Read Ebook: Das hohe Ziel der Erkenntnis: Aranada Upanishad by Al Raschid Omar Bey
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Ebook has 232 lines and 33134 words, and 5 pages
Edition: 10
DAS HOHE ZIEL DER ERKENNTNIS
ARANADA UPANISHAD
VON
OMAR AL RASCHID BEY
HERAUSGEGEBEN VON HELENE B?HLAU AL RASCHID BEY
DAS HOHE ZIEL DER ERKENNTNIS
Alphabetische Zusammenstellung der in den Text un?bersetzt aufgenommenen Sanskritworte.
adhy?ya, Lehrabschnitt
?ran?da w?re etwa durch 'Sturmesausklang' wiederzugeben.
ashma hat die doppelte Bedeutung: Hammer und Ambos.
asmit?, Ich-bin-heit. "Die Ichheit wird ein Wahn genannt, der uns an ein eigenes Sein glauben l?sst" S??khya K?rik? 24, 25.
?tm?, Seele, etymol. Atem; das der Welt zu Grunde liegende Wesen: brahma in der Erscheinung.--Die ?bliche ?bersetzung: 'das Selbst' ist zu verwerfen solange das Wort 'Selbstsucht' im ethisch entgegengesetzten Sinne verwendet wird.
Bhagavat-g?t?, das Hohelied der Gottheit, Episode aus dem Mah?bh?rasu-Bhagavadg?topanihad, die vom Erhabenen verk?ndete Geheimlehre.
b?dhisattva, der Erwacht-erkennende.
brahma, das dem Weltall zu Grunde liegende Wesen--Gottheit.
Buddha, etymol. der Erwachte.
buddhi, Erkenntnis; etymol. das Erwachen.
dvandva, Paarzust?nde, Gegens?tze.
dvandva vidya, die Lehre vom Gegensinn in der Erscheinung.
g?t?, das Lied; siehe Bhagavadg?t?.
himavat, Heimat des Schnees, ?ltere Form f?r Him?laya.
g?t?, das Lied; siehe Bhagavadg?t?.
himavat, Heimat des Schnees, ?ltere Form f?r Him?laya.
?shvara, der Herr, Gott.
k?ma, Liebe, Trieb, Begierde . Die in der Upanishad festgehaltene Verdeutschung durch 'Verlangen' rechtfertigt sich durch die vielsagende Bedeutung des deutschen Wortes, welches eine Unzul?nglichkeit und aus dieser ein 'Langen' nach 'nicht-langen' ein 'daneben-langen' und daraus wieder ein 'etwas-zu-sich- haben-wollen' --Verlangen nach Erg?nzung.
karma, Tat und Taterfolg, Werk, Wirklichkeit; Gesetz der Wiedervergeltung, ausgleichende g?ttliche Gerechtigkeit.
mah?tma, Grossbeseelter, etymol. Macht-Atem.
manas, Verstand, Urteil.
nirv?n?, Seligkeit, erloschenes Verlangen.
om, feierliche Bejahung, erfurchtsvolle Anerkennung; geistige Vertiefung anstrebender, Heiliger Ausruf, mystische, das All umfassende Silbe.
Pradsch?pati, mythologische Personifikation der Sch?pferkraft.
rishi, k?niglicher Weiser, Seher.
sams?ra im Gegensinn zu nirv?na: Kreislauf der Erscheinungswelt, das sinnliche Da-sein.
savitar, der Erreger: die Sonne.
upanishad, Geheimlehre, philosophischer H?hepunkt der Veden, esoterische Erkenntnis.
Yavana, Jonier; gemeint ist Aristoteles.
der Veda, Sammlung indischer heilig erachteter Schriften; das theo-sophische Wissen--Gottes-Weisheit.
?bersicht des Inhalts der Upanishad.
VORWORT
Er, der dieses Werk geschrieben, ist gestorben vor der Herausgabe. Weil sein Werk der Niederschlag eines ganzen Lebens war, konnte es auch nicht beendet werden, bis dies Leben erf?llt wurde. Das Titelblatt, worauf ich in der Eigenschaft als Herausgeber genannt bin, fand sich im Manuskipt so entworfen vor, wie es hier gedruckt ist. Es war schon vorbereitet in einer Zeit, als der Tod gar nicht nahe war. Andere sollten auss?en, was in seiner Seele gereift war. Dass mir die Aufgabe zufiel, ist selbstverst?ndlich. Seine Lehre war Inhalt meines Lebens geworden. Ich hatte ihre helfenden und gestaltenden Kr?fte an mir lebendig gef?hlt. Wie von einem Strom ist meine Seele von diesem Werke getragen worden, aus Einheit durch die Vielheit der Erscheinungswelt mit ihrem Heimatsverlangen, wieder zur?ck zur Einheit. In diesem Werke heisst es: Aus einer Quelle fliesst: sich eines Andern Seele n?hern, sich von eines Andern K?rper n?hren. Dar?ber ist gesagt: "Aus Verlangen und N?hrung hat Brahma diese Welt gebildet." "Darum lebt alles dieser Welt durch N?hrung, durch einver-Leibung, durch an-Eignung; darum lebt alles Ich durch ein anderes und lebt kein Ich ohne nicht-Ich, und lebt alles Ich durch nicht-Ich, seelisch und sinnlich. Also beschr?nkt sucht Ich Unbeschr?nktheit, also unvollst?ndig sucht Ich Vollst?ndigkeit, also unvollkommen sucht Ich Vollkommenheit, also verstossen, sucht Ich nach dem verlorenen Paradiese, also einsam schreit Ich um Hilfe--es verlangt nach Allumfassen, nach All-einheit, nach Vollendung,--nach Nirvana." Tief wurde meine Seele von den Bildern des Verlangens dieser Welt bewegt. Zu h?chstem Einklang sah ich das irrende gequ?lte Verlangen, dieser in Qual und Lust erbebenden Erschein-ungswelt sich vor meinen Augen verwandeln. Eine Erl?sung sondergleichen, von der Natur selbst vollzogen. Trost und Ruhe stieg aus diesem Weke auf. Kein Wort traf meine Seele, das ?bersinnlich zu werden trachtete, aber ein gewaltiger Strom nahm die heimatlose Seele auf und trug sie unaufhaltsam einem unaussprechlichen Ziele zu, vor dem jeder Gedanke und jedes Wort umkehrt. Mir schien dieses Werk wie eine Heimat und Zuflucht derer, die sich scheuen vor jedem Wort und jedem Bild, das sich ihrer Heimatssehnsucht erbarmen m?chte. Mit Naturnotwendigkeit f?hlte ich mich ?ber das unstillbare Verlangen dieser Welt hinauswachsen, ohne Weltflucht--durch Weltvertiefung, durch Versenken in die Welt der Erscheinung und des Verlangens. "Anziehung und Abstossung ist Verlangen, br?nstige W?nsche --inbr?nstiges Gebet--Liebe wie Hass. Niederste Gier ist Verlangen nach dem H?chsten." Nichts ist zu niedrig, um nicht das H?chste zu bergen! Welch erbarmungsvoller Gedanke!--Von diesem Standpunkt aus--eine Heiligung sondergleichen der ganzen Natur. Ihre Geheimnisse und Schrecken, wandeln sich in uns zum H?chsten, wir brauchen der Natur nicht zu entfliehen; wir sind geborgen. Die Welt--zu Ende gedacht-- ist Erl?sung. Das ist der Standpunkt, von dem es mir m?glich war, alles, was diese Lehre mir bot, zu erfassen. Und wenn ich mich frage: Was hat dem Werke, vordem es in die Welt geht, so viel Macht gegeben auf jene Menschen, die ihm bereits nahe traten, so mag es wohl dies sein, auf das ich hier hindeute, und was einer der teuren Freunde, die mit dem Werke lebten, aussprach: "Es wurde eine Heimat, ein Ruheplatz, wohin ich stets zur?ckkehren werde, wo ich mich hingeh?rig empfinde, es wurde mir ein ureigenster Besitz." Auch die Einheit dieses Werkes ist auf dem schweren Weg durch die Vielheit enstanden. Seine K?rze ist die Tat langer Jahre eines Lebens. Ich kenne den weiten Weg, ich durfte ihn mitgehen, der zur?ckgelegt werden musste, um solches Ineinandergreifen aller Teile zu schaffen, um solche einheitliche Zusammenfassung aus dem Ganzen herauswachsen zu lassen. Ich erlebte es mit, welch starke Verbindung sch?rfster Verstandest?tigkeit mit den Kr?ften seelischen Schauens dazu geh?rt, um die schwierigsten Gedankeng?nge und ihre anf?nglich unm?glich erscheinenden Ergebnisse zu solcher Einfachheit der Vorstellung, zu solcher Selbstverst?ndlichkeit des Ausdrucks auszugestalten. Es war ein langsames Schaffen; aber ein sicheres Wachsen, immer aus dem Lebenszentrum, dem Ich-Punkt heraus. So entsteht ein Naturgebilde. Alles von der Natur Geschaffene stellt sich uns mit so sicherer Selbstverst?ndlichkeit dar, dass wir nur schwer dazu gelangen, seine Bedingtheit aus unendlicher Zusammensetzung zu begreifen. Alles Vereinheitlichte und darum Einfache ist schwer zu ergr?nden. Das gilt auch f?r diese Schrift: sie lesen zu k?nnen--das ist eines schwere Kunst und Wenige werden sich dazu hinringen. Paracelsus sagt: "Was unm?glich gesagt wird, was unverhofflich und gar verzweiflich ist, wird wunderlich wahr werden und soll sich niemand verwundern ?ber den kurzen Weg und kurzen Begriff, denn das Viele ist die Quelle von vielem Irrtum." Wir lernten "das sich dazu hinringen" durch ihn selbst. Er war uns der Pf?rtner, der uns das schwere Tor auftat. Durch ihn empfanden wir, wie wenig alle Worte sagen, selbst seine Worte, die nicht mehr nur Worte der Sprache sind, die zu tiefen Bildern fast unsagbarer Dinge wachsen. An der Bildung der Worte, der Enstehung der Sprache, waren, wie bei allem Schaffen, die h?chsten Ahnungen lebendig mit am Werke. Diese urspr?nglichen Ahnungen tiefster Wahrheiten scheinen gleichsam durch die viel gebrauchten Worte hindurch, wachen wieder auf, sprechen sich im Worte selber wieder aus, sobald die Sprache sch?pferisch behandelt wird. Die k?hnste Anwendung der Sprache deckt sich hier mit ihrem urpr?nglich einfachsten Sinn. Es ist, als ob nicht ein einzelner Mensch spr?che, sondern als ob der Geist der Sprache sein wissen von sich selbst offenbarte. Der, der diese tief lebendige, wissende Sprache sprach, ging den Weg seines Werkes. "Wortlos das Letzte" ist dort das Schlusswort. Er hat auch davon uns noch ein St?ck erfassen lassen durch seinen grossen Tod. In Schweigen versank die Sinnenwelt, das unaussprechliche leuchtete auf, das gesucht, in sich und in allen Dingen, lebenslang; verkl?rt f?hlte er es nahen. Dieses Buch ist seine Wegspur dorthin.--Zu Ende der Weg; erreicht das Ziel;--wortlos das letzte. F?r mich ist es eine Notwendigkeit, ebenso gewollt wie schmerzlich und doch freudig, den innig beh?teten Besitz, der bisher nur still und verehrt Nahestehenden dargeboten wurde, ?ffentlich hinauswirken zu lassen in die grosse, dieser Lehre so fremde Welt, damit sie die Wenigen finde, denen sie ihre Leuchtkraft mitteilen soll, die ein inneres Recht auf sie haben. Solche wird sie finden; ich weiss es, weil nicht ich allein die heilsame Kl?rung im Wirrsal des Lebens daraus empfing. Ein Kreis von Sch?lern und Verehrern hatte sich langsam um den zur?ckgezogenen Denker versammelt. Es lag mir nahe, Ausspr?che der kleinen Gemeinde dem Werke mitzugeben, eine w?rmende H?lle von Liebe, die sich bereits darum gebildet hatte;--scheint doch dies Werk auf den ersten Eindruck dem gegenw?rtigen Leben so fern, als sei es aus dem Weltenraum auf die Erde gefallen; denn was aus Sehnsuchtsglut, die nie am Verg?nglichen Gen?gen fand, geboren wurde, ist wie von der Unendlichkeit, die f?r uns nicht irdische Lebenw?rme birgt, angehaucht.--Ich tat es nicht und gab ihm nur meine grosse Liebe mit, die ihm durch ein Leben geh?rte.
Helene B?hlau al Raschid Bey.
DAS HOHEZIEL DER ERKENNTNIS -- ?ran?da-upanishad --
So lautet die Upanishad: om! Auf das Geheiss des Verehrungsw?rdigen! Diese Unterweisung niedergeschrieben zu Stambul, im indischen Kloster auf Akssarai, begonnen am f?nfzehnten Tag des Monats rebi ?l evel im Jahre dreizehnhundertundvier.
Der Verehrungsw?rdige spricht: "Frieden sei aller Erscheinung!" "Du hast, o Teurer, deinen Wissensweg fern von uns gesucht; hast du, im Abendlande belehrt, des Wissens Ziel--: 'Befriedigung' erreicht? Welches Begehren f?hrt dich hierher?" --"Verehrungsw?rdiger..."-- "Suchst du weitere Gelehrsamkeit oder verlangt dich, aus Nichtigkeit hinaus, nach letzter Erkenntnis?--Erfasse es wohl! denn unermesslich ist, in allen Ewigkeiten und Unendlichkeiten unermesslich, was du--erkennend--erringst." --"Verehrungsw?rdiger! Ein Sch?ler steht vor dir, das Holz zum Opfer in der Hand..."-- "Nun wohl!... Was von grossen Fragen bewegt dich?" --"Das Leid auf Erden, o Herr! Die Unabwendbarkeit des Verderbens, das Grauen und die Qualen der Gesch?pfe--Woher ist der Ursprung des ?bels in unserer Welt?"-- "Ursprung des ?bels? Hast du, o Teurer, was du so nennst, wohl erfasst und verm?chtest mit klaren Worten zu antworten?" --"Keine Antwort, Verehrungsw?rdiger!"-- "Hat dich, o Teurer, dein Lehrer ?ber den Sinn der Fragebelehrt?" --"Verlangend war ich, o Herr..."-- "So hast du im Abendlande Wissen hier?ber nicht erlangt?--Wer von Lehrern dort gibt Antwort--letzte Erkenntnis, unwiderleglich?" --"Unzureichend, Verehrungsw?rdiger, ist alle menschliche Vernunft! der Widersinn der Welt ist un?berwindlich"-- "Dem ist nicht also, o Sohn!--Eines nur,--nur Eines... ist unerkennbar..." --"Verehrung sei dir, o Herr! Wie k?nnte sich selbst Widersprechendes bestehn? Wie k?nnte Unerreichbares dem Wissen erreichbar werden?--Fliesst ?bel und B?ses aus der Gottheit, so ist es von der Gottheit gewollt. Will Gottheit B?ses, so ist Gottheit b?se. W?chst aber das B?se nicht aus der Gottheit, so ist es von der Gottheit nicht gewollt und ist dennoch,--so ist Gottheit in sich entzweit--zwei Gottheiten, die sich bek?mpfen, widersprechen, aufheben.--Der Widersinn ist unl?slich"-- "Dem ist nicht also, o Teurer!" --"0 Herr! Woher ist ?bel und B?ses in der Welt? Warum ist Leiden und Tod? Wenn es eine Antwort auf diese Fragen g?be, so w?rden die Wissenden von ihrer Wahrheit erf?llt sein; der Veda w?rde sie uns lehren, die Gita, Yadschnav?lkya, der Buddha, Badar?yana, Shamkaratsch?rya, Lao-tse, Li-tse, die grossen Lehrer des Abendlandes..."-- "Dennoch ist es nicht also, o Teurer! dennoch ist es nicht also!" --"Diese Fragen sind ungel?stes Geheimnis; es gibt uns Menschen keine Antwort! Dies entgegne ich dir in Ehrfurcht, o Herr! Wenn aber dem nicht so ist, so wolle der Erleuchtete mich hier?ber wahrhaft belehren."-- "Eines--o Teurer, ist unerkennbar--nur Eines!--und Schweigen ist Antwort... Diese deine Fragen jedoch sind durchsichtig, tragen die Antwort in sich." --"W?rdige mich der Belehrung, o Herr!"-- "Nahe liegt die Antwort, leicht ist die Antwort auszusprechen, mit wenigen Worten ist die Antwort auszusprechen--weit der Weg, m?hevoll der Weg zu Erkenntnis..." --"Weise mir den Weg, o M?chtiger! Lass die Erkenntnis ?berstr?men auf mich, deinen Sch?ler, der ich in Demut deine Kniee umfasse!"--
"Wohlan! Es sei! Tritt n?her, fasse meine Hand; gebiete deinem Herzen Ruhe und Ruhe den Gedanken." "M?ge uns die Stunde g?nstig sein! M?ge der Geist der Upanishaden uns leuchten."
"Fern von hier, in unsrer aller Heimat ruht das Feuer unter der Asche des Herdes; der M?rser t?nt nicht mehr unter den H?nden arbeitsfreudiger M?dchen; der L?rm des Tages schweigt; aufgestiegen zum wolkenlosen Himmel ist der Opferrauch und heilige Elefanten k?nden die Nacht..." "Indessen von denen da draussen, die sich Menschen nennen, der eine, gedankenlos wie ein Tier, sich dem Schlafe ?berl?sst und im Traume weiter nach zerrinnenden Freuden jagt,--indessen andere, unf?hig sich der Bet?ubung des Lebens zu entreissen, nichtige Reden f?hren, ver?chtliche K?nste anstaunen oder ?bers?ttigt und nie befriedigt in Weibesarmen ruhen,--ist uns die Stunde gekommen, nach dem Hohenziel des Menschen zu forschen.--Wohlan, o Sch?ler, wiederhole deine Frage!" --"Verehrung sei dir, o F?rst! Ursprung des B?sen, Ursprung von Selbstsucht und Zwietracht, Ursprung des Unheils dieser Welt, Quell alles Leides; Quell alles Widersinnes, alles Irrtums, aller S?nde dieser Welt, Frage aller Fragen, nie gel?ste R?tsel!--: Wie ist sittliche Erkenntnis und Tat denkbar unter Herrschaft blinder Naturgesetze? Wie ist freie Willensentscheidung des Menschen vereinbar mit unabweisbarer Notwendigkeit alles Geschehens? Wie ist der Gegensatz zu ?berbr?cken zwischen Empfindung und Bewegung, Seele und K?rper, Gott und Welt?--Ich nehme meine Zuflucht zu dir, o m?chtig Beseelter! Weise mir den Weg ans Ufer der Erkenntnis--mir, dem Suchenden!"-- "Wohlan!--Wisse dich aufgenommen, o Sch?ler! Schichte das Holz zum Opfer... Folge meinen Worten; schweigend folge,--du betrittst heiligen Weg. Folge mit offener Seele aus leicht verst?ndlichem Beginn von Stufe zu Stufe festen Schrittes zum letzten Ziele,--uns allen bestimmt. Ich offenbare dir verh?llte Wahrheit--uralt heiliges Wissen--Upanishad."
"O Teurer! Seit dem Tage Brahma st?rmt unser Wohnsitz, die Erde, unaufhaltsam durch den Weltraum. Der segenspendende, totbringende Sonnenstrahl, mit jedem Augenblick rastlos vorr?ckend, weckt die Scharen der Gesch?pfe aus tiefem Schlaf zu kurzem Tagesbewusstsein. Sie erwachen unter dem Einfluss des Erregers Savitar--und ihr erster klarer Antrieb ist, sich Nahrung zu verschaffen, um das Leben weiter zu fristen. Alsbald halten sie Ausschau nach einem schw?cheren Genossen, um ihn zu ber?cken und zu fressen.--Sie selbst haben es sich so ins Herz gelegt: andere zu vernichten, um sich zu erhalten. "Zu solchem Ziele ist jede Verschmitztheit, jede Frechheit, jede List und Gewalt, jedes Unrecht erlaubt und geboten, und belohnt sich auf der Stelle. Jede Unentschlossenheit, jede Abschw?chung des straffen, zielbewussten Willens, etwa aufkeimendes Mitleid, die leiseste bessere Regung, r?cht sich unmittelbar: der Fang ist vereitelt und Hunger die Strafe. Darum Verdruss, wenn die Beute entgeht, und Herzensfreude, wenn sie r?chelnd am Boden liegt.--Kein andrer Ausweg: um zu leben--erbarmungslos morden.--Einst wirst du erkennen, aus welcher Tiefe solches fliesst. "So wird es ein gewohntes Handwerk, und seit Menschengedenken von Vater auf Sohn vererbt. Niemand weiss es anders, jedermann ?bt es unbedenklich aus, h?lt es lieb und wert, eignet sich willig die n?tigen Kunstgriffe an und zieht dann, wohl ausger?stet, tagt?glich nach lockender Beute aus. "Sehr bald wird der Raubende den Unterschied gewahr zwischen dem leicht und dem schwer zu erlangenden Frass, zwischen der sicheren und der gef?hrlichen Jagd, zwischen der wehrlosen und der wehrhaften Beute, und er lobt das Eine und schilt das Andere, betrachtet das Eine mit Hass, das Andere mit Liebe, nur sich im Auge. Was sich fressen l?sst, gef?llt ihm und er nennt es gut; was sich nicht willig hergibt, was widersteht, was gar ihn selber angreift, missf?llt ihm und er nennt es schlecht und b?se. Fressend h?lt er das Tun f?r l?blich und recht, doch selbst gefressen f?r unrecht und b?se. "Er trifft sonach sorgf?ltige Auswahl und vermeidet die Jagd auf seinesgleichen, eingedenk, dass Solche Waffen f?hren wie er selbst: der Kampf ist gef?hrlich, der Erfolg nicht sicher. Es ist geratener, Schw?chere zu bek?mpfen, dem gleich Wehrhaften m?glichst aus dem Wege zu gehen; es ist vorteilhafter, sich mit ihm zu vertragen, gute Nachbarschaft zu halten--Frieden und Freundschaft, wenn solcher Nachbar, von gleicher Gier nach gleichem Ziel beseelt, zur Erlangung des Frasses mitbehilflich ist. "Notgedrungen verbindet er sich mit Gleichgesinnten, jagt und raubt gemeinsam mit ihnen, achtet auch das eingegangene B?ndnis, solange es ihm dienlich scheint. Bei guter Gelegenheit jedoch kehrt er sich gegen seinen Bundesgenossen, entwendet dem ?berraschten die Beute, wiederholt das bequeme Spiel so oft als tunlich und knechtet endlich den milderen oder minder schlauen Gef?hrten dauernd zu seinem Dienste. "Sein b?ses Tun tr?gt ihm gute Fr?chte. Durch B?ndnis oder Waffenstillstand nach aussen leidlich gesichert, von Weib und Knecht im Jagen unterst?tzt, gewinnt er Zeit zur ?berlegung. Er beginnt an den kommenden Tag zu denken und lernt allm?hlich sich die Nahrung f?r den Notfall zu sichern. "Er gew?hnt sich sein Gebiet bedachtsam abzujagen; er hegt und erh?lt sich den Bestand nach M?glichkeit f?r die Zeiten des Mangels; er schont das tragende Weibchen, sorgt f?r den heranwachsenden Wurf und z?hmt ihn, um ihn besser zur Hand zu haben. Was er nun ehrlich erworbenes Eigentum nennt, beh?tet er sorgsam und sch?tzt es entschlossen gegen hungernde Mitbewerber; sch?tzt seine Herden mit Gefahr seines Lebens gegen fremde Fresser--zum Frass f?r sich. "So im Gef?hle gesicherter Nahrung schaut er mit Befriedigung und Wohlgefallen auf die anwachsende Herde und liebt sie mit aufrichtiger Liebe. Erbarmungsloser R?uber und treuer Hirte! Beides w?chst aus derselben Wurzel und wird nur mit anderen Namen genannt--nur Worte, blosse Lautverschiedenheit. "Solchem Tun und Treiben haben sich seine Glieder, seine Sinne, sein Hirn, seine Denkungsweise angepasst, er hat seine Gewohnheiten, seine Sitten, seine Gesetze darnach gebildet; er l?sst sie sich nicht abstreiten, ?berwacht sie eifrig, h?lt, was er sein gutes Recht nennt, unentwegt aufrecht und erachtet es f?r heilig. "Das Rauben und Morden ist allm?hlich in fest gehandhabte und streng eingehaltne Ordnung gebracht, und alle Welt f?gt sich freudig dieser Ordnung. Was jedermann an sich selbst als grauenvoll empfindet, wird dem N?chsten gelassen angetan. Es wird kaltbl?tig und mit Musse gemordet und in sanften Formen gefressen. Es ist nicht mehr das sterbende Tier im letzten vergeblichen Widerstand, mit brechendem Auge, st?hnend, blut?bergossen--nein, es sind gesittet zubereitete Speisen und friedlich heitere Mahle. Es nimmt kein Vern?nftiger Anstoss daran. Der Schmausende weiss sich von niederer Begierde frei, von unantastbarer Redlichkeit, auf der H?he der Gesittung--und das Tier, das sich Herr der Sch?pfung f?hlt, nennt sich--Erkenntnis in ferner D?mmerung--Mensch, und seine Mitgesch?pfe--Nutzvieh. "Nutzvieh sind ihm auch seine Weiber; er hat sie gegen Mitbewerber unter M?hen erk?mpft und h?tet sie nicht ohne Not. Er ?berwacht sie, b?rdet ihnen alle M?hen auf und missbraucht sie zu jedem Dienst; er liebt sie, wie er seine Herden und seine Helfershelfer liebt. Er zankt und spielt wieder, fl?tscht die Z?hne und liebkost, schmeichelt und l?sst sich schmeicheln, liebt und verachtet, je nach Lust. "Und das Weib f?hlt sich Mutter,--sie gebiert und sieht im Kinde sich selbst! Sie ?bersch?ttet den hilflosen Wurf mit der Liebe zu sich selbst, mit verschwenderischer, hingebender Liebe--jederzeit bereit, f?r ihr eigen Fleisch und Blut sich aufzuopfern. "Der Erzeuger folgt z?gernd der Mutter: pflegt, ?berwacht, erzieht die Brut; lernt sie mit Gefahr seines Lebens sch?tzen--ja in freudig aufgenommenem Kampfe vergisst er sich selbst und opfert sich f?r sein Kind. Was selbstlose Liebe heisst, ist auch in ihm aufgegangen. Er hat sich, gleich der Mutter, in einem von ihm abgetrennten, einem fremden Wesen--sich ausser sich--wiedererkannt; hat sich geopfert, um sich im Kinde zu erhalten--selbstlos aus Selbstsucht. "Wie aus der Gier, sich bequemen Frass zu sichern, Liebe zur Herde floss, so fliesst aus starrer Selbstsucht: --Aufopferung und Selbstlosigkeit. Es ist dasselbe Tun und wird nur mit einem anderen Namen benannt. Selbstsucht, zu Ende gedacht, ist Selbstlosigkeit. "Dies ist einfach und erkl?rlich. Der du mich h?rst, wiss' es: Dies ist das Wunder aller Wunder,--ist Quell und Ursprung, Geburt aller Gottheit, aller Welten, Geburt aller Welten--Vernichtung aller Welten; Samsara--Nirvana. "Die Welt ist Selbstsucht--Selbstlosigkeit unterliegt all?berall und siegt unabl?ssig; erlischt und flammt auf, vergeht und w?chst, ist und ist nicht--Nirvana in Samsara. "So, o Teurer, k?nnen wir Menschen nachdenkend uns dieses vorstellen.-- "Doch, wie ein Elefant, der den Stachel des F?hrers nicht f?hlt, vom Wege abirrt und ?ber das Ziel hinausl?uft,--so bin ich vom Gedanken abgewichen und habe mehr gesagt, als ich zun?chst sagen wollte. "Wie auch das Tun und Treiben der Menschen erscheine, welch' hohe Bezeichnung es auch f?hre, welch' heiligen Namen es auch trage--in diesem wirr verschlungenen Reigen ist nur Ein Gedanke, nur Ein Ziel: das Leben, das eigene Leben!--Ich! Ich, das sich aus dem Fleisch und Blut des N?chsten aufbaut,--ich, das von der Vernichtung des Anderen lebt... "Folgst du meinen Worten, o Teurer?" --"Mit ganzer Seele!--Du hast, o Herr, die Entstehung menschlicher Gef?hle dargelegt, den Wechsel und Wandel der Gef?hle, die Umkehr des Gedankens und die letzte Grundlage alles menschlichen Tuns!--Wolle der Verehrungsw?rdige nunmehr auslegen, wie in dem Gesagten die Antwort auf unsere Fragen liegt?"-- "Ich lehre es dich, o Teurer, du aber verstehst mich nicht. Ich habe es ausgesprochen, du aber hast es nicht geh?rt. "Wohlan denn! Da ich zun?chst von der Quelle redete, aus der alles Tun fliesst, ist dir nicht, o Teurer, der Gedanke aufgestiegen, dass es n?her l?ge zu fragen, nicht wie das B?se, wohl aber wie das Gute in die Welt gekommen sei? Denn die Welt des Samsara ist durch Entzweiung, ganz im Banne des Zwiespalts, not- und leiderf?llt, ganz im Banne nimmer gestillten Verlangens, ganz im Banne ewig friedloser Tat, allen Qualen preisgegeben, preisgegeben dem Tode. Wie in solcher Welt konnte der Gedanke des Guten entstehen? "Indessen wie das B?se, oder wie das Gute in die Welt gekommen sei--beides sind m?ssige Fragen und die eine nicht besonnener als die andere. "Leicht zu durchschauen sind die Fragen, offen liegt die Antwort, nahe Erkenntnis, weit der Weg.--Aus dem Dickicht aberwitziger Torheit will ich dir den Elefantensteg treten, dich hinauszuf?hren zu sonnenklarer Einsicht. "Wie wenn Einer im pfadlosen Urwald irrend, vergeblich den rettenden Ausweg sucht und bei sinkender Nacht, zu Tode ersch?pft und jedweder Hoffnung bar, sich zum Sterben zu Boden wirft--und erwacht am hellen Tage und erkennt die Umgebung und sieht sich nahe seiner Heimat--so erwachst du im Lichte der Erkenntnis und siehst dich nahe dem urewigen Ziel. "Ich f?hre dich aus blindem Wahn zu Erkenntnis, aus Todesgrauen zu Seeligkeit, aus Verlangen zu Erf?llung--und leuchten m?ge uns das Licht des Veda, das Licht des Veda!"
So lautet in Aranada-Upanishad die Pr?fung; nunmehr die Unterweisung: Akasha, dieser atmenden Welt Erscheinung.
O Teurer! Zu dem, was ich dir zu sagen gedenke, behalte vor Augen: Alle grosse Wahrheit ist gedacht, verk?ndet alles grosse Wissen; uns bleibt uralter Weisheit nachzuleben. Beachte wohl: Erkenntnis offenbart sich wortlos; die Upanishad, um geh?rt zu werden, muss in Worten reden. Lass dein Verst?ndnis nicht an Worten haften; Worte sind Hindernis der Erkenntnis: denke und erfasse ?ber Worte hinaus. Ehe wir zur H?he ansteigen, gehen wir im Tale den betretenen Pfad --glaube nicht zu schauen, ehe du dich dem Gipfel n?herst. W?hne nicht zu erkennen, ehe du den tief innersten Gedanken der Upanishad in dich aufgenommen hast--: aller Welten Ziel: das Erwachen aus der Erscheinung.
Also ist die erste Unterweisung: -- AKASHA -- dieser atmenden Welt zeitr?umliche Erscheinung. Stelle dir vor, o Teurer, es umfasse die enge Klause, in der wir weilen, die ganze Welt, und es sei kein empfindendes Wesen darin; was w?re auszusagen? Nichts; ohne Empfindung kein Urteil. Du betrittst den Raum--und aus dem Nichts schafft sich Erscheinung, Bewegung und Gestaltung; K?rper, Eigenschaften, Kr?fte, Wirkung, Entfaltung, Leben in endloser F?lle und endlosem Wechsel; aus deiner Empfindung--die Welt. Alsbald erscheint dir dieser Raum gross oder klein, hoch oder niedrig, hell oder dunkel, heiss oder k?hl, sch?n oder h?sslich oder in irgend einer Beziehung deinen Sinnen erw?nscht oder unerw?nscht, und zwischen diesen Gegens?tzen alle Abstufung deiner Empfindung. Den Boden, auf dem du stehst, f?hlst du unter dir, die Decke siehst du ?ber dir; die Pforte, durch die du eingetreten bist, ist hinter dir; vor dir, weiten Ausblick gew?hrend, der offene Bogen; diese geschlossene Wand hier ist zur Linken, jenes die rechte Seite des Raumes. Dies sind Bezeichnungen, Urteile, die unbestreitbar scheinen,-- dennoch, sobald jemand dir gegen?ber tritt, behauptet er, die Seite, die du mit rechts bezeichnest, sei die linke, und nennt die Wand, die du links nennst, die rechte. Beider Urteile k?nnen nicht zutreffend sein; sie widersprechen sich, sind Gegens?tze, die einander ausschliessen, zu nichts aufheben. Hier geschieht das Wunder, dass eines mit einer bestimmten Bezeichnung und gleichzeitig mit dem Gegenteile dieser Bezeichnung belegt wird. Wer von den Urteilenden hat recht? Keiner--oder, wenn du willst, beide. Die Wand ist beides: rechts und links, also auch keines von beiden, weder rechts noch links. Keine L?sung, auch wenn etwa der Gegen?berstehende zu dir her?bertr?te und nun, in gleicher Stellung wie du, dir und deinem Urteil beistimmte. Gesetzt, es traten noch mehr zu dir, einsichtige M?nner, gelehrte Brahmanen, solche, die sich f?r Wissende halten, und alle waren eines Urteils: die bezeichnete Wand des Raumes sei die rechte;--wenn von allen zahllosen Wesen seit Zeitr?umen ohne Zahl nie anders erkannt worden, wenn es ein ewiger Glaubenssatz der Menschheit w?re und hiesse frevelhaft daran zu r?hren--die Wand bleibt, was sie wahrhaft ist, weder das eine noch das andre, weder rechts noch links. Alle die, welche mit dir in der Benennung der Wand ?bereinstimmen, stehen mit dir auf gleichem Stand, vertreten deinen Standpunkt, sind deine Standesgenossen, nichts mehr. Wechselst du deinen Standort und trittst dir selbst gegen?ber, so widersprichst du dem eigenen Urteil: aus rechts ist links, aus links ist rechts geworden. Das Urteil ist in dir; an der Wand selbst haftet nicht ein Hauch von den Unterscheidungen rechts und links. Wie der Schatten eines vor?berfliegenden Vogels am Boden nicht haftet, so haftet nichts von diesen Unterscheidungen an der Wand, in keiner Gestalt, in keinem Sinne, weder offen noch verborgen, weder hier noch dort, weder heute noch je.
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