Read Ebook: Die Karikatur im Weltkriege by Schulz Besser Ernst
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Ebook has 136 lines and 23074 words, and 3 pages
Man versuche nur, sich das einmal vorzustellen: die Pr?fung aller der einzelnen Reptilien und Amphibien durch Hindenburg! Denn es ,,lebt #keine# Unke, #kein# Frosch, #kein# Lurch, die er nicht kennte #durch# und #durch#". Der Dichter hat das Recht, sich der Hyperbel als einer poetischen Form zu bedienen, aber das hier geht denn doch zu weit! Was hat schliesslich der anatomische Bau dieser harmlosen Tiere mit dem Verlaufe der Schlacht von Tannenberg zu schaffen? -- Eine Reihe wirklich guter Scherze kn?pft sich an den Namen Hindenburg. So zum Beispiel: ,,Weshalb hat der Zar Petersburg in Petrograd umgetauft?" Antwort: ,,Weil er hinten burg nicht leiden kann." -- Hindenburg ist Ehrendoktor aller vier Fakult?ten. ,,Welchen davon hat er am meisten verdient?" ,,Den ~Dr. med.~; denn niemand hat in Ostpreussen so grossartige und gelungene -- Operationen ausgef?hrt wie er." Von dem Generalfeldmarschall erwartet man nach dem Burgfrieden einen #Hindenburgfrieden#, der Deutschland f?r alle Zeiten gegen neue ?berf?lle sichert. Und wie popul?r er auch gerade bei der Jugend ist, die nach Eintreffen seiner Siegesnachrichten schulfrei erh?lt, zeigt die ?usserung eines unvorbereiteten Quartaners vor der Lateinstunde: ,,Wenn Hindenburg heute keinen Sieg meldet, bin ich verloren!" -- Der Generalfeldmarschall wird immer im Scherzbilde und Scherzworte fortleben, ein Zeichen wahrer Volkst?mlichkeit, die er in so hohem Masse nur noch mit Bismarck und Zeppelin gemeinsam hat. -- Hier muss auch der Biertischstrategen gedacht werden. Niemand hat sie so k?stlich karikiert wie Johnson im ,,Kladderadatsch" in Anlehnung an Defreggers bekanntes Bild ,,Der Salontiroler" . Ein nettes Scherzgedicht von Hans Flux in der ,,Schw?bischen Tagwacht" richtet sich gegen diese Besserwisser:
Zu Cannstatt ob dem Stammtisch H?ngt Hindenburg im Bild, Es blickt der Schlachtenmeister So freundlich und so mild. Wor?ber mag sich freuen Grad hier der grosse Mann? #Weil er von diesem Stammtisch Noch recht viel lernen kann.#
Einem Hindenburg gegen?ber verstummten auch deutschfeindliche Bl?tter des Auslandes mit ihren Anklagen, er wird auch in der amerikanischen Presse als ~,,the man of the hour"~ gefeiert . Unter dem Eindrucke der grossen deutschen Erfolge k?nnen auch die Zeichner, die sonst Deutschland nicht gerade freundlich gesinnt sind, nicht anders; sie bringen zwischendurch germanophile Bl?tter. Auf Abb. 34 ruft der englische L?we Polen an: ,,Nicht die Preussen, die #Reussen# will ich sprechen". Mackensen: ,,Das tut mir leid, die sind gerade abgezogen."
Einen Hindenburg macht eben niemand nach, obgleich eine Anzeige im ,,Breslauer Generalanzeiger" lautet: ,,Hindenburg sowie s?mtliche deutsche Heerf?hrer liefert zu g?nstigsten Bedingungen Verlag Carl Tinius, Leipzig-Neustadt. Vertreter an allen Pl?tzen gesucht. Muster franko bei vorheriger Einsendung von einer Mark." -- Man muss sich wirklich wundern, dass von der franz?sischen, englischen und russischen Regierung nicht schon Bestellungen eingelaufen sind.
Was Hindenburg unter den Lebenden, ist der #42-Zentimeter-M?rser# unter den leblosen Dingen. Oder soll man hier nicht auch lieber von einem Lebewesen sprechen? Das Volk hat diese volkst?mlichste Waffe rasch personifiziert: #m?nnlich# als ,,Grossen Brummer", #weiblich# als ,,Fleissige Berta" oder auch ,,Dicke Berta" zu Ehren der Besitzerin der Kruppwerke, die hier das Attribut der Dicke unverschuldet mit in den Kauf nehmen muss. Auch um die ,,Dicke Berta" hat sich ein Sagenkreis gesponnen, erstens wegen ihrer rasch erworbenen Popularit?t, zweitens weil niemand etwas N?heres ?ber sie erfuhr. Ging man doch so weit, ihre Existenz ?berhaupt leugnen zu wollen! Es ist eine der herrlichsten Erscheinungen in diesem Kriege, dass die wenigen Menschen, die um den 42-Zentimeter-M?rser wussten, das Geheimnis so wunderbar geh?tet haben! Als nach Kriegsausbruch bekannt wurde, die Deutschen bes?ssen ein Riesengesch?tz, aus dem wenige Sch?sse gen?gten, die st?rkste Festung zu Fall zu bringen , da ging ein Staunen durch die ganze Welt, gemischt mit geheimem Grauen. Der M?rser 42 aber wurde, wie sp?ter auch ~U 9~, das Symbol deutscher T?chtigkeit, das Wahrzeichen der milit?rischen Energie Deutschlands. Die ?berlegenheit dieses Riesenm?rsers erkannten auch die Neutralen restlos an. Es bildete sich Legende ?ber Legende ?ber den grossen Brummer; die Hauptsache war, dass das Gesch?tz, wie ein Milit?rschriftsteller bemerkte, einige Armeen wert ist. Die Bezeichnung ,,#Fleissige# Berta" sollte wohl den Gegensatz zur ,,#Faulen# Grete" bringen, ein Name, der zuerst f?r Gesch?tze auftauchte, mit denen die Hohenzollernf?rsten die aufs?ssigen Quitzows bek?mpften.
In Form eines M?rchens hat Hans Natonek die Wirkung des ,,Grossen Brummers" besungen:
,,In den letzten Julitagen war es, da klang es wie fernes Trompetengeschmetter durch die Luft. Und n?her kam der Ton, immer n?her, schwoll ungeheuer an, es war das Rasseln von tausend Kanonenr?dern, der Tritt von Millionen und das S?belklirren einer Welt, die zum Kampf aufzog. Die schlummernden Riesen erwachten. Im Dunkel der Nacht, von undurchdringlichem Geheimnis umh?llt, wurden sie verladen. Pl?tzlich -- niemand wusste wie -- standen sie vor einer m?chtigen Feste mit Panzert?rmen und Mauern aus Stahl und Beton. L?ttich. Wie Tiere, die man aus langer Gefangenschaft entlassen hat, nach Beute gierig, sp?hten die ungeheuren Schl?nde in die Ferne. Dann br?llten sie auf, dass der Luftraum zusammenzukrachen schien, ein Feuerball, wie ein Komet mit blutrotem Schweif, sauste durch die Luft, die Panzert?rme barsten, und die Mauern aus Stahl und Beton waren ?berhaupt nicht mehr da... Was sind die blutigen Kometen, die in sagenhaften Zeiten den Krieg verk?ndeten, gegen die brennenden Gase des Geschosses, das die Luft durchsaust! Die 42-Zentimeter-Granate war der Kriegskomet des Jahres 1914! Nun staunt die Welt. Die Sage spinnt geheimnisvolle Fama um den Riesenm?rser, von dem man weiss, dass er da ist, unbestimmt ahnt, was er zu wirken vermag, um den es aber noch immer so m?rchenhaft dunkel ist, wie zuvor, als man noch gar nicht wusste, dass es so etwas in Wirklichkeit gibt."
Der ,,Grosse Brummer" oder ,,Dicke Berta" hielten nun auch bald ihren Einzug in die Witzbl?tter; jeder K?nstler stellte sie in seiner Art dar, und es ist reizvoll, eine Reihe solcher Darbietungen miteinander zu vergleichen. Das Material w?rde ausreichend sein f?r eine Monographie ,,Der grosse Brummer in der Karikatur". #M. Claus# zeichnete ihn als fleissige, strickende korpulente Dame unter Innehaltung der Geschossform ; #Walter Trier# als Nachtmahr des Zaren, auf dessen Bett er mit offenem Schlunde hockt, w?hrend gleichzeitig Zeppeline den Betthimmel umkreisen ; #Peter Pfeffer# stellte ihn einem Franzosen, der das Maul aufreisst, gegen?ber ; #Gustav Brandt# l?sst ihn selbst den unverletzlichen indischen Fakir zerschmettern ; #Thomas Theodor Heine# zeigt das englische Gegenst?ck ,,Lord Kitcheners neuen Faktor" ; #W. A. Wellner# zeichnet die ,,Dicke Berta" im Wochenbett bei einem ,,Freudentag im Hause Krupp", es hat gerade wieder ein Kind von ihr das Licht der Welt erblickt. Ein neu gegr?ndetes Witzblatt, der ,,Brummer", ein Ableger der ,,Lustigen Bl?tter", f?hrt seinen Namen nach dem Gesch?tz. Die Volkst?mlichkeit des Riesenm?rsers spiegelt sich auch in dem scherzhaften Briefe eines Frankfurter Konfektion?rs aus dem Felde an die ,,Frankfurter Zeitung" wider:
,,Modelle zeigen diesmal wir Deutsche den Franzosen, und zwar hat ein bekanntes Haus in Essen zahlreiche ~pi?cen~ mit 42 Zentimeter Taillenweite herausgebracht, die, wo sie auch erscheinen, Staunen des Fachmanns und Verwunderung des Laien erregen. Die tonangebende Farbe f?r diese Saison ist feldgrau, sie hat die Versuche franz?sischen Ursprungs, Rot und Blau zur Geltung zu bringen, ?berall siegreich aus dem Felde geschlagen. Die franz?sischen Cutaways scheinen auch nicht die Sympathie ihrer Tr?ger gefunden zu haben, denn sie wurden zahlreich vorzeitig abgelegt, da sie beim Laufen sehr hinderlich sind. Grossen Vorrat haben wir in ~points~. Es gibt zwei Sorten: ~points tir?s ? la main~ und ~? la machine~. Letztere sind allerdings bei unseren Kunden sehr unbeliebt, da sie ~nolens volens~ sehr grosse Quantit?ten in k?rzester Zeit abnehmen m?ssen. Der Absatz von diesen Artikeln ist sehr hoch, da grosse englische H?user extra auf den Kontinent gekommen sind, um noch davon abbekommen zu k?nnen. Der franz?sische Markt scheint auch noch grosse Quantit?ten davon aufnehmen zu wollen; wir sind aber gen?gend vorgesehen, um ihn vollst?ndig zu befriedigen."
Auch die Zeichner des Auslandes zeigten den Riesenm?rser im Bilde. Zwar nicht die feindlichen L?nder, obgleich deren Truppen besondere Bezeichnungen daf?r haben: die Franzosen nennen die schweren deutschen Gesch?tze ~marmite~, die Engl?nder ~Jack Johnson~. Aber Holland und Amerika brachten recht geschickte Darstellungen. #Johan Braakensiek# schuf f?r ,,De Amsterdammer" ein Blatt ,,Goochelaar Papa Mars", der Kriegsgott als Zauberer mit den M?rsern ; der Holl?nder #P. de Jong# zeigt den Brummer eindrucksvoll als den Unwiderstehlichen, der die Jungfrau Antwerpen bezwungen hat und mit eisernen Klammern am Boden festh?lt ; ihr Schild mit der Aufschrift ,,Bundesgenossen" ist zerbrochen, und alle anderen Gesch?tze erscheinen gegen?ber dem Riesen wie Spielzeug. Eine ganz originelle Auffassung der ,,Fleissigen Berta" bringt der Flame #George van Raemdonck# , hier kommt neben dem Humor auch das Tragische zum Ausdruck: der Unterk?rper hat die Form eines Grabh?gels, drapiert mit Totensch?deln, Knochen und Schwertern, die Haare und der ?ppige Busen der Dame zeigen die Attribute des Todes, und selbst der Stiel des Lorgnons ist ein Totenknochen. #Sidney Greene#, der fruchtbare Karikaturist des New Yorker ,,Evening Telegram" zeigt in seiner Verwandlungsfolge ~,,From Pilsner to Powder"~ die Entwicklung vom Frieden zum Kriege: aus dem harmlosen Pilsner und der Zigarre wird allm?hlich der 42-Zentimeter-M?rser und sein Geschoss. ~,,A 42 centimeter Mistake"~ betitelt sich die Zeichnung von #Robert Carter#, die zur Weihnachtszeit in dem New Yorker ,,Evening Sun" erschien . In Amerika kommt der Weihnachtsmann durch die Essen in die H?user, um die zu diesem Zwecke hingeh?ngten leeren Str?mpfe der Kinder mit Gaben zu f?llen; die hohen Rohre des M?rsers 42 h?lt er f?r Schornsteine. Sehr nett ist dann die Zeichnung von #A. M. Froehlich# in der ,,New Yorker Staats-Zeitung": ,,den geehrten Verb?ndeten empfehlen sich als Verlobte der Onkel aus Friedrichshafen und die Tante aus Essen" . Die Idee, die diesem Scherzbilde der gr?ssten deutschen Tageszeitung Amerikas zugrunde liegt, ist recht gut: die ,,Dicke Berta" und der ,,Zeppelin" verloben sich, um zusammen zu wirken: #die Verbindung# der beiden m?ge die #Geburt# eines gr?sseren Deutschlands in die Wege leiten!
Die amerikanische Karikatur nimmt ?berhaupt in diesem Kriege einen aussergew?hnlich grossen Raum ein; sie spiegelt getreu die Stimmung in den Vereinigten Staaten wider. Dabei haben die amerikanischen Karikaturen den Vorzug, meist sehr gut gezeichnet zu sein, und es liegen ihnen auch fast immer recht originelle Ideen zugrunde. Sehr b?se sind die Spottbilder gegen Deutschland in dem bedeutendsten Witzblatt der westlichen Halbkugel, dem ,,Life", besonders die von #William H. Walker#. Es sind die abgedroschenen Themen vom Kaiser als Feind der Zivilisation, der an der Niedertretung Belgiens und Zerst?rung der Kunstdenkm?ler seine Freude hat. Typisch daf?r das seitengrosse Blatt ~,,My Heart bleeds for Louvain"~, der Kaiser als Keiler ?ber den Tr?mmern von L?wen . Das seit ?ber dreissig Jahren erscheinende Blatt ist in Deutschland so gut wie gar nicht bekannt. Hin und wieder sieht man in deutschen Bl?ttern sehr starke Anlehnungen an die wirklich meist recht guten Zeichnungen des ,,Life". Ein Tierkarikaturist, wie ihn die Zeitschrift in #S. Sullivant# besitzt, kann nur mit Oberl?nder in seiner besten fr?hen Zeit verglichen werden. Die Darsteller gesellschaftlicher Zust?nde wie #Harrison Cady# und #Foster Lincoln# k?nnen sich getrost unsern besten Satirikern an die Seite stellen; der bekannte #George Dana Gibson# wiederholt sich in letzter Zeit zu oft, seinen grossen Serien Ebenb?rtiges hat er nicht mehr geschaffen. #Otho Cushing#s von antikem Geiste beeinflusste Umrisszeichnungen zeigen ein feines Formgef?hl, sie sind von rhythmischer Sch?nheit erf?llt. #Rea Irvin# sprudelt nur so von witzigen Einf?llen, er hat auch nebenbei eine Reihe von japanisierenden Illustrationen zu den ~,,Letters of a Japanese Schoolboy"~ geschaffen, die amerikanische Zust?nde vom japanischen Standpunkte beleuchten.
Amerika ist also reich an geschickten Karikaturenzeichnern, sie kommen mehr noch als in den Wochenschriften in der #Tagespresse# zur Geltung. Die grossen Zeitungen der Vereinigten Staaten, die oft Millionenauflagen erreichen, bringen fast alle Illustrationen; auch vornehme Bl?tter wie ,,Sun" haben sich schliesslich diesem Gebrauche f?gen m?ssen. Die Zeichnungen m?ssen rasch erscheinen. Das eben eingegangene Telegramm muss m?glichst gleich mit den n?tigen Illustrationen herauskommen. ~Time is money.~ Der Amerikaner will nicht lange nachdenken; die Sache muss ihm so bequem wie m?glich gemacht werden. Dabei passiert denn in der Eile und aus Unkenntnis mancher nette Schnitzer: als Bernhard von B?low Reichskanzler wurde, brachte eine der bekanntesten New Yorker Zeitungen zusammen mit der Nachricht ein Bild B?lows; es war auch B?low, aber -- Hans von B?low, der ber?hmte Dirigent, der zwar ein Orchester leiten, aber nicht das Deutsche Reich h?tte lenken k?nnen. Sein scharf geschnittener Kopf mit dem charakteristischen Knebelbart fungierte nun f?r die New Yorker als Bild des neuen deutschen Kanzlers. Hier handelte es sich um einen Irrtum; aber auch sonst ist der Amerikaner in solchen F?llen nicht verlegen. ,,Portland News" brachten k?rzlich eine Reproduktion von #Anton von Werner#s Bild ,,Erst?rmung der Spicherer H?hen" als ,,Sturm deutscher Infanterie in geschlossener Formation auf einen H?gel". -- Im allgemeinen m?ssen die Illustrationen der Tageszeitungen humoristisch gehalten sein , und so sind denn in den Vereinigten Staaten eine ganze Reihe t?chtiger Karikaturisten entstanden. Diese satirischen Darstellungen verm?gen viel sch?rfer als lange Auseinandersetzungen die Bl?ssen der darin Karikierten zu zeigen; deshalb kann man ihre Bedeutung zu politischen Propagandazwecken auch gar nicht hoch genug einsch?tzen, besonders, wenn man die Riesenauflagen der amerikanischen Zeitungen in Betracht zieht.
So erkl?ren sich die gegen Deutschland gerichteten Karikaturen, die den Kaiser ,,auf dem R?ckzuge" aus Russland schildern mit dem Schatten Napoleons: ,,Glaubst du siegen zu k?nnen, wo ich unterlag?" oder ,,die Ereignisse reifen schnell" oder #Sidney Greene#'s ~,,Cracking a cultured nut"~ und so die schon erw?hnten giftigen Zeichnungen im ,,Life". Denn, was man w?nscht, glaubt man gern! Es kommen auch noch andere Momente f?r die antideutsche Stimmung in Frage, als da sind die rauhe Aussenseite des Deutschen, die unvorteilhaft absticht von den gewandteren Formen des Anglo-Amerikaners, und die nicht gerade absolut notwendig ist als Zeichen von Rechtschaffenheit und Wahrheitsliebe, dann die deutsche Vereinsmeierei in Amerika mit ihren oft recht komisch wirkenden Ausw?chsen.
Der wichtigste Grund der Deutschfeindlichkeit war aber f?r den Anglo-Amerikaner diesmal die Verletzung der sogenannten Neutralit?t Belgiens . Das ~,,scrap of paper"~, die Bezeichnung des belgischen Neutralit?tsvertrages als eines wertlosen Papierfetzens, spielt in den amerikanischen Bl?ttern genau so wie in den englischen die gr?sste Rolle. Auch wirtschaftliche Faktoren sprechen mit. Mit den Verb?ndeten kann man Gesch?fte machen; mit Deutschland w?rde man es auch tun, wenn die M?glichkeit dazu vorhanden w?re. Im allgemeinen kann man sagen: die wirtschaftlichen Kreise, besonders die Hochfinanz in den Neu-England-Staaten, halten zu den Alliierten, das akademisch gebildete Publikum bewahrt wenigstens teilweise seine Sympathien f?r Deutschland, dem es so viel schuldet und ist weit davon entfernt, es f?r ein von Barbaren bewohntes Gebiet zu halten. Man lese nur die ehrliche Flugschrift, die der bekannte Austauschprofessor #Burgess# von der Columbia-Universit?t bereits im August 1914 ver?ffentlichte ; er ist Anglo-Amerikaner und kann seinen Stammbaum Hunderte von Jahren zur?ckf?hren, er bekennt aber ganz offen, dass ihm n?her als sein Mutterland das Vaterland Deutschland steht, dem er sein Wissen und seine Bildung verdanke. Und Burgess steht mit seiner Propaganda f?r richtige Bewertung deutscher Kultur durchaus nicht einzeln da.
Das Wichtigste an Aufkl?rungsarbeit aber leisteten die deutschen Vereinigungen, besonders auch die vom Mitgliede des Repr?sentantenhauses Bartholdt gegr?ndete ,,Neutralit?tsliga". Teilweise erfolgt diese Aufkl?rung in humoristischer Form. Der deutsche Pressklub in New York hat ein solches Blatt herausgegeben; es nennt sich ,,Die gef?llte Kriegsente" und beginnt gleich damit, die r?tselhafte Neutralit?t Amerikas zu verspotten, indem es an seinen Kopf setzt: New-York, Great Britain, 14. November 1914. Dann gibt es lustige Kriegsberichte von allen Schaupl?tzen, ganz im Stil der anglo-amerikanischen Hetzbl?tter. ,,Englands Flotte nach den Masurischen Seen" heisst es in Riesenlettern, und nun entwickelt der Berichterstatter in Retroward den neuesten Feldzugsplan des Generals Kannrennen im Sinne der ?berschrift. Aus Paris gibt er folgenden erg?tzlichen Schlachtbericht:
,,Auf unserm linken Fl?gel erlitten die Deutschen eine vernichtende Niederlage. Die afrikanischen Sch?tzen griffen zusammen mit den Indiern und Hottentotten das Zentrum des Feindes bei Wosollderduebelweiten in Belgien an. Es entspann sich ein w?tendes Gesch?tzfeuer, welches von unserer braven Artillerie indes bald nur mit Schweigen beantwortet wurde. Da n?mlich unser genialer Artilleriekommandeur sah, dass die deutschen Granaten eventuell die franz?sischen Truppenbewegungen h?tten st?ren k?nnen und die Prussiens ?berdies keinen Schuss Pulver wert sind, so zog er einfach seine Leute zur?ck. Dann begannen wir mit Heldenmut den eigentlichen Angriff. Da aber das Gel?nde ung?nstig war, so wurde das Schlachtfeld sp?ter einige Kilometer r?ckw?rts verlegt. Unsere tapfern Truppen liessen den Feind nicht zur Ruhe kommen und blieben trotz der Hast unseres R?ckzugs mit ihm in F?hlung. Seine Verluste sind f?rchterlich. Der feindliche General hat Selbstmord begangen. Sechs preussische Prinzen wurden schwer verwundet, der Bruder des Kaisers wurde gefangen genommen."
Bemerkt sei noch, dass die Kriegsente mit Abbildungen reich verziert ist, die ebenfalls ?ber die Gesinnung der Zeichner keinen Zweifel lassen. Ein j?mmerlich verpr?gelter englischer L?we schm?ckt die letzte Seite, hoffentlich auch das Symbol, mit dem der Weltkrieg einst zu Ende geht.
Solche Satiren auf gewisse amerikanische Zeitungen sind sehr n?tig. Was allein der in Deutschland in seiner Bedeutung weit ?bersch?tzte ,,New York Herald" in L?gen und Verhetzungen leistet, ist so hahneb?chen, dass man es nicht f?r m?glich halten sollte; es ?bertrifft an Dummheit bei weitem alles, was etwa von franz?sischen Zeitungen geboten worden ist. Danach m?sste von dem deutschen Heere ?berhaupt kein Mann mehr ?brig sein: Tausende von hungernden Menschen w?lzen sich durch die Strassen Berlins vor das Schloss, ?berall in der Reichshauptstadt werden Sch?tzengr?ben gezogen . Kurzum, Deutschland steht vor seinem nahen Ende. Und diesen Bl?dsinn dann mit zentimeterhohen Typen in den ~,,headlines"~, den ?berschriften, f?r deren sensationelle Aufmachung ein eigener Mitarbeiter gehalten wird! Daneben geht der haarige Unsinn, den andere amerikanische Zeitungen ihren Lesern vorsetzen. ,,San Francisco Chronicle" schrieb: ~,,Kaiser clips Ends of His Mustache. When it was observed some time after the beginning of the war that the Kaiser's hair had turned white, no one paid much attention to that change, but the removal of his mustache ends has struck the public imagination, and has, perhaps, strange as it may seem, done more than anything else to convince the population of Berlin that the war outlook is becoming bad for Germany."~ -- Im Chicagoer ,,Hardwood Record", einem Blatt, das in der amerikanischen Holzindustrie angesehen ist, war folgende Notiz enthalten: ,,In ?sterreich werden S?gesp?ne mit Teer gemischt und zu Heizbriketts verarbeitet. In Deutschland wird aus S?gesp?nen, die mit Roggenmehl vermischt werden, eine Art Brot gebacken, das von Menschen sowohl als auch von Pferden verzehrt wird. Eine Dampfb?ckerei stellt allein zwanzigtausend solcher Brote am Tage her." Solcher Unsinn stand ?brigens nicht bloss in der anglo-amerikanischen Presse, deren Ignoranz zur Gen?ge bekannt ist. Auch englische Zeitungen, z. B. die Londoner Times haben in der ersten Zeit manche Ente in die Welt gesetzt. Ein uraltes Vorrecht der Unterliegenden ist die L?ge. Sp?ter, als es mit den L?gen nicht mehr ging, haben sie allerdings recht objektiv berichtet. Interessant ist, wie solche falschen Berichte oft entstehen. Man entsinnt sich, dass im September 1914 die Nachricht die Runde durch die gesamte Presse machte, es w?ren achtzigtausend Russen im Hafen von Archangelsk nach Frankreich eingeschifft worden. In England nennt man im Eierhandel die russischen Eier einfach Russen, wie wir russische Zigaretten kurzweg als Russen bezeichnen und wie die Kaninchen, die in Massen aus Belgien ?ber Ostende nach London kommen, ,,Ostendes" heissen. Zu Beginn des Septembers erhielt nun ein Londoner Eier-Kommission?r eine Depesche des Wortlauts: ,,80000 Russen aus Archangel abgegangen." Ein Telegraphenbeamter erz?hlte diese Ank?ndigung als neueste inhaltschwere Zeitungsdepesche geschw?tzig weiter, irgendein Reporter griff sie auf -- und in zwei Tagen waren die Zeitungsleser der Alliierten um eine verheissungsvolle, erst nach langer Zeit weichende Hoffnung reicher. -- Hier waren also die unschuldigen Eier an einer Nachricht schuld, die die ganze Welt tagelang besch?ftigte. ~Omne vivum ex ovo!
~?ber franz?sische L?gen hatte sogar ,,Corriere d'Italia" eine grotesk wirkende Liste gebracht: Die Basutoneger haben sich den Engl?ndern als Pfeilschleuderer angeboten; der Sultan von Marokko hat ausser 50000 Getreuen auch ein Heer von Odalisken nach Frankreich gesandt; die Deutschen haben die Provinz Antwerpen ger?umt, belagern aber die Festung dieses Namens; die in Archangelsk an Bord genommenen Russen sind am Nordkap gelandet und treffen morgen in London ein; der Inn w?lzt blutige Wogen in den Lech usw. usw.
Bewusst harmlos sind dagegen die Zeichnungen in dem schon mehrfach zitierten ,,Life", wie die von #Dan Lynch# ?ber Fabrikation der Schweizerk?se in der jetzigen Zeit ; die K?se werden zwischen der deutschen und franz?sischen Grenze in die H?he gewunden, und die Geschosse sorgen f?r die Durchl?cherung.
Hand in Hand damit gehen zahlreiche Spottbilder gegen die ~,,#hyphenated americans#"~. So nennt man dr?ben die Irisch-Amerikaner, Italo-Amerikaner, besonders aber die #Deutsch-Amerikaner#, also die Leute mit dem Bindestrich ; sie werden als B?rger zweiter Klasse betrachtet, weil sie nicht als ,,reine Amerikaner" gelten, besonders die ~,,Dutchmen"~ . Gegen #sie# wendet sich die Presse der Kriegshetzer. In New York ist k?rzlich sogar ein Theaterst?ck ~,,The Hyphen"~ gegeben worden, das ein ganz bl?des Machwerk der Deutschenhetze darstellte. Autor und Direktor, J. Miles Forman und Charles Frohmann, gingen ein paar Wochen sp?ter mit der Lusitania unter. Es konnte sich ?brigens nicht lange auf dem Spielplan halten, obgleich die Reklame daf?r sehr geschickt eingeleitet worden war. -- Gegen die ~hyphenated americans~ richten sich also zahlreiche Karikaturen. Meist sitzen die ~Hyphenated~ auf einer Mauer und wissen nicht, nach welcher von beiden Seiten sie sich wenden sollen, oder sie erscheinen halbiert und singen rechts ,,Deutschland ?ber alles", links ~,,The Star Spangled Banner"~ . Im Sommer 1915 mehrten sich die Karikaturen auf #William Jennings Bryan#, dem man allzu grosse Deutschfreundlichkeit vorwirft . Dass #Bernstorff#, #Dernburg# und der in den letzten Monaten oft genannte ?sterreichisch-ungarische Botschafter #Dumba# im Spottbilde eine grosse Rolle spielen, versteht sich von selbst .
Aber auch hier muss der Wahrheit gem?ss berichtet werden, dass es unter den ,,echten" Amerikanern viele gibt, die mutig f?r Deutschland eintreten. Gegen die Kriegshetzer schreibt unter anderem witzig das sozialistische ,,Appeal to Reason" den Amerikanern ins Stammbuch: ,,Wenn Sie den Krieg lieben, ziehen Sie einen Graben in Ihrem Garten, f?llen ihn halb mit Wasser, kriechen hinein und bleiben dort einen Tag oder zwei, ohne etwas zu essen; bestellen Sie sich weiter einen Geisteskranken, damit er mit ein paar Revolvern und einem Maschinengewehr auf Sie schiesse, dann haben Sie etwas, das gerade so gut ist und Ihrem Lande eine Menge Geld erspart."
Eines imponiert den Amerikanern: die deutsche Organisation. Man kann das gerade an den Karikaturen der Tageszeitungen wieder deutlich feststellen. J. M. Allison, einer der Kriegskorrespondenten des nichts weniger als deutschfreundlichen ,,New York Sun", der dem Einmarsch der deutschen Truppen in Ostende als Augenzeuge beigewohnt hat, schildert das, was er gesehen, den Lesern seines Blattes in einem Bericht, der sich ?ber die Ordnung, Manneszucht und Organisation der deutschen Armee mit Worten uneingeschr?nkten Lobes ausspricht. ,,Seit ich die Besetzung Ostendes durch die Deutschen erlebte," schreibt Allison, ,,bin ich ein gl?ubiger Bekenner des Wahrheitssatzes, dass es in der Welt nur drei vollkommene Organisationen gibt: die katholische Kirche, die Standard Oil Company und die deutsche Armee." Aus dem ,,Evening Sun" stammt auch die in Abb. 46 wiedergegebene Karikatur aus dem Anfang des Krieges von #Robert Carter# ~,,More news and not quite so thin"~, eine Satire gegen Englands falsche Nachrichten.
Neben #Robert Carter# steht der originelle #Sidney Greene#. In ,,The Bread Line" kn?pft der Zeichner an den Gebrauch grosser New Yorker B?ckereien an, die gegen Mitternacht, besonders im Winter, Brot an die hungrigen Armen verteilen lassen, die sich dabei hintereinander anstellen m?ssen. Eine solche ,,Brotlinie" werden nach seiner Meinung vielleicht auch die europ?ischen M?chte bilden, wenn ihnen die Nahrungsmittel ausgehen und sie Amerika um Unterst?tzung angehen m?ssen. Greene zeichnete auch ein Kinotheater, genannt ~,,Theatre de l'Europe"~. ~,,Greatest war scenes in history"~, die gr?ssten Kriegsereignisse der Welt werden vorgef?hrt. Ein Plakat zeigt die Hauptdarsteller, die ~,,principals"~, und unter ihnen sofort ins Auge fallend den deutschen Kaiser. Italien ?berlegt sich, ob es teilnehmen soll oder nicht. Der Tod sitzt an der Kasse, und da f?llt die Entscheidung schwer. Inzwischen ist Italien doch eingetreten, und der Tod hat reichliche Ernte gehalten. --
Den ,,#Dachshund#" findet man h?ufig als ,,Vertreter" Deutschlands. Besonders in England und Amerika treffen wir die Dackel in Scherzbildern, die sich mit deutschen Angelegenheiten befassen. Die ,,Fliegenden Bl?tter" k?nnten gelb werden vor Neid! So zum Beispiel in dem Karton von #Jack Walker# aus dem ,,Daily Graphic" in London . Das war noch zur Zeit, als man in England seine Hoffnung auf die russische Dampfwalze gesetzt hatte. Aber wir haben die vom Zeichner ironisch aufgestellte Warnung ~,,Beware of steam roller"~ befolgt, wenn auch in anderer Weise, als den Engl?ndern lieb war. Das gleiche Thema behandelt, k?nstlerisch aber weit bedeutender, die Zeichnung von #Marcel Bloch# in der ,,Guerre sociale" . Mit innigem Behagen und einem tiefen Gef?hl der Dankbarkeit gegen unser Heer und seine F?hrer im Osten betrachten wir diese Bl?tter heute, wo l?ngst der Grosse B?r in den Wendekreis des Krebses getreten ist, oder, um deutsch zu reden, Russland kehrt gemacht hat und immer weiter nach Osten weicht.
Einen Dackel zeichnet auch #Sidney Greene# ; er hat sich reichlich ?bernommen. Aber die Dackel sind ja kluge Tiere: er wird mit den vielen Knoten schon fertig werden! Die Dackel folgen bekanntlich nie. Vielleicht ist das auch ein Grund, weshalb uns die Engl?nder so darstellen: wir sind ja ihren W?nschen auch nicht gefolgt. Englische und franz?sische ?berpatrioten hatten am Anfang des Krieges verlangt, man solle die Dackel als ~,,boches"~ t?ten und ausrotten. Dann erfuhr der ,,Dachshund" aber eine ,,Ehrenrettung" durch ,,Daily Mail", die herausbrachte, dass sich Dackel schon auf alt?gyptischen Denkm?lern dargestellt finden.
Eine der gelungensten Zeichnungen Greenes ist die Kluckhenne . Kluck hat einen grossen Sieg errungen. Es entstand die Frage: ~,,Can he hatch it?"~ Kann er ihn ausbr?ten, das heisst: ausnutzen in Anbetracht der zahlreichen Waffen, die ihn umstarren?
Durch sp?ttische Bemerkungen machen sonst ganz in englischem Fahrwasser schwimmende Bl?tter gegen englische Nachrichten und die irrsinnigen Redewendungen mancher Redakteure mobil, deren Sprache als ,,Desperanto" bezeichnet wird. Einen geistvollen Aphorismus, der die englische Politik vortrefflich kennzeichnet, brachte die ,,Deutsche Zeitung" in Charleston: ~,,This war was not made in Germany, but ,made in Germany' is the cause of it!"~ .
Sehr sympathisch ber?hrt uns die Karikatur des schon mehrfach genannten #Robert Carter# ~,,Who said rats?"~ . Der englische Minister Churchill hatte von den deutschen Schiffen als Ratten gesprochen, die man aus ihren L?chern ausgraben m?sse, da sie sonst nicht hervork?men. Die grossartigen Leistungen deutscher Unterseeboote waren die Antwort. Der amerikanische K?nstler zeigt uns nun in dem sehr geschickt komponierten Blatte, wie Tirpitz, hinter dem ein Heer von Schiffen und Zeppelinen steht, den englischen L?wen bei den Ohren nimmt. Dass ein sonst Deutschland abholdes Blatt eine solche Zeichnung bringt, die damit zu Hunderttausenden von Lesern gelangt, ist ein deutlicher Beweis daf?r, dass schliesslich ?ber alle L?gen und Entstellungen doch die lautere Wahrheit triumphieren muss!
Wasser auf die M?hlen aller deutschfeindlichen Elemente war die Torpedierung der ,,Lusitania" am 7. Mai. Die aufs ?usserste erregte Stimmung in den Vereinigten Staaten spiegelt auch hier die Karikatur deutlich wider. Ein Gef?hl der Erhabenheit ?ber Beleidigungen ist diesen Zeichnungen gegen?ber besonders notwendig.
Die modernen Waffen dieses Krieges, die namentlich auf deutscher Seite so ausserordentlich erfolgreich angewendet wurden: Unterseeboote, Luftschiffe, t?tende Gase, haben auch in der gesamten Weltkarikatur zu zahlreichen, oft sehr bedeutenden Darstellungen gef?hrt. Alle die Bilder ?ber die Torpedierung der ,,Lusitania" geh?ren ja in das Kapitel ,,#Unterseeboot#", ?ber das sich allein schon ein dicker Band von Karikaturen zusammenbringen liesse. Die ,,Lusitania"-Karikaturen sind eigent?mlicherweise nicht in England am zahlreichsten, das durch den Untergang des Riesendampfers doch am meisten getroffen wurde, vielmehr hat quantitativ und qualitativ Amerika das meiste geleistet und n?chst ihm Holland; wie ?berhaupt, soweit sich das Gebiet der Karikatur im Weltkrieg bisher ?bersehen l?sst, in Amerika und Holland die k?nstlerisch wertvollsten Scherzbilder entstanden sind.
Wie bekannt, erfolgte die Torpedierung der ,,Lusitania" ohne vorherige direkte Warnung, wobei eine grosse Anzahl bekannter oder, wie man dr?ben sagt, ,,prominenter" Amerikaner ihr Leben verlor. Wir wollen einmal annehmen, das Umgekehrte w?re eingetreten, Deutschland h?tte in einem Kriege, in dem es neutral geblieben w?re, auf die gleiche Weise eine Reihe seiner besten B?rger eingeb?sst: sicherlich w?re auch bei uns die Erregung zur Siedehitze gestiegen und h?tte in den Witzbl?ttern zu den denkbar sch?rfsten Angriffen gef?hrt. Allerdings h?tte man in Deutschland die Bekanntmachung eines fremden Gesandten nicht mit Spott und Hohn hingenommen, wie es in Amerika mit den Warnungen geschehen ist, die Graf Bernstorff in Zeitungen und durch private Briefe ergehen liess. Deshalb ist es ja auch nicht richtig, von einem Torpedieren der ,,Lusitania" ohne vorherige Ank?ndigung zu sprechen. Aber die amerikanische Presse nahm diese Warnungen nicht ernst. So zeigt noch ein Spottbild in der Morgenausgabe des ,,New York Herald" vom Sonnabend dem 8. Mai ,,The Announcer" Bernstorff mit umgeschlagenem Mantel und den Attributen des Todes, w?hrend im Hintergrund das Plakat der Cunard-Linie klebt, die dort ihre Abfahrtszeiten der ~,,fastest and largest steamers"~ ungehindert ank?ndigt. Diese Zeichnung von #W. A. Rogers# sollte ein Hohn auf Bernstorffs Warnungen sein. Nachdem das grosse Schiff nun tats?chlich versenkt war, ?berbot sich die amerikanische Presse an geh?ssigen Darstellungen, die sich haupts?chlich gegen den Kaiser und Tirpitz, die als die Urheber des ,,Verbrechens" angesehen wurden, richteten. Der schon fr?her genannte #Sidney Greene# zeigt im ,,Evening Telegram" den Kaiser pers?nlich mit einem riesigen Torpedo die ,,Lusitania" in den Grund bohrend, w?hrend Frauen und Kinder rettungslos auf den Wellen treiben: ,,#Sein# Platz an der Sonne". In derselben vielgelesenen Tageszeitung brachte der Zeichner #Farr# eine Karikatur, in der die drei gr?ssten Seer?uber aller Zeiten, Kapt. Kidd, Simms und -- Sir Henry Morgan dem Kaiser den Lorbeer ?berreichen: ~,,Handing it to him"~ . #Robert Carter# ver?ffentlichte in ,,Evening Sun" eine Satire mit der ironischen Bezeichnung ~,,Brave Work"~, auf der der Kaiser einem Seewolf, der die Bezeichnung tr?gt: ~,,War on Helpless Shipping"~, das Eiserne Kreuz umh?ngt. In der gleichen Zeitung konnte man ein Bild sehen, das den Kaiser mit der gepanzerten Faust, die ber?hmte ~,,mailed fist"~, mit Tirpitz im Hintergrunde zeigt: ~,,Laws? I make My Own Laws"~ , ,,Cincinnati Times" brachte eine Zeichnung von #Bushnell# mit der riesigen Figur des Todes, die aus dem Meeresgrunde aufsteigt und die ,,Lusitania" in die Tiefe zieht, w?hrend das deutsche Unterseeboot unbek?mmert abf?hrt; ,,Philadelphia Public Ledger" vereinfachte den Gedanken: Man sieht auf den tobenden Wellen einen deutschen Helm mit der Piratenflagge an der Spitze. ,,Brooklyn Eagle" bringt die amerikanische Flagge , blutbefleckt, darunter die Unterschrift: ,,Das ist #unser# Blut". Noch viel sch?rfer waren die Darstellungen in der schon genannten bedeutendsten Wochenschrift ,,Life"; sie sind derartig zynisch, dass man ihren Inhalt aus einfachen Anstandsgr?nden nicht einmal zitieren kann. Auf einer der verh?ltnism?ssig noch harmlosen Zeichnungen von #McKee# sieht man Uncle Sam, wie ihn der Kaiser mit der Peitsche bearbeitet, so dass Streifen auf dem R?cken entstehen, und Tirpitz ihm mit einer schweren Keule auf den Kopf schl?gt, so dass Funken und Sterne spr?hen; die ironische Unterschrift lautet: ~,,Stars and Stripes"~. In der gleichen Zeitung, deren Leser nach vielen Hunderttausenden z?hlen, findet man dann die h?sslichsten und gemeinsten Spottverse gegen Deutschland und seinen Kaiser.
Und dieselbe, auch in England weitverbreitete amerikanische Wochenschrift, gab gleichzeitig eine Sondernummer ~,,Vive la France"~ heraus, in der die ,,Schwesterrepublik" in einer Reihe s?sslich-fader Bilder in den Himmel gehoben wird!
Die Torpedierung der ,,Lusitania" ist nur eines der vielen weltbewegenden Ereignisse dieses Krieges gewesen. Macht man sich nun klar, welche F?lle von Karikaturen allein dieses eine Vorkommnis hervorgerufen hat, so gibt das ungef?hr einen Begriff von der ungeheuren Masse satirischer Bilder, die der Weltkrieg ?berhaupt angeregt hat.
Indirekt geh?ren zu dem Kapitel ,,Lusitania" auch die selbstironisierenden Zeichnungen ?ber die mangelhafte R?stung der Vereinigten Staaten, denen man in der amerikanischen Presse begegnet. So klug sind die Amerikaner doch, um zu wissen, dass sie milit?risch einem m?chtig ger?steten Reiche gegen?ber, wie es ,,Germany" ist, nichts auszurichten verm?gen. Die in Abb. 72 wiedergegebene Zeichnung ~,,The World Power"~, in der die United States ironisch als Weltmacht bezeichnet werden , m?ge daf?r als typisches Beispiel dienen.
Das #Unterseeboot# ist, wie schon gesagt und wie auch die Abbildungen 60, 62, 66-70 weiter zeigen, ein h?ufiges Thema in den Karikaturen; oft kommt ein Gemisch von Bewunderung und Neid darin zum Ausdruck. Ein findiger Franzose schl?gt im ,,Figaro" vor, das Meer im Gebiete der Kriegszone mit ?l zu begiessen. Dadurch w?rden die Gl?ser der Periskope fettig werden, dann k?nnte man sie nicht mehr benutzen, und die deutschen Unterseeboote w?ren lahmgelegt. Der Chefredakteur des ,,Figaro", Alfred Capus gibt diese Anregung mit empfehlenden Worten weiter.
Ebenso geht es den #Zeppelinen#; denn wenn auch die Alliierten so tun, als r?hrten sie die Zeppelinfahrten nicht , so haben sie doch in Wirklichkeit einen Heidenrespekt vor den Beherrschern der Luft. Und ebenso muss eine Zeichnung von #Paul Iribe# im ,,Journal" bewertet werden, wenn die Mutter zu ihrem ungezogenen Jungen in Paris sagt: ,,Sei artig, sonst darfst du nicht mitgehen, wenn wir uns heute die Zeppeline ansehen gehen!"
#Wolffs Telegraphen-Bureau# darf nat?rlich auch nicht zu kurz kommen; hier ist es besonders die franz?sische Presse, die sich diese Depeschenagentur aufs Korn genommen hat , ?brigens nicht nur in rein karikaturistischen Darstellungen wie die der Abb. 71, sondern auch in harmloserer Verbindung. #A. Guillaume#, der bekannte Darsteller galanter Szenen, zeigt den pl?tzlich von der Reise ins Schlafzimmer seiner Frau zur?ckkehrenden Ehemann : ,,Ich bin schleunigst wiedergekommen; ich habe eine Depesche erhalten, dass du mich betr?gst!" Darauf sie: ,,Pah! Das ist doch nat?rlich wieder nichts anderes als so eine alberne #Nachricht des Wolffschen Bureaus#!"
Die modernste und vielleicht schrecklichste Waffe, die #Stickgase# hat in dem schon vorher genannten #P. van der Hem# ihren Meister gefunden. Sein grosses Blatt aus dem ,,Nieuwe Amsterdammer" kann man wohl mit Recht als eine sehr gelungene Versinnbildlichung der erstickenden D?mpfe betrachten. Aus dem langen, r?hrenartig erweiterten Totensch?del str?men die giftigen D?mpfe in den feindlichen Sch?tzengraben, Tod und Verderben verbreitend. Bei allem Ernst, der ?ber dem Blatt lagert, ist der Vorwurf, den sich der K?nstler gew?hlt hat, temperamentvoll wiedergegeben. Trotzdem ausser dem schwarzen Grundton nur Blau verwendet wurde, ist die Zeichnung farbig doch sehr stimmungsvoll. Ein Mann wie P. van der Hem, bei dem sich so scharfe Beobachtung mit technischem K?nnen vereint, w?re der gegebene Zeichner f?r einen grossen Totentanz des Weltkriegs. Gegen seine Darstellung der Stickgase f?llt die des Franzosen #Lanos# ~,,La b?te puante"~ aus dem ~,,Rire rouge"~ g?nzlich ab. Unter Hineinschleppung viel zu vieler Einzelheiten und bei farbig-fahriger Buntheit l?sst die Zeichnung den Eindruck des Schrecklichen, den der K?nstler beabsichtigte, durchaus vermissen und wirkt eher komisch.
Wohl kaum einem Lande ist der Krieg so ?berraschend gekommen wie Frankreich, denn wenn man dort auch immer stolz auf das ~,,archipr?t"~ pochte und eine Reihe von Kriegshetzern fleissig an der Arbeit waren, so hatte man, wenigstens soweit die grosse Mehrheit in Betracht kam, doch nicht ernstlich an einen Krieg geglaubt, zum mindesten nicht an einen solchen im Jahre 1914. So fand denn der 1. August die Franzosen ~archipr?t~ in dem Sinne von 1870, n?mlich unvorbereitet. Wandel und Handel stockte, vor allem der Buchhandel, und er hat sich auch bis heute noch nicht richtig erholen k?nnen, w?hrend er in andern L?ndern schon l?ngst sich den neuen Verh?ltnissen anzupassen wusste. In Deutschland betr?gt #allein# die Zahl der mit dem Kriege in Zusammenhang stehenden Neuerscheinungen vom 1. August bis 31. Dezember 1914 1416 Nummern, w?hrend in Frankreich der ~,,M?morial de la Librairie"~ im #ganzen# bloss 286 Werke verzeichnete und unter diesen #nur# 20, die in direktem Zusammenhange mit den Zeitereignissen standen. Eine grosse Reihe von Revuen und Zeitungen verschwanden sang- und klanglos und sind auch nicht wieder erstanden; andere fristen notd?rftig als zweiseitige Bl?tter ihr Dasein. In Paris h?rten die Witzbl?tter nach Ausbruch des Krieges zun?chst auf zu erscheinen. Die Karikatur trat zuerst wieder in den Tageszeitungen auf, in jenem Stil, der f?r die gesamte Literatur und Kunst seit dem Ausbruch des Krieges f?r Frankreich charakteristisch ist. Es ist dort anders als bei uns: w?hrend hier nur wenige Schreier und Toren die Ausnahme bilden und die weitaus ?berwiegende Mehrzahl der Deutschen sich vern?nftig und korrekt benimmt, ist es in Frankreich gerade umgekehrt; dort ist die Besonnenheit eine Ausnahme, und die Masse des Volkes, #auch# die der Gebildeten, ist von einer Art Wahnsinn befallen, dessen pathologische Wutausbr?che in der Tagespresse, den Witzbl?ttern, den Ansichtskarten und in Einzelheften zum Ausdruck kommen, die zu sammeln f?r jeden, der sich ?berhaupt mit der Kriegsliteratur besch?ftigt, zum mindesten sehr reizvoll ist. Das Bewusstsein der Ohnmacht einem st?rkeren Feinde gegen?ber hat die Franzosen in eine hysterische Raserei versetzt, deren Erg?sse einfach jeder Beschreibung spotten. Aber es ist wirklich richtiger, alle diese Dokumente von der #komischen# Seite zu betrachten, als sie ernst zu nehmen. Die gekr?nkte Eitelkeit, die Sorge um den Untergang der ~,,Gloire"~ hat dieses bedauernswerte Volk zu solchen sonderbaren Delirien gef?hrt. Frankreich glaubt noch immer, die Welt f?hre Krieg, weil seine Eitelkeit vor 44 Jahren durch den Verlust Elsass-Lothringens verletzt wurde. Nur ganz langsam und allm?hlich machen sich auch Stimmen in Frankreich bemerkbar, die vor ?bergrossem Siegesbewusstsein warnen und den Deutschen Gerechtigkeit widerfahren lassen, ja, die sogar das Wort ~,,Les Allemands"~ wieder in Anwendung bringen, das doch jetzt in der franz?sischen Presse verp?nt ist und durch ~,,Assassins"~, ~,,Barbares"~, oder das so beliebte ~,,Boches"~ ersetzt wird.
Besonders interessant sind jene Dokumente, die angeblich authentische deutsche Originalaufnahmen bringen, w?hrend es sich tats?chlich um franz?sische F?lschungen schlimmster Art handelt. Durch alle Bl?tter bei uns ging ja jene Illustration, die drei deutsche Offiziere mit ihrem ,,Raub aus franz?sischen Schl?ssern" zeigte, in Wirklichkeit die Abbildung dreier Kavallerieleutnants, die sich nach einem Herrenreiten mit den drei gewonnenen Preisen hatten photographieren lassen; der Hintergrund war vorsichtig wegretuschiert worden. Auf eine andere F?lschung aus dem ,,Matin" machte k?rzlich der ,,Kunstwart" aufmerksam: das Blatt hatte eine Aufnahme eines Berliner Photographen benutzt, die den Kaiser und den Kronprinzen in freundlichem Gespr?che vorf?hrte. Der ,,Matin" f?lschte nun in das Original verschiedene ,,Kleinigkeiten" hinein und dann wurde der n?tige Text zu dieser F?lschung fabriziert: ~,,Explication orageuse des deux Willies. Les officiers de la suite sourient ironiquement."~ Noch toller aber ist, was sich das Blatt ,,L'Intransigeant" k?rzlich geleistet hat; es brachte eine Gruppe hoher deutscher Offiziere mit ausgesprochen tieftraurigen Gesichtern, alle Mienen verraten Niedergeschlagenheit und Mutlosigkeit. Die Unterschrift: ,,Offiziere des deutschen Grossen Generalstabes beim R?ckzug nach einem missgl?ckten Angriffsversuch." Die Photographie war allerdings vollst?ndig Original und auch nicht gef?lscht. Aber man sah in dem franz?sischen Blatte die Figuren nur bis etwa zu den Knien, die #ganze# Aufnahme zeigte n?mlich die so traurigen und kopfh?ngerischen deutschen Offiziere bei der Beerdigung eines auf dem Felde der Ehre gefallenen Kameraden!
Bei all diesen Hetzereien passieren auch originelle Schnitzer. Das ,,Journal" brachte im Januar mit der n?tigen Entr?stung eine Abbildung aus der ,,Jugend": Kitchener als Frosch mit den H?nden in einer blutigen Masse hingemordeter Menschen w?hlend. Man hoffte wohl auf die Entr?stung der gekr?nkten Engl?nder. In Wirklichkeit handelte es sich aber um eine -- franz?sische Karikatur der ,,Assiette au Beurre" aus der Zeit des Burenkrieges .
Abbildung 76 zeigt eine Karikatur von #L. M?tivet#, die in der letzten vor dem Kriege ausgegebenen Nummer von ,,Le Rire" ver?ffentlicht worden ist. Sie bezieht sich auf die ber?hmte ,,Stiefeldebatte" in der franz?sischen Kammer, die sich um die mangelhafte Ausr?stung des Heeres drehte und ?ber die ja in deutschen Witzbl?ttern zahlreiche Satiren ver?ffentlicht wurden. Der Soldat ist in Betrachtung seiner beiden F?sse versunken, deren einer bekleidet, deren anderer unbekleidet ist, und fragt verwundert, welcher nun eigentlich der ,,Kriegsfuss" sei. Die Kritik des eigenen Heeres spielte in franz?sischen Witzbl?ttern ja ?berhaupt immer eine grosse Rolle, wenn sie auch ganz anderer Art war, als jene harmlosen Scherze, mit denen deutsche Witzbl?tter ?ber den bisweilen etwas zu grossen Schneid unserer Offiziere in liebensw?rdiger Weise spotteten. Besonders die Zeichnungen von #Jossot# lassen an Sch?rfe nichts zu w?nschen ?brig; sie ?ben an der ganzen #Organisation# des franz?sischen Heeres eine ?tzende Kritik.
Es ist eigentlich jammerschade, dass das bedeutendste franz?sische Witzblatt , die ,,Assiette au Beurre" bereits vor mehreren Jahren ihr Erscheinen eingestellt hat. Es w?re doch sehr wichtig gewesen, gerade sie unter der Kriegsliteratur vertreten zu sehen. -- Und dabei denkt man unwillk?rlich ein bis zwei Jahrzehnte zur?ck, an die Zeit, als sich die ganze Sch?rfe des franz?sischen Witzes mit aller Wucht und allem Hass gegen die jetzigen Verb?ndeten Frankreichs, die Briten, wandte, als sogar Sondernummern gegen die Engl?nder herausgegeben wurden, wie namentlich zur Zeit des Burenkrieges. Derselbe #Willette#, der sich heute in geh?ssigen Kartons gegen die deutschen ,,Barbaren" nicht genug tun kann, brachte damals ein Blatt, auf dem der Tod die abgemagerte Britannia davontr?gt. Darunter stand zu lesen: ,,Der Tag, an dem das perfide Albion verreckt, wird ein Freudentag der Menschheit werden!" -- Aber auch sp?ter haben die Pariser Witzbl?tter sich noch weidlich ?ber England lustig gemacht. So nach den letzten englischen Man?vern, die wegen totalen Wirrwarrs und weil niemand mehr ein und aus wusste, schliesslich abgebrochen werden mussten. -- Vielleicht ist die Zeit nicht allzu fern, wo sich die Stifte der franz?sischen Zeichner wieder gegen jenen Feind wenden werden, der die Ursache der ,,Schmach von Faschoda" war. Dann wird Frankreich einsehen, wie treffend die Situation jene als Abbildung 74 wiedergegebene Karte charakterisiert, die aus dem deutschen Grossen Hauptquartier im Westen stammt. Frankreich erntet eben die Fr?chte seiner Revanchepolitik und wird wohl schliesslich die Hauptzeche zahlen m?ssen, wenn die Engl?nder die Absicht haben, bis zum letzten Franzosen zu k?mpfen.
Eine andere Karte mit franz?sischem Text hat das deutsche Grosse Hauptquartier im Westen sich von #Trier# zeichnen lassen. Sie zeigt einen Engl?nder, der im Blute watet und die darin ertrinkenden Franzosen mit folgenden Versen anredet :
~Dans ce sang, vers? pour me plaire, Vous vous noyez? Goddam, tant pis! Rappelez-vous, ce que Voltaire, Un des v?tres, un tr?s fin esprit, A dit de l'histoire d'Angleterre; ,,On y voit", pretend ce grand homme, ,,Le sang couler comme de l'eau, Elle pourrait aussi bien en somme, Etre ?crite par un bourreau!"
,,Schlagworte", Aufsatz von Rudolf Friedmann in der ,,Vossischen Zeitung" vom 2. Januar 1915.
Zu den widerlichsten Ver?ffentlichungen Frankreichs geh?rt das im Verlage der ,,Librairie de l'Estampe" erschienene ~,,La ,Kultur' Germanique en 1914/15"~. Bl?ttert man diese vierzehn Zeichnungen durch, so fragt man sich unwillk?rlich: Gibt es denn in ganz Frankreich keinen Menschen, der diese sinnlosen Roheiten ?ffentlich an den Pranger stellt? Auf dem Umschlag eine abgehackte, beringte Frauenhand und im Innern Darstellungen von Mord, Sch?ndung, Vergewaltigung und den widerlichsten Grausamkeiten. Ein Volk, das solche Gemeinheiten duldet, hat wahrlich kein Recht, von andern als Barbaren zu sprechen. Wie weit sich aber in der franz?sischen Presse die Schamlosigkeit offenbarte, daf?r ist eine Karikatur von #Maxa# in dem so viel genannten ,,Matin" vom 26. Januar ein charakteristisches Beispiel. Die ,,Frankfurter Zeitung" bemerkt dazu treffend: ,,Der Pariser ,Matin', der nicht auf den Krieg gewartet hat, um sich im Urteil der ganzen Welt einschliesslich der damals noch etwas urteilsf?higeren ?ffentlichen Meinung Frankreichs selber als den Schandfleck der europ?ischen Presse zu dokumentieren, f?rchtet jetzt offenbar, dass es irgendwo in der Welt noch jemand geben k?nnte, der an seinem v?lligen Verzicht auch auf den letzten Funken von journalistischem Anstandsgef?hl zweifelt. In der Tat, nur als verzweifelte Bem?hung der Schamlosigkeit, sich selbst zu ?bertreffen, ist das Bild zu verstehen, das der ,Matin' in seiner Nummer vom 26. dieses Monats ver?ffentlicht, und das in den Z?gen eines Affen den greisen Kaiser von ?sterreich erkennen lassen will. Die Infamie der bildlichen Darstellung aber ist noch gesteigert durch die Bezeichnung ~,L'Increvable'~, f?r die es weder im Deutschen, noch in der Sprache irgendeines Menschen, dem die W?rde des Alters nicht als geeigneter Gegenstand scheusslichster Verh?hnung erscheint, eine dem gemeinen Gedanken entsprechende ?bersetzung gibt. Der Geist, der aus diesem Schandprodukt spricht, ist im ?brigen w?rdig des Blattes, das jetzt im Begriff ist, mit der Veranstaltung einer Volksausgabe des franz?sischen Greuelberichts ein Gesch?ftchen zu machen, zu dessen Hintertreibung sich der Pariser Rechtsgelehrte Charles Gide nicht umsonst gerade an den Senator B?ranger in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Liga f?r die Bek?mpfung der Pornographie gewandt hat." -- Manchmal hat der ,,Matin" auch Pech gehabt, wie mit seinem ,,Dardanellen-Thermometer." Als die Beschiessung der Meerengen durch die Alliierten begann, erschien im ,,Matin" ein ,,Thermometer" von der Hand der Verb?ndeten gehalten. Unten lag Kum Kaleh, oben Konstantinopel, dazwischen die andern Orte der Dardanellen. Dieses Klischee sollte t?glich gebracht werden und zeigen, wie die Quecksilbers?ule immer h?her steigt , bis sie schiesslich Konstantinopel erreichen w?rde. Aber schon am dritten Tag blieb das sch?ne Klischee aus den Spalten des ,,Matin" wieder weg: die Quecksilbers?ule war zu tief gefallen.
#Weihnachten bei den kleinen Boches.# ,,Gut," sagte der liebe Gott zum Weihnachtsmann, ,,dies Jahr brauchst du dir augenscheinlich keine Sorgen zu machen; aus Amerika schickt man von allen Seiten Puppen f?r die kleinen Kinder in Frankreich, Belgien, England, Russland und Serbien. Du kannst sie nun verteilen und hast es nicht n?tig, auf den Lagern Umschau zu halten." -- ,,Das ist alles ganz sch?n," antwortete der Weihnachtsmann, ,,aber es bleibt mir doch noch weitere Arbeit, wenn es auch nicht gerade die angenehmste ist ... Du wirst es begreiflich finden, dass niemand in der Welt daran gedacht hat, Puppen f?r die kleinen Boches zu schicken. Ich muss aber auch ihnen etwas bringen, denn das ist meine Pflicht." -- ,,Geh zum Teufel ", schrie der liebe Gott und stiess mit einem Fausthieb die Wolken weg, die ihm als Kissen dienten, so dass die Barometer in allen L?ndern anfingen zu fallen, ,,ich will mit diesen Wilden und ihrem Auswurf nichts mehr zu schaffen haben!" -- ,,Aber, lieber Vater, wie soll ich mir die Puppen besorgen?" -- ,,Mach das, wie du willst; ich will mit der Sache nichts mehr zu tun haben!" -- Der Weihnachtsmann war sehr verst?rt, als er den lieben Gott verliess; er wusste nicht, was er nun anfangen und woher er die Puppen f?r die kleinen Boches nehmen sollte. Pl?tzlich schlug er sich an die Stirn. Warum war er auch nicht eher auf die Idee gekommen? Warum hatte er nicht schon fr?her daran gedacht, dass die Boches ja einen Gott f?r sich haben; sicher w?rde ihm dieser alte gute Gott die notwendigen Puppen nicht verweigern. Und er suchte und fand ihn zwischen grauen und schweren Wolken, die ?ber der Provinz Brandenburg hingen. Dort trug er ihm sein Ersuchen vor. ,,Zum Teufel!" schrie der alte gute pommersche Gott. ,,Du hast gut reden!... ?brigens habe ich deinen Besuch schon erwartet. Die Puppen sind fertig und eingepackt. Unser Michael wird dir die Lieferung ?bertragen; es ist alles erstklassige Ware, ~made in Germany~." Sankt Michael f?hrte den Weihnachtsmann mit verbundenen Augen zwischen vier Trabanten hindurch in ein Magazin, wo er ihm die Pakete aush?ndigte, die in schwarz-weiss-rotes Papier gepackt waren. Der Weihnachtsmann zog wieder ab, bis zur Himmelsgrenze von den vier Satelliten bewacht, die ihn nicht aus den Augen liessen. Dann begann er seine Reise und liess die Pakete in die Schornsteine fallen. Oft musste er sich die Nase zuhalten, denn aus den Essen drang der ekelhafte Geruch von Sauerkraut und W?rsten und der noch ?blere Duft der Boches. -- Am n?chsten Morgen aber klatschten die kleinen Boches vor Freuden in die H?nde, als sie die Sendungen in den deutschen Farben erhielten. Und noch mehr freuten sie sich, als sie die Pakete ge?ffnet hatten und die sch?nen Puppen sahen. Das waren auch wirklich wundervolle Puppen! So herrlich, wie sie sie noch nie vorher bekommen hatten; sie stellten im kleinen ein vollst?ndiges Abbild jener Art von Menschlichkeit dar, die ihre Papas zu verwirklichen sich bem?hten: der einen Puppe war der Kopf gespalten, der anderen die H?nde abgeschnitten, wieder einer anderen die Augen ausgestochen, und einer war der Bauch aufgeschlitzt. Es gab nicht eine einzige, die nicht sorgf?ltig verst?mmelt worden war. -- Und die kleinen Boches, aufs h?chste erfreut und entz?ckt, dr?ckten mit Freudentr?nen in den Augen ihre Puppen an die Brust und riefen: ,,Gott mit uns! Deutschland ?ber alles." --
Diese Probe d?rfte vollauf gen?gen, und wir brauchen nicht erst noch auf den ~,,Carnet de Route de Fritz Schweinmaul"~, den ~,,Dentiste Boche"~ und ?hnliche ,,Scherze" einzugehen. Der Inhalt besch?ftigt sich sonst mit den ?blichen Angriffen gegen den Kaiser und Kronprinzen, welch letzterer mit allen m?glichen Gegenst?nden verschwindet, sogar mit dem Schachbrett Napoleons. Unterschrift: ~,,Non content d'avoir vol? le jeu d'?checs de Napol?on le kronprinz collectionne aussi les ?checs sur les champs de bataille."~ Sehr eingehend besch?ftigt sich ,,Le Rire rouge" auch mit dem deutschen ,,Gretchen", das f?r ihn die Repr?sentantin der deutschen Frau ist, ein plumpes, fettes, ungeschlachtes Weib mit Bammelz?pfen und oft mit Brille . Auf diesem Bilde treten auch, wie figura zeigt, wieder die obligaten W?rste als Attribute des Deutschen in Aktion, die wir schon auf den englischen Karikaturen zu bewundern Gelegenheit hatten. Im Gegensatz dazu wird die Franz?sin als vornehm und mond?n gezeichnet, zum Beispiel in einem Bilde von Fabiano ~,,Flirt 1914"~, auf dem eine elegante Pflegerin einem verwundeten Senegalesen z?rtlich die H?nde streichelt, w?hrend ein im Nebenbette liegender Franzose sich dieser Bevorzugung nicht erfreuen darf.
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