Read Ebook: Nachtstücke by Hoffmann E T A Ernst Theodor Amadeus
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Ebook has 388 lines and 108805 words, and 8 pages
Durch die Freigebigkeit des fremden Kaufmanns bekam die kleine Haushaltung des Andres eine ganz andere Gestalt. Kaum war n?mlich Giorgina ganz genesen, als er mit ihr nach Fulda ging und ausser den n?tigsten Bed?rfnissen noch manches St?ck einkaufte, das ihrer h?uslichen Einrichtung abging und wodurch diese das Ansehen eines gewissen Wohlstandes erhielt. Dazu kam, dass seit dem Besuch des Fremden die Freij?ger und Holzdiebe aus der Gegend gebannt schienen, und Andres seinem Posten ruhig vorstehen konnte. Auch sein Jagdgl?ck war wiedergekehrt, so dass er, wie sonst, beinahe niemals einen Fehlschuss tat. Der Fremde stellte sich zu Michaelis wieder ein und blieb drei Tage. Der hartn?ckigen Weigerung der Wirtsleute unerachtet war er doch wieder so freigebig, wie das erstemal. Er versicherte, es sei nun einmal seine Absicht, sie in Wohlstand zu versetzen, und so sich selbst das Absteigequartier im Walde freundlicher und angenehmer zu machen.
Nun konnte die bildh?bsche Giorgina sich besser kleiden; sie gestand dem Andres, dass sie der Fremde mit einer zierlich gearbeiteten goldnen Nadel, wie sie die M?dchen und Weiber in mancher Gegend Italiens durch das in Z?pfen zusammengeflochtene aufgewirbelte Haar zu stecken pflegen, beschenkt habe. Andres zog ein finstres Gesicht, aber in dem Augenblick war Giorgina zur T?r herausgesprungen und nicht lange dauerte es, so kehrte sie zur?ck ganz so gekleidet und geschm?ckt, wie Andres sie in Neapel gesehen hatte. Die sch?ne goldne Nadel prangte in dem schwarzen Haar, in das sie mit malerischem Sinn bunte Blumen geflochten, und Andres musste sich nun selbst gestehen, dass der Fremde sein Geschenk recht sinnig gew?hlt hatte, um seine Giorgina wahrhaft zu erfreuen.
Andres ?usserte dies unverhohlen und Giorgina meinte, dass der Fremde wohl ihr Schutzengel sei, der sie aus der tiefsten D?rftigkeit zum Wohlstande erhebe, und dass sie gar nicht begreife, wie Andres so wortkarg, so verschlossen gegen den Fremden und ?berhaupt so traurig, so in sich gekehrt, bleiben k?nne. >>Ach, liebes Herzensweib!<< sprach Andres, >>die innere Stimme, welche mir damals so laut sagte, dass ich durchaus nichts von dem Fremden annehmen d?rfe, die schweigt bis jetzt keineswegs. Ich werde oft von innern Vorw?rfen gemartert; es ist mir, als ob mit dem Gelde des Fremden unrechtes Gut in mein Haus gekommen sei und deshalb kann mich nichts recht freuen, was daf?r angeschafft wurde. Ich kann mich jetzt wohl ?fter mit einer kr?ftigen Speise, mit einem Glase Wein erlaben; glaube mir aber, liebe Giorgina! war einmal ein guter Holzverkauf vorgefallen und hatte mir der liebe Gott ein paar ehrlich verdiente Groschen mehr beschert, als gew?hnlich, dann schmeckte mir ein Glas geringen Weins viel besser, als jetzt der gute Wein, den der Fremde uns mitbringt. Ich kann mich mit diesem sonderbaren Kaufmann durchaus nicht befreunden, ja es ist mir in seiner Gegenwart oft ganz unheimlich zumute. Hast du wohl bemerkt, liebe Giorgina! dass er niemanden fest anzuschauen vermag? Und dabei blitzt es zuweilen aus seinen tiefliegenden kleinen Augen so sonderbar heraus, und dann kann er bei unsern schlichten Reden oft so - b?bisch m?cht ich sagen, lachen, dass es mich eiskalt ?berl?uft. - Ach, m?chten nur nicht meine innern Gedanken wahr werden, aber oft ist es mir, als liege allerlei schwarzes Unheil im Hintergrunde, das nun der Fremde mit einemmal hervorrufen werde, nachdem er uns in seinen k?nstlichen Schlingen gefangen.<<
Giorgina suchte ihrem Mann die schwarzen Vorstellungen auszureden, indem sie versicherte, wie sie oft in ihrem Vaterlande und vorz?glich bei ihren Pflegeeltern im Wirtshause, Personen kennen gelernt, deren ?usseres noch viel widriger gewesen sei, unerachtet es am Ende grundgute Menschen waren. Andres schien getr?stet, im Innern beschloss er aber auf der Hut zu sein.
Der Fremde sprach bei Andres wieder ein, als sein Knabe, ein wundersch?nes Kind, ganz der Mutter Ebenbild, gerade neun Monate alt geworden. Es war Giorginas Namenstag; sie hatte den Kleinen fremdartig und sonderbar herausgeputzt, sich selbst in ihre liebe neapolitanische Tracht geworfen und ein besseres Mahl, als gew?hnlich, bereitet, wozu der Fremde eine Flasche k?stlichen Weins aus dem Felleisen hergab. Als sie nun fr?hlich bei Tische sassen und der kleine Knabe mit solch wunderbar verst?ndigen Augen umherblickte, hub der Fremde an: >>Euer Kind verspricht in der Tat mit seinem besondern Wesen schon jetzt recht viel und es ist schade, dass ihr nicht imstande sein werdet, es geh?rig zu erziehen. Ich h?tte euch wohl einen Vorschlag zu tun, ihr werdet ihn aber verwerfen wollen, unerachtet ihr bedenken m?chtet, dass er nur euer Gl?ck, euern Wohlstand bezweckt. Ihr wisst, dass ich reich und ohne Kinder bin, ich f?hle eine ganz besondere Liebe und Zuneigung zu euerm Knaben - Gebt mir ihn! - Ich bringe ihn nach Strassburg, wo er von einer Freundin von mir, einer alten ehrbaren Frau, auf das beste erzogen werden und mir sowie euch grosse Freude machen soll. Ihr werdet mit euerm Kinde einer grossen Last frei; doch m?sst ihr euern Entschluss schnell fassen, da ich gen?tigt bin, noch heute abend abzureisen. Auf meinen Armen trage ich das Kind bis in das n?chste Dorf; dort nehme ich dann ein Fuhrwerk.<< Bei diesen Worten des Fremden riss Giorgina das Kind, das er auf seinen Knien geschaukelt hatte, hastig fort und dr?ckte es an ihren Busen, indem ihr die Tr?nen in die Augen traten. >>Seht, lieber Herr!<< sprach Andres, >>wie meine Frau Euch auf Euern Vorschlag antwortet, und ebenso bin auch ich gesinnt. Eure Absicht mag recht gut sein; aber wie m?get Ihr doch uns das Liebste rauben wollen, das wir auf Erden besitzen? wie m?get Ihr doch das eine Last nennen, was unser Leben aufheitern w?rde, w?ren wir auch noch in der tiefsten D?rftigkeit, aus der uns Eure G?te gerissen? Seht, lieber Herr! Ihr sagtet selbst, dass Ihr ohne Frau und ohne Kinder w?ret; Euch ist daher wohl die Seligkeit fremd, die gleichsam aus der Glorie des offnen Himmelreichs herabstr?mt auf Mann und Weib bei der Geburt eines Kindes. Es ist ja die reinste Liebe und Himmelswonne selbst, von der die Eltern erf?llt werden, wenn sie ihr Kind schauen, das stumm und still an der Mutter Brust liegend, doch mit gar beredten Zungen von ihrer Liebe, von ihrem h?chsten Lebensgl?ck spricht. - Nein, lieber Herr! so gross auch die Wohltaten sind, die Ihr uns erzeigt habt, so wiegen sie doch lange nicht das auf, was uns unser Kind wert ist; denn wo g?be es Sch?tze der Welt, die diesem Besitz gleichzustellen? Scheltet uns daher nicht undankbar, lieber Herr! dass wir Euch Euer Ansinnen so ganz und gar abschlagen. W?ret Ihr selbst Vater, so bed?rfte es weiter gar keiner Entschuldigung f?r uns.<< - >>Nun, nun<<, erwiderte der Fremde, indem er finster seitw?rts blickte, >>ich glaubte Euch wohlzutun, indem ich Euern Sohn reich und gl?cklich machte. Seid ihr nicht damit zufrieden, so ist davon weiter nicht die Rede.<< - Giorgina k?sste und herzte den Knaben, als sei er aus grosser Gefahr errettet, und ihr wiedergegeben worden. Der Fremde strebte sichtlich wieder unbefangen und heiter zu scheinen; man merkte es indessen doch nur zu deutlich, wie sehr ihn die Weigerung seiner Wirtsleute, ihm den Knaben zu geben, verdrossen hatte. Statt, wie er gesagt, noch denselben Abend fortzureisen, blieb er wieder drei Tage, in welchen er jedoch nicht so, wie sonst bei Giorgina verweilte, sondern mit Andres auf die Jagd zog und sich bei dieser Gelegenheit viel von dem Grafen Aloys von Vach erz?hlen liess. Als in der Folge Ignaz Denner wieder bei seinem Freunde Andres einsprach, dachte er nicht mehr an seinen Plan, den Knaben mit sich zu nehmen. Er war nach seiner Art freundlich wie vorher, und fuhr fort, Giorgina reichlich zu beschenken, die er noch ?berdem wiederholt aufforderte, so oft sie Lust habe sich mit den Juwelen aus dem Kistchen, das er Andres in Verwahrung gegeben, zu schm?cken, welches sie auch wohl dann und wann heimlich tat. Oft wollte Denner, wie sonst, mit dem Knaben spielen; dieser str?ubte sich aber und weinte, durchaus mochte er nicht mehr zu dem Fremden gehen, als wisse er etwas von dem feindlichen Anschlag, ihn seinen Eltern zu entf?hren. - Zwei Jahre hindurch hatte der Fremde nun auf seinen Wanderungen den Andres besucht, und Zeit und Gewohnheit hatten die Scheu, das Misstrauen wider Denner endlich ?berwunden, so dass Andres seinen Wohlstand ruhig und heiter genoss. Im Herbst des dritten Jahres, als die Zeit, in der Denner gew?hnlich einzusprechen pflegte, schon vor?ber war, pochte es in einer st?rmischen Nacht hart an Andres' T?r, und mehrere rauhe Stimmen riefen seinen Namen. Erschrocken sprang er aus dem Bette; als er aber zum Fenster herausfrug, wer ihn in finstrer Nacht so st?re und wie er gleich seine Doggen loslassen werde, um solche ungebetene G?ste wegzuhetzen, da sagte einer, er m?ge nur aufmachen, ein Freund sei da, und Andres erkannte Denners Stimme. Als er nun mit dem Licht in der Hand die Haust?r ?ffnete, trat ihm Denner allein entgegen. Andres ?usserte, wie es ihm vorgekommen, als ob mehrere Stimmen seinen Namen gerufen h?tten; Denner meinte dagegen, dass den Andres das Heulen des Windes get?uscht haben m?sse. Als sie in die Stube traten, erstaunte Andres nicht wenig, als er den Denner n?her betrachtete und seinen ganz ver?nderten Anzug gewahr wurde. Statt der grauen schlichten Kleidung und des Mantels trug er ein dunkelrotes Wams und einen breiten ledernen Gurt, in dem ein Stilett und vier Pistolen staken; ausserdem war er noch mit einem S?bel bewaffnet, selbst das Gesicht schien ver?ndert, indem auf der sonst glatten Stirn nun buschichte Augenbrauen lagen und ein starker schwarzer Bart sich ?ber Lippe und Wangen zog. >>Andres!<< sprach Denner, indem er ihn mit seinen funkelnden Augen anblitzte, >>Andres! als ich vor beinahe drei Jahren dein Weib vom Tode errettet hatte, da w?nschtest du, dass Gott es dir verleihen m?ge, mir die dir erzeigte Wohltat mit deinem Blut und Leben lohnen zu k?nnen. Dein Wunsch ist erf?llt; denn es ist nunmehr der Augenblick gekommen, in dem du mir deine Dankbarkeit, deine Treue beweisen kannst. Kleide dich an; nimm deine B?chse und komme mit mir, nur wenige Schritte von deiner Wohnung sollst du das ?brige erfahren.<< Andres wusste nicht, was er von Denners Zumutung halten sollte; der Worte, die er ihm vorhielt, indessen wohl eingedenk, versicherte er, wie er bereit sei, alles nur m?gliche f?r ihn zu unternehmen, sobald es nicht der Rechtschaffenheit, Tugend und Religion zuwiderlaufe. >>Dar?ber kannst du ganz ruhig sein<<, rief Denner, indem er ihm l?chelnd auf die Schulter klopfte; und da er bemerkte, dass Giorgina aufgesprungen war, und vor Angst zitternd und bebend ihren Mann umklammerte, nahm er sie bei den Armen und sprach, sie sanft zur?ckziehend: >>Lasst Euern Mann nur immer mit mir ziehen, in wenigen Stunden ist er wieder gesund bei Euch, und bringt Euch vielleicht was Sch?nes mit. Hab ich es denn jemals b?se mit euch gemeint? Habe ich selbst dann, wenn ihr mich verkanntet, nicht immer euch Gutes erzeigt? Wahrhaftig, ihr seid recht besondere misstrauische Leute.<< Andres zauderte noch immer sich anzukleiden, da wandte Denner sich zu ihm und sprach mit zornigem Blick: >>Ich hoffe du wirst deine Zusage halten, denn es gilt nunmehr, das zu beweisen mit der Tat, was du gesprochen!<< Schnell war nun Andres angekleidet, und indem er mit Denner zur T?re herausschritt, sprach er noch einmal: >>Alles, lieber Herr! will ich f?r Euch tun, doch etwas Unrechtes werdet Ihr wohl von mir nicht fordern, da ich auch das Kleinste, was wider mein Gewissen liefe, nicht vollbringen w?rde.<< Denner antwortete nichts, sondern schritt rasch vorw?rts. Sie waren durch das Dickicht gedrungen bis auf einen ziemlich ger?umigen Rasenplatz; da pfiff Denner dreimal, dass der Ton ringsumher aus den schaurigen Kl?ften widerhallte und ?berall in den B?schen flackerten Windlichter auf und es rauschte und klirrte in den dunklen G?ngen, bis sich schwarze gr?ssliche Gestalten gespenstisch hervordr?ngten und den Denner im Kreise umringten. Einer aus dem Kreise trat hervor und sprach auf Andres hindeutend: >>Das ist ja wohl unser neuer Geselle, nicht wahr Hauptmann?<< - >>Ja<<, antwortete Denner, >>ich hab ihn aus dem Bette geholt, er soll sein Probest?ck machen, es kann nun gleich vorw?rts gehen.<< Andres erwachte bei diesen Worten wie aus dumpfer Bet?ubung, kalter Schweiss stand ihm auf der Stirne; aber er ermannte sich und rief heftig: >>Was, du sch?ndlicher Betr?ger, f?r einen Kaufmann gabst du dich aus, und treibst ein h?llisches verruchtes Gewerbe, und bist ein verworfener R?uber? Nimmermehr will ich dein Geselle sein und teilnehmen an deinen Schandtaten, zu denen du mich, wie der Satan selbst, auf k?nstliche h?mische Weise verlocken wolltest? - Lass mich gleich fort, du frevelicher B?sewicht, und r?ume mit deiner Rotte dies Gebiet, sonst verrate ich deine Schlupfwinkel der Obrigkeit, und du bekommst den Lohn f?r deine Schandtaten; denn nun weiss ich es wohl, dass du selbst der schwarze Ignaz bist, der mit seiner Bande an der Grenze gehauset und geraubt, und gemordet hat. - Gleich lasse mich fort, ich will dich nie mehr schauen.<< Denner lachte laut auf. >>Was, du feiger Bube?<< sprach er: >>du unterstehst dich, mir zu trotzen, dich meinem Willen, meinem Machtwort entziehen zu wollen? Bist du nicht l?ngst schon unser Geselle? lebst du nicht schon seit beinahe drei Jahren von unserm Gelde? schm?ckt sich dein Weib nicht mit unserm Raube? Nun stehst du unter uns und willst nicht arbeiten daf?r was du genossen? Folgst du uns nun nicht, zeigst du dich nicht gleich als unsern r?stigen Kumpan, so lasse ich dich gebunden in unsere H?hle werfen und meine Gesellen ziehen nach deiner Wohnung, z?nden sie an und ermorden dein Weib und deinen Knaben. Doch ich werde wohl diese Massregel, die nur eine Folge deiner Halsstarrigkeit sein w?rde, nicht ergreifen d?rfen. Nun! - w?hle! - es ist Zeit, wir m?ssen fort!<< - Andres sah nun wohl ein, dass die mindeste Weigerung seiner geliebten Giorgina und dem Knaben das Leben kosten w?rde; den verr?terischen b?bischen Denner im Innern zur H?lle verfluchend, beschloss er daher, in seinen Willen sich scheinbar zu f?gen, rein von Diebstahl und Mord zu bleiben und das tiefere Eindringen in die Schlupfwinkel der Bande nur dazu zu benutzen, bei der ersten g?nstigen Gelegenheit ihre Aufhebung und Einziehung zu bewirken. Nach diesem im stillen gefassten Entschluss erkl?rte er dem Denner, wie trotz seines innern Widerstrebens doch die Dankbarkeit f?r Giorginas Rettung ihn verpflichte, etwas zu wagen, und er wolle daher die Expedition mitmachen, wobei er nur bitte, ihn als einen Neuling, soviel m?glich mit dem t?tigen Anteil daran zu verschonen. Denner lobte seinen Entschluss, indem er hinzuf?gte, wie er keineswegs verlange, dass er f?rmlich zur Bande ?bertreten solle, vielmehr m?sse er Revierj?ger bleiben; denn so w?re er ihm und der Bande schon jetzt von grossem Nutzen gewesen, was denn auch k?nftig der Fall sein w?rde.
Es war auf nichts Geringeres abgesehen, als die Wohnung eines reichen Pachters, die von dem Dorfe abgelegen, unfern dem Walde, stand, zu ?berfallen und auszupl?ndern. Man wusste, dass der Pachter ausser dem vielen Gelde und den Kostbarkeiten, die er besass, eben jetzt f?r verkauftes Getreide eine sehr bedeutende Summe eingenommen hatte, die er bei sich bewahrte und um so mehr versprachen sich die R?uber einen reichen Fang. Die Windlichter wurden ausgel?scht und still zogen die R?uber durch die engen Schleichwege, bis sie dicht an dem Geb?ude standen, welches einige von der Bande umringten. Andere dagegen stiegen ?ber die Mauer, und sprengten von innen das Hoftor; einige wurden auf Wache ausgestellt, und unter diesen befand sich Andres. Bald h?rte er, wie die R?uber die T?ren erbrachen und ins Haus st?rmten, er vernahm ihr Fluchen, ihr Geschrei, das Geheul der Gemisshandelten. Es fiel ein Schuss; der Pachter, ein beherzter Mann, mochte sich zur Wehre setzen - dann wurde es stiller - aufgesprengte Schl?sser klirrten, R?uber schleppten Kisten zum Hoftor heraus. Einer von des Pachters Leuten musste in der Finsternis entwischt und ins Dorf gerannt sein; denn auf einmal t?nte die Sturmglocke durch die Nacht, und bald darauf str?mten Haufen mit hellauflodernden Lichtern die Strasse herauf nach der Pachterwohnung. Nun fiel Schuss auf Schuss, die R?uber sammelten sich im Hofe und streckten alles nieder, was sich der Mauer n?herte. Sie hatten ihre Windfackeln angez?ndet. Andres, der auf einer Anh?he stand, konnte alles ?bersehen. Mit Entsetzen erblickte er unter den Bauern, J?ger in der Liverei seines Herrn, des Grafen von Vach! - Was sollte er tun? - Sich zu ihnen zu begeben, war unm?glich, nur die schnellste Flucht konnte ihn retten; aber wie festgezaubert stand er da hinstarrend in den Pachterhof, wo das Gefecht immer m?rderischer wurde; denn durch eine kleine Pforte an der andern Seite waren die Vachschen J?ger gedrungen und mit den R?ubern handgemein geworden. Die R?uber mussten zur?ck, sie dr?ngten sich fechtend durch das Tor nach der Gegend hin, wo Andres stand. Er sah Dennern, der unaufh?rlich lud und schoss und niemals fehlte. Ein junger reichgekleideten Mann, von Vachschen J?gern umgeben, schien den Anf?hrer zu machen; auf ihn legte Denner an, aber noch ehe er abdr?ckte, st?rzte er von einer Kugel getroffen mit einem dumpfen Schrei nieder. Die R?uber flohen - schon st?rzten die Vachschen J?ger herbei, da sprang, wie von unwiderstehlicher Macht getrieben, Andres herbei und rettete Dennern, den er, stark wie er war, auf die Schultern warf und schnell forteilte. Ohne verfolgt zu werden, erreichte er gl?cklich den Wald. Nur einzelne Sch?sse fielen hin und wieder und bald wurde es ganz still; ein Zeichen, dass es den R?ubern, die nicht verwundet auf dem Platze liegen geblieben, gegl?ckt war, in den Wald zu entkommen und dass es den J?gern und Bauern nicht ratsam schien, in das Dickicht einzubrechen. >>Setze mich nur nieder, Andres! << sprach Denner, >>ich bin in den Fuss verwundet und verdammt, dass ich umst?rzte, denn, unerachtet mich die Wunde sehr schmerzt, glaub ich doch nicht einmal, dass sie bedeutend ist.<< Andres tat es, Denner holte eine kleine Phiole aus der Tasche und als er sie ?ffnete, strahlte ein helles Licht heraus, bei dem Andres die Wunde genau untersuchen konnte: Denner hatte recht; nur ein starker Streifschuss hatte den rechten Fuss getroffen, der stark blutete. Andres verband die Wunde mit seinem Schnupftuch, Denner liess seine Pfeife ert?nen, aus der Ferne wurde geantwortet und nun bat er den Andres, ihn sachte den schmalen Waldweg heraufzuf?hren, denn bald w?rden sie an Ort und Stelle sein. Wirklich dauerte es auch nicht lange, so sahen sie den Schein von Windlichtern durch das dunkle Geb?sch brechen und hatten jenen Rasenplatz erreicht, von dem sie ausgegangen und wo sie die ?briggebliebenen R?uber bereits versammelt fanden. Alle jauchzten vor Freude auf, als Denner unter sie trat und r?hmten den Andres, der, tief in sich gekehrt, kein Wort vorzubringen vermochte. Es fand sich, dass ?ber die H?lfte der Bande tot, oder hart verwundet auf dem Platze liegen geblieben war; indessen hatten einige von den R?ubern, die dazu bestimmt waren, den Raub in Sicherheit zu bringen, mitten im Gefecht wirklich mehrere Kisten mit kostbarem Ger?t, sowie eine ansehnliche Summe Geld, fortzuschaffen gewusst, so dass, unerachtet das Unternehmen schlimm ausgegangen, doch die Beute ansehnlich blieb. Als nun das N?tige besprochen, wandte sich Denner, den man unterdessen ordentlich verbunden hatte, und der kaum irgend einen Schmerz mehr zu f?hlen schien, zu Andres und sprach: >>Ich habe dein Weib vom Tode errettet, du hast mich in dieser Nacht der Gefangenschaft entzogen und mich folglich auch von dem mir gewissen Tode befreit, wir sind quitt! du kannst in deine Wohnung zur?ckkehren. In den n?chsten Tagen, vielleicht schon morgen, verlassen wir die Gegend; du magst daher ganz ruhig dar?ber sein, dass wir dir ?hnliches, so wie heute, zumuten werden. Du bist ja so ein gottesf?rchtiger Narr und uns nicht brauchbar. Es ist indessen billig, dass du teil am heutigen Raube nehmest und ?berdem f?r meine Rettung belohnt werdest. Nimm daher diesen Beutel mit Gold und behalte mich in gutem Andenken; denn ?bers Jahr hoffe ich bei dir einzusprechen.<< - >>Gott der Herr soll mich beh?ten<<, erwiderte Andres heftig, >>dass ich auch nur einen Pfennig von Eurem sch?ndlichen Raube nehmen sollte. Habt Ihr mich doch nur durch die abscheulichsten Drohungen gezwungen mitzugehen, welches ich ewiglich bereuen werde. Wohl mag es S?nde gewesen sein, dass ich dich, du sch?ndlicher B?sewicht! der gerechten Strafe entzogen habe; aber Gott im Himmel mag es mir nach seiner Langmut verzeihen. Es war, als flehe in dem Augenblick meine Giorgina um dein Leben, da du das ihrige errettet, und ich konnte nicht anders, als dass ich dich mit Gefahr meines Lebens und meiner Ehre, ja das Wohl und Weh meines Weibes und meines Kindes aufs Spiel setzend, der Gefahr entriss. Denn sprich, was w?re aus mir, wenn man mich verwundet, ja was w?re aus meinem armen Weibe, meinem Knaben geworden, wenn man mich erschlagen unter deiner verruchten M?rderbande gefunden h?tte? - Aber sei ?berzeugt, dass, wenn du die Gegend nicht verl?ssest, wenn nur ein einziger hier geschehener Raub, oder Mord mir kund wird, ich augenblicklich nach Fulda gehe und der Obrigkeit deine Schlupfwinkel verrate.<< - Die R?uber wollten ?ber den Andres herfallen, um ihn f?r seine Reden zu z?chtigen; Denner verbot es ihnen jedoch, indem er sagte: >>Lasst doch den albernen Kerl schwatzen, was tut das uns? - Andres<<, fuhr Denner fort, >>du bist in meiner Gewalt, so wie dein Weib und dein Knabe. Du sowohl, als diese, sollen aber ungef?hrdet bleiben, wenn du mir versprichst, dich ruhig in deiner Wohnung zu halten und ?ber deine Mitwissenschaft von dem Vorfall dieser Nacht g?nzlich zu schweigen. Das letzte rate ich dir um so mehr, als meine Rache dich furchtbar treffen und ?berdem die Obrigkeit dir selbst wohl deine H?lfe bei der Tat, sowie, dass du schon lange von meinem Reichtum genossest, nicht so hingehen lassen w?rde. Dagegen verspreche ich dir noch einmal, dass ich die Gegend g?nzlich r?umen will und wenigstens von mir und meiner Bande hier kein Unternehmen mehr ausgef?hrt werden soll.<< Nachdem Andres notgedrungen diese Bedingungen des R?uberhauptmanns eingegangen war und feierlich versprochen hatte zu schweigen, wurde er von zwei R?ubern durch wildverwachsne Fusssteige auf den breiten Waldweg gef?hrt und es war l?ngst heller Morgen worden, als er in sein Haus trat und die vor Sorge und Angst totenbleiche Giorgina umarmte. Er sagte ihr nur im allgemeinen, dass sich ihm Denner als der verruchteste B?sewicht offenbart, und er daher alle Gemeinschaft mit ihm abgebrochen habe; nie solle er mehr seine Schwelle betreten. >>Aber das Juwelenk?stchen?<< unterbrach ihn Giorgina. Da fiel es dem Andres wie eine schwere Last aufs Herz. An die Kleinodien, die Denner bei ihm zur?ckgelassen, hatte er nicht gedacht, und unerkl?rlich schien es ihm, dass Dennern auch nicht ein Wort dar?ber entfallen war. Er ging mit sich zu Rate, was er wohl mit diesem K?stchen anfangen solle. Zwar dachte er daran, es nach Fulda zu bringen und der Obrigkeit zu ?bergeben; wie sollte er aber den Besitz desselben besch?nigen, ohne sich wenigstens dringender Gefahr auszusetzen, das dem Denner einmal gegebene Wort zu brechen? Er beschloss endlich, diesen Schatz getreulich zu bewahren, bis der Zufall ihm Gelegenheit darbieten w?rde, es Dennern wieder zuzustellen, oder besser noch, es, ohne sein Wort zu brechen, an die Obrigkeit zu bringen.
Der ?berfall der Pachterwohnung hatte nicht geringen Schreck in der ganzen Gegend verursacht; denn es war das k?hnste Wagest?ck, das die R?uber seit Jahren unternommen und ein sichrer Beweis, dass die Bande, welche sich erst durch gemeine Diebereien, dann durch das Anhalten und Berauben einzelner Reisenden kund tat, bedeutend verst?rkt haben musste. Nur dem Zufall, dass der Neffe des Grafen von Vach, von mehreren Leuten seines Oheims begleitet, eben in dem Dorfe, das unfern der Pachterwohnung lag, ?bernachtete und auf den ersten L?rm den Bauern, die gegen die R?uber auszogen, zu H?lfe eilte, hatte der Pachter die Rettung seines Lebens und des gr?ssten Teils seiner Barschaft zu verdanken. Drei von den R?ubern, die auf dem Platz geblieben waren, lebten noch den andern Tag und gaben Hoffnung, von ihren Wunden zu genesen. Man hatte sie sorgf?ltig verbunden und in das Dorfgef?ngnis gesperrt; als man indessen am fr?hen Morgen des dritten Tages sie abf?hren wollte, fand man sie durch viele Stiche ermordet, ohne dass man h?tte erraten k?nnen, wie das zugegangen. Jede Hoffnung der Gerichte, von den Gefangenen n?heren Aufschluss ?ber die Bande zu erhalten, war daher vereitelt. Andres schauderte im Innern, als er das alles erz?hlen h?rte, als er vernahm, wie mehrere Bauern und J?ger des Grafen von Vach zum Teil get?tet, zum Teil schwer verwundet worden. - Starke Patrouillen von Fuldaischen Reitern durchstreiften den Wald, und sprachen ?fters bei ihm ein; jeden Augenblick musste Andres bef?rchten, dass man Dennern selbst, oder wenigstens einen von der Bande einbringen, und dieser ihn dann als Genosse jener k?hnen Freveltat erkennen und angeben werde. Zum erstenmal in seinem Leben f?hlte er die folternde Qual des b?sen Gewissens, und doch hatte ihn nur die Liebe zu seinem Weibe, zu dem Knaben, gezwungen, dem frevelichen Ansinnen Denners nachzugeben.
Alle Nachforschungen blieben fruchtlos, es war unm?glich den R?ubern auf die Spur zu kommen, und Andres ?berzeugte sich bald, dass Denner Wort gehalten und die Gegend mit seiner Bande verlassen hatte. Das Geld, welches er noch von Denners Geschenken ?brig behalten, sowie die goldene Nadel, legte er zu den Kleinodien in das Kistchen; denn er wollte nicht noch mehr S?nde auf sich laden und von geraubtem Gelde sich g?tlich tun. So kam es denn, dass Andres bald wieder in die vorige D?rftigkeit und Armut geriet; aber immer mehr erheiterte sich sein Inneres, je l?ngere Zeit verstrich, ohne dass irgend etwas sein ruhiges Leben verst?rt h?tte. Nach zwei Jahren gebar ihm sein Weib noch einen Knaben, ohne jedoch, wie das erstemal, zu erkranken, wiewohl sie sich herzlich nach jener bessern Kost und Pflege sehnte, die ihr damals so wohl getan. Andres sass einst in der Abendd?mmerung traulich mit seinem Weibe zusammen, die den j?ngstgebornen Knaben an der Brust hatte, w?hrend der ?ltere sich mit dem grossen Hunde herumbalgte, der, als Liebling seines Herrn, wohl in der Stube sein durfte. Da kam der Knecht hinein und sagte, wie ein Mensch, der ihm ganz verd?chtig vorkomme, schon seit beinahe einer Stunde um das Haus herumschleiche. Andres war im Begriff mit seiner B?chse hinauszugehen, als er vor dem Hause seinen Namen rufen h?rte. Er ?ffnete das Fenster und erkannte auf den ersten Blick den verhassten Ignaz Denner, der sich wieder in den grauen Kaufmannshabit geworfen hatte, und ein Felleisen unter dem Arme trug. >>Andres<<, rief Denner, >>du musst mir diese Nacht Herberge geben in deinem Hause, morgen ziehe ich weiter.<< - >>Was? Du unversch?mter verruchter B?sewicht?<< rief Andres in vollem Zorn, >>du wagst es dich wieder hier sehen zu lassen? Habe ich dir nicht treulich Wort gehalten, nur damit du dein Versprechen erf?llen und auf immer diese Gegend verlassen solltest? Du darfst nicht mehr meine Schwelle betreten - entferne dich schnell, oder ich schiesse dich m?rderischen Buben nieder! - Doch warte, ich will dir dein Gold, dein Geschmeide, womit du Satan mein Weib verblenden wolltest, hinabwerfen; dann magst du schnell forteilen. Ich lasse dir drei Tage Zeit, sp?re ich aber dann nur auf irgend eine Weise deine und deiner Bande Gegenwart, so eile ich schnell nach Fulda und entdecke alles, was ich weiss, der Obrigkeit. Magst du nun deine Drohungen gegen mich und mein Weib erf?llen wollen, ich verlasse mich auf den Beistand Gottes, und werde dich B?sewicht mit meinem guten Gewehr zu treffen wissen.<< Nun holte Andres schnell das K?stchen herbei, um es hinabzuwerfen; als er aber ans Fenster trat, war Denner verschwunden, und unerachtet die Doggen die ganze Gegend rings ums Haus durchsp?ren mussten, war es doch nicht m?glich ihn aufzufinden. Andres sah nun wohl ein, wie er, Denners Bosheit ausgesetzt, nun in grosser Gefahr schwebe; er war daher alln?chtlich auf seiner Hut, indessen blieb alles ruhig und Andres ?berzeugte sich, dass Denner nur allein den Wald durchstrichen hatte. Um indessen seinen ?ngstlichen Zustand zu enden, ja um sein Gewissen zu beruhigen, das ihn mit Vorw?rfen qu?lte, beschloss er nun nicht l?nger zu schweigen, sondern dem Rat in Fulda sein ganzes unverschuldetes Verh?ltnis mit Denner zu berichten und zugleich das Kistchen mit den Kleinodien abzuliefern. Andres wusste wohl, dass er ohne Strafe nicht abkommen w?rde, jedoch verliess er sich auf sein reuiges Bekenntnis eines Fehltritts, zu dem ihn der verruchte Ignaz Denner, wie der Satan selbst, verlockt und gezwungen, sowie auf die F?rsprache seines Herrn, des Grafen von Vach, der dem treuen Diener ein g?nstiges Zeugnis nicht versagen konnte. Er hatte mit seinem Knechte mehrmals den Wald durchstreift und nie war ihm etwas Verd?chtiges aufgestossen; f?r sein Weib war daher jetzt keine Gefahr vorhanden und er wollte nun unges?umt nach Fulda gehen, um seinen Vorsatz auszufahren. An dem Morgen, als er sich zur Reise bereit gemacht, kam ein Bote von dem Grafen von Vach, der ihn augenblicklich auf das Schloss seines Herrn mitgehen hiess. Statt nach Fulda wanderte er also fort mit dem Boten nach dem Schloss, nicht ohne Bangigkeit, was wohl dieser ganz ungew?hnliche Ruf seines Herrn zu bedeuten haben werde. Als er in dem Schloss angekommen, musste er gleich in das Zimmer des Grafen treten. >>Freue dich, Andres<<, rief dieser ihm entgegen, >>dich hat ein ganz unerwartetes Gl?ck getroffen. Erinnerst du dich wohl noch unsers alten m?rrischen Hauswirts in Neapel, des Pflegevaters deiner Giorgina? Der ist gestorben; aber auf dem Sterbebette hatte ihn noch das Gewissen ger?hrt wegen der abscheulichen Behandlung des armen verwaisten Kindes, und deshalb hat er ihr zweitausend Dukaten vermacht, die bereits in Wechselbriefen in Frankfurt angekommen sind und die du bei meinem Bankier heben kannst. Willst du dich gleich nach Frankfurt aufmachen, so lasse ich dir auf der Stelle das n?tige Zertifikat ausfertigen, damit dir das Geld ohne Anstand ausgezahlt werde.<< Den Andres machte die Freude sprachlos, und der Graf von Vach erg?tzte sich nicht wenig an dem Entz?cken seines treuen Dieners. Andres beschloss, als er sich gefasst hatte, seinem Weibe eine unvermutete Freude zu bereiten; er nahm daher seines Herrn gn?diges Anerbieten an, und machte sich, nachdem er die Urkunde zu seiner Legitimation erhalten, auf den Weg nach Frankfurt.
Seinem Weibe liess er sagen, wie ihn der Graf mit wichtigen Auftr?gen verschickt habe, und er daher einige Tage ausbleiben werde. - Als er in Frankfurt angekommen, wies ihn der Bankier des Grafen, bei dem er sich meldete, an einen andern Kaufmann, der mit der Auszahlung des Legats beauftragt sein sollte. Andres fand ihn endlich und erhielt die ansehnliche Summe wirklich ausgezahlt. Immer nur an Giorgina denkend, immer darnach trachtend, ihre Freude recht vollkommen zu machen, kaufte er f?r sie allerlei sch?ne Sachen und auch eine goldene Nadel, der ganz gleich, welche ihr Denner geschenkt hatte, und da er nun das schwere Felleisen nicht wohl als Fussg?nger fortbringen konnte, verschaffte er sich ein Pferd. So trat er nun, nachdem er sechs Tage abwesend gewesen, wohlgemut seine R?ckreise an. Bald hatte er den Forst und seine Wohnung erreicht. Er fand das Haus fest verschlossen. Laut rief er den Knecht, seine Giorgina, niemand antwortete: die Hunde winselten im Hause eingesperrt. Da ahnete er grosses Ungl?ck und schlug heftig an die T?r und schrie laut: >>Giorgina! - Giorgina!<< - Nun rauschte es am Bodenfenster, Giorgina schaute heraus und rief.- >>Ach Gott! - Ach Gott! Andres, bist du es? Gepriesen sei die Macht des Himmels, dass du nur wieder da bist.<< Als Andres nun durch die ge?ffnete T?r eintrat, fiel ihm sein Weib totenbleich und laut heulend in die Arme. Regungslos stand er da; endlich fasste er sein Weib, die mit erschlafften Gliedern zu Boden sinken wollte, und trug sie in die Stube. Aber wie mit eisigen Krallen packte ihn das Entsetzen bei dem gr?sslichen Anblick. Die ganze Stube voller Blutflecke an dem Boden, an den W?nden, sein j?ngster Knabe mit zerschnittener Brust tot auf seinem Bettchen! - >>Wo ist George, wo ist George?<< schrie Andres endlich auf in wilder Verzweiflung, aber in dem Augenblick h?rte er, wie der Knabe die Treppe herabtrippelte und nach dem Vater rief. - Zerbrochene Gl?ser, Flaschen, Teller lagen umher. Der grosse schwere Tisch, sonst an der Wand stehend, war in die Mitte des Zimmers ger?ckt, eine sonderbar geformte Kohlpfanne, mehrere Phiolen und eine Sch?ssel mit geronnenem Blut standen auf demselben. Andres nahm sein armes Kn?blein aus dem Bette. Giorgina verstand ihn, sie holte T?cher herbei, in die sie den Leichnam wickelten und im Garten begruben. Andres schnitt ein kleines Kreuz aus Eichenholz und setzte es auf den Grabh?gel. Kein Wort, kein Laut entfloh den Lippen der ungl?cklichen Eltern. In dumpfem d?sterem Schweigen hatten sie die Arbeit vollendet und sassen nun vor dem Hause in der Abendd?mmerung, den starren Blick in die Ferne gerichtet. Erst den andern Tag konnte Giorgina den Verlauf dessen, was sich in Andres' Abwesenheit zugetragen, erz?hlen. Am vierten Tage, nachdem Andres sein Haus verlassen, hatte der Knecht zur Mittagszeit wieder allerlei verd?chtige Gestalten durch den Wald wanken gesehen, und Giorgina deshalb des Mannes R?ckkehr herzlich gew?nscht. Mitten in der Nacht wurde sie durch lautes Toben und Schreien dicht vor dem Hause aus dem Schlafe geweckt, der Knecht st?rzte herein und verk?ndete voller Schreck, dass das ganze Haus von R?ubern umringt und an eine Gegenwehr gar nicht zu denken sei. Die Doggen w?teten, aber bald schien es, als w?rden sie beschwichtigt und man rief laut: >>Andres! - Andres!<< - Der Knecht fasste sich ein Herz, ?ffnete ein Fenster und rief herab, dass der Revierj?ger Andres nicht zu Hause sei. >>Nun, es tut nichts<<, antwortete eine Stimme von unten herauf, >>?ffne nur die T?r, denn wir m?ssen bei euch einkehren, Andres wird bald nachfolgen.<< Was blieb dem Knecht ?brig, als die T?r zu ?ffnen; da str?mte der helle Haufe der R?uber herein und begr?sste Giorgina als die Frau ihres Kameraden, dem der Hauptmann Freiheit und Leben zu danken habe. Sie verlangten, dass Giorgina ihnen ein t?chtiges Essen bereiten m?ge, weil sie nachts ein schweres St?ck Arbeit vollbracht, das aber herrlich gelungen sei. Zitternd und bebend machte Giorgina in der K?che ein grosses Feuer an und bereitete das Mahl, wozu sie Wildpret, Wein und allerlei andere Ingredienzien von einem der R?uber empfing, der der K?chen- und Kellermeister der Bande zu sein schien. Der Knecht musste den Tisch decken und das Geschirr herbeibringen. Er nahm den Augenblick wahr und schlich sich fort zu seiner Frau in die K?che. >>Ach wisst Ihr wohl<<, fing er voller Entsetzen an, >>was f?r eine Tat die R?uber in dieser Nacht ver?bt haben? Nach langer Abwesenheit und nach langer Vorbereitung haben sie vor etlichen Stunden das Schloss des Herrn Grafen von Vach ?berfallen, und nach tapferer Gegenwehr mehrere seiner Leute und ihn selbst get?tet, das Schloss aber angez?ndet.<< Giorgina schrie unaufh?rlich: >>Ach mein Mann, wenn mein Mann nur auf dem Schlosse gewesen w?re - Ach, der arme Herr!<< - Die R?uber tobten und sangen unterdessen in der Stube und liessen sich den Wein wohl schmecken, bis ihnen das Mahl aufgetragen wurde. Der Morgen fing schon an zu d?mmern als der verhasste Denner erschien; nun wurden die Kisten und Felleisen, die sie auf ihren Packpferden mitgebracht hatten, ge?ffnet. Giorgina h?rte, wie sie vieles Geld z?hlten und wie die Silbergeschirre klirrten; es schien alles verzeichnet zu werden. Endlich als es schon Lichter Tag geworden, brachen die R?uber auf, nur Denner blieb zur?ck. Er nahm eine freundliche leutselige Miene an, und sprach zu Giorgina: >>Ihr seid wohl recht erschreckt worden, liebe Frau; denn Euer Mann scheint Euch nicht gesagt zu haben, dass er schon seit geraumer Zeit unser Kamerad geworden. Es tut mir in der Tat leid, dass er nicht zu Hause gekommen ist; er muss einen andern Weg eingeschlagen und uns verfehlt haben. Er war mit uns auf dem Schlosse des B?sewichts, des Grafen von Vach, der uns vor zwei Jahren auf alle nur m?gliche Weise verfolgt hat und an dem in voriger Nacht wir Rache nahmen. - Er fiel, k?mpfend, von Eures Mannes Hand. Beruhigt Euch nur, liebe Frau, und sagt dem Andres, dass er mich nun so bald nicht wieder sehen w?rde, da die Bande sich auf einige Zeit trennt. Heute abend verlasse ich Euch. - Ihr habt lauter h?bsche Kinder, liebe Frau! Das ist ja wieder ein herrlicher Knabe.<< Mit diesen Worten nahm er den Kleinen von Giorginas Arm und wusste mit ihm so freundlich zu spielen, dass das Kind lachte und jauchzte und gern bei ihm blieb, bis er es wieder der Mutter zur?ckgab. Schon war es Abend geworden, als Denner zu Giorgina sagte: >>Ihr merkt wohl, dass ich, unerachtet ich kein Weib und keine Kinder habe, welches mir manchmal recht nahe geht, doch gar zu gern mit kleinen Kindern spiele und t?ndle. Gebt mir doch Euern Kleinen auf die wenigen Augenblicke, die ich noch bei Euch zubringe. Nicht wahr? der Kleine ist jetzt gerade neun Wochen alt.<< Giorgina bejahte das und gab, jedoch nicht ohne inneres Widerstreben, den kleinen Knaben Dennern hin, der sich mit ihm vor die Haust?r setzte und Giorgina bat, ihm nun das Abendessen zu bereiten, weil er in einer Stunde fort m?sste. Kaum war Giorgina in die K?che getreten, als sie sah, wie Denner mit dem Kinde auf dem Arm in die Stube ging. Bald darauf verbreitete sich ein seltsam riechender Dampf durch das Haus, der aus der Stube zu quirlen schien. Giorgina wurde von unbeschreiblicher Angst ergriffen; sie lief schnell nach der Stube und fand die T?r von innen verriegelt. Es war ihr, als h?re sie das Kind leise wimmern. >>Rette, rette mein Kind aus den Klauen des B?sewichts!<< so schrie sie, eine gr?ssliche Tat ahnend, dem Knecht entgegen, der eben in das Haus trat. Dieser ergriff schnell die Axt und sprengte die T?r. Dicker stinkender Dampf schlug ihnen entgegen. Mit einem Sprunge war Giorgina im Zimmer; der Knabe lag nackt ?ber einer Sch?ssel, in die sein Blut tr?pfelte. Sie sah nur noch, wie der Knecht mit der Axt ausholte, um den Denner zu treffen, wie dieser dem Schlage auswich, den Knecht unterlief und mit ihm rang. Es war ihr, als h?re sie jetzt mehrere Stimmen dicht vor den Fenstern, bewusstlos sank sie zu Boden. Als sie wieder erwachte, war es finstre Nacht worden, aber ganz bet?ubt vermochte sie nicht die erstarrten Glieder zu regen. Endlich wurde es Tag und nun sah sie mit Entsetzen, wie das Blut im Zimmer schwamm. St?cke von Denners Kleidern lagen ?berall umher - ein ausgerissener Schopf von des Knechts Haaren - die Axt blutig daneben - der Knabe vom Tische herabgeschleudert mit zerschnittener Brust. Aufs neue wurde Giorgina ohnm?chtig, sie glaubte zu sterben, aber sie erwachte wie aus dem Todesschlummer, als es schon Mittag geworden. Sie raffte sich m?hsam auf, sie rief laut den Georg, aber als niemand antwortete, glaubte sie, auch Georg sei ermordet. Die Verzweiflung gab ihr Kr?fte, sie floh aus dem Zimmer in den Hof und schrie laut: >>Georg! - Georg!<< Da antwortete es mit matter kl?glicher Stimme vom Bodenfenster herab: >>Mutter, ach liebe Mutter, bist du denn da? Komm herauf zu mir! mich hungert sehr!<< - Schnell sprang jetzt Giorgina hinauf und fand den Kleinen, der vor Angst bei dem L?rm im Hause in die Bodenkammer gekrochen war und nicht gewagt hatte herauszukommen. Mit Entz?cken dr?ckte Giorgina den Kleinen an die Brust. Sie verschloss das Haus und wartete nun von Stunde zu Stunde in der Bodenkammer auf Andres, den sie auch verloren glaubte. Der Knabe hatte von oben herab gesehen, wie mehrere M?nner ins Haus gingen und mit Dennern einen toten Menschen heraustrugen. - Endlich bemerkte auch Giorgina das Geld und die sch?nen Sachen, die Andres mitgebracht hatte. >>Ach, so ist es doch wahr?<< schrie sie entsetzt auf, >>so bist du doch -<< Andres liess sie nicht ausreden, sondern erz?hlte ausf?hrlich, welches Gl?ck sie betroffen und wie er in Frankfurt gewesen sei, wo er sich ihre Erbschaft habe auszahlen lassen. Der Neffe des ermordeten Grafen von Vach war nun Besitzer der G?ter worden; bei diesem wollte sich Andres melden, getreulich alles Geschehene erz?hlen, Denners Schlupfwinkel entdecken und bitten, ihn seines Dienstes zu entlassen, der ihm so viel Not und Gefahr bringe. Giorgina durfte mit dem Knaben im Hause nicht zur?ckbleiben. Andres beschloss daher, seine besten leicht fortzuschaffenden Sachen auf einen kleinen Leiterwagen zu packen, das Pferd vorzuspannen und so mit seinem Weibe und Kinde eine Gegend auf immer zu verlassen, die ihm nur die schrecklichsten Erinnerungen erregen und ?berdem niemals Ruhe und Sicherheit gew?hren konnte. Der dritte Tag war zur Abreise bestimmt, und eben packten sie einen Kasten, als ein starkes Pferdegetrappel immer n?her und n?her kam. Andres erkannte den Vachschen F?rster, der bei dem Schlosse wohnte; hinter ihm ritt ein Kommando Fuldaischer Dragoner. >>Nun da finden wir ja den B?sewicht gerade bei der Arbeit, seinen Raub in Sicherheit zu bringen<<, rief der Kommissarius des Gerichts, der mitgekommen. Andres erstarrte vor Staunen und Schreck. Giorgina war halb ohnm?chtig. Sie fielen ?ber ihn her, banden ihn und sein Weib mit Stricken und warfen sie auf den Leiterwagen, der schon vor dem Hause stand. Giorgina jammerte laut um den Knaben und flehte um Gottes willen, dass man ihn ihr mitgeben m?ge. >>Damit du deine Brut auch noch ins h?llische Verderben bringen kannst?<< sprach der Kommissarius und riss den Knaben mit Gewalt aus Giorginas Armen. Schon sollte es fortgehen, da trat der alte F?rster, ein rauher aber biederer Mann, noch einmal an den Wagen und sagte: >>Andres, Andres, wie hast du dich denn von dem Satan verlocken lassen, solche Freveltaten zu begehen? Immer warst du ja sonst so fromm und ehrlich!<< - >>Ach lieber Herr!<< schrie Andres auf im h?chsten Jammer, >>so wahr Gott im Himmel lebt, so wie ich dereinst selig zu sterben hoffe, ich bin unschuldig. Ihr habt mich ja gekannt von fr?her Jugend her; wie sollte ich, der ich niemals Unrechtes getan, solch ein abscheulicher B?sewicht geworden sein? - denn ich weiss wohl, dass Ihr mich f?r einen verruchten R?uber und Teilnehmer an der Freveltat haltet, die auf dem Schlosse meines geliebten ungl?cklichen Herrn ver?bt worden ist. Aber ich bin unschuldig bei meinem Leben und meiner Seligkeit!<< - >>Nun<<, sagte der alte F?rster, >>wenn du unschuldig bist, so wird das an den Tag kommen, mag auch noch so viel wider dich sprechen. Deines Knaben und des Besitztums, was du zur?ckl?ssest, will ich mich getreulich annehmen, so dass, wenn deine und deines Weibes Unschuld erwiesen, du den Jungen frisch und munter und deine Sachen unversehrt wiederfinden sollst.<< Das Geld nahm der Kommissarius des Gerichts in Beschlag. Unterweges frug Andres Giorginen, wo sie denn das K?stchen verwahrt habe; sie gestand, wie es ihr jetzt leid tue, dass sie es dem Denner ?berliefert, da es jetzt der Obrigkeit h?tte ?bergeben werden k?nnen. In Fulda trennte man den Andres von seinem Weibe und warf ihn in ein tiefes finstres Gef?ngnis. Nach einigen Tagen wurde er zum Verh?r gef?hrt. Man beschuldigte ihn der Teilnahme an dem im Vachschen Schlosse ver?bten Raubmorde und ermahnte ihn die Wahrheit zu gestehen, da schon alles wider ihn so gut als ausgemittelt sei. Andres erz?hlte nun getreulich alles, was sich mit ihm zugetragen, von dem ersten Eintritt des abscheulichen Denners in sein Haus bis zu dem Augenblick seiner Verhaftung. Er klagte sich selbst voll Reue des einzigen Vergehens an, dass er, um Weib und Kind zu retten, bei der Pl?nderung des Pachters zugegen war, und den Denner von der Gefangennehmung befreite, und beteuerte seine g?nzliche Unschuld r?cksichts des letzten von der Dennerschen Bande ver?bten Raubmordes, da er zu ebenderselben Zeit in Frankfurt gewesen sei. Jetzt ?ffneten sich die T?ren des Gerichtssaals und der abscheuliche Denner wurde hereingef?hrt. Als er den Andres erblickte, lachte er auf in teuflischem Hohn und sprach: >>Nun, Kamerad, hast du dich auch erwischen lassen? Hat dir deines Weibes Gebet denn nicht herausgeholfen?<< Die Richter forderten Dennern auf, sein Bekenntnis r?cksichts des Andres zu wiederholen und er sagte aus, dass eben der Vachsche Revierj?ger Andres, der jetzt vor ihm stehe, schon seit f?nf Jahren mit ihm verbunden und das J?gerhaus sein bester und sicherster Schlupfwinkel gewesen sei. Andres habe immer den ihm geb?hrenden Anteil vom Raube erhalten, wiewohl er nur zweimal t?tig bei den R?ubereien mitgewirkt. Einmal n?mlich bei der Beraubung des Pachters, wo er ihn, den Denner, aus der dringendsten Gefahr errettet, und dann bei dem Unternehmen gegen den Grafen Aloys von Vach, der eben durch einen gl?cklichen Schuss des Andres get?tet worden sei. - Andres geriet in Wut, als er diese sch?ndliche L?ge h?rte. >>Was?<< schrie er, >>du verruchter teuflischer B?sewicht, du wagst es, mich der Ermordung meines lieben armen Herrn anzuklagen, die du selbst ver?bt? - Ja! ich weiss es, nur du selbst bist solcher Tat f?hig; aber deine Rache verfolgt mich, weil ich aller Gemeinschaft mit dir entsagt habe, weil ich drohte, dich als einen verruchten R?uber und M?rder niederzuschiessen, so wie du meine Schwelle betreten w?rdest. Darum hast du mit deiner Bande mein Haus ?berfallen, als ich abwesend war; darum hast du mein armes unschuldiges Kind und meinen braven Knecht ermordet! - Aber du wirst der schrecklichen Strafe des gerechten Gottes nicht entgehen, sollte ich auch deiner Bosheit unterliegen.<< Nun wiederholte Andres sein voriges Bekenntnis unter den heiligsten Beteurungen der Wahrheit; aber Denner lachte h?hnisch und meinte, warum er denn aus allzugrosser Furcht vor dem Tode noch erst das Gericht zu bel?gen sich unterfange, und dass es sich schlecht mit der Fr?mmigkeit, von der er so viel Aufhebens mache, vereinbare, dass er Gott und die Heiligen zur Bekr?ftigung seiner falschen Aussagen anrufe. Die Richter wussten in der Tat nicht, was sie von dem Andres, dessen Miene und Sprache die Wahrheit seiner Aussage zu best?tigen schien, sowie von Denners kalter Festigkeit denken sollten. - Nun wurde Giorgina vorgef?hrt, die in namenlosem Jammer laut weinend auf den Mann zust?rzte. Sie wusste nur Unzusammenh?ngendes zu erz?hlen, und unerachtet sie den Denner des entsetzlichen Mordes ihres Knaben anklagte, schien Denner doch keineswegs entr?stet, sondern behauptete, wie er schon fr?her getan, dass Giorgina nie etwas von den Unternehmungen ihres Mannes gewusst habe, sondern ganz unschuldig sei. Andres wurde in sein Gef?ngnis zur?ckgef?hrt.
Endlich, nachdem beinahe noch ein Jahr verflossen, war der schwierige verwickelte Prozess wider Denner und seine Mitschuldigen geschlossen. Es hatte sich gefunden, dass die Bande bis an die Grenze von Italien ausgebreitet war und schon seit geraumer Zeit ?berall raubte und mordete. Denner sollte geh?ngt, und dann sein K?rper verbrannt werden. Auch dem ungl?cklichen Andres war der Strang zuerkannt; seiner Reue halber, und da er durch das Bekenntnis der ihm von Denner geratenen Flucht die Entdeckung des Anschlags der Bande, durchzubrechen, veranlasst hatte, durfte jedoch sein K?rper herabgenommen, und auf der Gerichtsst?tte verscharrt werden.
Der Morgen, an dem Denner und Andres hingerichtet werden sollten, war angebrochen; da ging die T?r des Gef?ngnisses auf, und der junge Graf von Vach trat hinein zum Andres, der auf den Knien lag und still betete. >>Andres<<, sprach der Graf, >>du musst sterben. Erleichtere dein Gewissen noch durch ein offnes Gest?ndnis! Sage mir, hast du deinen Herrn get?tet? Bist du wirklich der M?rder meines Oheims?<< - Da st?rzten dem Andres die Tr?nen aus den Augen, und er wiederholte nochmals alles, was er vor Gericht ausgesagt, ehe ihm die unleidliche Qual der Tortur eine L?ge auspresste. Er rief Gott und die Heiligen an, die Wahrheit seiner Aussage und seine g?nzliche Unschuld an dem Tode des geliebten Herrn zu bekr?ftigen.
Der Prozess wider den verruchten Ignaz Denner nahm jetzt eine ganz andere Wendung. Die Begebenheit auf der Gerichtsst?tte schien ihn ganz umgewandelt zu haben. Sein h?hnender teuflischer Stolz war gebeugt, und aus seinem zerknirschten Innern brachen Gest?ndnisse hervor, die den Richtern das Haar str?ubten. Denner klagte sich selbst mit allen Zeichen tiefer Reue des B?ndnisses mit dem Satan an, das er von seiner fr?hen Jugendzeit unterhalten, und so wurde vorz?glich hierauf die fernere Untersuchung mit dem Zutritt dazu verordneter Geistlichkeit gerichtet. ?ber seine fr?heren Lebensverh?ltnisse erz?hlte Denner so viel Sonderbares, dass man es f?r das Erzeugnis wahnsinniger ?berspannung h?tte halten m?ssen, wenn nicht durch die Erkundigungen, die man in Neapel, seinem angeblichen Geburtsort, einziehen liess, alles best?tigt worden w?re. Ein Auszug aus den von dem geistlichen Gericht in Neapel verhandelten Akten ergab ?ber Denners Herkunft folgende merkw?rdige Umst?nde.
Vor langen Jahren lebte in Neapel ein alter wunderlicher Doktor, Trabacchio mit Namen, den man seiner geheimnisvollen stets gl?cklichen Kuren wegen insgemein den Wunderdoktor zu nennen pflegte. Es schien, als wenn das Alter nichts ?ber ihn verm?ge; denn er schritt rasch und jugendlich daher, unerachtet mehrere Eingeborne ihm nachrechnen konnten, dass er an die achtzig Jahre alt sein m?sste. Sein Gesicht war auf eine seltsame grausige Weise verzerrt und verschrumpft, und seinen Blick konnte man kaum ohne innern Schauer ertragen, wiewohl er oft den Kranken wohl tat, so dass man sagte, bloss durch den scharf auf den Kranken gehefteten Blick heile er oftmals schwere hartn?ckige ?bel. ?ber seinen schwarzen Anzug warf er gew?hnlich einen weiten roten Mantel mit goldnen Tressen und Troddeln, unter dessen bauschichten Falten der lange Stossdegen hervorragte. So lief er mit einer Kiste seiner Arzneien, die er selbst bereitete, durch die Strassen von Neapel zu seinen Kranken, und jeder wich ihm scheu aus. Nur in der h?chsten Not wandte man sich an ihn, aber niemals schlug er es aus einen Kranken zu besuchen, hatte er dabei auch nicht sonderlichen Gewinn zu hoffen. Mehrere Weiber starben ihm schnell; immer waren sie ausnehmend sch?n und insgemein Landdirnen gewesen. Er sperrte sie ein und erlaubte ihnen, nur unter Begleitung einer alten ekelhaft h?sslichen Frau die Messe zu h?ren. Diese Alte war unbestechlich; jeder noch so listig angelegte Versuch junger L?stlinge, den sch?nen Frauen des Doktor Trabacchio n?her zu kommen, blieb fruchtlos. Unerachtet Doktor Trabacchio von Reichen sich gut bezahlen liess, so stand doch seine Einnahme mit dem Reichtum an Geld und Kleinodien, den er in seinem Hause aufgeh?uft hatte und den er niemanden verhehlte, in keinem Verh?ltnis. Dabei war er zu Zeiten freigebig bis zur Verschwendung, und hatte die Gewohnheit jedesmal, wenn ihm eine Frau gestorben, ein Gastmahl zu geben, dessen Aufwand wohl doppelt soviel betrug, als die reichste Einnahme, die ihm seine Praxis ein ganzes Jahr hindurch verschaffte. Mit seiner letzten Frau hatte er einen Sohn erzeugt, den er ebenso einsperrte, wie seine Weiber; niemand bekam ihn zu sehen. Nur bei dem Gastmahl, das er nach dem Tode dieser Frau gab, sass der kleine dreij?hrige Knabe an seiner Seite, und alle G?ste waren ?ber die Sch?nheit und die Klugheit des Kindes , das man, verriet sein k?rperliches Ansehen nicht sein Alter, seinem Benehmen nach wenigstens f?r zw?lfj?hrig h?tte halten k?nnen. Eben bei diesem Gastmahl ?usserte der Doktor Trabacchio, dass, da nunmehr sein Wunsch, einen Sohn zu haben, erreicht sei, er nicht mehr heiraten werde. Sein ?berm?ssiger Reichtum, aber noch mehr sein geheimnisvolles Wesen, seine wunderbaren Kuren, die bis ins Unglaubliche gingen, da bloss einigen von ihm bereiteten und eingefl?ssten Tropfen, ja oft bloss seiner Betastung, seinem Blick, die hartn?ckigsten Krankheiten wichen, gaben endlich Anlass zu allerlei seltsamen Ger?chten, die sich in Neapel verbreiteten. Man hielt den Doktor Trabacchio f?r einen Alchymisten, f?r einen Teufelsbeschw?rer, ja man gab ihm endlich schuld, dass er mit dem Satan im B?ndnis stehe. Die letzte Sage entstand aus einer seltsamen Begebenheit, die sich mit einigen Edelleuten in Neapel zutrug. Diese kehrten einst sp?t in der Nacht von einem Gastmahl zur?ck und gerieten, da sie im Weinrausch den Weg verfehlt, in eine einsame verd?chtige Gegend. Da rauschte und raschelte es vor ihnen und sie wurden mit Entsetzen gewahr, dass ein grosser leuchtendroter Hahn, ein zackicht Hirschgeweihe auf dem Kopfe tragend, mit ausgebreiteten Fl?geln. daherschritt, und sie mit menschlichen funkelnden Augen anstarrte. Sie dr?ngten sich in eine Ecke, der Hahn schritt vor?ber, und ihm folgte eine grosse Figur im gl?nzenden goldverbr?mten Mantel. Sowie die Gestalten vor?ber waren, sagte einer von den Edelleuten leise: >>Das war der Wunderdoktor Trabacchio.<< Alle, n?chtern geworden durch den entsetzlichen Spuk, ermutigten sich und folgten dem angeblichen Doktor mit dem Hahn, dessen Leuchten den genommenen Weg zeigte. Sie sahen, wie die Gestalten wirklich auf das Haus des Doktors, das auf einem fernen leeren ?den Platze stand, zuschritten. Vor dem Hause angekommen, rauschte der Hahn in die H?he, und schlug mit den Fl?geln an das grosse Fenster ?ber dem Balkon, das sich klirrend ?ffnete; die Stimme eines alten Weibes meckerte: >>Kommt - kommt nach Haus - kommt nach Haus - warm ist das Bett, und Liebchen wartet lange schon - lange schon!<< Da war es, als stiege der Doktor auf einer unsichtbaren Leiter empor, und rausche nach dem Hahn durch das Fenster, welches zugeschlagen wurde, dass es die einsame Strasse entlang klirrte und dr?hnte. Alles war im schwarzen Dunkel der Nacht verschwunden und die Edelleute standen stumm und starr vor Grausen und Entsetzen. Dieser Spuk, die ?berzeugung der Edelleute, dass die Gestalt, der der teuflische Hahn vorleuchtete, niemand anders, als der verrufene Doktor Trabacchio gewesen, war f?r das geistliche Gericht, dem alles zu Ohren kam, genug, dem satanischen Wundermann sorglich in aller Stille nachzusp?ren. Man brachte in der Tat heraus, dass in den Zimmern des Doktors sich oft ein roter Hahn befand, mit dem er auf wunderliche Weise zu sprechen und zu disputieren schien, als spr?chen Gelehrte ?ber zweifelhafte Gegenst?nde ihres Wissens. Das geistliche Gericht war im Begriff den Doktor Trabacchio einzuziehen als einen verruchten Hexenmeister; aber das weltliche Gericht kam dem geistlichen zuvor und liess den Doktor durch die Sbirren aufheben und ins Gef?ngnis schleppen, da er eben von dem Besuch eines Kranken heimkehrte. Die Alte war schon fr?her aus dem Hause geholt worden, den Knaben hatte man nicht finden k?nnen. Die T?ren der Zimmer wurden verschlossen und versiegelt, Wachen rings um das Haus gestellt. - Folgendes war der Grund dieses gerichtlichen Verfahrens. Seit einiger Zeit starben mehrere angesehene Personen in Neapel und in der umliegenden Gegend und zwar nach der ?rzte einstimmigem Urteil an Gift. Dies hatte viele Untersuchungen veranlasst, die fruchtlos blieben, bis endlich ein junger Mann in Neapel, ein bekannter L?stling und Verschwender, dessen Oheim vergiftet worden, die gr?ssliche Tat mit dem Zusatz eingestand, dass er das Gift von dem alten Weibe, der Haush?lterin Trabacchios, gekauft habe. Man sp?rte der Alten nach, und ertappte sie, als sie eben ein festverschlossenes kleines Kistchen forttragen wollte, in dem man kleine Phiolen fand, die mit dem Namen von allerlei Arzneimitteln versehen waren, unerachtet sie fl?ssiges Gift enthielten. Die Alte wollte nichts eingestehen; als man ihr indessen mit der Tortur drohte, da bekannte sie, dass der Doktor Trabacchio schon seit vielen Jahren jenes k?nstliche Gift, das unter dem Namen Aqua Toffana bekannt sei, bereite, und dass der geheime Verkauf dieses Gifts, der durch sie bewirkt worden, best?ndig seine reichste Erwerbsquelle gewesen. Ferner sei es nur zu gewiss, dass er mit dem Satan im B?ndnis stehe, der in verschiedenen Gestalten bei ihm einkehre. Jedes seiner Weiber habe ihm ein Kind geboren, ohne dass es jemand ausser dem Hause geahnet. Das Kind habe er denn allemal, nachdem es neun Wochen, oder neun Monate alt worden, unter besonderen Zur?stungen und Feierlichkeiten auf unmenschliche Weise geschlachtet, indem er ihm die Brust aufgeschnitten und das Herz herausgenommen. Jedesmal sei der Satan bei dieser Operation, bald in dieser, bald in jener Gestalt, meistens aber als Fledermaus mit menschlicher Larve, erschienen, und habe mit breiten Fl?geln das Kohlfeuer angefacht, bei dem Trabacchio aus des Kindes Herzblut k?stliche Tropfen bereitet, die jeder Siechheit kr?ftig widerst?nden. Die Weiber h?tte Trabacchio bald nachher auf diese, oder jene heimliche Weise get?tet, so dass der sch?rfste Blick des Arztes wohl nie auch die kleinste Spur der Ermordung habe auffinden k?nnen. Nur Trabacchios letztes Weib, die ihm einen Sohn geboren, der noch lebe, sei des nat?rlichen Todes gestorben.
Der Doktor Trabacchio gestand alles unverhohlen ein und schien eine Freude daran zu finden, das Gericht mit den schauerlichen Erz?hlungen seiner Untaten und vorz?glich der n?hern Umst?nde seines entsetzlichen B?ndnisses mit dem Satan in Verwirrung zu setzen, Die Geistlichen, welche dem Gericht beiwohnten, gaben sich alle nur ersinnliche M?he, den Doktor zur Reue und zur Erkenntnis seiner S?nden zu bringen; aber es blieb vergebens, da Trabacchio sie nur verh?hnte und verlachte. Beide, die Alte und Trabacchio, wurden zum Scheiterhaufen verurteilt. - Man hatte unterdessen das Haus des Doktors untersucht und alle seine Reicht?mer hervorgeholt, die, nach Abzug der Gerichtskosten, an die Hospit?ler verteilt werden sollten. In Trabacchios Bibliothek fand man nicht ein einziges verd?chtiges Buch und noch viel weniger gab es Ger?tschaften, die auf die satanische Kunst, die der Doktor getrieben, h?tten hindeuten sollen. Nur ein verschlossenes Gew?lbe, dessen viele durch die Mauer herausragende R?hren das Laboratorium verrieten, widerstand, als man es ?ffnen wollte, aller Kunst und aller Gewalt. Ja, wenn Schlosser und Maurer unter der Aufsicht des Gerichts sich eifrig bem?hten, endlich durchzubrechen, so dass wohl der Zweck erreicht worden w?re, da kreischten im Innern des Gew?lbes entsetzliche Stimmen, es rauschte auf und nieder, wie mit eiskalten Fl?geln schlug es an die Gesichter der Arbeiter und ein schneidender Zugwind pfiff in gellenden gr?sslichen T?nen durch den Gang, so dass von Grausen und Entsetzen ergriffen alle flohen, und am Ende niemand mehr sich an die T?r des Gew?lbes wagen wollte, aus Furcht wahnsinnig zu werden vor Angst und Schrecken. Den Geistlichen, die sich der T?r nahten, ging es nicht besser und es blieb nichts ?brig, als die Ankunft eines alten Dominikaners aus Palermo zu erwarten, dessen Standhaftigkeit und Fr?mmigkeit bisher alle K?nste des Satans weichen mussten. Als dieser M?nch sich nun in Neapel befand, war er bereit den teuflischen Spuk in Trabacchios Gew?lbe zu bek?mpfen, und verf?gte sich hin, ausger?stet mit Kreuz und Weihwasser, begleitet von mehreren Geistlichen und Gerichtspersonen, die aber weit von der T?r entfernt blieben. Der alte Dominikaner ging betend auf die T?r los; aber da erhob sich heftiger das Rauschen und Brausen, und die entsetzlichen Stimmen verworfener Geister lachten gellend heraus. Der Geistliche liess sich jedoch nicht irre machen; er betete kr?ftiger das Kruzifix emporhaltend und die T?r mit Weihwasser besprengend. >>Man gebe mir ein Brecheisen!<< rief er laut; zitternd reichte es ihm ein Maurerbursche hin, aber kaum setzte es der alte M?nch an die T?re, als sie mit furchtbar ersch?tterndem Knall aufsprang. Blaue Flammen leckten ?berall an den W?nden des Gew?lbes herauf und eine bet?ubende erstickende Hitze str?mte aus dem Innern. Demunerachtet wollte der Dominikaner hineintreten; da st?rzte der Boden des Gew?lbes ein, dass das ganze Haus erdr?hnte und Flammen prasselten aus dem Abgrunde hervor, die w?tend um sich griffen und alles rings umher erfassten. Schnell musste der Dominikaner mit seiner Begleitung fliehen, um nicht zu verbrennen, oder versch?ttet zu werden. Kaum waren sie auf der Strasse, als das ganze Haus des Doktor Trabacchio in Flammen stand. Das Volk lief zusammen und jauchzte und jubelte, als es des verruchten Hexenmeisters Wohnung brennen sah, ohne auch nur das mindeste zur Rettung zu tun. Schon war das Dach eingest?rzt, das inwendige Holzwerk flammte zu den W?nden heraus und nur die starken Balken des obern Stocks widerstanden noch der Gewalt des Feuers. Aber vor Entsetzen schrie das Volk auf, als es Trabacchios zw?lfj?hrigen Sohn mit einem Kistchen unter dem Arm einen dieser glimmenden Balken entlang schreiten sah. Nur einen Moment dauerte diese Erscheinung, sie verschwand pl?tzlich in den hochaufschlagenden Flammen. - Der Doktor Trabacchio schien sich herzinniglich zu freuen, als er diese Begebenheit erfuhr und ging mit verwegener Frechheit zum Tode. Als man ihn an den Pfahl band, lachte er hell auf und sagte zu dem Henker, der ihn mordlustig recht fest anschn?rte: >>Sieh dich vor, Geselle, dass diese Stricke nicht an deinen F?usten brennen.<< Dem M?nch, der sich ihm zuletzt noch nahen wollte, rief er mit f?rchterlicher Stimme zu: >>Fort! - zur?ck von mir! Glaubst du denn, dass ich so dumm sein werde, euch zu Gefallen einen schmerzlichen Tod zu leiden? - noch ist meine Stunde nicht gekommen.<< - Nun fing das angez?ndete Holz an zu prasseln; kaum erreichte aber die Flamme den Trabacchio, als es hell aufloderte, wie Strohfeuer und von einer fernen Anh?he ein gellendes Hohngel?chter sich h?ren liess. Alles schaute hin und Grausen ergriff das Volk, als den Doktor Trabacchio leibhaftig in dem schwarzen Kleide, dem goldverbr?mten Mantel, den Stossdegen an der Seite, den niedergekrempten spanischen Hut mit der roten Feder auf dem Kopfe, das Kistchen unter dem Arm, ganz wie er sonst durch die Strassen von Neapel zu laufen pflegte, erblickte. Reiter, Sbirren, hundert andere aus dem Volk st?rzten hin nach dem H?gel, aber Trabacchio war und blieb verschwunden. Die Alte gab ihren Geist auf unter den entsetzlichsten Qualen, unter den gr?sslichsten Verw?nschungen ihres verruchten Herrn, mit dem sie unz?hlige Verbrechen geteilt.
Andres, der alles dieses aus dem Munde des Grafen von Vach erfuhr, zweifelte keinen Augenblick, dass es wohl eben Trabacchios Bande gewesen, die ehemals im Neapolitanischen seinen Herrn anfiel, so wie er ?berzeugt war, dass der alte Doktor Trabacchio selbst im Gef?ngnis ihm wie der leibhaftige Satan erschien und verlocken wollte zum b?sen Beginnen. Nun sah er erst recht ein, in welch grosser Gefahr er geschwebt hatte seit der Zeit, als Trabacchio in sein Haus getreten; wiewohl er noch immer nicht begreifen konnte, warum es denn der Verruchte so ganz und gar auf ihn und sein Weib gem?nzt hatte, da der Vorteil, den er aus seinem Aufenthalt in dem J?gerhause zog, nicht so bedeutend sein konnte.
Andres befand sich nach den entsetzlichen St?rmen nun in ruhiger gl?cklicher Lage, allein zu ersch?tternd hatten jene St?rme getobt, um nicht in seinem ganzen Leben dumpf nachzuhallen. Ausser dem, dass Andres, sonst ein starker kr?ftiger Mann, durch den Gram, durch das lange Gef?ngnis, ja durch den uns?glichen Schmerz der Tortur k?rperlich zugrunde gerichtet, siech und krank daherschwankte und kaum noch die Jagd treiben konnte, so welkte auch Giorgina, deren s?dliche Natur von dem Grame, von der Angst, von dem Entsetzen wie von brennender Glut aufgezehrt wurde, zusehends hin. Keine H?lfe war f?r sie mehr vorhanden, sie starb wenige Monate nach ihres Mannes R?ckkehr. Andres wollte verzweifeln und nur der wundersch?ne kluge Knabe, der Mutter getreues Ebenbild, vermochte ihn zu tr?sten. Um dieses willen tat er alles, sein Leben zu erhalten, und sich soviel als m?glich zu kr?ftigen, so dass er nach Verlauf von beinahe zwei Jahren wohl an Gesundheit zugenommen und manchen lustigen J?gergang in den Forst unternehmen konnte. - Der Prozess wider den Trabacchio hatte endlich sein Ende erreicht und er war, so wie vor alter Zeit sein Vater, zum Tode durchs Feuer verdammt worden, den er in weniger Zeit erleiden sollte.
Andres kam eines Tages, als die Abendd?mmerung schon eingebrochen, mit seinem Knaben aus dem Forst zur?ck; schon war er dem Schlosse nahe, als er ein kl?gliches Gewimmer vernahm, das aus dem ihm nahen ausgetrockneten Feldgraben zu kommen schien. Er eilte n?her und erblickte einen Menschen, der in elende schmutzige Lumpen geh?llt, im Graben lag und unter grossen Schmerzen den Geist aufgeben zu wollen schien. Andres warf Flinte und B?chsensack ab, und zog mit M?he den Ungl?cklichen heraus; aber als er nun dem Menschen ins Gesicht blickte, erkannte er mit Entsetzen den Trabacchio. Zur?ckschaudernd liess er von ihm ab; aber da wimmerte Trabacchio dumpf. >>Andres, Andres, bist du es? um der Barmherzigkeit Gottes willen, der ich meine Seele empfohlen, habe Mitleid mit mir! Wenn du mich rettest, rettest du eine Seele von ewiger Verdammnis; denn bald ereilt mich ja der Tod, und noch nicht vollendet ist meine Busse!<< - >>Verdammter Heuchler<<, schrie Andres auf; >>M?rder meines Kindes, meines Weibes, hat dich nicht der Satan wieder hergef?hrt, damit du mich vielleicht noch verderbest? Ich habe mit dir nichts zu schaffen. Stirb und vermodere wie ein Aas, Verruchter!<< Andres wollte ihn zur?ckstossen in den Graben; da heulte Trabacchio in wildem Jammer: >>Andres! du rettest den Vater deines Weibes, deiner Giorgina, die f?r mich betet am Throne des H?chsten!<< Andres schauderte zusammen; mit Giorginas Namen f?hlte er sich von schmerzlicher Wehmut ergriffen. Mitleid mit dem M?rder seiner Ruhe, seines Gl?cks, durchdrang ihn, er fasste den Trabacchio, lud ihn mit M?he auf und trug ihn nach seiner Wohnung, wo er ihn mit st?rkenden Mitteln erquickte. Bald erwachte Trabacchio aus der Ohnmacht, in die er versunken.
In der Nacht vor der Hinrichtung ergriff den Trabacchio die entsetzlichste Todesangst; er war ?berzeugt, dass ihn nichts mehr von der namenlosen Marter des Feuertodes retten w?rde. Da fasste und r?ttelte er in wahnsinniger Verzweiflung die Eisenst?be des Gitterfensters und zerbr?ckelt blieben sie in seinen H?nden. Ein Strahl der Hoffnung fiel in seine Seele. Man hatte ihn in einen Turm dicht neben dem trocknen Stadtgraben gesperrt; er schaute in die Tiefe und der Entschluss sich hinabzust?rzen, und so sich zu retten, oder zu sterben, war auf der Stelle gefasst. Der Ketten hatte er sich bald mit geringer Anstrengung entledigt. Als er sich hinauswarf, vergingen ihm die Sinne, er erwachte, als die Sonne hell strahlte. Da sah er, wie er zwischen Strauchwerk in hohes Gras gefallen, aber an allen Gliedern verstaucht und verrenkt, vermochte er sich nicht zu regen und zu r?hren. Schmeissfliegen und anderes Ungeziefer setzten sich auf seinen halbnackten K?rper und stachen und leckten sein Blut, ohne dass er sie abwehren konnte. So brachte er einen martervollen Tag hin. Erst des Nachts gelang es ihm weiter zu kriechen und er war gl?cklich genug, an eine Stelle zu kommen, wo sich etwas Regenwasser gesammelt hatte, welches er begierig einschl?rfte. Er f?hlte sich gest?rkt und vermochte m?hsam hinanzuklimmen und sich fortzuschleichen, bis er den Forst erreichte, der unfern von Fulda anhob und sich beinahe bis an das Vachsche Schloss erstreckte. So war er bis in die Gegend gekommen, wo ihn Andres mit dem Tode ringend fand. Die entsetzliche Anstrengung der letzten Kraft hatte ihn ganz ersch?pft und wenige Minuten sp?ter h?tte ihn Andres sicherlich tot gefunden. Ohne daran zu denken, was k?nftig mit dem Trabacchio, der der Obrigkeit entflohen, werden sollte, brachte ihn Andres in ein einsames Zimmer und pflegte ihn auf alle nur m?gliche Weise, aber so behutsam ging er dabei zu Werke, dass niemand die Anwesenheit des Fremden ahnte; denn selbst der Knabe, gewohnt dem Vater blindlings zu gehorchen, verschwieg getreulich das Geheimnis. Andres frug nun den Trabacchio, ob er denn gewiss und wahrhaftig Giorginas Vater sei. >>Allerdings bin ich das<<, erwiderte Trabacchio. >>In der Gegend von Neapel entf?hrte ich einst ein bildsch?nes M?dchen, die mir eine Tochter gebar. Nun weisst du schon, Andres, dass eines der gr?ssten Kunstst?cke meines Vaters die Bereitung jenes k?stlichen wundersamen Liquors war, wozu das Hauptingredienz das Herzblut von Kindern ist, die neun Wochen, neun Monate, oder neun Jahre alt und von den Eltern dem Laboranten freiwillig anvertraut sein m?ssen. Je n?her die Kinder mit dem Laboranten in Beziehung stehen, desto wirkungsvoller entsteht aus ihrem Herzblut Lebenskraft, stete Verj?ngung, ja selbst die Bereitung des k?nstlichen Goldes. Deshalb schlachtete mein Vater seine Kinder und ich war froh, das T?chterlein, das mir mein Weib geboren, auf solche verruchte Weise h?heren Zwecken opfern zu k?nnen. Noch kann ich nicht begreifen, auf welche Weise mein Weib die b?se Absicht ahnte; aber sie war vor Ablauf der neunten Woche verschwunden und erst nach mehrern Jahren erfuhr ich, dass sie in Neapel gestorben sei und ihre Tochter Giorgina bei einem gr?mlichen geizhalsigen Gastwirt erzogen w?rde. Ebenso wurde mir ihre Verheiratung mit dir und dein Aufenthalt bekannt. Nun kannst du dir erkl?ren, Andres, warum ich deinem Weibe gewogen war und warum ich, ganz erf?llt von meinen verruchten Teufelsk?nsten, deinen Kindern so nachstellte. - Aber dir, Andres, dir allein und deiner wunderbaren Rettung durch Gottes Allmacht verdanke ich meine tiefe Reue, meine innere Zerknirschung. ?brigens ist das Kistchen mit Kleinodien, das ich deinem Weibe gab, dasjenige, welches ich auf des Vaters Geheiss aus den Flammen rettete, du kannst es getrost aufbewahren f?r deinen Knaben.<< - >>Das Kistchen<<, fiel Andres ein, >>hat Euch ja Giorgina wiedergegeben an jenem schrecklichen Tag, da Ihr den gr?sslichen Mord ver?btet?<<
>>Allerdings<<, erwiderte Trabacchio; >>allein ohne dass es Giorgina wusste, kam es wieder in Euern Besitz. Seht nur nach in der grossen schwarzen Truhe, die in Euerm Hausflur steht, da werdet Ihr das Kistchen auf dem Boden finden.<< Andres suchte in der Truhe und fand das Kistchen wirklich ganz in dem Zustande wieder, wie er es damals zum erstenmal von Trabacchio in Verwahrung erhalten.
>>Nein<<, rief Andres: >>Euer gottloser Vater k?nnte hier nicht so herumspuken, wenn Ihr aller und jeder Gemeinschaft mit ihm entsagt h?ttet. Ihr m?sst fort von mir. Eure Wohnung ist Euch l?ngst bereitet. Ihr m?sst fort ins Schlossgef?ngnis; dort m?get Ihr Euern Spuk treiben wie Ihr wollt.<< Trabacchio weinte heftig, er bat um aller Heiligen willen ihn im Hause zu dulden und Georg, ohne zu begreifen, was das alles wohl bedeute, stimmte in seine Bitten ein. >>So bleibt denn noch morgen hier<<, sagte Andres, >>ich will sehen, wie es mit der Betstunde gehen wird, wenn ich heimkomme von der Jagd.<< Am andern Tage gab es herrliches Herbstwetter, und Andres versprach sich eine reiche Beute. Als er von dem Anstand zur?ckkehrte, war es ganz finster geworden. Er f?hlte sich im innersten Gem?t besonders bewegt; seine merkw?rdigen Schicksale, Giorginas Bild, sein ermordeter Knabe traten ihm so lebendig vor Augen, dass er tief in sich gekehrt, immer langsamer und langsamer den J?gern nachschlenderte, bis er sich endlich unversehends auf einem Nebenwege allein im Forst befand. Im Begriff zur?ckzukehren in den breiten Waldweg, wurde er ein blendendes Licht gewahr, welches durch das dickste Geb?sch flackerte. Da ergriff ihn eine wunderbare verworrene Ahnung grosser Greueltat, die ver?bt werde; er drang durch das Dickicht, er war dem Feuer nahe, da stand des alten Trabacchio Gestalt im goldverbr?mten Mantel, den Stossdegen an der Seite, den niedergekrempten Hut mit roter Feder auf dem Kopfe, das Arzneikistchen unterm Arm. Mit gl?henden Augen blickte die Gestalt in das Feuer, das wie in rot und blau flammenden Schlangen unter einer Retorte hervorloderte. Vor dem Feuer lag Georg nackt ausgebreitet auf einer Art Rost und der verruchte Sohn des satanischen Doktors hatte hoch das funkelnde Messer erhoben zum Todesstoss. Andres schrie auf vor Entsetzen; aber sowie der M?rder sich umblickte, sauste schon die Kugel aus Andres' B?chse und Trabacchio st?rzte mit zerschmettertem Gehirn ?ber das Feuer hin, das im Augenblick erlosch. Die Gestalt des Doktors war verschwunden. Andres sprang hinzu, stiess den Leichnam beiseite, band den armen Georg los und trug ihn schnell fort bis ins Haus. Dem Knaben fehlte nichts; nur die Todesangst hatte ihn ohnm?chtig gemacht. Den Andres trieb es heraus in den Wald, er wollte sich von Trabacchios Tode ?berzeugen und den Leichnam gleich verscharren; er weckte daher den alten J?ger, der in tiefen, wahrscheinlich von Trabacchio bewirkten Schlaf gesunken, und beide gingen mit Laterne, Hacke und Spaten an die nicht weit entlegene Stelle. Da lag der blutige Trabacchio; aber sowie Andres sich n?herte, richtete er sich mit halbem Leibe auf, starrte ihn gr?sslich an und r?chelte dumpf. >>M?rder! M?rder des Vaters deines Weibes, aber meine Teufel sollen dich qu?len!<< - >>Fahre zur H?lle, du satanischer B?sewicht<<, schrie Andres, der dem Entsetzen, das ihn ?bermannen wollte, widerstand; >>fahre hin zur H?lle, du, der du den Tod hundertf?ltig verdient hast, dem ich den Tod gab, weil er versuchten Mord an meinem Kinde, an dem Kinde seiner Tochter ver?ben wollte! Du hast nur Busse und Fr?mmigkeit geheuchelt um sch?ndlichen Verrats willen, aber nun bereitet der Satan manche Qual deiner Seele, die du ihm verkauft.<< Da sank Trabacchio heulend zur?ck und immer dumpfer und dumpfer wimmernd gab er seinen Geist auf. Nun gruben die beiden M?nner ein tiefes Loch, in das sie Trabacchios K?rper warfen. >>Sein Blut komme nicht ?ber mich!<< sprach Andres, >>aber ich konnte nicht anders, ich war dazu ausersehen von Gott, meinen Georg zu retten und hundertf?ltige Frevel zu r?chen. Doch will ich f?r seine Seele beten und ein kleines Kreuz auf sein Grab stellen.<< Als andern Tages Andres dieses Vorhaben ausfahren wollte, fand er die Erde aufgew?hlt, der Leichnam war verschwunden. Ob das nun von wilden Tieren, oder wie sonst bewirkt, blieb in Zweifel. Andres ging mit seinem Knaben und dem alten J?ger zum Grafen von Vach, und berichtete treulich die ganze Begebenheit. Der Graf von Vach billigte die Tat des Andres, der zur Rettung seines Sohnes einen R?uber und M?rder niedergestreckt hatte und liess den ganzen Verlauf der Sache niederschreiben und im Archiv des Schlosses aufbewahren.
Die schreckliche Begebenheit hatte den Andres tief im Innersten ersch?ttert, und wohl mochte er sich deshalb, wenn die Nacht eingebrochen, schlaflos auf dem Lager w?lzen. Aber wenn er so zwischen Wachen und Tr?umen hinbr?tete, da h?rte er es im Zimmer knistern und rauschen, und ein roter Schein fuhr hindurch und verschwand wieder. Sowie er anfing zu horchen und zu schauen, da murmelte es dumpf. >>Nun bist du Meister - du hast den Schatz - du hast den Schatz - gebeut ?ber die Kraft, sie ist dein!<< - Dem Andres war es, als wolle ein unbekanntes Gef?hl ganz eigner Wohlbehaglichkeit und Lebenslust in ihm aufgehen; aber sowie die Morgenr?te durch die Fenster brach, da ermannte sich Andres und betete, wie er es zu tun gewohnt, kr?ftig und inbr?nstig zu dem Herrn, der seine Seele erleuchtete. >>Ich weiss was nun noch meines Amts und Berufs ist, um den Versucher zu bannen und die S?nde abzuwenden von meinem Hause!<< - So sprach Andres, nahm Trabacchios Kistchen und warf es, ohne es zu ?ffnen, in eine tiefe Bergschlucht. Nun genoss Andres eines ruhigen heitern Alters, das keine feindliche Macht zu zerst?ren vermochte.
Die Jesuiterkirche in G.
In eine elende Postchaise gepackt, die die Motten, wie die Ratten Prosperos Fahrzeug, aus Instinkt verlassen hatten, hielt ich endlich, nach halsbrechender Fahrt, halbger?dert, vor dem Wirtshause auf dem Markte in G. Alles Ungl?ck, das mir selbst begegnen k?nnen, war auf meinen Wagen gefallen, der zerbrochen bei dem Postmeister der letzten Station lag. Vier magere abgetriebene Pferde schleppten nach mehrern Stunden endlich mit H?lfe mehrerer Bauern und meines Bedienten das bauf?llige Reisehaus herbei; die Sachverst?ndigen kamen, sch?ttelten die K?pfe und meinten, dass eine Hauptreparatur n?tig sei, die zwei, auch wohl drei Tage dauern k?nne. Der Ort schien mir freundlich, die Gegend anmutig und doch erschrak ich nicht wenig ?ber den mir gedrohten Aufenthalt. Warst du, g?nstiger Leser! jemals gen?tigt, in einer kleinen Stadt, wo du niemanden - niemanden kanntest, wo du jedem fremd bliebst, drei Tage zu verweilen, und hat nicht irgend ein tiefer Schmerz den Drang nach gem?tlicher Mitteilung in dir weggezehrt, so wirst du mein Unbehagen mit mir f?hlen. In dem Wort geht ja erst der Geist des Lebens auf in allem um uns her; aber die Kleinst?dter sind wie ein in sich selbst ver?btes, abgeschlossenes Orchester eingespielt und eingesungen, nur ihre eignen St?cke gehen rein und richtig, jeder Ton des Fremden dissoniert ihren Ohren und bringt sie augenblicklich zum Schweigen. - Recht misslaunig schritt ich in meinem Zimmer auf und ab; da fiel mir pl?tzlich ein, dass ein Freund in der Heimat, der ehemals ein paar Jahre hindurch in G. gewesen, oft von einem gelehrten geistreichen Manne sprach, mit dem er damals viel umgegangen. Auch des Namens erinnerte ich mich: es war der Professor im Jesuiter-Kollegio Aloysius Walther. Ich beschloss hinzugehen und meines Freundes Bekanntschaft f?r mich selbst zu nutzen. Man sagte mir im Kollegio, dass Professor Walther zwar eben lese, aber in kurzer Zeit endigen werde, und stellte mir frei, ob ich wiederkommen, oder in den ?usseren S?len verweilen wolle. Ich w?hlte das letzte. ?berall sind die Kl?ster, die Kollegien, die Kirchen der Jesuiten in jenem italienischen Stil gebaut, der auf antike Form und Manier gest?tzt, die Anmut und Pracht dem heiligen Ernst, der religi?sen W?rde vorzieht. So waren auch hier die hohen, luftigen, hellen S?le mit reicher Architektur geschm?ckt, und sonderbar genug stachen gegen Heiligenbilder, die hie und da an den W?nden zwischen ionischen S?ulen hingen, die Superporten ab, welche durchgehends Genient?nze, oder gar Fr?chte und Leckerbissen der K?che darstellten. - Der Professor trat ein, ich erinnerte ihn an meinen Freund, und nahm auf die Zeit meines gezwungenen Aufenthalts seine Gastlichkeit in Anspruch. Ganz, wie ihn mein Freund beschrieben, fand ich den Professor; hellgespr?chig - weltgewandt - kurz, ganz in der Manier des h?heren Geistlichen, der wissenschaftlich ausgebildet, oft genug ?ber das Brevier hinweg in das Leben geschaut hat, um genau zu wissen, wie es darin hergeht. Als ich sein Zimmer auch mit moderner Eleganz eingerichtet fand, kam ich auf meine vorigen Bemerkungen in den S?len zur?ck, die ich gegen den Professor laut werden liess. >>Es ist wahr<<, erwiderte er, >>wir haben jenen d?stern Ernst, jene sonderbare Majest?t des niederschmetternden Tyrannen, die im gotischen Bau unsere Brust beklemmt, ja wohl ein unheimliches Grauen erregt, aus unseren Geb?uden verbannt, und es ist wohl verdienstlich, unsern Werken die regsame Heiterkeit der Alten anzueignen.<< - >>Sollte aber<<, erwiderte ich, >>nicht eben jene heilige W?rde, jene hohe zum Himmel strebende Majest?t des gotischen Baues recht von dem wahren Geist des Christentums erzeugt sein, der, ?bersinnlich, dem sinnlichen, nur in dem Kreis des Irdischen bleibenden Geiste der antiken Welt geradezu widerstrebt?<< - Der Professor l?chelte. >>Ei<<, sprach er, >>das h?here Reich soll man erkennen in dieser Welt und diese Erkenntnis darf geweckt werden durch heitere Symbole, wie sie das Leben, ja der aus jenem Reich ins irdische Leben herabgekommene Geist, darbietet. Unsere Heimat ist wohl dort droben; aber solange wir hier hausen, ist unser Reich auch von dieser Welt.<< Jawohl, dachte ich: in allem was ihr tatet, bewieset ihr, dass euer Reich von dieser Welt, ja nur allein von dieser Welt ist. Ich sagte aber das, was ich dachte, keinesweges dem Professor Aloysius Walther, welcher also fortfuhr: >>Was Sie von der Pracht unserer Geb?ude hier am Orte sagen, m?chte sich wohl nur auf die Annehmlichkeit der Form beziehen. Hier, wo der Marmor unerschwinglich ist, wo grosse Meister der Malerkunst nicht arbeiten m?gen, hat man sich, der neuern Tendenz gem?ss, mit Surrogaten behelfen m?ssen. Wir tun viel, wenn wir uns zum polierten Gips versteigen, mehrenteils schafft nur der Maler die verschiedenen Marmorarten, wie es eben jetzt in unserer Kirche geschieht, die, Dank sei es der Freigebigkeit unserer Patronen, neu dekoriert wird.<< Ich ?usserte den Wunsch, die Kirche zu sehen; der Professor f?hrte mich hinab, und als ich in den korinthischen S?ulengang, der das Schiff der Kirche formte, eintrat, f?hlte ich wohl den nur zu freundlichen Eindruck der zierlichen Verh?ltnisse. Dem Hochaltare links war ein hohes Ger?ste errichtet, auf dem ein Mann stand, der die W?nde in Giallo antik ?bermalte. >>Nun wie geht es, Berthold?<< rief der Professor hinauf Der Maler wandte sich nach uns um, aber gleich fuhr er wieder fort zu arbeiten, indem er mit dumpfer beinahe unvernehmbarer Stimme sprach: >>Viel Plage - krummes verworrenes Zeug - kein Lineal zu brauchen - Tiere - Affen - Menschengesichter - Menschengesichter - o ich elender Tor!<< Das letzte rief er laut mit einer Stimme, die nur der tiefste im Innersten w?hlende Schmerz erzeugt; ich f?hlte mich auf die seltsamste Weise angeregt, jene Worte und der Ausdruck des Gesichts, der Blick, womit er zuvor den Professor anschaute, brachten mir das ganze zerrissene Leben eines ungl?cklichen K?nstlers vor Augen. Der Mann mochte kaum ?ber vierzig Jahre alt sein; seine Gestalt, war sie auch durch den unf?rmlichen schmutzigen Maleranzug entstellt, hatte was unbeschreiblich Edles, und der tiefe Gram konnte nur das Gesicht entf?rben, das Feuer, was in den schwarzen Augen strahlte, aber nicht ausl?schen. Ich frug den Professor, was es mit dem Maler wohl f?r eine Bewandtnis h?tte. >>Es ist ein fremder K?nstler<<, erwiderte er, >>der sich gerade zu der Zeit hier einfand, als die Reparatur der Kirche beschlossen worden. Er unternahm die Arbeit, die wir ihm antrugen, mit Freuden, und in der Tat war seine Ankunft ein Gl?cksfall f?r uns; denn weder hier, noch in der Gegend weit umher h?tten wir einen Maler auftreiben k?nnen, der f?r alles, dessen es hier zu malen bedarf, so t?chtig gewesen w?re. ?brigens ist es der gutm?tigste Mensch von der Welt, den wir alle recht lieben, und so kommt es denn, dass er in unserm Kollegio gut aufgenommen wurde. Ausser dem ansehnlichen Honorar, das er f?r seine Arbeit erh?lt, verk?stigen wir ihn; dies ist aber f?r uns ein sehr geringer Aufwand, denn er ist beinahe zu m?ssig, welches freilich seinem kr?nklichen K?rper zusagen mag.<<
>>Aber<<, fiel ich ein, >>er schien heute so m?rrisch - so aufgeregt.<< - >>Das hat seine besondere Ursache<<, erwiderte der Professor, >>doch lassen Sie uns einige sch?ne Gem?lde der Seiten-Alt?re anschauen, die vor einiger Zeit ein gl?cklicher Zufall uns verschaffte. Nur ein einziges Original, ein Dominichino, ist dabei, die anderen sind von unbekannten Meistern der italienischen Schule, aber, sind Sie vorurteilsfrei, so werden Sie gestehen m?ssen, dass jedes den ber?hmtesten Namen tragen d?rfte.<< Ich fand es ganz so, wie der Professor gesagt hatte. Es war seltsam, dass das einzige Original gerade zu den schw?chern St?cken geh?rte, war es nicht wirklich das schw?chste, und dass dagegen die Sch?nheit mancher Gem?lde ohne Namen mich unwiderstehlich hinriss. ?ber das Gem?lde eines Altars war eine Decke herabgelassen; ich frug nach der Ursache. >>Dies Bild<<, sprach der Professor, >>ist das sch?nste was wir besitzen, es ist das Werk eines jungen K?nstlers der neueren Zeit - gewiss sein letztes, denn sein Flug ist gehemmt. - Wir mussten in diesen Tagen das Gem?lde aus gewissen Gr?nden verh?ngen lassen, doch bin ich vielleicht morgen, oder ?bermorgen imstande, es Ihnen zu zeigen.<< - Ich wollte weiter fragen, indessen schritt der Professor rasch durch den Gang fort, und das war genug, um seine Unlust zu zeigen, mir weiter zu antworten. Wir gingen in das Kollegium zur?ck, und gern nahm ich des Professors Einladung an, der mit mir nachmittags einen nahgelegenen Lustort besuchen wollte. Sp?t kehrten wir heim, ein Gewitter war aufgestiegen, und kaum langte ich in meiner Wohnung an, als der Regen herabstr?mte. Es mochte wohl schon Mitternacht sein, da kl?rte sich der Himmel auf, und nur noch entfernt murmelte der Donner. Durch die ge?ffneten Fenster wehte die laue, mit Wohlger?chen geschw?ngerte, Luft in das dumpfe Zimmer, ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, unerachtet ich m?de genug war, noch einen Gang zu machen; es gl?ckte mir, den m?rrischen Hausknecht, der schon seit zwei Stunden schnarchen mochte, zu erwecken, und ihn zu bedeuten, dass es kein Wahnsinn sei, noch um Mitternacht spazieren zu gehen, bald befand ich mich auf der Strasse. Als ich bei der Jesuiterkirche vor?berging, fiel mir das blendende Licht auf, das durch ein Fenster strahlte. Die kleine Seitenpforte war nur angelehnt, ich trat hinein und wurde gewahr, dass vor einer hohen Blende eine Wachsfackel brannte. N?her gekommen bemerkte ich, dass vor der Blende ein Netz von Bindfaden ausgespannt war, hinter dem eine dunkle Gestalt eine Leiter hinauf und hinunter sprang, und in die Blende etwas hineinzuzeichnen schien. Es war Berthold, der den Schatten des Netzes mit schwarzer Farbe genau ?berzog. Neben der Leiter auf einer hohen Staffelei stand die Zeichnung eines Altars. Ich erstaunte ?ber den sinnreichen Einfall. Bist du, g?nstiger Leser, mit der edlen Malerkunst was weniges vertraut, so wirst du ohne weitere Erkl?rung sogleich wissen, was es mit dem Netz, dessen Schattenstriche Berthold in die Blende hineinzeichnete, f?r eine Bewandtnis hat. Berthold sollte in die Blende einen hervorspringenden Altar malen. Um die kleine Zeichnung richtig in das Grosse zu ?bertragen, musste er beides, den Entwurf und die Fl?che, worauf der Entwurf ausgef?hrt werden sollte, dem gew?hnlichen Verfahren gem?ss mit einem Netz ?berziehn. Nun war es aber keine Fl?che, sondern eine halbrunde Blende, worauf gemalt werden sollte; die Gleichung der Quadrate, die die krummen Linien des Netzes auf der H?hlung bildeten, mit den geraden des Entwurfs und die Berichtigung der architektonischen Verh?ltnisse, die sich herausspringend darstellen sollten, war daher nicht anders zu finden, als auf jene einfache geniale Weise. Wohl h?tete ich mich vor die Fackel zu treten und mich so durch meinen Schlagschatten zu verraten, aber nahe genug zur Seite stand ich, um den Maler genau zu beobachten. Er schien mir ganz ein anderer, vielleicht war es nur Wirkung des Fackelscheins, aber sein Gesicht war ger?tet, seine Augen blitzten wie vor innerm Wohlbehagen, und als er seine Linien fertig gezeichnet, stellte er sich mit in die Seite gestemmten H?nden vor die Blende hin, und pfiff, die Arbeit beschauend, ein muntres Liedchen. Nun wandte er sich um und riss das ausgespannte Netz herunter. Da fiel ihm meine Gestalt ins Auge, >>he da! he da!<< rief er laut: >>seid Ihr es Christian?<< - Ich trat auf ihn zu, erkl?rte ihm was mich in die Kirche gelockt, und, den sinnreichen Einfall mit dem Schattennetz hochpreisend, gab ich mich als Kenner und Aus?ber der edlen Malerkunst zu erkennen. Ohne mir darauf weiter zu antworten, sprach Berthold: >>Christian ist auch weiter nichts, als ein Faulenzer; treu wollte er aushalten bei mir die ganze Nacht hindurch, und nun liegt er gewiss irgendwo auf dem Ohr! - Mein Werk muss vorr?cken, denn morgen malt sich's vielleicht hier in der Blende teufelm?ssig schlecht - und allein kann ich doch jetzt nichts machen.<< Ich erbot mich ihm behilflich zu sein. Er lachte laut auf, fasste mich bei beiden Schultern und rief.- >>Das ist ein exzellenter Spass; was wird Christian sagen, wenn er morgen merkt, dass er ein Esel ist, und ich seiner gar nicht bedurft habe? Nun so kommt, fremder Geselle und Bruder, helft mir erst fein bauen.<< Er z?ndete einige Kerzen an, wir liefen durch die Kirche, schleppten B?cke und Bretter herbei und bald stand ein hohes Ger?st in der Blende.
Der Professor Aloysius Walther wusste nicht, dass er wirklich den reisenden Enthusiasten vor sich hatte, wiewohl er es h?tte merken k?nnen, und so gebe ich dir, mein g?nstiger Leser! des Jesuiten-Studenten kurze Erz?hlung von dem Maler Berthold. Die Weise, wie er sich mir zeigte, wird dadurch ganz erkl?rt, und du, o mein Leser! wirst dann auch gewahren, wie des Schicksals wunderliches Spiel uns oft zu verderblichem Irrtum treibt.
>>Als mir Birkner den Entschluss meiner Eltern verk?ndete, sprang ich hoch auf vor Freude und Entz?cken. - Wie im Traum ging ich umher die Tage hindurch, bis zu meiner Abreise. Es war mir nicht m?glich, auf der Galerie einen Pinsel anzusetzen. Der Inspektor, alle K?nstler, die in Italien gewesen, mussten mir erz?hlen von dem Lande, wo die Kunst gedeiht. Endlich war Tag und Stunde gekommen. Schmerzlich war der Abschied von den Eltern, die von d?strer Ahnung gequ?lt, dass sie mich nicht wiedersehen w?rden, mich nicht lassen wollten. Selbst der Vater, sonst ein entschlossener fester Mann, hatte M?he, Fassung zu erringen. >Italien - Italien wirst du sehen<, riefen die Kunstbr?der, da loderte von tiefer Wehmut nur st?rker entz?ndet das Verlangen auf und rasch schritt ich fort - vor der Eltern Hause schien mir die Bahn des K?nstlers zu beginnen.<<
Es begab sich, dass gerade zu der Zeit, als Berthold diesen tr?stenden Brief von seinem alten Lehrer und Freunde erhielt, sich Philipp Hackerts Ruhm in Rom verbreitet hatte. Einige von ihm dort aufgestellte St?cke von wunderbarer Anmut und Klarheit bew?hrten des K?nstlers Ruf und selbst die Historienmaler gestanden, es l?ge auch in dieser reinen Nachahmung der Natur viel Grosses und Vortreffliches. Berthold sch?pfte Atem - er h?rte nicht mehr seine Lieblingskunst verh?hnen, er sah einen Mann, der sie trieb, hochgestellt und verehrt; wie ein Funke fiel es in seine Seele, dass er nach Neapel wandern und unter Hackert studieren m?sse. Ganz jubilierend schrieb er an Birkner und an seine Eltern, dass er nun nach hartem Kampf den rechten Weg gefunden habe, und bald in seinem Fach ein t?chtiger K?nstler zu werden hoffe. Freundlich nahm der ehrliche deutsche Hackert den deutschen Sch?ler auf, und bald strebte dieser dem Lehrer in regem Schwunge nach. Berthold erlangte grosse Fertigkeit, die verschiedenen Baum- und Gestr?ucharten der Natur getreu darzustellen; auch leistete er nicht Geringes in dem Dunstigen und Duftigen, wie es auf Hackertschen Gem?lden zu finden. Das erwarb ihm vieles Lob, aber auf ganz eigene Weise schien es ihm bisweilen, als wenn seinen, ja selbst den Landschaften des Lehrers etwas fehle, das er nicht zu nennen wusste, und das ihm doch in Gem?lden Claude Lorrains, ja selbst in Salvator Rosas rauhen W?steneien entgegentrat. Es erhoben sich allerlei Zweifel gegen den Lehrer in ihm, und er wurde vorz?glich ganz unmutig, wenn Hackert mit angestrengter M?he totes Wild malte, das ihm der K?nig zugeschickt. Doch ?berwand er bald dergleichen, wie er glaubte, freveliche Gedanken und fuhrt fort, mit frommer Hingebung und deutschem Fleiss nach seines Lehrers Muster zu arbeiten, so dass er in kurzer Zeit es ihm beinahe gleichtat. So kam es denn, dass er auf Hackerts ausdr?cklichen Anlass eine grosse Landschaft, die er treu nach der Natur gemalt hatte, zu einer Ausstellung, die mehrenteils aus Hackertschen Landschaften und Stilleben bestand, hergeben musste. Alle K?nstler und Kenner bewunderten des J?nglings treue saubre Arbeit und priesen ihn laut. Nur ein ?ltlicher, sonderbar gekleideter Mann sagte selbst zu Hackerts Gem?lden kein Wort, sondern l?chelte nur bedeutsam, wenn die Lobeserhebungen der Menge recht ausgelassen und toll daherbrausten. Berthold bemerkte deutlich, wie der Fremde, als er vor seiner Landschaft stand, mit einer Miene des tiefsten Bedauerns den Kopf sch?ttelte und dann sich entfernen wollte. Berthold etwas aufgebl?ht durch das allgemeine Lob, das ihm zuteil geworden, konnte sich des innern ?rgers ?ber den Fremden nicht erwehren. Er trat auf ihn zu und frug, indem er die Worte sch?rfer betonte, als gerade n?tig. >>Ihr scheint mit dem Bilde nicht zufrieden, mein Herr, unerachtet es doch wackre K?nstler und Kenner nicht ganz ?bel finden wollen? Sagt mir gef?lligst, woran es liegt, damit ich die Fehler nach Euerm g?tigen Rat ab?ndere und bessere.<< Mit scharfem Blicke schaute der Fremde Berthold an, und sprach sehr ernst: >>J?ngling, aus dir h?tte viel werden k?nnen.<< Berthold erschrak bis ins Innerste vor des Mannes Blick und seinen Worten; er hatte nicht den Mut, etwas weiter zu sagen, oder ihm zu folgen, als er langsam zum Saale hinausschritt. Hackert trat bald darauf selbst hinein, und Berthold eilte, ihm den Vorfall mit dem wunderlichen Mann zu erz?hlen. >>Ach!<< rief Hackert lachend: >>Lass dir das ja nicht zu Herzen gehen! Das war ja unser brummige Alte, dem nichts recht ist, der alles tadelt; ich begegnete ihm auf dem Vorsaal. Er ist auf Malta von griechischen Eltern geboren, ein reicher wunderlicher Kauz, gar kein ?bler Maler; aber alles was er macht, hat ein fantastisches Ansehen, welches wohl daher r?hrt, weil er ?ber jede Darstellung durch die Kunst ganz tolle absurde Meinungen und sich ein k?nstlerisches System gebaut hat, das den Teufel nichts taugt. Ich weiss recht gut, dass er gar nichts auf mich h?lt, welches ich ihm gern verzeihe, da er mir wohlerworbnen Ruhm nicht streitig machen wird.<< Dem Berthold war es zwar, als habe der Malteser irgend einen wunden Fleck seines Innersten schmerzhaft ber?hrt, aber so wie der wohlt?tige Wundarzt, um zu forschen und zu heilen; indessen schlug er sich das bald aus dem Sinn und arbeitete fr?hlich fort, wie zuvor.
Das grosse, wohlgelungene, allgemein bewunderte Bild hatte ihm Mut gemacht, das Gegenst?ck zu beginnen. Einen der sch?nsten Punkte in Neapels reicher Umgebung w?hlte Hackert selbst aus, und so wie jenes Bild den Sonnenuntergang darstellte, sollte diese Landschaft im Sonnenaufgang gehalten werden. Berthold bekam viel fremde B?ume, viele Weinberge, vorz?glich aber viel Nebel und Duft zu malen.
Auf der Platte eines grossen Steins, eben in jenem von Hackert gew?hlten Punkte, sass Berthold eines Tages, den Entwurf des grossen Bildes nach der Natur vollendend. >>Wohl getroffen in der Tat!<< sprach es neben ihm. Berthold blickte auf, der Malteser sah in sein Blatt hinein, und f?gte mit sarkastischem L?cheln hinzu: >>Nur eins habt Ihr vergessen, lieber junger Freund! Schaut doch dort her?ber nach der gr?n berankten Mauer des fernen Weinbergs! Die T?re steht halb offen; das m?sst Ihr ja anbringen mit geh?rigem Schlagschatten - die halbge?ffnete T?re macht erstaunliche Wirkung!<< - >>Ihr spottet<<, erwiderte Berthold, >>ohne Ursache, mein Herr! Solche Zuf?lligkeiten sind keinesweges so ver?chtlich wie Ihr glaubt und deshalb mag sie mein Meister wohl anbringen. Erinnert Euch doch nur des aufgeh?ngten weissen Tuchs in der Landschaft eines alten niederl?ndischen Malers, das nicht fehlen darf, ohne die Wirkung zu verderben. Aber Ihr scheint ?berhaupt kein Freund der Landschaftsmalerei, der ich mich nun einmal ganz ergeben habe mit Leib und Seele, und darum bitt ich Euch, lasst mich ruhig fortarbeiten.<< - >>Du bist in grossem Irrtum befangen, J?ngling<<, sprach der Malteser. >>Noch einmal sage ich, aus dir h?tte viel werden k?nnen; denn sichtlich zeugen deine Werke das rastlose Bestreben nach dem H?heren, aber nimmer wirst du dein Ziel erreichen, denn der Weg, den du eingeschlagen, f?hrt nicht dahin. Merk wohl auf, was ich dir sagen werde! Vielleicht gl?ckt es mir, die Flamme in deinem Innern, die du, Unverst?ndiger! zu ?berbauen trachtest, anzumachen, dass sie hell auflodert und dich erleuchtet; dann wirst du den wahren Geist, der in dir lebt, zu erschauen verm?gen. H?ltst du mich denn f?r so t?richt, dass ich die Landschaft dem historischen Gem?lde unterordne, dass ich nicht das gleiche Ziel, nach dem beide, Landschafter und Historienmaler, streben sollen, erkenne? - Auffassung der Natur in der tiefsten Bedeutung des h?hern Sinns, der alle Wesen zum h?heren Leben entz?ndet, das ist der heilige Zweck aller Kunst. Kann denn das blosse genaue Abschreiben der Natur jemals dahin f?hren? - Wie ?rmlich, wie steif und gezwungen sieht die nachgemalte Handschrift in einer fremden Sprache aus, die der Abschreiber nicht verstand und daher den Sinn der Z?ge, die er m?hsam abschn?rkelte, nicht zu deuten wusste. So sind die Landschaften deines Meisters korrekte Abschriften eines in ihm fremder Sprache geschriebenen Originals. - Der Geweihte vernimmt die Stimme der Natur, die in wunderbaren Lauten aus Baum, Geb?sch, Blume, Berg und Gew?sser von unerforschlichem Geheimnis spricht, die in seiner Brust sich zu frommer Ahnung gestalten; dann kommt, wie der Geist Gottes selbst, die Gabe ?ber ihn, diese Ahnung sichtlich in seine Werke zu ?bertragen. Ist dir, J?ngling! denn bei dem Beschauen der Landschaften alter Meister nicht ganz wunderbarlich zumute geworden? Gewiss hast du nicht daran gedacht, dass die Bl?tter des Lindenbaums, dass die Pinien, die Platanen der Natur getreuer, dass der Hintergrund duftiger, das Wasser klarer sein k?nnte; aber der Geist, der aus dem Ganzen wehte, hob dich empor in ein h?heres Reich, dessen Abglanz du zu schauen w?hntest. - Daher studiere die Natur zwar auch im Mechanischen fleissig und sorgf?ltig, damit du die Praktik des Darstellens erlangen m?gest, aber halte die Praktik nicht f?r die Kunst selbst. Bist du eingedrungen in den tiefern Sinn der Natur, so werden selbst in deinem Innern ihre Bilder in hoher gl?nzender Pracht aufgehen.<< - Der Malteser schwieg; als aber Berthold tief ergriffen, geb?ckten Hauptes, keines Wortes m?chtig dastand, verliess ihn der Malteser mit den Worten: >>Ich habe dich durchaus nicht verwirren wollen in deinem Beruf; aber ich weiss, dass ein hoher Geist in dir schlummert: ich rief ihn an mit starken Worten, damit er erwache und frisch und frei seine Fittige rege. Lebe wohl!<<
Dem Berthold war es so, als habe der Malteser nur dem, was in seiner Seele g?rte und brauste, Worte gegeben; die innere Stimme brach hervor. - >>Nein! Alles dieses Streben - dieses M?hen ist das ungewisse, tr?gerische Umhertappen des Blinden, weg - weg mit allem, was mich geblendet bis jetzt!<< - Er war nicht imstande auch nur einen Strich weiter an dem Bilde zu zeichnen. Er verliess seinen Meister, und streifte voll wilder Unruhe umher und flehte laut, dass die h?here Erkenntnis, von der der Malteser gesprochen, ihm aufgehen m?ge.
>>Nur in s?ssen Tr?umen war ich gl?cklich - selig. Da wurde alles wahr, was der Malteser gesprochen. Ich lag von zauberischen D?ften umspielt im gr?nen Geb?sch, und die Stimme der Natur ging vernehmbar im melodisch klingenden Wehen durch den dunklen Wald. - >Horch - horch auf - Geweihter! Vernimm die Urt?ne der Sch?pfung, die sich gestalten zu Wesen deinem Sinn empf?nglich.< - Und indem ich die Akkorde deutlicher und deutlicher erklingen h?rte, war es, als sei ein neuer Sinn in mir erwacht, der mit wunderbarer Klarheit das erfasste, was mir unerforschlich geschienen. - Wie in seltsamen Hieroglyphen zeichnete ich das mir aufgeschlossene Geheimnis mit Flammenz?gen in die L?fte; aber die Hieroglyphen-Schrift war eine wunderherrliche Landschaft, auf der Baum, Geb?sch, Blume, Berg und Gew?sser, wie in lautem wonnigem Klingen sich regten und bewegten.<<
Doch eben nur im Traume kam solche Seligkeit ?ber den armen Berthold, dessen Kraft gebrochen, und der im Innersten verwirrter war, als in Rom, da er Historienmaler werden wollte. Schritt er durch den dunklen Wald, so ?berfiel ihn ein unheimliches Grauen; trat er heraus, und schaute in die fernen Berge, so griff es wie mit eiskalten Krallen in seine Brust - sein Atem stockte - er wollte vergehen vor innerer Angst. Die ganze Natur, ihm sonst freundlich l?chelnd, ward ihm zum bedrohlichen Ungeheuer, und ihre Stimme, die sonst in des Abendwindes S?useln, in dem Pl?tschern des Baches, in dem Rauschen des Geb?sches mit s?ssem Wort ihn begr?sst, verk?ndete ihm nun Untergang und Verderben. Endlich wurde er, je mehr ihn jene holden Tr?ume tr?steten, desto ruhiger, doch mied er es im Freien allein zu sein, und so kam es, dass er sich zu ein paar muntern deutschen Malern gesellte, und mit ihnen h?ufig Ausfl?ge nach den sch?nsten Gegenden Neapels machte.
Einer von ihnen, wir wollen ihn Florentin nennen, hatte es in dem Augenblick nicht sowohl auf tiefes Studium seiner Kunst, als auf heitern Lebensgenuss abgesehen, seine Mappe zeugte davon. - Gruppen tanzender Bauernm?dchen - Prozessionen l?ndliche Feste - alles das wusste Florentin, so wie es ihm aufstiess, mit sichrer leichter Hand schnell aufs Blatt zu werfen. Jede Zeichnung, war sie auch kaum mehr als Skizze, hatte Leben und Bewegung. Dabei war Florentins Sinn keinesweges f?r das H?here verschlossen; im Gegenteil drang er mehr, als je ein moderner Maler, tief ein in den frommen Sinn der Gem?lde alter Meister. In sein Malerbuch hatte er die Fresko-Gem?lde einer alten Klosterkirche in Rom, ehe die Mauern eingerissen wurden, in blossen Umrissen hineingezeichnet. Sie stellten das Martyrium der heiligen Katharina dar. Man konnte nichts Herrlicheres, reiner Aufgefasstes sehen, als jene Umrisse, die auf Berthold einen ganz eignen Eindruck machten. Er sah Blitze leuchten durch die finstre ?de, die ihn umfangene und es kam dahin, dass er f?r Florentins heiteren Sinn empf?nglich wurde, und da dieser zwar den Reiz der Natur, in ihr aber best?ndig mehr das menschliche Prinzip mit reger Lebendigkeit auffasste, eben dieses Prinzip f?r den St?tzpunkt erkannte, an den er sich halten m?sse, um nicht gestaltlos im leeren Raum zu verschwimmen. W?hrend Florentin irgend eine Gruppe, der er begegnete, schnell zeichnete, hatte Berthold des Freundes Malerbuch aufgeschlagen, und versuchte Katharinas wunderholde Gestalt nachzubilden, welches ihm endlich so ziemlich gl?ckte, wiewohl er, so wie in Rom vergebens darnach strebte, seine Figuren dem Original gleich zu beleben. Er klagte dies dem, wie er glaubte, an wahrer K?nstlergenialit?t ihm weit ?berlegenen Florentin, und erz?hlte zugleich, wie der Malteser zu ihm ?ber die Kunst gesprochen. >>Ei, lieber Bruder Berthold!<< sprach Florentin: >>der Malteser hat in der Tat recht, und ich stelle die wahre Landschaft den tief bedeutsamen heiligen Historien, wie sie die alten Maler darstellen, v?llig gleich. Ja, ich halte sogar daf?r, dass man erst durch das Darstellen der uns n?her liegenden organischen Natur sich st?rken m?sse, um Licht zu finden in ihrem n?chtlichen Reich. Ich rate dir Berthold, dass du dich gew?hnst Figuren zu zeichnen, und in ihnen deine Gedanken zu ordnen; vielleicht wird es dann heller um dich werden.<< Berthold tat so wie ihm der Freund geboten, und es war ihm, als z?gen die finstern Wolkenschatten, die sich ?ber sein Leben gelegt, vor?ber.
>>Ich m?hte mich, das, was nur wie dunkle Ahnung tief in meinem Innern lag, wie in jenem Traum hieroglyphisch darzustellen, aber die Z?ge dieser Hieroglyphenschrift waren menschliche Figuren, die sich in wunderlicher Verschlingung um einen Lichtpunkt bewegten. - Dieser Lichtpunkt sollte die herrlichste Gestalt sein, die je eines Bildners Fantasie aufgegangen; aber vergebens strebte ich, wenn sie im Traume von Himmelsstrahlen umflossen mir erschien, ihre Z?ge zu erfassen. Jeder Versuch, sie darzustellen, misslang auf schm?hliche Weise, und ich verging in heisser Sehnsucht.<< - Florentin bemerkte den bis zur Krankheit aufgeregten Zustand des Freundes, er tr?stete ihn, so gut er es vermochte. Oft sagte er ihm, dass dies eben die Zeit des Durchbruchs zur Erleuchtung sei; aber wie ein Tr?umer schlich Berthold einher, und alle seine Versuche blieben nur ohnm?chtige Anstrengungen des kraftlosen Kindes.
Unfern Neapel lag die Villa eines Herzogs, die, weil sie die sch?nste Aussicht nach dem Vesuv und ins Meer hinein gew?hrte, den fremden K?nstlern, vorz?glich den Landschaftern gastlich ge?ffnet war. Berthold hatte hier ?fters gearbeitet, ?fter noch in einer Grotte des Parks zur guten Zeit sich dem Spiel seiner fantastischen Tr?ume hingegeben. Hier in dieser Grotte sass er eines Tages, von gl?hender Sehnsucht, die seine Brust zerriss, gemartert, und weinte heisse Tr?nen, dass der Stern des Himmels seine dunkle Bahn erleuchten m?ge; da rauschte es im Geb?sch, und die Gestalt eines hochherrlichen Weibes stand vor der Grotte.
>>Die vollen Sonnenstrahlen fielen in das Engelsgesicht. - Sie schaute mich an mit unbeschreiblichen Blick. - Die heilige Katharina - nein, mehr als sie - mein Ideal, mein Ideal war es! Wahnsinnig vor Entz?cken st?rzte ich nieder, da verschwebte die Gestalt freundlich l?chelnd! - Erh?rt war mein heissestes Gebet!<<
Florentin trat in die Grotte, er erstaunte ?ber Berthold, der mit verkl?rtem Blick ihn an sein Herz dr?ckte. - Tr?nen st?rzten ihm aus den Augen - >>Freund - Freund!<< stammelte er: >>ich bin gl?cklich - selig - sie ist gefunden - gefunden!<< Rasch schritt er fort, in seine Werkstatt - er spannte die Leinwand auf, er fing an zu malen. Wie von g?ttlicher Kraft beseelt, zauberte er mit der vollen Glut des Lebens das ?berirdische Weib, wie es ihm erschienen, hervor. - Sein Innerstes war von diesem Augenblicke ganz umgewendet. Statt des Tr?bsinns, der an seinem Herzmark gezehrt hatte, erhob ihn Frohsinn und Heiterkeit. Er studierte mit Fleiss und Anstrengung die Meisterwerke der alten Maler. Mehrere Kopien gelangen ihm vortrefflich, und nun fing er an selbst Gem?lde zu schaffen, die alle Kenner in Erstaunen setzten. An Landschaften war nicht mehr zu denken, und Hackert bekannte selbst, dass der J?ngling nun erst seinen eigentlichen Beruf gefunden habe. So kam es, dass er mehrere grosse Werke, Altarbl?tter f?r Kirchen, zu malen bekam. Er w?hlte mehrenteils heitere Gegenst?nde christlicher Legenden, aber ?berall strahlte die wunderherrliche Gestalt seines Ideals hervor. Man fand, dass Gesicht und Gestalt der Prinzessin Angiola T... zum Sprechen ?hnlich sei, man ?usserte dies dem jungen Maler selbst, und Schlauk?pfe gaben sp?ttisch zu verstehen, der deutsche Maler sei von dem Feuerblick der wundersch?nen Donna tief ins Herz getroffen. Berthold war hoch erz?rnt ?ber das alberne Gew?sch der Leute, die das Himmlische in das Gemeinirdische herabziehen wollten. >>Glaubt ihr denn<<, sprach er, >>dass solch ein Wesen wandeln k?nne hier auf Erden? In einer wunderbaren Vision wurde mir das H?chste erschlossen; es war der Moment der K?nstlerweihe.<< - Berthold lebte nun froh und gl?cklich, bis nach Bonapartes Siegen in Italien sich die franz?sische Armee dem K?nigreich Neapel nahte, und die alle ruhigen gl?cklichen Verh?ltnisse furchtbar zerst?rende Revolution ausbrach. Der K?nig hatte mit der K?nigin Neapel verlassen, die Citta war angeordnet. Der General-Vikar schloss mit dem franz?sischen General einen schmachvollen Waffenstillstand, und bald kamen die franz?sischen Kommissarien, um die Summe, die gezahlt werden sollte, in Empfang zu nehmen. Der General-Vikar entfloh, um der Wut des Volks, das sich von ihm, von der Citta, von allen, die ihm Schutz gew?hren konnten gegen den andringenden Feind, verlassen glaubte, zu entgehen. Da waren alle Bande der Gesellschaft gel?st; in wilder Anarchie verh?hnte der P?bel Ordnung und Gesetz, und unter dem Geschrei: >>Viva la santa fede<< rannten seine wahnsinnigen Horden durch die Strassen, die H?user der Grossen, von welchen sie sich an den Feind verkauft w?hnten, pl?ndernd und in Brand steckend. Vergebens waren die Bem?hungen Moliternos und Rocca Romanas, G?nstlinge des Volks und zu Anf?hrern gew?hlt, die Rasenden zu b?ndigen. Die Herzoge della Torre und Clemens Filomarino waren ermordet, aber noch war des w?tenden P?bels Blutdurst nicht gestillt. - Berthold hatte sich aus einem brennenden Hause nur halb angekleidet gerettet, er stiess auf einen Haufen des Volks, der mit angez?ndeten Fackeln und blinkenden Messern nach dem Palast des Herzogs von T. eilte. Ihn f?r ihresgleichen haltend, dr?ngten sie ihn mit sich fort - >>viva la santa fede<< br?llten die Wahnsinnigen, und in wenigen Minuten waren der Herzog - die Bediensteten, alles was sich widersetzte, ermordet, und der Palast loderte hoch in Flammen auf. - Berthold war immer fort und fort in den Palast hineingedr?ngt. - Dicker Rauch wallte durch die langen G?nge. - Er lief schnell durch die aufgesprengten Zimmer, aufs neue in Gefahr, in den Flammen umzukommen - vergebens den Ausgang suchend. - Ein schneidendes Angstgeschrei schallt ihm entgegen - er st?rzt durch den Saal. - Ein Weib ringt mit einem Lazzarone, der es mit starker Faust erfasst hat, und im Begriff ist ihm das Messer in die Brust zu stossen. - Es ist die Prinzessin - es ist Bertholds Ideal! - Bewusstlos vor Entsetzen, springt Berthold hinzu - den Lazzarone bei der Gurgel packen - ihn zu Boden werfen, ihm sein eignes Messer in die Kehle stossen - die Prinzessin in die Arme nehmen - mit ihr fliehen durch die flammenden S?le - die Treppen hinab - fort fort, durch das dickste Volksgew?hl - alles das ist die Tat eines Moments! - Keiner hielt den fliehenden Berthold auf, mit dem blutigen Messer in der Hand, vom Dampfe schwarz gef?rbt, in zerrissenen Kleidern sah das Volk in ihm den M?rder und Pl?nderer, und g?nnte ihm seine Beute. In einem ?den Winkel der Stadt unter einem alten Gem?uer, in das er, wie aus Instinkt, sich vor der Gefahr zu verbergen gelaufen, sank er ohnm?chtig nieder. Als er erwachte, kniete die Prinzessin neben ihm, und wusch seine Stirne mit kaltem Wasser. >>O Dank!<< lispelte sie mit wunderlieblicher Stimme; >>Dank den Heiligen, dass du erwacht bist, du mein Rettet, mein alles!<< - Berthold richtete sich auf, er w?hnte zu tr?umen, er blickte mit starren Augen die Prinzessin an -ja sie war es selbst - die herrliche Himmelsgestalt, die den G?tterfunken in seiner Brust entz?ndet. - >>Ist es m?glich - ist es wahr - lebe ich denn?<< rief er aus. >>Ja, du lebst<<, sprach die Prinzessin - >>du lebst f?r mich; was du nicht zu hoffen wagtest, geschah wie durch ein Wunder. Oh, ich kenne dich wohl, du bist der deutsche Maler Berthold, du liebtest mich ja, und verherrlichtest mich in deinen sch?nsten Gem?lden. - Konnte ich denn dein sein? - Aber nun bin ich es immerdar und ewig. - Lass uns fliehen, o lass uns fliehen!<< - Ein sonderbares Gef?hl, wie wenn j?hlinger Schmerz s?sse Tr?ume zerst?rt, durchzuckte Berthold bei diesen Worten der Prinzessin. Doch als das holde Weib ihn mit den vollen schneeweissen Armen umfing, als er sie ungest?m an seinen Busen dr?ckte, da durchbebten ihn s?sse nie gekannte Schauer und im Wahnsinn des Entz?ckens h?chster Erdenlust rief er aus: >>Oh, kein Trugbild des Traumes - nein! es ist mein Weib, das ich umfange, es nie zu lassen - das meine gl?hende d?rstende Sehnsucht stillt!<<
Aus der Stadt zu fliehen war unm?glich; denn vor den Toren stand das franz?sische Heer, dem das Volk, war es gleich schlecht bewaffnet und ohne alle Anf?hrung, zwei Tage hindurch den Einzug in die Stadt streitig machte. Endlich gelang es Berthold mit Angiola von Schlupfwinkel zu Schlupfwinkel, und dann aus der Stadt zu fliehen. Angiola, von heisser Liebe zu ihrem Retter entbrannt, verschm?hte es in Italien zu bleiben, die Familie sollte sie f?r tot halten, und so Bertholds Besitz ihr gesichert bleiben. Ein diamantnes Halsband und kostbare Ringe, die sie getragen, waren hinl?nglich, in Rom sich mit allen n?tigen Bed?rfnissen zu versehen, und so kamen sie gl?cklich nach M. im s?dlichen Deutschland, wo Berthold sich niederzulassen, und durch die Kunst sich zu ern?hren gedachte. - War's denn nicht ein nie getr?umtes, nie geahntes Gl?ck, dass Angiola, das himmlischsch?ne Weib, das Ideal seiner wonnigsten K?nstlertr?ume sein werden m?sste, unerachtet sich alle Verh?ltnisse des Lebens, wie eine un?bersteigbare Mauer zwischen ihm und der Geliebten auft?rmten? - Berthold konnte in der Tat dies Gl?ck kaum fassen, und schwelgte in namenlosen Wonnen, bis lauter und lauter die innere Stimme ihn mahnte, seiner Kunst zu gedenken. In M. beschloss er seinen Ruf durch ein grosses Gem?lde zu begr?nden, das er f?r die dortige Marienkirche malen wollte. Der einfache Gedanke, Maria und Elisabeth in einem sch?nen Garten auf einem Rasen sitzend, die Kinder Christus und Johannes vor ihnen im Grase spielend, sollte der ganze Vorwurf des Bildes sein, aber vergebens war alles Ringen nach einer reinen geistigen Anschauung des Gem?ldes. So wie in jener ungl?cklichen Zeit der Krisis, verschwammen ihm die Gestalten, und nicht die himmlische Maria, nein, ein irdisches Weib, ach seine Angiola selbst stand auf greuliche Weise verzerrt, vor seines Geistes Augen. - Er gedachte Trotz zu bieten der unheimlichen Gewalt, die ihn zu erfassen schien, er bereitete die Farben, er fing an zu malen; aber seine Kraft war gebrochen, all sein Bem?hen, so wie damals, nur die ohnm?chtige Anstrengung des unverst?ndigen Kindes. Starr und leblos blieb was er malte, und selbst Angiola - Angiola, sein Ideal, wurde, wenn sie ihm sass und er sie malen wollte, auf der Leinwand zum toten Wachsbilde, das ihn mit gl?sernen Augen anstierte. Da schlich sich immer mehr und mehr tr?ber Unmut in seine Seele, der alle Freude des Lebens wegzehrte. Er wollte - er konnte nicht weiter arbeiten, und so kam es, dass er in D?rftigkeit geriet, die ihn desto mehr niederbeugte, je weniger Angiola auch nur ein Wort der Klage h?ren liess.
Bertholds grausames wahnsinniges Betragen gegen Weib und Kind erregte die Aufmerksamkeit der Nachbaren, die es der Obrigkeit anzeigten. Man wollte ihn verhaften, als aber die Polizeidiener in seine Wohnung traten, war er samt Frau und Kind spurlos verschwunden. Berthold erschien bald darauf zu N. in Oberschlesien; er hatte sich seines Weibes und Kindes entledigt, und fing voll heitern Mutes an, das Bild zu malen, das er in M. vergebens begonnen hatte. Aber nur die Jungfrau Maria und die Kinder Christus und Johannes konnte er vollenden, dann fiel er in eine furchtbare Krankheit, die ihn dem Tode, den er w?nschte, nahe brachte. Um ihn zu pflegen, hatte man alle seine Ger?tschaften und auch jenes unvollendete Gem?lde verkauft, und er zog, nachdem er nur einigermassen sich wieder erkr?ftigt, als ein siecher elender Bettler von dannen. In der Folge n?hrte er sich d?rftig durch Wandmalerei, die ihm hie und da ?bertragen wurde.
>>Bertholds Geschichte hat etwas Entsetzliches und Grauenvolles<<, sprach ich zu dem Professor, >>ich halte ihn, unerachtet er es nicht geradezu ausgesprochen, f?r den ruchlosen M?rder seines unschuldigen Weibes und seines Kindes.<< - >>Es ist ein wahnsinniger Tor<<, erwiderte der Professor, >>dem ich den Mut zu solcher Tat gar nicht zutraue. ?ber diesen Punkt l?sst er sich niemals deutlich aus, und es ist die Frage, ob er sich nicht bloss einbildet, an dem Tode seiner Frau und seines Kindes schuld zu sein; er malt eben wieder Marmor, erst in k?nftiger Nacht vollendet er den Altar, dann ist er bei guter Laune, und Sie k?nnen vielleicht mehr ?ber jenen kitzlichen Punkt von ihm herausbekommen.<< - Ich muss gestehen, dass, dachte ich es mir lebhaft, um Mitternacht mit Berthold allein in der Kirche mich zu befinden, mir, nachdem ich seine Geschichte gelesen, ein leiser Schauer durch die Glieder lief. Ich meinte, er k?nnte mitunter was weniges der Teufel sein, trotz seiner Gutm?tigkeit und seines treuherzigen Wesens, und wollte mich deshalb lieber gleich mittags im lieben heitern Sonnenschein mit ihm abfinden.
Ich fand ihn auf dem Ger?ste m?rrisch und in sich gekehrt, Marmoradern sprenkelnd; zu ihm herausgestiegen, reichte ich ihm stillschweigend die T?pfe. Erstaunt sah er sich nach mir um, >>ich bin ja Ihr Handlanger<<, sprach ich leise, das zwang ihm ein L?cheln ab. Nun fing ich an von seinem Leben zu sprechen, so dass er merken musste, ich wisse alles, und er schien zu glauben, er habe mir alles selbst in jener Nacht erz?hlt. Leise - leise kam ich auf die gr?ssliche Katastrophe, dann sprach ich pl?tzlich: >>Also in heillosem Wahnsinn mordeten Sie Weib und Kind?<< - Da liess er Farbentopf und Pinsel fallen, und rief, mich mit gr?sslichem Blick anstarrend und beide H?nde hoch erhebend: >>Rein sind diese H?nde vom Blute meines Weibes, meines Sohnes! Noch ein solches Wort, und ich st?rze mich mit Euch hier vom Ger?ste herab, dass unsere Sch?del zerschellen auf dem steinernen Boden der Kirche!<< - Ich befand mich in dem Augenblick wirklich in seltsamer Lage, am besten schien es mir mit ganz Fremden hineinzufahren. >>O sehn Sie doch, lieber Berthold<<, sprach ich so ruhig und kalt, als es mir m?glich war, >>wie das h?ssliche Dunkelgelb auf der Wand dort so verfliesst.<< Er schauete hin, und indem er das Gelb mit dem Pinsel verstrich, stieg ich leise das Ger?st herab, verliess die Kirche und ging zum Professor, um mich ?ber meinen bestraften Vorwitz t?chtig auslachen zu lassen.
Mein Wagen war repariert und ich verliess G., nachdem mir der Professor Aloysius Walther feierlich versprochen, sollte sich etwas Besonderes mit Berthold ereignen, mir es gleich zu schreiben.
Ein halbes Jahr mochte vergangen sein, als ich wirklich von dem Professor einen Brief erhielt, in welchem er sehr weitschweifig unser Beisammensein in G. r?hmte. ?ber Berthold schrieb er mir folgendes: >>Bald nach Ihrer Abreise trug sich mit unserm wunderlichen Maler viel Sonderbares zu. Er wurde pl?tzlich ganz heiter, und vollendete auf die herrlichste Weise das grosse Altarblatt, welches nun vollends alle Menschen in Erstaunen setzt. Dann verschwand er, und da er nicht das mindeste mitgenommen, und man ein paar Tage darauf Hut und Stock unfern des O - Stromes fand, glauben wir alle, er habe sich freiwillig den Tod gegeben.<<
Das Sanctus
Der Doktor sch?ttelte bedenklich den Kopf. - >>Wie<<, rief der Kapellmeister heftig, indem er vom Stuhle aufsprang, >>wie! so sollte Bettinas Katarrh wirklich etwas zu bedeuten haben?<<
Unabsehbar breitete sich das Feldlager Isabellens und Ferdinands von Aragonien vor den festen Mauern von Granada aus. Vergebens auf H?lfe hoffend, immer enger und enger eingeschlossen, verzagte der feige Boabdil und im bittern Hohn vom Volk, das ihn den kleinen K?nig nannte, verspottet, fand er nur in den Opfern blutd?rstiger Grausamkeit augenblicklichen Trost. Aber eben in dem Grade, wie die Mutlosigkeit und Verzweiflung t?glich mehr Volk und Kriegsheer in Granada erfasste, wurde lebendiger Siegeshoffnung und Kampfeslust im spanischen Lager. Es bedurfte keines Sturms. Ferdinand begn?gte sich die W?lle zu beschiessen, und die Ausf?lle der Belagerten zur?ckzutreiben. Diese kleinen Gefechte glichen mehr fr?hlichen Turnieren als ernsten K?mpfen und selbst der Tod der im Kampfe Gefallnen konnte die Gem?ter nur erheben, da sie hochgefeiert im Gepr?nge des kirchlichen Kultus wie in der strahlenden Glorie des M?rtyrtums f?r den Glauben erschienen. Gleich nachdem Isabella in das Lager eingezogen, liess sie in dessen Mitte ein hohes h?lzernes Geb?ude mit T?rmen auff?hren, von deren Spitzen die Kreuzesfahne herabwehte. Das Innere wurde zum Kloster und zur Kirche eingerichtet, und Benediktiner-Nonnen zogen ein, t?glichen Gottesdienst ?bend. Die K?nigin, von ihrem Gefolge, von ihren Rittern begleitet, jeden Morgen, die Messe zu h?ren, die ihr Beichtvater las, von dem Gesange der im Chor versammelten Nonnen unterst?tzt. Da begab es sich, dass Isabella an einem Morgen eine Stimme vernahm, die mit wunderbarem Glockenklang die andern Stimmen im Chor ?bert?nte. Der Gesang war anzuh?ren wie das siegende Schmettern einer Nachtigall, die, die F?rstin des Hains, dem jauchzenden Volk gebietet. Und doch war die Aussprache der Worte so fremdartig und selbst die sonderbare ganz eigent?mliche Art des Gesanges tat kund, dass eine S?ngerin des kirchlichen Stils noch ungewohnt, vielleicht zum erstenmal das Amt singen m?sse. Verwundert schaute Isabella um sich und bemerkte, dass ihr Gefolge von demselben Erstaunen ergriffen worden; doch ahnen musste sie wohl, dass hier ein besonderes Abenteuer im Spiel sein m?sse, als ihr der tapfere Heerf?hrer Aguillar, der sich eben im Gefolge befand, ins Auge fiel. Im Betstuhl kniend, die H?nde gefaltet, starrte er zum Gitter des Chors herauf, gl?hende inbr?nstige Sehnsucht im d?stern Auge. Als die Messe geendet war, begab sich Isabella nach Donna Marias, der Priorin, Zimmern und frug nach der fremden S?ngerin. >>Wollet Euch o K?nigin<<, sprach Donna Maria, >>wollet Euch erinnern, dass vor Mondesfrist Don Aguillar jenes Aussenwerk zu ?berfallen und zu erobern gedachte, das mit einer herrlichen Terrasse geziert den Mauren zum Lustort dient. In jeder Nacht schallen die ?ppigen Ges?nge der Heiden in unser Lager her?ber wie verlockende Sirenenstimmen und eben deshalb wollte der tapfere Aguillar das Nest der S?nde zerst?ren. Schon war das Werk genommen, schon wurden die gefangenen Weiber w?hrend des Gefechts abgef?hrt, als eine unvermutete Verst?rkung ihn tapferer Wehr unerachtet n?tigte, abzulassen und sich zur?ckzuziehen in das Lager. Der Feind wagte nicht ihn zu verfolgen und so kam es, dass die Gefangenen und reiche Beute sein blieben. Unter den gefangenen Weibern befand sich eine, deren trostloses Jammern, deren Verzweiflung Don Aguillars Aufmerksamkeit erregte. Er nahte sich der Verschleierten mit freundlichen Worten, aber als h?tte ihr Schmerz keine andere Sprache als Gesang, fing sie, nachdem sie auf der Zither, die ihr an einem goldnen Bande um den Hals hing, einige seltsame Akkorde gegriffen hatte, eine Romanze an, die in tiefaufseufzenden herzzerschneidenden Lauten die Trennung von dem Geliebten, von aller Lebensfreude klagte. Aguillar tief ergriffen von den wunderbaren T?nen, beschloss das Weib zur?ckbringen zu lassen nach Granada; sie st?rzte vor ihm nieder, indem sie den Schleier zur?ckschlug. Da rief Aguillar wie ausser sich: >Bist du denn nicht Zulema, das Licht des Gesanges in Granada?< - Zulema, die der Feldherr bei einer Sendung an Boabdils Hof gesehen, deren wunderbarer Gesang seitdem tief in seiner Brust widerhallte, war es wirklich. >Ich gebe dir die Freiheit<, rief Aguillar, aber da sprach der ehrw?rdige Vater Agostino Sanchez, der das Kreuz in der Hand mitgezogen: >Erinnere dich, Herr! dass du, indem du die Gefangene freil?ssest, ihr grosses Unrecht tust, da sie dem G?tzendienst entrissen, vielleicht bei uns von der Gnade des Herrn erleuchtet, in den Schoss der Kirche zur?ckgekehrt w?re.< Aguillar sprach: >Sie mag bei uns bleiben einen Monat hindurch und dann, f?hlt sie sich nicht durchdrungen von dem Geist des Herrn, zur?ckgebracht werden nach Granada.< So kam es, o Herrin! dass Zulema von uns in dem Kloster aufgenommen wurde. Anfangs ?berliess sie sich ganz dem trostlosesten Schmerz und bald waren es wild und schauerlich t?nende, bald tiefklagende Romanzen, mit denen sie das Kloster erf?llte, denn ?berall h?rte man ihre durchdringende Glockenstimme. Es begab sich, dass wir einst um Mitternacht im Chor der Kirche versammelt waren und die Hora nach jener wundervollen heiligen Weise absangen, die der hohe Meister des Gesanges, Ferreras, uns lehrte. Ich bemerkte im Schein der Lichter Zulema in der offnen Pforte des Chors stehend und mit ernstem Blick still und and?chtig hineinschauend; als wir paarweise daherziehend den Chor verliessen, kniete Zulema im Gange unfern eines Marienbildes. Den andern Tag sang sie keine Romanze, sondern blieb still und in sich gekehrt. Bald versuchte sie auf der tiefgestimmten Zither die Akkorde jenes Chorals, den wir in der Kirche gesungen, und dann fing sie an leise leise zu singen, ja selbst die Worte unsers Gesanges zu versuchen, die sie freilich wunderlich wie mit gebundener Zunge aussprach. Ich merkte wohl, dass der Geist des Herrn mit milder tr?stender Stimme im Gesange zu ihr gesprochen, und dass sich ihre Brust ?ffnen w?rde seiner Gnade, daher schickte ich Schwester Emanuela, die Meisterin des Chors, zu ihr, dass sie den glimmenden Funken anfache, und so geschah es, dass im heiligen Gesange der Kirche der Glaube in ihr entz?ndet wurde. Noch ist Zulema nicht durch die heilige Taufe in den Schoss der Kirche aufgenommen, aber verg?nnt wurde es ihr unserm Chor sich beizugesellen, und so ihre wunderbare Stimme zur Glorie der Religion zu erheben.<< Die K?nigin wusste nun wohl, was in Aguillars Innerm vorgegangen, als er auf Agostinos Einrede Zulema nicht zur?cksandte nach Granada, sondern sie im Kloster aufnehmen liess und um so mehr war sie erfreut ?ber Zulemas Bekehrung zum wahren Glauben. Nach wenigen Tagen wurde Zulema getauft und erhielt den Namen Julia. Die K?nigin selbst, der Marquis von Cadix, Heinrich von Gusman, die Feldherren Mendoza, Villena, waren die Zeugen des heiligen Akts. Man h?tte glauben sollen, dass Julias Gesang nun noch inniger und wahrer die Herrlichkeit des Glaubens h?tte verk?nden m?ssen und so geschah es auch wirklich eine kurze Zeit hindurch, indessen bemerkte Emanuela bald, dass Julia oft auf seltsame Weise von dem Choral abwich, fremdartige T?ne einmischend. Oft hallte urpl?tzlich der dumpfe Klang einer tiefgestimmten Zither durch den Chor. Der Ton glich dem Nachklingen vom Sturm durchrauschter Saiten. Dann wurde Julia unruhig und es geschah sogar, dass sie wie willk?rlos in den lateinischen Hymnus ein mohrisches Wort einwarf. Emanuela warnte die Neubekehrte, standhaft zu widerstehen dem Feinde, aber leichtsinnig achtete Julia dessen nicht und zum ?rgernis der Schwestern sang sie oft, wenn eben die ernsten heiligen Chor?le des alten Ferreras erklungen, t?ndelnde mohrische Liebeslieder zur Zither, die sie wieder hochgestimmt hatte. Sonderbarerweise klangen jetzt die Zithert?ne, die oft durch den Chor sausten, auch hoch und recht widrig beinahe wie das gellende Gepfeife der kleinen mohrischen Fl?ten.
Der Kapellmeister. Flauti piccoli - Oktavfl?tchen. Aber, mein Bester, noch bis jetzt nichts, gar nichts f?r die Oper - keine Exposition und das ist immer die Hauptsache, doch mit der tiefen und hohen Stimmung der Zither, das hat mich angeregt. Glaubt Ihr nicht, dass der Teufel ein Tenorist ist? Er ist falsch wie - der Teufel, und daher macht er alles im Falsett!
Der Enthusiast. Gott im Himmel! - Ihr werdet von Tage zu Tage witziger, Kapellmeister! Aber Ihr habt recht, lassen wir dem teuflischen Prinzip alles ?berhohe unnat?rliche Gepfeife, Gequieke etc. Doch weiter fort in der Erz?hlung, die mir eigentlich blutsauer wird, weil ich jeden Augenblick Gefahr laufe, ?ber irgend einen wohl zu beachtenden Moment wegzuspringen.
Es begab sich, dass die K?nigin, begleitet von den edlen Feldherren des Lagers, nach der Kirche der Benedektiner-Nonnen schritt, um wie gew?hnlich die Messe zu h?ren. Vor der Pforte lag ein elender zerlumpter Bettler, die Trabanten wollten ihn fortschaffen, doch halb erhoben riss er sich wieder los und warf sich heulend nieder, so dass er die K?nigin ber?hrte. Ergrimmt sprang Aguillar hervor und wollte den Elenden mit dem Fusse fortstossen. Der richtete sich aber mit halbem Leibe gegen ihn empor und schrie: >>Tritt die Schlange - tritt die Schlange, sie wird dich stechen zum Tode!<< und dazu griff er in die Saiten der unter den Lumpen versteckten Zither, dass sie im gellenden widrig pfeifenden Tone zerrissen und alle von unheimlichem Grauen ergriffen, zur?ckbebten. Die Trabanten schafften das widrige Gespenst fort und es hiess: der Mensch sei ein gefangener wahnsinniger Mohr, der aber durch seine tollen Sp?sse und durch sein verwunderliches Zitherspiel die Soldaten im Lager belustige. Die K?nigin trat ein und das Amt begann. Die Schwestern im Chor intonierten das Sanctus, eben sollte Julia mit m?chtiger Stimme wie sonst eintreten: >>Pleni sunt coeli gloria tua<<, da ging ein gellender Zitherton durch den Chor, Julia schlug schnell das Blatt zusammen und wollte den Chor verlassen. >>Was beginnst du?<< rief Emanuela. >>Oh!<< sagte Julia, >>h?rst du denn nicht die pr?chtigen T?ne des Meisters? dort bei ihm, mit ihm muss ich singen!<< damit eilte Julia nach der T?re, aber Emanuela sprach mit sehr ernster feierlicher Stimme: >>S?nderin, die du den Dienst des Herrn entweihst, da du mit dem Munde sein Lob verk?ndest und im Herzen weltliche Gedanken tr?gst, flieh von hinnen, gebrochen ist die Kraft des Gesanges in dir, verstummt sind die wunderbaren Laute in deiner Brust die der Geist des Herrn entz?ndet!<< - Von Emanuelas Worten wie vom Blitz getroffen, schwankte Julia fort. Eben wollten die Nonnen zur Nachtzeit sich versammeln, um die Hora zu singen, als ein dicker Qualm schnell die ganze Kirche erf?llte. Bald darauf drangen die Flammen zischend und prasselnd durch die W?nde des Nebengeb?udes und erfassten das Kloster. Mit M?he gelang es den Nonnen ihr Leben zu retten, Trompeten und H?rner schmetterten durch das Lager, aus dem ersten Schlaf taumelten die Soldaten auf; man sah den Feldherrn Aguillar mit versengtem Haar, mit halbverbrannten Kleidern aus dem Kloster st?rzen, er hatte Julia, die man vermisste, vergebens zu retten gesucht, keine Spur von ihr war zu finden. Fruchtlos blieb der Kampf gegen das Feuer, das von dem Sturm, der sich erhoben, angefacht, immer mehr um sich griff: in kurzer Zeit lag Isabellens ganzes reiches herrliches Lager in Asche. Die Mauren im Vertrauen, dass der Christen Ungl?ck ihnen Sieg bringen w?rde, wagten mit einer bedeutenden Macht einen Ausfall, gl?nzender war aber f?r die Waffen der Spanier nie ein Kampf gewesen, als eben dieser, und als sie unter dem jauchzenden Schall der Trompeten sieggekr?nt in ihre Verschanzungen zur?ckzogen, da bestieg die K?nigin Isabella den Thron, den man im Freien errichtet hatte und verordnete, dass an der Stelle des abgebrannten Lagers eine Stadt gebaut werde! Zeigen sollte dies den Mauren in Granada, dass niemals die Belagerung aufgehoben werden w?rde.
Der Kapellmeister. D?rfte man sich nur mit geistlichen Dingen auf das Theater wagen, hat man nicht schon seine Not mit dem lieben Publikum, wenn man hie und da ein bisschen Choral anbringt. Sonst w?r die Julia gar keine ?ble Partie. Denkt Euch den doppelten Stil, in welchem sie gl?nzen kann, erst die Romanzen, dann die Kirchenges?nge. Einige allerliebste spanische und mohrische Lieder hab ich bereits fertig, auch ist der Sieges-Marsch der Spanier gar nicht ?bel, so wie ich das Gebot der K?nigin melodramatisch zu behandeln willens bin, wie indessen das Ganze sich zusammenf?gen soll, das weiss der Himmel! - Aber erz?hlt weiter, kommen wir wieder auf Julia, die hoffentlich nicht verbrannt sein wird.
Der Enthusiast. Denkt Euch, liebster Kapellmeister, dass jene Stadt, die die Spanier in einundzwanzig Tagen aufbauten und mit Mauern umgaben, eben das heute noch stehende Santa F? ist. Doch indem ich das Wort so unmittelbar an Euch richte, falle ich aus dem feierlichen Ton, der allein sich zu dem feierlichen Stoffe passt. Ich wollte Ihr spieltet eins von Palestrinas Responsorien, die dort auf dem Pult des Fortepianos aufgeschlagen liegen.
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