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Read Ebook: Die Gotischen Zimmer: Roman by Strindberg August Hollander Else Von Translator

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Ebook has 1939 lines and 80977 words, and 39 pages

Translator: Else von Hollander

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August Strindberg

Ausgew?hlte Romane

August Strindberg

Die Gotischen Zimmer

Roman

Hyperionverlag / Berlin

Deutsch von Else von Hollander

Die Gotischen Zimmer

Erstes Kapitel

Die Gotischen Zimmer

Das elektrische Licht in den Gotischen Zimmern flammte auf, und Kellner legten die letzte Hand an eine Tafel.

Zwei Herren im Frack traten im selben Moment ein und pr?ften mit einem Blick die Anordnungen, die ihrer Aufsicht zu unterstehen schienen.

>>Du warst nicht gerade gestern hier!<< sagte der eine von den Arrangeuren, der Architekt Kurt Borg, ein Neffe des Doktor Borg, der der Schreckliche genannt wurde.

>>Nein,<< antwortete der Maler Sell?n, >>ich bin seit f?nfzehn Jahren nicht hier gewesen, seit ich damals im Roten Zimmer sass und mit Arvid Falk, Olle Montanus und den andern philosophierte. Kannst du als Architekt einen Riss von unserm alten Zimmer geben?<<

Der Architekt, der schon ?fter hier gewesen war, schritt auf dem Pl?schteppich ein Trapez ab und beschrieb die alte Szenerie.

>>Ja, ich sage es ja,<< meinte Sell?n, >>die Zeiten ?ndern sich, aber wir bleiben uns gleich.<<

Er deutete auf die ergrauenden Schl?fen und fuhr fort:

>>Arvid Falk, ja; er ist zusammengebrochen, wie es zu erwarten war; lebt er noch?<<

>>Ja, er lebt gemordet, wie sie k?rzlich unsern Syrach gemordet haben, den Rembrandtsohn, unsern besten Mann, den Antesignani, der vor der Linie fiel.<<

>>Und mit diesen M?rdern sollen wir heute abend zusammen sein?<<

>>Ja, siehst du, das Fest wird doch dem Norweger zu Ehren veranstaltet, und man kann seine alten Freunde aus Paris und Rom nicht ausschliessen!<<

>>Nein, nat?rlich nicht; aber wenn Onkel Borg herkommt, dann gibt es vielleicht Streit.<<

>>Das schlimmste ist, dass Lage Lang, unser Norweger, glaubt, es wird ein Vers?hnungsfest werden. Glaubst du an eine Vers?hnung?<<

>>Nein,<< antwortete Sell?n bestimmt. >>Wir haben es versucht, aber es geht nicht. Lundell zum Beispiel hat den Ruf an die Akademie angenommen, um von innen die Tore der Festung zu ?ffnen, um zu reformieren und Frieden zu stiften; aber dann wurde er eingeschlossen, und jetzt malt er wie die Professoren. Nein, trau ihnen nicht! Sie sagen nur: Komm zu mir, werde wie wir; komm, dann kriegst du den Wasaorden, wenn wir Kommandeure sind; komm und begib dich in unsere Hut, dann sind wir ?ber dir! -- Nein, danke, lieber draussen, lieber unten auf der Strasse und Landstreicher sein! Erinnerst du dich noch an Lasses Lied aus der Kneipe in Paris?<<

>>Ja, Paris! Und jetzt sind wir wieder daheim! Wie kommt es dir vor?<<

>>Dumpfig! Ganz schauderhaft! Die Luft steht still und das Jahrhundertende kommt; man erwartet etwas Neues! Aber was?<<

>>Wir werden ja sehen!<<

Eine Bewegung an der T?r deutete an, dass die G?ste sich einzufinden begannen.

Herein trat jetzt, fett, frischrasiert, behandschuht, der Maler, Professor Lundell. Er trug den Wasaorden auf dem Frack.

>>Nimm das Ding da weg,<< sagte Kurt Borg und hakte den Stern ab.

>>Nein, lass das!<< protestierte Lundell gutm?tig, denn er war gewohnt, dass man mit ihm scherzte.

>>Ja, aber es ist eine Beleidigung f?r Lang, unsern Ehrengast, der, obwohl er verdienter ist als du, keinen Ordensstern hat. Die Kellner k?nnten ihn und uns alle f?r bestrafte Leute halten, verstehst du?<<

>>Nein!<<

Neue Bewegung an der T?r; Konsul Isak Levi, fr?her Mitglied des Roten Zimmers, trat ein und sch?ttelte Sell?n, Lundell und Borg die Hand.

Nun kamen die G?ste truppweise. Eine Gruppe Akademiker erschien, wie eine Wolke ihren Schatten ?ber eine Wiese wirft.

Polternd und ger?uschvoll kam Doktor Borg, der Schreckliche, der jugendliche Onkel des Architekten. Er warf kampflustige Blicke um sich und gr?sste mit einer Stichelei nach rechts und links.

Dann kamen Damen und Herren, aber man merkte einen bestimmten Unterschied, weil die Akademiker ihre Frauen nicht mithatten. Die Gesellschaft erschien ihnen nicht ~comme il faut~, und man wusste, dass hier eine Sprache gesprochen wurde, die an reines Schwedisch erinnerte. Hinzu kam, dass die Gesellschaft nach dem Reichsrecht einen Norweger nicht feiern durfte und dass die K?nstlerdamen Manieren hatten, die nicht salonm?ssig waren. Es wurde sogar behauptet, die K?nstler br?chten ihre >>Freundinnen<< mit, und da man diese von den anderen nicht unterscheiden konnte, waren leicht Irrt?mer zu begehen.

Schliesslich trat ein aufrechter Mann ein, einen Kopf gr?sser als die andern. Das war Lage Lang, der Maler der Gegenwart mit dem grossen Namen. Leutselig, reich, gastfrei, stand er ausserhalb der schwedischen Kliquen und bewegte sich deshalb ohne Schaden zwischen den Feuern, die er nicht kannte. Den Freund, den K?nstler feierte man, aber man wollte auch dem Norweger eine kleine Demonstration darbringen; man wollte zeigen, dass die Nation die Ansicht der Regierung nicht teile, die Norwegen wie eine besetzte Provinz behandelte; und man wollte nach seinen Kr?ften den von oben angefachten Hass gegen das Brudervolk d?mpfen, dessen Wohl nicht wahrgenommen wurde, wenn das Land von Stockholm aus per Telephon regiert wurde, wie ein Vorwerk von einem bequemen Verwalter geleitet werden kann.

Deshalb wurde der Ehrengast sofort auf den Balkon gef?hrt, der sich auf den grossen, vollbesetzten Musiksaal ?ffnete. Als er hinaustrat, wurde die Nummer abgeklopft und man spielte die norwegische Nationalhymne: >>Ja, wir lieben.<<

Die Professoren bildeten eine geschlossene Gruppe, die im Zimmer blieb, denn sie hatten das Gef?hl, dass etwas Unerlaubtes geschah, woran sie sich nicht beteiligen durften.

Darauf ward der Gast zu Tisch gef?hrt! -- Es war ein franz?sisches Kabarett-Souper. Vor jedem Gast standen sechs Austern und eine offene Flasche Weisswein ohne Namen, ganz wie bei Laurent in Grez, und damit war der Ton gegeben, waren die Erinnerungen geweckt und die Stimmung der achtziger Jahre heraufbeschworen, obwohl man jetzt in den bed?chtigen neunzigern war.

Es bedurfte nur eines ~Nomen proprium~, um die Erinnerungen auflodern zu lassen.

>>Barbison! Marlotte, Montigny, Nemours! -- O!<< Oder: >>Manet, Monnet, Lepage! -- O!<<

Noch wurden keine Reden gehalten, aber alle sprachen auf einmal; Friede und Freude, Eintracht und Fr?hlichkeit herrschten.

Beim Dessert stieg die Stimmung zur Ekstase. Man warf Apfelsinen ?ber den Tisch, Servietten flogen durch die Luft, Tabakrauch wirbelte und Streichh?lzer wurden wie Raketen hochgeworfen; eine Gitarre hervorgezaubert; Spadas Lieder im Chor gesungen. Das war das Signal zur Aufl?sung der Konvenienz; die Professoren liessen sich mitreissen und wurden jung; sie hakten ihre Ordenssterne ab und verteilten sie mit offnen H?nden; auf Sell?ns R?cken hing der Wasaorden, und ein Kellner trug das Kreuz der Ehrenlegion auf der Achselklappe.

Schliesslich wurde auf den Tisch geklopft. Doktor Borg sprach:

>>Wir haben auf das Wohl des Freundes Lage Lang und auf das des K?nstlers getrunken, jetzt will ich auf den Norweger trinken: Sie d?rfen nicht glauben, dass ich die Norweger mit ihrem Bauernstolz und ihren grossen Geb?rden liebe; ich bin selbst mit einer Norwegerin verheiratet, wie Sie wissen, und das ist ein verteufeltes Volk; aber ich liebe Gerechtigkeit; ich will eine trotzige Nation nicht dadurch gedem?tigt sehen, dass sie sich unsern K?nig sechs Wochen im Jahr ausleihen muss, und ich will keine Intimit?t mit einem fremden Volksstamm, der eine andere Entwicklung hat als wir; ich will nicht mitansehen, dass Norweger im schwedischen Reichstag sich in unsere Angelegenheiten mischen und zu allem nein sagen, gerade wie die Polen und Els?sser im deutschen Reichstag; ich will Frieden mit den Nachbarn haben, und dieser Friede kann wie in einer ungl?cklichen Ehe nur durch Trennung erreicht werden. Sie schrecken mich nicht mit dem Russen, denn freie Norweger und freie Schweden sind stark durch eine freiwillige Allianz, aber schwach durch eine dynastische Union, die keine Union ist; Norwegen ist n?mlich ~de facto~ ein Kronland, wie es B?hmen ?sterreich gegen?ber ist, und als solches gef?hrlicher denn ein Bundesstaat; die Politik der schwedischen Regierung ist eine betr?gerische und schreibt sich aus den Zeiten der heiligen Allianz her, da Volksrecht und Billigkeit ausser acht gelassen wurden; man hat Hass zwischen den Bruderv?lkern zu erwecken versucht, aber wehe denen, die eine solche Spaltung anstrebten, um herrschen zu k?nnen! Wehe ihnen! -- Uns, die wir f?r Einigung und Vers?hnung gearbeitet haben, nennt man Vaterlandsverr?ter! Jeden, der uns so genannt hat, nenne ich ein Rindvieh! Da habt ihr das Wort! -- -- -- Lage Lang, ich trinke auf ein freies Norwegen, ohne das es kein freies Schweden geben kann, und auf ein vers?hntes!<<

>>Ein freies Norwegen! Lage Lang!<<

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