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Read Ebook: Die Karikatur im Weltkriege by Schulz Besser Ernst

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Ebook has 136 lines and 23074 words, and 3 pages

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Weitere Anmerkungen befinden sich am Ende dieses Textes.

Die Karikatur im Weltkriege

Mit Genehmigung des Polizeiamtes der Stadt Leipzig Abteilung f?r Presse-Angelegenheiten

Die Karikatur im Weltkriege

von

Ernst Schulz-Besser

Mit 115 Abbildungen

Verlag von E. A Seemann / Leipzig

Druck von Ernst Hedrich Nachf., G. m. b. H., Leipzig

Wenn irgend etwas, so spiegelt die Karikatur die Empfindungen der verschiedenen V?lker, ihre Zuneigungen oder Abneigungen, die ganze Stufenleiter ihrer Gef?hle wider. Es ist eine alte Wahrheit, dass die Kultur oder oft besser gesagt -- die Unkultur nirgends packender zum Ausdruck kommt als im Spottbilde. An der Hand der Karikaturen k?nnen wir nicht nur die Stimmung in den feindlichen L?ndern verfolgen, sondern auch die schwankenden Anschauungen in ,,Neutralien" kennen lernen, wo Freunde und Feinde der Zentralm?chte vereinigt leben. So kommt es, dass sich auch in der Karikatur das Drama ,,Weltkrieg" abspielt, das alle ohne Ausnahme in Mitleidenschaft gezogen hat und jedes Land zu irgendeiner Rolle zwingt. Denn immer geringer werden die blossen Zuschauer. Die bedeutenderen Zeichner aller V?lker greifen t?tig in die gewaltigste Bewegung ein, die je eine Zeit erf?llt hat.

Schon der letzte grosse Krieg, den das Deutsche Reich schlagen musste, der von 1870/71, hatte eine F?lle von Karikaturen im Gefolge. Namentlich das besiegte Frankreich stellte eine grosse Masse von Spottbildern her, die sich mehr durch Schamlosigkeit und Roheit, als durch k?nstlerische Werte auszeichneten. Der damals schon 60 Jahre alte Honor? Daumier war mit immer noch recht beachtenswerten Leistungen vertreten. Es ergibt sich eine schier un?bersehbare Menge von vielen Zehntausenden von Karikaturen ?ber Personen und Dinge des deutsch-franz?sischen Krieges. Zwar verm?gen uns -- mit wenigen Ausnahmen -- diese satirischen Kleink?nste ?sthetisch ebensowenig zu befriedigen wie die deutschen Schlachtengem?lde des siebziger Krieges, doch als geschichtliche und kulturgeschichtliche Dokumente sind sie uns wert, als Erinnerung an eine grosse Zeit. Heute hat es der K?nstler der Gegenwart, der mit ins Feld hinauszieht, um Studien zu machen, bedeutend schwerer als seine Kollegen von 1870. Erstens haben sich unsere Kunstanschauungen gewandelt und zwar gr?ndlich, dann aber sieht sich jetzt der Zeichner bei der modernen Gefechtsweise vor eine ungleich schwierigere Aufgabe gestellt als seine Vorg?nger von damals, wenn er dem Erleben sinnlichen Ausdruck geben will.

Eine sehr umfangreiche Sammlung von Karikaturen aus der Zeit des siebziger Krieges besitzt die Berliner K?nigliche Bibliothek, die auch diesmal neben anderen Instituten und zahlreichen Privaten die Ver?ffentlichungen ?ber den Weltkrieg eifrig sammelt. Durchaus nicht alles, was erscheint, ist literarisch und k?nstlerisch bedeutsam, aber echte Sammler heben diese Dinge auf, auch das Kleinste und Unscheinbarste, als verg?ngliche Zeugnisse einer ungeheuer grossen Zeit, mit der ein neuer Abschnitt der Weltgeschichte beginnt.

Wie verh?ltnism?ssig leicht hatten es die Sammlungen und Sammler der siebziger Jahre -- trotz der F?lle des Erschienenen -- gegen die unserer Tage! Zwar in Frankreich ist unter dem Druck der gewaltigen Ereignisse der Born der Satire zun?chst nur langsam geflossen, die K?nstler des Humors und Witzes hatten das Lachen verlernt, oder es war zur Grimasse geworden. Aber die andern L?nder, vor allem Deutschland, wetzten diese Scharte ?berreichlich aus. Gerade weil es niemand, auch den ?ffentlichen Sammlungen nicht, gelingen wird, eine auch nur ann?hernde Vollst?ndigkeit zu erreichen, bietet sich dem einzelnen hier ein fruchtbares Feld. Aber es heisst, rasch zugreifen. Schon sind manche Einblattdrucke und Gelegenheitszeitungen ausserordentlich selten.

Ein trefflicher Massstab f?r die wirtschaftliche Leistungsf?higkeit eines Landes ist seine Fachpresse; ihr Fortbestehen w?hrend der Kriegszeit kennzeichnet am besten die Widerstandskraft eines Reiches. In Frankreich haben viele wissenschaftliche Zeitschriften ihr Erscheinen im Sommer 1914 eingestellt und fehlen zum Teil noch heute. Die grossen Tageszeitungen kommen auch jetzt noch in sehr verringertem Umfange heraus, w?hrend in England und in Deutschland fast die gesamte Presse ohne Unterbrechungen und K?rzungen erscheint und ausserdem eine grosse Reihe neuer fortlaufender Ver?ffentlichungen entstanden ist. Auch das ist ein Zeichen deutscher Kraft und ?berlegenheit. Ja, es ist der F?lle des Guten bei uns etwas reichlich viel geworden! Schon im November 1914 klagten die Buchh?ndler dar?ber, dass jeder Verleger sich verpflichtet f?hle, eine Kriegsgeschichte herauszugeben, und dass es ihnen unm?glich sei, allen W?nschen um Verwendung f?r diesen reichen Segen nachkommen zu k?nnen. Waren doch schon in den ersten Wochen mehrere Dutzend Kriegs-Chroniken in Lieferungen angezeigt worden!

Selbst in den ernstesten Zeiten ist Witz und Satire nicht zu bannen; auch w?hrend dieses f?rchterlichen V?lkerringens lassen sich heitere Augenblicksbilder nicht ausschalten. Und schliesslich, halten wir uns doch immer vor Augen: wirklicher Humor ist nur bei sittlich reifen und wahrhaft ernsten Menschen zu finden. Es w?re ja auch schlimm bestellt, wenn den vielen Millionen, deren Nerven jetzt aufs ?usserste in Anspruch genommen werden, der Sinn f?r den Scherz verloren ginge! Die Karikatur ist eben eine Grossmacht. Ein gut gezeichnetes Blatt pr?gt sich dem Ged?chtnis weit st?rker ein als der sch?nste Leitartikel, und manche Bl?tter k?nnen sogar erzieherisch wirken! Aber der Humor leistet noch mehr: er hilft den Kampf gewinnen. ,,Ich habe hier draussen die Erfahrung gemacht", schreibt der T?binger National?konom Professor Robert Wilbrandt als Ortskommandant von La Roche bei Longwy an den ,,Kladderadatsch", ,,wie wohltuend der Humor aus der Heimat uns ist, gerade jetzt in diesem einzigen Kampf, wo er jubelnd erklingt, wo er so ganz andere Objekte und so viel Grund hat zum Lachen. F?r mich und meinen Zug habe ich durch Bestellung gesorgt; das zirkuliert dann noch weiter. Aber was bedeutet das gegen?ber dem Bed?rfnis; an der Front ist es gewiss noch viel st?rker als hier beim friedlichen Landsturm. Eine nationale Mission ist zu erf?llen. Der Humor schl?gt Schlachten. Im feuchten Sch?tzenloch hilft er mit. Witzbl?tter an die Front! Das ist meine Bitte an Herausgeber, Stifter, Vereine, Liebesgabenspender. M?ge Ihr Blatt diese Bitte beherzigen, unterst?tzen und verbreiten!"

Dem ,,Kladderadatsch", der in den ann?hernd siebenzig Jahren seines Bestehens immer und fast ausschliesslich die politische Satire pflegte und ?ber einen ausgezeichneten Stab von Mitarbeitern, vor allem auch unter seinen Zeichnern, verf?gt, war es nicht schwer, der begeisterten Erhebung der Deutschen Ausdruck in Wort und Bild zu verleihen. Von #Gustav Brandt#, dem Sch?ler der D?sseldorfer und Berliner Akademie, r?hrt seit Jahrzehnten das k?nstlerisch Feinste und Wichtigste her, das der ,,Kladderadatsch" gebracht hat. Weltbekannt sind seine Portr?ts ber?hmter Zeitgenossen, denen er jetzt unter anderm das Bildnis des eigentlichen Urhebers des ganzen Krieges hinzugef?gt hat . ,,Wie dem Kothurnschritt der alten Trag?die das leichte Satyrspiel folgte, so hat der Ernst der Geschichte, so hat der Ernst des Lebens immer den Humor und den Witz zur Seite gehabt, denn nur durch diese Begleitschaft wird der Ernst des Lebens uns ertr?glich gemacht. Es ist dies die idealere Seite unserer Witzbl?tter, wenn sie ihre Aufgabe richtig verstehen," schrieb er beim Erscheinen der ersten Kriegsnummer. Aber auch die andern deutschen Witzbl?tter, und selbst solche, die vorwiegend die gesellschaftliche Satire behandeln, nahmen rasch eine Neuordnung vor. Die Themen, die noch im Juli 1914 die Hauptsache bildeten, versanken vor gr?sseren Aufgaben. Die Kl?nge des ~Two-Steps~ ?bert?nte das Summen der 42er Brummer, und der Tango ging in den masurischen S?mpfen mit unter.

Selbst deutsche Witzbl?tter, die sich sonst von der Politik vollst?ndig fernhielten, haben sich den ver?nderten Verh?ltnissen f?gen m?ssen und bringen nun auch Kriegswitze und Kriegskarikaturen. In den ,,Meggendorfer Bl?ttern" finden sich recht h?bsche Illustrationen von t?chtigen Zeichnern. In den ,,Fliegenden Bl?ttern" ist ebenfalls der sonst den Schwiegerm?ttern, zerstreuten Professoren, Dackeln und stehengebliebenen Regenschirmen geweihte Raum teilweise mit netten, stubenreinen Witzen, die sich in irgendeiner Weise mit dem Weltkrieg besch?ftigen, angef?llt.

Und dabei sind die besten Scherze die ungewollten. Man denkt da an jene alte Frau, die auf die Frage, wie es ihrem Sohn ginge, gl?ckselig antwortete: ,,Ja, zuerst hat er es sehr schwer gehabt, da hatte er wenig Ruhe, aber jetzt kann er in einemfort schlafen." Sie hatte die Worte ,,in einem Fort" missverstanden. -- Als das Ger?cht am Anfang des Krieges verbreitet war, die Franzosen h?tten durch Spione im Elsass die Brunnen durch Cholerabazillen vergiften lassen, erz?hlte es ein biederer Sachse seinem Freunde auf der elektrischen Bahn. Er sprach aber immer nur von ,,Cholera-Pillen", die die Franzosen ins Wasser geworfen h?tten .

Ausserordentlich gross war der Absatz, den die f?hrenden deutschen Witzbl?tter fanden. Der ,,Kladderadatsch" musste einzelne Nummern #siebenmal# neu drucken lassen, ,,Lustige Bl?tter", ,,Ulk", ,,Jugend" und ,,Der wahre Jakob" konnten ihre Gesamtauflagen wesentlich erh?hen. #Solche# Zeitschriften wirken aufkl?rend im Auslande, denn der vom Feinde irregef?hrte Neutrale wird sich sagen, wer so zu lachen vermag, der kann nicht, wie man mir einreden will, geschlagen am Boden liegen. Auch der neu entstandene ,,Brummer" hatte grossen Erfolg. Und die verw?hntere Anspr?che befriedigenden Nummern der ,,Kriegszeit" aus dem Verlage von Paul Cassirer in Berlin, in denen F?hrer der deutschen Griffelkunst wie Max Liebermann und August Gaul dem Geiste der Zeit k?nstlerischen Ausdruck gaben, fanden weit ?ber den Kreis der eigentlichen Graphiksammler hinaus zahlreiche Freunde. Ganz erstaunlich aber war der Umsatz in Postkarten; ein einziger Berliner Verlag verkaufte von Ansichtskarten mit Karikaturen in einer Woche dreiviertel Millionen!

Der Weltkrieg hat mit vielem Morschen und Kranken aufger?umt und reinigend gewirkt, er hat aber auch einen massenweisen Auftrieb von allerhand Schund zur Folge gehabt, der stets von neuem zeigt, wie gering das Verst?ndnis f?r ein so gewaltiges Ereignis noch immer in manchen K?pfen ist. Was allein auf kunstgewerblichem Gebiete, wenn man den Ausdruck kunstgewerblich f?r diese Machwerke ?berhaupt anwenden kann, an Greueln geschaffen worden ist, spottet jeder Beschreibung. Es gen?gt hier, fl?chtig an die 42 ~cm~-M?rser-Schirmst?nder, an schwarz-weiss-rote Kinderb?lle mit der Aufschrift ,,Ich kenne keine Parteien mehr", an die Krawatten mit ,,Gott strafe England", an die Granatsplitter als Vorstecknadeln und die Hindenburg-Schnupft?cher zu erinnern , um sich all diesen Unrat ins Ged?chtnis zu rufen. Das Kgl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart vereinigt in seiner Sammlung der Geschmacksverirrungen die Erzeugnisse jenes After-Kunstgewerbes, das, auf den Ungeschmack der Menge rechnend, den Patriotismus durch Massenerzeugung allerlei kriegsaktueller Attrappen und Surrogatscherze ausbeutet. Leider haben ja auch, wie die letzte Leipziger Messe zeigte, selbst altehrw?rdige und unabh?ngige Porzellanmanufakturen sich von der Mode hinreissen lassen und dem Geschmack der breiten Masse Rechnung getragen. Hier zeigt sich, dass der Krieg das ?sthetische Gef?hl oft sehr ung?nstig beeinflusst. Auch vor den Millionen von Kriegsgedichten packt weite Kreise allm?hlich ein wachsender ?berdruss. Man hat es schliesslich satt, noch weiter akademischen Stil?bungen offizieller und inoffizieller Dichter zu lauschen. Reime wie Rote Hosen und Franzosen, Serben und Sterben, Brummer und Kummer, Japs und Klaps sind in Misskredit gekommen, sodass man sie kaum noch beachtet. Selbst der Reim French auf Mensch, f?r den es bisher keinen gab, , hat allm?hlich an Wert verloren . Auch Joffre und Koffer ist nachgerade abgeschmackt geworden und es ist noch ein Gl?ck f?r den franz?sischen General, dass er nicht Jaffre heisst. Und was von den poetischen Gaben gesagt wird, trifft auch auf die Karikaturen zu. Das Kriegsbild, und nicht zum wenigsten die Kriegskarikatur, beherrscht die Stunde, aber es ist beileibe nicht immer ein angenehmes Herrschertum.

Der jetzige Krieg ist etwas so Gewaltiges, die milit?rischen Leistungen auf deutscher Seite sind so ?ber jedes Lob erhaben, dass sie in der Dichtkunst ebensowenig wie in der bildenden Kunst jemals v?llig verarbeitet werden k?nnen. Was er uns bisher gebracht hat, ist weder eine neue, noch eine besonders eigenartige Kunst. Eher darf man behaupten, dass er durch viele Tausende von flachen und minderwertigen Dingen kunstvernichtend gewirkt hat. Was von den ,,Mundbarbaren" gilt, trifft zu einem grossen Teile auch auf die ,,Barbaren des Griffels" zu. Da sind beispielsweise die sehr unerfreulichen Sch?tzengrabenwitze und -Illustrationen. Wollte man den Zeichnern glauben, so lebte es sich dort wie in einer Laubenkolonie. Unwahrhaftigkeit ist es, was so viele Bilder unverdaulich macht. Vielfach st?rt auch die allzu h?ufige Wiederholung des gleichen Vorwurfs, das st?ndige Wiedererscheinen der gleichen Typen, wie bei dem als Portr?tmaler sonst gesch?tzten Ernst #Heilemann#. Hin und wieder gelingt ihm aber auch ein originelles Blatt, wie die internationale V?lkerschau unserer Gefangenen, die in gr?sserem Formate und mit der Unterschrift ~,,Quelques champions de la civilisation, de la libert? et du progr?s"~ in Belgien angeschlagen wird, damit die Belgier ihre verb?ndeten Kulturtr?ger: Neger, Hottentotten, Menschenfresser und andere Gentlemen stets vor Augen haben. Diese farbige Zeichnung ist auch als Postkarte mit franz?sischem Texte vom deutschen Grossen Hauptquartier im Westen verschickt worden. Aber auch dieses Thema ist in witzigerer Art in einer Karikatur behandelt worden, die ~,,The Fatherland"~ brachte, jenes in englischer Sprache in Nordamerika von Deutsch-Amerikanern herausgegebene Blatt, das die deutschen Interessen in den Vereinigten Staaten durch Aufkl?rung der englisch denkenden Amerikaner f?rdern hilft . Auch die Figuren von #Heinrich Zille# sehen immer gleich aus. Diese franz?sischen Weiber und Kinder scheinen ganz frisch aus Berlin ~O~ importiert zu sein, mit dem einzigen Unterschied, dass die ersteren nicht, wie sonst bei Zille, den man den ,,Meister der schwangeren Frauen" nennen k?nnte, fortgesetzt in anderen Umst?nden herumlaufen

Gl?cklicherweise gibt es aber auch in Deutschland Karikaturisten, die sich mit den allerbesten anderer L?nder messen k?nnen. An erster Stelle steht wieder mit Leistungen, die auch k?nstlerisch voll befriedigen, der ,,Simplicissimus", und hier besonders der Skandinavier #Olaf Gulbransson#, der ja seit langen Jahren ganz zu uns Deutschen geh?rt. Neben seinem engeren Kollegen #Th. Th. Heine# und neben #G. Brandt# und #A. Johnson# vom ,,Kladderadatsch" marschiert er an der Spitze der zeitgen?ssischen deutschen Karikaturenzeichner. Wollte man ihm gerecht werden, so m?sste man schlechtweg seine s?mtlichen Arbeiten im ,,Simplicissimus" nennen, denn #gelungen# sind sie alle. Wie gl?nzend weiss er seine Helden zu charakterisieren, ohne durch gewaltsame Verzerrung Grotesken zu schaffen! In seiner Hand ist die Karikatur nicht nur im etymologischen Sinne des Wortes ,,?bertreibung", hier wird sie zu einer grossartigen politischen Satire. Man betrachte seine beiden Zeichnungen gegen die Japaner . Ist hier nicht restlos die Stimmung wiedergegeben, die alle Kreise unseres Landes gegen das Volk erfasste, das Kiautschou raubte? Auch andere Zeichner haben die Japse als Affen dargestellt, in allen Zeichnungen traten sie als Vierh?nder auf, aber niemandem ist das mit solch raffinierter Beschr?nkung in den k?nstlerischen Mitteln gelungen wie Gulbransson. Durch den Nachsatz ,,Auf den Protest beleidigter Schimpansen kann keine R?cksicht genommen werden!" erh?lt das Bild erst die richtige Wucht: also noch #unter# die Affen werden die Japaner gestellt! Wie k?stlich ist der beleidigte Schimpanse! Der K?nstler dr?ckt damit denselben Gedanken aus, den die ,,Jugend" in die Worte kleidete: ,,Die Japaner haben den Augenblick, da Deutschland mit vier Staaten zugleich Krieg f?hrt, dazu benutzt, ihm Kiautschou zu stehlen. Damit sind sie vom Niveau anst?ndiger Makaken auf die Stufe von Engl?ndern herabgesunken!" Aber nicht bloss als Quadrumanen zeigt uns Gulbransson die Japaner; er ist auch der einzige, der noch eine andere L?sung fand, dem Hass gegen den englischen Helfershelfer bildlichen Ausdruck zu geben: in der Zeichnung ,,Die Wacht in Kiautschou", wo die Mongolen den wie ein einsamer Fels stehenden deutschen Ritter als unz?hlige Wellenk?pfe umbranden, um schliesslich, allein durch ihre Masse, ?ber ihn zu triumphieren. Reine Freude gew?hrt auch seine ,,Alpenwacht" in der Italiennummer, wo auf gelbem Hintergrunde sich der deutsche Reichsaar und der ?sterreichische Doppeladler mit kraftvollem Schwarz massig und gewaltig abheben, w?hrend in der Ferne das Diminutivum eines Italieners erscheint, nur aus einem grossen Maule bestehend: ,,Und der will uns etwas anhaben, der ist ja nur auf Singv?gel eingeschossen." Mit einfachen Mitteln ist hier eine grosse Wirkung erreicht. Dieses Blatt ist durch die fl?chige Behandlung auch dekorativ sehr wirkungsvoll. Ausgezeichnet sind ferner die Beitr?ge von #Ragnvald Blix# im ,,Simplicissimus". Neben dem Schweden Gulbransson ist dieser Norweger eine der gr?ssten Begabungen, die in Deutschland arbeiten. Seine reiche Phantasie weiss die Pers?nlichkeiten, die er sich vornimmt, ausserordentlich witzig zu charakterisieren. Hier braucht nur an seine famose Karikatur ,,An der Ostfront" erinnert zu werden: ,,Ganghofer ist da -- der Sturm kann beginnen." Nur wenige wissen, dass Blix noch vor einigen Jahren viel f?r franz?sische Zeitungen, unter anderen auch f?r ~,,Le Rire"~ und ~,,Le Journal"~ gezeichnet hat. Er wurde bekannt durch eine Serie Karikaturen auf klassische Gem?lde, die zuerst als Sammlung ~,,Le voile tombe"~ 1908 herauskam und auch deutsch im gleichen Jahre unter dem Titel ,,Nach alten Meistern" erschien.

Bei der riesigen F?lle ist es schwer, den Weizen von der Spreu zu sondern. Den Karikaturen des feindlichen Auslandes gegen?ber muss dabei mit grosser Weitherzigkeit begegnet werden. Zeitgeschichtliche Dokumente von bleibendem Wert sind auch scharfe und bissige Karikaturen des Feindes, sofern sie nur geistreich sind; sie haben tausendmal mehr Wert, als ein fader und s?sslicher Kitsch, wenn er sich auch noch so hurrapatriotisch geb?rdet. Gerade wir Deutsche als Sieger d?rfen im Gef?hl unserer ?berlegenen Kraft nicht zu empfindlich sein und m?ssen Humor genug besitzen, auch in der sch?rfsten Karikatur des Auslandes gegen uns den witzigen Gedanken und die k?nstlerische Qualit?t sehen zu k?nnen! Wenn irgendwo, so soll hier der Satz gelten: ~,,Tout comprendre c'est tout pardonner."~ Es w?re ein ganz falsch verstandener Patriotismus, alle antideutschen Karikaturen des Auslandes in Bausch und Bogen zu verurteilen. Bringen doch sogar die Franzosen, denen man gewiss keine ?berm?ssige Objektivit?t nachr?hmen kann, in ihren Witzbl?ttern #regelm?ssig# Reproduktionen deutscher Scherzbilder, die in sch?rfster Weise franz?sische Zust?nde geisseln. In einer der Nummern von ~,,Le Rire"~ vom Herbst 1915 erschien Gulbranssons englischer L?we, den seine Verb?ndeten um Hilfe anrufen: ,,Was wollt ihr, das ich alles leisten soll! Habe ich nicht D?nkirchen und Calais besetzt?" Und auch die Engl?nder haben gezeigt, dass sie Sinn f?r Humor besitzen, als sie Lissauers ,,Hassgesang gegen England" in einer, ?brigens meisterhaften englischen ?bersetzung f?r gemischten Chor vertont ?ffentlich im ~Royal College of Music~ zum Vortrag brachten; man denke: Engl?nder den Hassgesang gegen das eigene Land! Der Dirigent Sir Walter Parratt, der die Auff?hrung leitete, lobte in den Zeitungen den Enthusiasmus, mit dem der Chor die Komposition vortrug und bedauerte nur, dass er Lissauer kein Telegramm ?ber den grossen Erfolg senden konnte. Der Hassgesang kommt ja bei uns in Deutschland allm?hlich aus der Mode. Kurz nach seiner Entstehung wurde er als Lied eines bayrischen Soldaten im bayrischen Heere verbreitet ; jetzt warnt das bayrische Unterrichtsministerium vor der Pflege des Hasses in den Schulen und w?nscht die Ausmerzung des Hassgesanges aus den Leseb?chern, in denen er Aufnahme gefunden hat. Ein gerechter Krieg bedarf keinerlei Anstachelung durch Hassges?nge!

Eine der unerfreulichsten Erscheinungen waren die sogenannten Ulkkarten. Auf die franz?sischen Gemeinheiten wird weiter unten eingegangen werden, aber auch bei uns ist mancherlei B?ses auf diesem Gebiete verbrochen worden. Man h?tte glauben d?rfen, solche Ausbr?che als l?ngst ?berwunden betrachten zu k?nnen. Das waren keine Satiren auf die Feinde, das waren vielmehr Karikaturen auf den Patriotismus selber! Traurig genug, dass sich augenscheinlich doch gen?gend Abnehmer f?r diese auf die niedrigsten Instinkte spekulierenden Machwerke sogenannter ,,Auch-Verleger" fanden, die Unsinn mit Witz und Phrasendrescherei mit Patriotismus verwechselten. Nat?rlich fanden sie auch den Weg ins Ausland und wurden hier als Witz der deutschen ,,Barbaren" beschrieben und -- abgebildet; so im ,,Matin" vom 8. Oktober 1914 mit folgender Anmerkung: ~Les Allemands n'ont pas beaucoup d'esprit naturel, chacun sait cela; mais ils s'efforcent d'en avoir. En temps ordinaire ils n'y r?ussissent gu?re; en ce moment, ils n'y r?ussissent pas. Leurs seuls traits originaux sont des traits de cruaut?. Ils ont fait n?anmoins, depuis deux mois, et m?me avant la d?claration de guerre, des d?bauches de plaisanteries. Leurs cartes postales du mois de juin dernier sont ruisselantes de gaiet? -- d'une gaiet? insolente, comme il convient, et lourde, et grossi?re. Nous nous en sommes fait envoyer une collection et nous allons en montrer quelques-unes aux lecteurs fran?ais, chaque fois que nous aurons un peu de place pour ?taler ces caract?ristiques laideurs.~ Diese Auslassungen sind in ihrer Verallgemeinerung nat?rlich unzutreffend; aber das Recht auf eine scharfe Kritik solcher unw?rdigen Hurrastimmung darf man dem franz?sischen Blatte nicht absprechen. Gl?cklicherweise wandten sich Ministerien, Generalkommandos und auch K?nstlerverb?nde in Rundschreiben und Erlassen gegen diesen Unfug, auch die ,,Norddeutsche Allgemeine Zeitung" machte dagegen mobil. Das Leipziger Polizeiamt traf schon im Dezember 1914 die vern?nftige Anordnung, dass dem Verbote anheimfallen werden ,,Darstellungen auf Postkarten oder Bilderbogen, die auf eine unw?rdige Verkleinerung oder Verunglimpfung unserer anerkannt tapferen Feinde, deren Herrscher und Heerf?hrer hinausliefen". -- Wie traurig muss es aber im Hirn jener Menschen aussehen, die solche unsinnige Karten auch noch an die K?mpfer in die Front sandten. Unsere Truppen, die sich t?glich mit den z?hen und doch auch f?r ihr Vaterland k?mpfenden Engl?ndern und Franzosen herumschlagen m?ssen, haben denn auch gl?cklicherweise diese Art Kunst nicht zu w?rdigen gewusst. Erst vom Schlachtfeld selber musste die Mahnung zur Einkehr kommen. Besser als jede Er?rterung spricht der Brief eines Kompagnief?hrers, der der ,,K?lnischen Zeitung" zur Verf?gung gestellt wurde: ,,Ich habe bei der Verteilung der Postsachen an die Mannschaften verschiedentlich beobachtet, wie sich darunter Karten befanden, die die besiegten Franzosen, Engl?nder und Russen in geschmackloser Weise verh?hnten. Der Eindruck ist ein h?chst bemerkenswerter. Fast keiner freute sich ?ber die Karten, im Gegenteil dr?ckte jeder Mann sein Missfallen dar?ber aus. Ich habe einen Mann gesehen, dem die Tr?nen in die Augen traten. Wir sehen das uns?gliche Elend des Schlachtfeldes. Wir freuen uns zwar auch ?ber die Siege, aber unsere Freude ist ged?mpft durch die Erinnerung an die traurigen Bilder, die wir fast t?glich vor Augen haben. Und unsere Gegner haben es wahrlich zum weitaus gr?ssten Teile nicht verdient, dass man sie so verspottet. H?tten sie sich nicht so tapfer geschlagen, so h?tten wir nicht solche Verluste zu verzeichnen. Ist daher schon an und f?r sich eine solche Karte meines Erachtens ?usserst geschmacklos, so wirkt sie hier im Felde angesichts unserer Toten und Verwundeten geradezu widerw?rtig. Die passt ins Feld wie ein Clown auf ein Leichenbeg?ngnis." Gl?cklicherweise lehnte also die grosse Mehrheit diese zwar nicht witzigen, daf?r aber um so alberneren Produkte energisch ab. Man kann diese ,,Zeichner" am besten mit jenen patriotischen Maulhelden vergleichen, die in jedem einen Vaterlandsverr?ter sehen, der nicht alle Engl?nder und Franzosen f?r ausgemachte Schurken erkl?rt. Aber nicht nur in den Karten, auch in manchen Witzbl?ttern fand sich derartige Afterkunst. Oder zeugt es wirklich von so fabelhaftem Geiste, nach der Schlacht von Tannenberg immer und immer wieder den Russen zu zeichnen, wie er im Sumpfe ,,ersauft" und mit der Wodkaflasche um Hilfe ruft? Hindenburgs ?berw?ltigend grossartige Leistung verliert auch dann kein Jota von ihrer Bedeutung, wenn man sich ?ber den Erstickungstod von Hunderttausenden #nicht# lustig macht. -- Viel berechtigter waren die Witze und Bilder ?ber russische Unwissenheit und Bestechlichkeit. Solche hat uns in klassischer Form bereits Victor Hehn in seinem Buche ~,,De moribus Ruthenorum"~ ?berliefert, wie die Geschichte von dem ehrlichen Verwalter, der ?ber das Verh?ltnis des m?nnlichen Geschlechts zum weiblichen in seinem Bezirk berichten sollte und der erwiderte, das Verh?ltnis sei ein ganz angenehmes. Oder die Erz?hlung von dem Major, der an der Wolga ?ber die Anzahl der Singv?gel in dem ihm untergebenen Bezirk berichten sollte, und meldete, es seien deren 7500. Dies wunderte die Kontrollstelle; man befragte ihn, wie er auf die Zahl gekommen sei. Er antwortete treuherzig: ,,Ich dachte, kommt ein Revisor, so sage ich, die fehlenden sind in die benachbarten Kreise geflogen oder die dar?ber befindlichen sind aus dem Nachbarkreis herangeflogen." Oder die von dem Polizeihauptmann, dem Instrumente geschickt wurden, um danach ?ber alle atmosph?rischen Erscheinungen Beobachtungen anzustellen. Er beriet sich mit seinem Schreiber, was das bedeute. Sie kamen ?berein, es handle sich wohl um Fremdenpolizei. Die Instrumente wurden sorgf?ltig im Waffendepot des Bezirks niedergelegt. Nach l?ngerer Zeit wurde angefragt, warum keine Berichte von ihm einliefen. Er antwortete, die Instrumente seien angelangt und wohl aufgehoben, die Erscheinungen seien ausgeblieben und von Atmosph?re habe er seit Jahren nichts bemerkt. --

Man findet in englischen Bl?ttern kein Wort des Abscheus gegen die Scheusslichkeiten, deren sich der farbige zoologische Garten, den England in Europa mitk?mpfen l?sst, schuldig macht. Wenn aber eine verirrte deutsche Kugel ein Schloss oder eine Kirche trifft, so entsteht ein furchtbares Geheul ?ber die ,,Barbaren". Dabei stand in England die Wiege der politischen Satire, von keinem Presseparagraphen oder Verbote behelligt. Hier konnten Gillray und Hogarth ungehindert ihre Hiebe gegen die Fehler des eigenen Landes austeilen: ihre Nachfolger von heute ziehen es vor, darauf zu verzichten. #Raven Hill#, #Bernard Partridge# und vor allem der bekannteste Zeichner des ~,,Punch"~, #F. H. Townsend#, zeigen den Kaiser als Verbreiter von L?gendepeschen an die Neutralen, als Dachshund, der vor Amerika ,,sch?n macht", als den Verf?hrer der T?rkei. Auch gegen den Kronprinzen werden die kindlichsten L?gen vorgebracht; eine Abbildung zeigt ihn franz?sische Schl?sser ausraubend als Geldschrankknacker! Aber, wir wollen ehrlich sein: sind nicht auch in unsern Bl?ttern gen?gend solche Entgleisungen vorgekommen? Der Zar als M?rder und Brandstifter, Frankreich als gemeine Dirne, der englische K?nig als ihr Zuh?lter waren gar keine so seltenen Erscheinungen! Und auch da hatte die ,,Norddeutsche Allgemeine" recht, wenn sie schrieb: ,,Dergleichen entspricht nicht der W?rde der deutschen Nation. Wir m?ssen eine Ehre darein setzen, dem Gegner nicht nur auf dem Schlachtfeld ?berlegen zu sein, sondern auch in der Art, wie wir den Krieg mit geistigen Waffen f?hren. Den Feind, mit dem wir auf dem Felde der Ehre die Klinge kreuzen, durch niedrige Schm?hbilder und Schimpfreden anzugreifen, ist nicht vornehm und setzt die Ehre der Nation herab, die sich solcher Mittel bedient. ?berlassen wir das denen, die es n?tig haben, den englischen Mob, die Pariser Apachen und die russischen Muschiks bei guter Laune zu erhalten. Unser deutsches Volk bedarf zur Belebung seines kriegerischen Schwunges solcher giftigen Medikamente nicht. Es tr?gt die Kraft, den Feind zu besiegen, in sich selbst. Darum fort mit diesen Schm?hbildern und Karten aus unseren Witzbl?ttern und Schaufenstern!"

Wesentlich harmloser sind die Karikaturen, mit denen sich die Engl?nder selber verspotten; diese Selbstironisierung hat wenigstens etwas Vers?hnendes an sich. #Harrisons# ,,Badestuhl" ist ein Scherz auf die Zeppelinfurcht, #Townsends# Szene im Barbierladen ein solcher auf die Angst vor den ?berall eingedrungenen Deutschen . Besonders die Spionenfurcht trieb in London derartige Bl?ten, dass auch englische Zeitungen dar?ber zu spotten begannen. ~,,Evening Standard"~ ver?ffentlichte folgenden Dialog: ,,Was machen Sie hier? Sie wollen doch sicherlich spionieren!" fragt ein Schutzmann ein verd?chtiges Individuum. -- ,,Nein, ich wollte nur einbrechen!" -- ,,Dann #entschuldigen# Sie bitte!" -- -- Und nachdem man in England erkannte, dass der Krieg doch kein ,,G?nsemarsch mit Milit?rmusik" ist, wie man anfangs dachte, spotteten sogar die ,,Times" ?ber die Erfolge der Verb?ndeten. Auch #George Morrows# Geschichte von dem Kubisten ist gut, der seine bis dato unverk?uflichen Bilder ,,Tulpenstilleben", ,,Damenportr?t" und ,,Fr?hlingssang" nun als ,,Zerst?rung von L?wen", ,,Ruinen der Reimser Kathedrale" und ,,Die Hunnen" spielend absetzt. Viel des Interessanten enth?lt der ~,,Punch-Almanack"~ auf 1915. In Anlehnung an die jedem englischen Kinde gel?ufigen ~,,Mother Goose's Nursery Rhymes"~ mit ihrem ganz eigenartigen Rhythmus, der das Einpr?gen dieser Verse so spielend leicht macht, werden die politischen Ereignisse vorgef?hrt. Da ist eine Serie ~,,When William comes to London"~. Dann erhalten die englischen Parlamentarier, die nicht bedingungslos f?r den Krieg stimmten, besondere Auszeichnungen: Ramsay das Eiserne Kreuz, Hardie als Keir von Hardie den Nobelpreis . Hardie hatte seinen Landsleuten vorgeworfen, sie h?tten eine L?genfabrik errichtet, von der auf Bestellung deutsche Greueltaten geliefert w?rden. Auch das politische Alphabet fehlt nicht ; R eine Verspottung der Russen, die nicht in Frankreich landen konnten. Und eine Nachdichtung auf das ber?hmte ~,,Mary had a little lamb"~ ist da, nur heisst sie ~,,Willie had a little Wolff"~ . Dieser ~,,Punch-Almanack"~ h?lt sich von allem ausgesprochen Rohen frei; er wird als ein am?santes zeitgeschichtliches Dokument auch in sp?teren Zeiten oft genannt werden.

#Einen# Gesch?ftszweig hat der Krieg in England sicher beeintr?chtigt: das ist der Verlagsbuchhandel. Die Tatsache, dass der sonst w?chentlich erscheinende ~,,Bookseller"~ nur noch monatlich herauskommt und das monatliche ~,,Book Monthly"~ in eine Vierteljahrsschrift verwandelt wurde, ist ein deutlicher Beweis f?r das Gesagte, das ?brigens von den Bl?ttern selber zugegeben wird, die die Gesch?ftst?tigkeit im englischen Buchhandel als wesentlich eingeschr?nkt bezeichnen.

Unter den neuen Ver?ffentlichungen in England nehmen die satirischen, mit Karikaturen illustrierten Schriften ?ber den Krieg eine hervorragende Stelle ein. Die B?ndchen sind sehr verschiedenartig, sie reichen vom gemeinsten, bl?desten Machwerk bis zur witzigen Parodie. Zu den ersteren geh?ren neben einem scheusslichen Karikaturenwerk von Dyson, von dem es auch eine Luxusausgabe f?r mehrere Pfund gibt, gemeine Pamphlete gegen den Kaiser. Diesen Erzeugnissen liegen immer bekannte Vorbilder zugrunde. Die gr?sste Verbreitung fand eine Nachahmung des Struwwelpeter ~,,Swollen Headed William"~, von der drei starke Auflagen in Zeit von einer Woche verkauft wurden . Auch hier also die Anlehnung an ein ber?hmtes Original.

~The Allies' Alphabet~ von #Fay# und #Morrow# ist eines jener, besonders in England zahlreichen Alphabet-B?cher, wie wir sie ?hnlich, beispielsweise in den Busch'schen Bilderbogen, besitzen, die ja auch zahlreich parodiert wurden . Die, auch durch Verwendung von viel Rot, stark blutr?nstigen Bilder bewegen sich teilweise im Stile der geh?ssigen Karikaturen des Holl?nders Raemaekers und der franz?sischen Boulevardpostkarten. Erheiternd wirkt es heute, wenn wir ein Bild sehen, auf dem ein riesenhafter Russe die Deutschen von der Erde vertreibt:

Oder, wenn wir einen Omnibus mit der Aufschrift ~,,To Berlin"~ voller jubelnder Tommies erblicken:

~O is an omnibus, full out and in: It carries you free, and it's labelled ,Berlin'

Bisweilen sollen die Verse auch Wortspiele bringen:

~P is the part little Willie would play: He thinks it's a Bona-part. What do you say?

~Wicked Willie~ von #Margaret A. Rawlins# mit Illustrationen von #Gwen Forwood# und #Florence Holmes# geht nicht nur unter der Marke einer Jugendschrift, sondern ist wirklich ein Buch f?r Kinder und h?lt sich daher auch von allem fern, was f?r Kinderaugen nicht bestimmt ist. Der Verfasserin schwebte das 1871 erschienene ~,,Dame Europa's School"~ vor, an das sie sich nach dem Grundsatze ~Imitation is the sincerest flattery~ anlehnt; auch die ~,,Dame Europa"~ war eine Geschichte des deutsch-franz?sischen Krieges f?r englische Kinder . Der ~Wicked Willie~ soll den Weltkrieg den Kleinen verst?ndlich machen; die Nationen treten hier als Kinder handelnd auf. ,,Einst war", so beginnt der h?bsch gedruckte Quartband, ,,Tante Europas Schule nicht gr?sser als andere Schulen auch; die meisten Kinder waren unwissende, gutm?tige kleine Dinger, sie standen herum, die Finger im Munde, und gehorchten den Anordnungen der wenigen, die gr?sser und kl?ger waren. Nat?rlich konnten sie, wie das bei Kindern nun mal so ist, nicht immer friedlich miteinander spielen ..., aber erst, als die Schule immer ausgedehnter und bedeutender wurde, da begann der grosse Streit, der jetzt noch anh?lt ..." -- F?r Erwachsene bestimmt sind trotz des Titels die ~Nursery Rhymes for Fighting Times~ von #Elphinstone Thorpe#, illustriert von #Stevens#. An der Hand altber?hmter englischer Reime, wie sie M?tter und Erzieherinnen den Kindern vorsagen, werden hier die politischen Ereignisse satirisch behandelt:

~Old Kaiser Hubbard attacked a French cupboard, To collar a Paris bone: At Mons and Cambrai, British troops barred the way, And so the poor dog had none.~

Deutschland ist hier wieder als ,,Dachshund" dargestellt. -- ?hnliche Absichten verfolgt ~The Crown Prince's First Lesson Book or Nursery Rhymes for the Times~ von #George H. Powell# mit Randleisten in kr?ftiger Holzschnittmanier von #Scott Calder#.

: ,,Der Kaiser sprach fast die ganze Zeit mit mir, #nannte mich stets ,mein lieber Hun Svedend'#, er kn?pfte an meinen letzten Vortrag in Berlin an, dem er beigewohnt hatte: Tibet, wo ich so unruhige Zeiten erlebte, werde wohl bald das einzige Land auf der Erde sein, das Ruhe habe; #das mache ihn stolz und gl?cklich#. Mich freute besonders zu h?ren, mit welcher Achtung und Sympathie der Kaiser sich ?ber Frankreich aussprach. Er beklagte die Notwendigkeit, die ihn gegen seinen Wunsch gezwungen habe, sein Heer gegen die Franzosen zu f?hren. Er hoffte, dass die Zeit kommen werde, da Deutsche und Franzosen gute Nachbarschaft halten k?nnen, #wie L?we und Lamm, wenn das Lamm bequem eingebettet im Magen des L?wen liegt#. Wenn die Franzosen eine Ahnung von der wirklichen Denkweise des Kaisers h?tten, w?rden sie ihn ganz anders beurteilen als jetzt. #Warum sie diese Ahnung nicht haben, k?nne Er nicht begreifen. Sicherlich w?ren sie doch nicht so kindisch, um sich durch die feindlichen Bewegungen Seiner Heere beeinflussen zu lassen.#"

Die Engl?nder sind w?tend auf Hedin, weil er der Freund eines Landes geworden ist, gegen welches England k?mpft. England, das ihn zum Ehrendoktor von Cambridge und Oxford gemacht hat! ~,,In Gentlest Germany"~ soll die Rache daf?r sein.

In Holland sind eine grosse Reihe t?chtiger Karikaturisten an der Arbeit, den Krieg im Bilde festzuhalten. F?r den ,,Amsterdammer" zeichnet seit 1887 der 1858 geborene #Johan Braakensiek# w?chentlich etwa zwei Satiren ?ber aktuelle politische Ereignisse, in nicht gerade ?berm?ssig witziger, oft eher hausbackener Art. Im Bestreben, nirgends anzustossen, bleibt er meist sehr korrekt. Das Beste, was er geschaffen hat, ist der Totenkopf-Schmetterling mit der Unterschrift ,,Geht fort, wir wollen gegen Unbewaffnete nicht k?mpfen". Von ihm r?hrt auch die in Abb. 1 wiedergegebene Lithographie her, die kurz nach Ausbruch des Krieges erschien; der Tod redet den ermordeten Erzherzog an: ,,K?nigliche Hoheit, ich habe geglaubt, eine F?rstlichkeit wie Sie darf nicht ohne Gefolge reisen" . Nur einmal hat Braakensiek sein Phlegma verloren, das war nach dem Untergang der Lusitania, auf den sp?ter noch besonders eingegangen werden soll.

Der Wochenschrift ,,De Amsterdammer" ist in dem ,,Nieuwe Amsterdammer", der Anfang 1915 gegr?ndet wurde, eine schwer ins Gewicht fallende Mitbewerberin erwachsen. Das neue Blatt hat es verstanden, sich einen der allerbedeutendsten Karikaturisten Hollands, #Piet van der Hem#, als dauernden Mitarbeiter zu sichern. Die Reihe der grossen farbigen Bl?tter, die er f?r die genannte Zeitschrift geliefert hat, geh?ren zum Besten und Stimmungsvollsten des ganzen Krieges, so zum Beispiel die ,,Versuchung des heiligen Antonius" , dann das Blatt, das nach dem Untergang der Lusitania entstand und in das Redaktionsbureau einer deutschen Zeitung versetzt , vor allem aber auch ein Blatt ,,De nieuwe Dood" . Viele dieser Zeichnungen sind von tiefem sittlichen Ernst erf?llt.

F?r das Wochenblatt ,,De Notenkraker", einer Beilage der bekannten sozialdemokratischen Zeitung ,,Het Volk", arbeitet der an die deutschen Simplicissimuszeichner erinnernde #Albert Hahn#; in knapper Form und ohne viel Beiwerk gibt er seinen Gedanken bildlichen Ausdruck. Ihm erscheint der Krieg nicht als das Werk eines einzelnen, er sieht die Dinge von einer h?heren Warte. In Abb. 22 polemisiert er gegen die Verwendung der Reimser Kathedrale als milit?rischen St?tzpunkt durch die Franzosen. Die gleiche Absicht leitet #E. Nunes# in den ,,Meggendorfer Bl?ttern" .

F?r den ,,Notenkraker" zeichnet auch #Jordaan#; die Karikatur ,,Der Suezkanal" ist sein Werk. Der deutschfeindliche ,,De Telegraaf" bringt Beitr?ge von #Louis Raemaekers#. Es sind ihm eine ganze Reihe ergreifender Darstellungen des Kriegselends gelungen; viele sind ganz objektiv gehalten, ohne einzelne V?lker treffen zu wollen. Aber das Schicksal Belgiens, des stammverwandten Landes, hat ihm den Griffel in die Hand gedr?ckt, um seinem Hass gegen die ,,Eroberer" Luft zu machen. Wenn sein Temperament mit ihm durchgeht, dann werden f?r ihn die Deutschen zu ,,Barbaren", dann zeigt er belgische B?rger, die den deutschen Truppen vorausmarschieren m?ssen, um im feindlichen Kugelregen zusammenzubrechen, dann f?hrt man Krieg mit den toten Meistern der Kunst van Eyck, Massys und Rubens, die auf einem Scheiterhaufen stehen, vor dem deutsche Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett Wacht halten. Eine Reihe seiner Darstellungen des Kriegselends und seiner Spottbilder hat er im Verlage ,,Elsevier" auch als Alben herausgegeben.

Auf einzelne Werke der hier genannten holl?ndischen Zeichner wird an andern Stellen noch n?her eingegangen werden.

Unter den Bl?ttern unserer Verb?ndeten steht die ,,Muskete" an der Spitze, eine ?hnliche Stellung in ?sterreich einnehmend wie in Deutschland der ,,Simplicissimus", sie z?hlt eine ganze Reihe t?chtiger Illustratoren zu ihren st?ndigen Mitarbeitern. Zu ihnen geh?rt beispielsweise #Rudolf Herrmann#. Das Thema, das er in der Abb. 13 trefflich behandelt, die Vorspanndienste, die die Verb?ndeten England leisten m?ssen, kommt auch in einer Zeichnung unseres anderen Bundesgenossen, wenn auch primitiver, zum Ausdruck, in der t?rkischen Karikatur, die wir hier wiedergeben .

Es waren ganz bestimmte Personen und ganz besondere Objekte, denen sich die Stifte und Pinsel der Karikaturenzeichner in erster Linie zuwandten: Menschen und Dinge, die rasch -- und mit vollem Recht -- eine unbegrenzte Volkst?mlichkeit erwarben. Dass eine so pr?chtige und erfolgreiche Pers?nlichkeit wie #Hindenburg#, die f?r uns das neue deutsche Heldentum verk?rpert, an die allererste Stelle r?ckte, war bei seinen grossartigen Leistungen nur nat?rlich. Ein ?usseres Zeichen wahrer Volkst?mlichkeit zeigt sich in den Anekdoten, mit denen ber?hmte M?nner, wie etwa Bismarck, umgeben werden. Das Volk webt um alles, was es liebt, einen f?rmlichen Sagenkreis. So war es auch bei dem grossen Befreier des deutschen Ostens, der pl?tzlich wie ein Riese, bis dahin den meisten v?llig unbekannt, vor uns stand. Gicht, Rheuma und alle m?glichen Krankheiten sollten ihn plagen. Er wusste diese Dinge mit Humor in den zahlreichen Gespr?chen mit Berichterstattern dankend von sich abzulehnen. Viel fester aber noch setzte sich die M?r, dass Hindenburg Sommer f?r Sommer in Ostpreussen zugebracht h?tte, sich vom Garnisonkommando in K?nigsberg allj?hrlich eine Kanone entliehen und sie regelm?ssig durch alle masurischen Seen und S?mpfe gezogen h?tte, um diese auf ihre Tiefe zu pr?fen! Man sollte es nicht f?r m?glich halten, dass unter den vielen Tausenden von poetischen Erzeugnissen, mit denen der Generalfeldmarschall angesungen wurde , sich auch das Werk eines angesehenen Dichters befindet, die ,,Ballade von den masurischen Seen" des ?sterreichers Franz Karl Ginzkey, die diese Geschichten allen Ernstes als Tatsachen behandelt und die damit in das Gebiet des unfreiwilligen Humors r?ckt. Aus dem in der Form gelungenen Gedicht, das namentlich auch das Gurgeln der S?mpfe lautmalend trefflich wiedergibt, diene folgender Abschnitt als Probe:

Es lebt keine Unke, kein Frosch, kein Lurch, Die er nicht kennte durch und durch Er kennt jeden Steg, jeden Busch und Verhack, Er kennt jede Lack wie den eigenen Sack Wie breit sie nach West, wie tief sie nach Ost, Er kennt sie, als h?tt' er sie selber gekost't. Und immer h?rt er das Gurgeln dumpf: Der Sumpf ist Trumpf, der Sumpf ist Trumpf. Er schluckt die Russen mit Rumpf und Stumpf.

Man versuche nur, sich das einmal vorzustellen: die Pr?fung aller der einzelnen Reptilien und Amphibien durch Hindenburg! Denn es ,,lebt #keine# Unke, #kein# Frosch, #kein# Lurch, die er nicht kennte #durch# und #durch#". Der Dichter hat das Recht, sich der Hyperbel als einer poetischen Form zu bedienen, aber das hier geht denn doch zu weit! Was hat schliesslich der anatomische Bau dieser harmlosen Tiere mit dem Verlaufe der Schlacht von Tannenberg zu schaffen? -- Eine Reihe wirklich guter Scherze kn?pft sich an den Namen Hindenburg. So zum Beispiel: ,,Weshalb hat der Zar Petersburg in Petrograd umgetauft?" Antwort: ,,Weil er hinten burg nicht leiden kann." -- Hindenburg ist Ehrendoktor aller vier Fakult?ten. ,,Welchen davon hat er am meisten verdient?" ,,Den ~Dr. med.~; denn niemand hat in Ostpreussen so grossartige und gelungene -- Operationen ausgef?hrt wie er." Von dem Generalfeldmarschall erwartet man nach dem Burgfrieden einen #Hindenburgfrieden#, der Deutschland f?r alle Zeiten gegen neue ?berf?lle sichert. Und wie popul?r er auch gerade bei der Jugend ist, die nach Eintreffen seiner Siegesnachrichten schulfrei erh?lt, zeigt die ?usserung eines unvorbereiteten Quartaners vor der Lateinstunde: ,,Wenn Hindenburg heute keinen Sieg meldet, bin ich verloren!" -- Der Generalfeldmarschall wird immer im Scherzbilde und Scherzworte fortleben, ein Zeichen wahrer Volkst?mlichkeit, die er in so hohem Masse nur noch mit Bismarck und Zeppelin gemeinsam hat. -- Hier muss auch der Biertischstrategen gedacht werden. Niemand hat sie so k?stlich karikiert wie Johnson im ,,Kladderadatsch" in Anlehnung an Defreggers bekanntes Bild ,,Der Salontiroler" . Ein nettes Scherzgedicht von Hans Flux in der ,,Schw?bischen Tagwacht" richtet sich gegen diese Besserwisser:

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