abzulenken, vor dem er so namenloses Grauen hatte. Aber er f?hlte, es h?lfe wenig. So zerrte er sein j?mmerliches Leben weiter rheinabw?rts, am brausenden Falle vor?ber, ohne auch nur einen Augenblick zu denken: >>Wirf dich hinein.<<

Nur in Sicherheit sein, nur atmen, nur leben d?rfen!

Damals waren das Elsass und der Breisgau die einzigen und letzten St?tten im ganzen r?misch-deutschen Reiche, wo Landfahrer aller Art, Gauner, Nigromanten, Hochstapler und Dirnen noch Unterschlupf fanden, wenn sie anderswo schon ?berall ausgetrieben und verbannt und verhasst waren, gleichwie Faust. Dass der Breisgau dem Hause ?sterreich zugeh?rte, k?mmerte den Faust nicht so sehr, denn Kaiser und K?nig waren mit ihm in Schuld und er hatte meisterlich verstanden, sich zu reinigen und zu verantworten. Mochte man den Urteilsspruch ?ber den l?ngst zerrissenen Buben ergehen lassen, damit sich das Volk beruhigte. Ihm konnte von der allerh?chsten und mitschuldigen Stelle nicht leicht etwas widerfahren, weil man seine hinterlassenen Aufzeichnungen f?rchten musste, nun er Zeit gehabt hatte, die in Sicherheit zu bringen. Das hatte er dem r?mischen K?nig auch zu merken gegeben: er m?ge seines eigenen Rufes, zugleich mit Fausti Leben, schonen.

Aber der Vater, der vielverm?gende Vater, dem sein Kind zerst?rt worden war durch den Verf?hrer!

Es war auch so: Der immerzu kalte Geldmann hatte endlich seines Lebens grosse Hitze bekommen und er verhohl seinen berechnenden Grimm, wie er sonst nur grosse Gesch?fte zu verbergen suchte. Der Nigromant musste f?r sein Kind dahinfahren: unbereut, ?berrascht und somit der ewigen Verdammnis geweiht. Daran glaubte Herr Chrysoloras, der streng gl?ubig war, wie viele kalte Rechner, ganz festiglich.

Er liess sich Zeit. Er liess das Jahr bis knapp an seinen Rand dahinrinnen, um den Faust sicher zu machen, der endlich in seinem letzten Neste bei Staufen in Breisach sass, wo er seine paar Sch?tze und Habseligkeiten zusammen mit den B?chern verwahrt hielt und ein kleines Laboratorium in einem verlassenen Weingartenh?uschen vor der Stadt hatte.

Chrysoloras liess sich Zeit. Er sagte sich, dass der leichtsinnige Abenteurer sehr schnell wieder zu hoffen beginnen w?rde. So verging das Weihnachtsfest und alles blieb stille.

Dann war der letzte Tag des eintausendf?nfhunderteinundvierzigsten Jahres nach der Geburt des Herrn.

Wieder ein Jahr herum. >>O weh, wohin sind gangen alle?<< -- -- --

Der Faustus war jetzt vollkommen einsam und gar niemand kam zu ihm: Kein Kranker, kein forschbegieriger Student. Dunkle Kunde von einem greulichen Ungl?ck, das er im Lande Tirol angerichtet oder an dem er doch mitschuldig geworden war, tr?pfelte bis in das St?dtlein, vor dessen Toren er, einsam und gemieden, seinen letzten Schlupfwinkel bezogen hatte.

Wieder ein Jahr herum! Ein Jahr, in welchem ihm das sch?nste M?dchen aus antikem Blut, das liebreichste Weib der Christenheit h?tte k?nnen beschert sein. Er hatte es in frevlem ?bermut zur?ckgewiesen und das wunderbare Gebilde Gottes zerst?rt. Das war das Werk dieses Jahres gewesen. Er hatte Mord angestiftet an einem Manne, der ehrlicher und tiefer seinen Lebensweg gegangen war, als er und der Menschheit grosse Geheimnisse freigegraben hatte. Er hatte dann das Werk Satanas auf eigene Schultern laden wollen, und? Und hatte ein mittelgrosses Bergwerksgr?uel angerichtet, das vielleicht sogar bald vergessen gemacht werden konnte, wenn der r?mische K?nig sehr verlegen dar?ber geworden war.

Nichts, nichts. Zerst?rzt, verjammert, verh?hnt und umsonst war dies Jahr gewesen, wie alle andern. Der tiefgeb?ckte, graue Faust, der jetzt noch viel ?lter aussah, als er war, sass, krummgezogen von seinem Elend und seiner entnervenden Kleinheit im kahlen, scharfriechenden Laboratorium und fror j?mmerlich. Niemand fachte ihm Feuer an. Zuletzt, als er zu all' seinem Elend den Sch?ttelfrost bekam, stand er doch selber aus seiner m?den Willenlosigkeit auf und legte Scheite und zusammengescharrtes Reisig in den Kamin. Aus der Stadt her?ber schlugen die Uhren die elfte Nachtstunde. Der S?dwind fegte durchs Rheintal, kam aus dem M?nstertal herzu und umkreiselte heulend das Haus. Die Flamme k?mpfte und Faust schaute dem unschuldig gebliebenen H?llenkinde zu, das er immer geliebt hatte. Die W?rme kroch an ihn heran. Etwas, wie eine Bereitschaft, weiterzuleben, wagte in ihm, schmerzlich zuckend, aufzuwachen. Er dachte daran, wie jetzt in den Reben vor seinem H?uschen ein erstes Ahnen auftr?umen mochte, dass es wieder ein Weinjahr geben k?nnte. In diesen Tagen stellten die Weinbauern die abgeschnittenen Probezweiglein ins Wasser und beobachteten scharf, wieviel Kraft heuer in den Ranken angesammelt sein m?chte. Trieben sie ?berm?tig und viel, so war, wenigstens der Menge nach, ein gutes Jahr zu erwarten. Faust dachte daran, wie die Weing?rten den ganzen Berg ?ber dem St?dtlein bis zum Schlosse hinaufkletterten und im Sommer ?berm?tig gr?ne F?hnlein schwenkten. W?r' man doch nur eine Pflanze! W?r' man doch nur eine Rebe und kein Mensch! Wieviel Freuden, wieviel Erl?sung geben die. Und er?

Ach, er w?re auch als Weinstock so geworden, dass bei dessen Trunk die Menschen sich viehw?tig in die Haare und an den Hals gesprungen w?ren!

Er hatte der Liebe nicht. Er war verflucht und nun musste er noch erleben, dass er zur Kleinheit verflucht war. Das hatte er noch niemals in seinem Leben wahrhaben wollen.

Was kam noch? Was stand noch vor ihm?

Eine Uhr tickte stark und langsam in der Stube des Faust. Die eisernen, grossen R?der taten einen harten Gang durch Myriadenst?ubchen der Zeit hindurch, welche sie messen mussten. Hoffnungslos horchte der Faustus hin. Es ist ja dem gesunden Menschen zu Nacht schon das Uhrticken oft, als versickere da sein Blut und er m?sse zuh?ren, wie ein jedes Tr?pflein, mit dem Pendelschlagen zugleich, in den unterirdischen See der Trostlosigkeit hineintr?ufelte. Nun aber er, in des Jahres letzter Stunde: in eines solchen Jahres letzter Stunde! Gealtert, elend geworden, ruiniert bis in den letzten Winkel der Seele. Und dabei das habgierige Anklammern des beginnenden Greises im Herzen, das sich mit einem Male sonderbar geizig werdend, mit mageren Avarenfingern an das abgedorrte Leben krallt.

Die Uhr ging, gleichm?tig, als st?nde sie da als Anwalt des Gottes wie er ihn sah: ewig gesetzesstarr, f?hllos, und mit der gleichen Grausamkeit. Aus ver?deten Augen sah der Faustus hin auf sie und verstand sie.

Eisiges Grauen kroch ihm ?ber den sorgenhohgewordenen R?cken herauf. Er wollte die Gespensterkatze, die ihm da am Buckel entlangschlich, wegsch?tteln und fuhr herum. Da sah er in einen Spiegel und erblickte sich selber. Er entsetzte sich mehr, als wenn er irgend etwas Jenseitiges gesehen h?tte.

Unm?glich war es, dass er sich auch nur einen Augenblick l?nger betrachten konnte. Er wendete sich trostlos und dumpf verzweifelnd nach dem Fenster und wollte in die Nacht schauen. Denn da war doch wenigstens das Nichts; nicht das zerreissende Etwas, der anklagende Rest dessen, der sich Faustus genannt hatte und der ihn leerer ansah, als ein Gespenst.

Da aber ward es nur schlimmer. Menschenaugen, freche Menschenaugen stierten aus einem ledergelben, breiten Angesicht von draussen auf ihn.

Deutlich sah er die Augen und einen grinsenden Mund mit mehreren, ungleichen, schw?rzlichen Z?hnen. Da ging es einmal umgekehrt, als wie es bisher immer ergangen war, wenn der Doktor Johann Faust mit Menschen zusammengeraten war. Er wurde wie eine erstarrende Schlange; er vermochte kein Glied zu r?hren und in diesem St?cke Holz, zu dem er erkaltet war, flossen nur unbeschreibliche Str?me des Entsetzens hinauf und hernieder.

Es war der Kerl des Geldmannes.

Langsam griff er durch eine der zerbrochenen Butzenscheiben, die mit Pergament verklebt war, hindurch und die krallige Hand ?ffnete den Riegel des Fensters innen; auf taten sich die Fl?gel. Dann sprang das Gesch?pf des Nichts mit einem hunnischen Satze ins Zimmer herein.

>>Was willst du?<< wollte Faust sagen; aber es erging ihm wie im Traum, wenn uns die Trud Herz und Stimme abdr?ckt. Bloss seine Lippen bewegten sich, farblos und krampfig.

Der Kerl stand auf seinen krummen Beinen vorsichtig da und sah sich ringsumher in der Stube um, ob irgend Fallen da sein k?nnten oder gar Hilfe f?r den Doktor. Aber da war nichts als das niederbrennende Kaminfeuer; keine Retorte daran, die platzen h?tte k?nnen und kein ihm unbekannter Apparat. Ein paar Waffen hingen an den W?nden, die sah die Kotgeburt nur mit Grinsen an. Das Greislein da konnte sich ihrer gegen ihn ja nicht bedienen, der im Gebrauche der Waffen flink und blutd?rstig wie ein Wiesel war.

Er kam, immer noch etwas behutsam und abwartend, an Faust heran, weil ihm dessen Gebanntsein nicht ganz geheuer vorkam. Vielleicht hatte der endlich festgelegte Fuchs doch noch im Geheimsten irgend eine Finte, die ihm, dem Abrechner noch unbekannt war. Aber er sah, wie das Antlitz des Doktors immer grauer wurde, wie weisse Ringe des Entsetzens sich um dessen Augen bildeten und wie das Weisse der Augen selber immer unnat?rlicher gross wurde.

Das kannte er und nickte grausam und sachverst?ndig. In den Schlachten, wenn die Kriegsleute der Hundsfott ?berkam, dann sahen sie so aus. Das Weisse in den Augen wurde entsetzlich gross bei denen, die den Tod erkannten und vorkosteten. Er hatte ihn sicher und fest, den Doktor.

Kein Wort war geredet worden.

Erw?gend und absch?tzend kam der krummbeinige Kerl an sein Opfer heran und immer noch konnte sich Faust nicht r?hren. Er erkannte in dem n?chtlich Gekommenen Den, den er von je vernichten gewollt. Den H?sslichen an Leib und Seele; den Ausgesch?mten, den Mord- und Lebensgierigen, den, der nie verdiente, auch nur erfunden und gedacht zu werden und der durch sein Dasein der f?rchterlichste Vorwurf war, den man Gott antun konnte.

Das, das war >>der Mensch<<, wie er ihn immer gesehen hatte.

Wie er ihn immer wegtilgen gewollt.

Der Mensch, den Faustus im tiefsten hasste. Sauber herausmodelliert mit allen Gaben, die bewusste, rettungslose Bestie, die Schandkrone der Sch?pfung! Darum die Starrheit Faustens vor dem, was ihm da entgegenlauerte.

Noch einmal warf der Kerl einen kurzen Blick um sich, mass die Entfernung, seine Kr?fte und Fausti Gestalt, und fuhr ihm dann an die Kehle.

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