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Read Ebook: Ratsmädel- und Altweimarische Geschichten by B Hlau Helene

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Ebook has 1342 lines and 49637 words, and 27 pages

>>R?se! Marie! Schliesst das Fenster! Gleich! -- Was f?llt euch ein! -- Der Wind!<< So ruft Frau Rat, die Mutter der Ratsm?dchen, die eben ins Zimmer tritt.

Eine r?hrende Zartheit liegt ?ber der schlanken Gestalt. Der Haushalt mit den wilden M?dchen und Buben, die Kriegsjahre, der ?berernste Gatte, die Geldsorgen, -- das alles ist der fein organisierten Frau zu viel geworden.

Um sie her wachsen die Kinder urkr?ftig in die H?he; sie aber hat etwas M?des, Insichgekehrtes, als wenn sie nur bei sich selbst f?nde, was sie sucht.

Die beiden M?dchen schliessen das Fenster, und das Glockengel?ut dringt nur noch dumpf ins Zimmer.

Der Wind heult im Schornstein. Frau Rat z?ndet die Lichter an.

Das grosse Familienzimmer macht heute ein feierliches Gesicht.

Der runde Esstisch ist blendendweiss gedeckt; statt des einen Talglichtes brennen zwei Wachskerzen auf einem Leuchter unter einem gr?nseidenen, ovalen Schirm.

>>Oho,<< sagt Marie, >>den nimmst du?<<

>>Was denn sonst, Schatz? -- Habt ihr euch die H?nde gewaschen?<<

>>Jawohl, mit Schmierseife!<< antwortet R?se.

>>R?se, mein Kind!<< Frau Rat ist heute bewegt und streicht ihr ?bers Haar. -- >>Gutes Kind!<<

R?se ist von dieser Freundlichkeit so sonderbar ber?hrt, dass sie ihrer Mutter um den Hals f?llt und in Thr?nen ausbricht.

>>Ruhig, ruhig!<<

Der Vater tritt ein, mustert alles und sagt: >>Ist Senf auf dem Tisch?<<

Senf war eben das Neueste.

Und es ist Senf auf dem Tisch, es ist ?berhaupt alles in sch?nster Ordnung; er findet nichts zu tadeln und geht feierlich im Zimmer auf und ab.

>>Charmante Leute!<< bemerkt er und wiederholt es noch einmal: >>Charmante Leute!<<

Niemand st?rt den Vater. Er liebt das >>Anreden<< nicht. Man hat zu warten, bis er fragt.

>>Du k?nntest der Thon, d?cht' ich, noch eine kleine Aufmerksamkeit erweisen,<< wendet er sich zu seiner Frau.

>>Ja was denn?<< fragt diese. >>Wie meinst du denn?<<

>>Ich dachte so etwa ... etwa ...<<

Er schien sich ?ber das, was er eine >>kleine Aufmerksamkeit<< nannte, nicht recht klar zu sein.

>>Weisst du, Kirsten, ich d?chte, wir erwiesen ihr schon eine recht grosse!<< Das sagt sie leise und schaut mit einem Seitenblick auf die M?dchen.

R?se lehnt am N?htisch, m?ssig den Fingerhut der Mutter auf der Platte tanzen lassend. Marie sieht ihr gespannt zu.

>>Ist das eine Art, den Br?utigam zu erwarten?<<

Herr Rat meint das ernst und r?gend aus seiner hohen Halsbinde heraus, im Hintergrunde des grossen Zimmers, zu seiner Frau.

>>Bst!<< macht Frau Rat. -- >>Mein Gott, so jung sollte sie nicht sein. So ein armes Ding!<<

>>I was!<< sagt Herr Rat. -- >>Papperlapapp! Warst du etwa ?lter?<<

Frau Rat l?chelt schmerzlich. Alle Papperlapapps ihres Lebens zogen an ihrer Seele vor?ber. -- Sie l?chelt, -- alle heissen Thr?nen, alles Sehnen, alles Verstummen hatte sich bei ihr zu einem m?den L?cheln herabgemildert, -- oder in ein L?cheln zusammengefasst, -- wie man will.

Apothekers kamen.

Frau Apotheker in der sch?nsten Haube. Des Gatten rundes B?uchlein war mit >>selber gestickter<< Seide ?berspannt und gl?nzte wie ein heiteres Gestirn. Er kniff R?se in die Wange und war vortrefflich gelaunt.

Marie tuschelte R?se etwas zu, indem sie vorsichtig nach den Fenstern des gegen?berliegenden Hauses sah; da zeigte sich eben eine Dame in vollem Putz, in weisser Haube mit blauen B?ndern und im weissen Kleide. Sie ?ffnete das Fenster und hakte die Fensterfl?gel ein, damit der Wind, der durch die Gasse fegte, es nicht wieder zuwerfen k?nnte.

>>Jetzt kommen sie!<< fl?sterte Marie. Und es w?hrte nicht lange, da empfing man bei Kirstens wieder G?ste: Frau Geheimderat Thon und deren Sohn Ottokar Thon, Adjutanten des Grossherzogs Karl August.

Frau Geheimderat Thon begr?sste sich lebhaft mit den Eltern Kirsten, k?sste dann zuerst R?se auf die Stirn, dann Marie.

Sie war die Dame, die aus dem Fenster geschaut hatte. Das weisse Kleid umschloss in langen Falten eine volle, stolze Gestalt. Das sch?ne Busentuch war aus kostbaren gelblichen Spitzen, und eine breite, hohe Haube mit himmelblauen B?ndern beschattete ein energisches, wohlkonserviertes Gesicht.

Ottokar Thon reichte R?se die Hand und f?hrte ihre rundliche Kinderhand dann an die Lippen.

R?se war befangen und schweigsam. Auf ihrem frischen Gesichte aber lag eine grosse, stille Wonne. Sie liess indessen ihrer Schwester Hand nicht los, bis man sich zu Tische setzte.

Noch war das grosse Wort nicht gesprochen; aber sie ahnte, sie wusste alles! Ottokar Thon war erregt; er sprach mit ihr, als spr?che er zu einem lebendigen Heiligtume, -- so etwas scheu, -- und doch ... -- R?sen ?berschauerte es.

Wie er sch?n und stolz in seiner schwarzen, verschn?rten Uniform aussah!

Von dem Augenblick an, als sie ihn zuerst gesehen, war ihre Seele ganz erf?llt von seinen guten Eigenschaften, seiner Gescheitheit und seiner Tapferkeit; er war L?tzowscher J?ger gewesen, und sie hatte auch geh?rt, wie er sich in Wien ausgezeichnet.

Die Schopenhauerin erz?hlte, dass Karl August ihn unb?ndig gelobt habe, und dass Karl August eine Schrift ?ber die Zukunft Deutschlands von ihm kenne, von wahrer staatsm?nnischer Bedeutung.

>>Solch ein Mensch will mich!<<

Das waren R?ses Jubelgedanken. --

R?se sass bei Tisch neben dem lieben, herrlichen Menschen und h?rte zu, wie alle sprachen.

Es war ihr so feierlich und still zu Mute. Und sie musste tr?umerisch an einen Vogel denken, der in seinem Nest auf schwankem, gr?nem Zweige sitzt, das von einem weichen Winde hin und her geweht wird. Die Sonne glitzert durch die dichten Bl?tter, und schafft so ein wohliges, gr?nes Licht um ihn her. Kein Auge sieht ihn; er ist sich selbst genug. Sie f?hlt eine Seligkeit, die ihr noch fremd und neu ist; deshalb macht sie sich unbewusst ein Bild von dieser grossen, stillen Wonne, ein kindisches, s?sses Bild.

Und es waren nicht nur die Gef?hle festlich und heiter; nein, alles und jedes! Zu allererst die Suppe. Eine echte Festsuppe: Gr?nkern mit Kerbelr?bchen. Das war Frau Rats Meisterwerk. Die Kerbelr?bchen, wie Mandeln so fein und klein, zergingen auf der Zunge, und die Suppe duftete wie ein bl?hendes Aehrenfeld. Ganz sommerlich duftete es aus der Terrine und verbreitete sich im Familienzimmer. Warmer Sonnenschein, Lerchengesang vom blauen Himmel, der echte k?stliche Kornduft, ein sanfter Wind, der ?ber die Aehrenh?upter streicht, -- Erdgeruch! Das alles kam, als der Deckel von der Suppensch?ssel gehoben wurde, den G?sten bewusst oder unbewusst in Erinnerung.

Das war die Eigent?mlichkeit dieser Suppe!

Frau Rat hatte den M?dchen gesagt: >>Die Suppe muss sein wie eine Musik oder wie ein Gedicht, die Leute sollen fr?hlich davon werden.<<

Ja, es war eine feierliche Suppe!

Draussen wirtschaftete der Sturm gewaltig. Die Fensterscheiben klirrten, und im Schornstein heulte und jammerte er.

Nach der Suppe gab es einen Karpfen, -- einen Spiegelkarpfen mit grossen, goldenen Schildern und Flecken, den besten Karpfen, den der Hoffischer gehabt hatte, einen Riesen! R?se und Marie hatten nat?rlich mitgeholfen, ihn aus dem Beh?lter herauszufischen, in dessen klarem Ilmwasser die festen Karpfenburschen sich im dichten, goldig flimmernden Gewimmel durcheinander dr?ngten, und den allerherrlichsten hatten sie also erwischt.

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