Read Ebook: Kritik der reinen Vernunft Zweite hin und wieder verbesserte Auflage (1787) by Kant Immanuel
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Ebook has 1085 lines and 188886 words, and 22 pages
Edition: 10
Kritik der reinen Vernunft von Immanuel Kant
Professor in K?nigsberg, der K?nigl. Akademie der Wissenschaften in Berlin Mitglied
Zweite hin und wieder verbesserte Auflage
Inhalt
Baco de Verulamio
Instauratio magna. Praefatio.
De nobis ipsis silemus: De re autem, quae agitur, petimus: ut homines eam non Opinionem, sed Opus esse cogitent; ac pro certo habeant, non Sectae nos alicuius, aut Placiti, sed utilitatis et amplitudinis humanae fundamenta moliri. Deinde ut suis commodis aequi in commune consulant et ipsi in partem veniant. Praeterea ut bene sperent, neque Instaurationem nostram ut quidam infinitum et ultra mortale fingant, et animo concipiant; quum revera sit infiniti erroris finis et terminus legitimus.
Sr. Exzellenz, dem K?nigl. Staatsminister Freiherrn von Zedlitz
Gn?diger Herr!
Den Wachstum der Wissenschaften an seinem Teile bef?rdern, heisst an Ew. Exzellenz eigenem Interesse arbeiten; denn dieses ist mit jenen, nicht bloss durch den erhabenen Posten eines Besch?tzers, sondern durch das viel vertrautere eines Liebhabers und erleuchteten Kenners, innigst verbunden. Deswegen bediene ich mich auch des einigen Mittels, das gewissermassen in meinem Verm?gen ist, meine Dankbarkeit f?r das gn?dige Zutrauen zu bezeigen, womit Ew. Exzellenz mich beehren, als k?nne ich zu dieser Absicht etwas beitragen.
Demselben gn?digen Augenmerke, dessen Ew. Exzellenz die erste Auflage dieses Werks gew?rdigt haben, widme ich nun auch diese zweite und hiermit zugleich alle ?brige Angelegenheit meiner literarischen Bestimmung, und bin mit der tiefsten Verehrung
Ew. Exzellenz untert?nig gehorsamster Diener K?nigsberg den 23sten April 1787 Immanuel Kant
Vorrede zur zweiten Auflage
Ob die Bearbeitung der Erkenntnisse, die zum Vernunftgesch?fte geh?ren, den sicheren Gang einer Wissenschaft gehe oder nicht, das l?sst sich bald aus dem Erfolg beurteilen. Wenn sie nach viel gemachten Anstalten und Zur?stungen, sobald es zum Zweck kommt, in Stecken ger?t, oder, um diesen zu erreichen, ?fters wieder zur?ckgehen und einen andern Weg einschlagen muss; imgleichen wenn es nicht m?glich ist, die verschiedenen Mitarbeiter in der Art, wie die gemeinschaftliche Absicht erfolgt werden soll, einhellig zu machen: so kann man immer ?berzeugt sein, dass ein solches Studium bei weitem noch nicht den sicheren Gang einer Wissenschaft eingeschlagen, sondern ein blosses Herumtappen sei, und es ist schon ein Verdienst um die Vernunft, diesen Weg wom?glich ausfindig zu machen, sollte auch manches als vergeblich aufgegeben werden m?ssen, was in dem ohne ?berlegung vorher genommenen Zwecke enthalten war.
Dass die Logik diesen sicheren Gang schon von den ?ltesten Zeiten her gegangen sei, l?sst sich daraus ersehen, dass sie seit dem Aristoteles keinen Schritt r?ckw?rts hat tun d?rfen, wenn man ihr nicht etwa die Wegschaffung einiger entbehrlicher Subtilit?ten, oder deutlichere Bestimmung des Vorgetragenen als Verbesserungen anrechnen will, welches aber mehr zur Eleganz, als zur Sicherheit der Wissenschaft geh?rt. Merkw?rdig ist noch an ihr, dass sie auch bis jetzt keinen Schritt vorw?rts hat tun k?nnen, und also allem Ansehen nach geschlossen und vollendet zu sein scheint. Denn, wenn einige Neuere sie dadurch zu erweitern dachten, dass sie teils psychologische Kapitel von den verschiedenen Erkenntniskr?ften , teils metaphysische ?ber den Ursprung der Erkenntnis oder der verschiedenen Art der Gewissheit nach Verschiedenheit der Objekte , teils anthropologische von Vorurteilen hineinschoben, so r?hrt dieses von ihrer Unkunde der eigent?mlichen Natur dieser Wissenschaft her. Es ist nicht Vermehrung, sondern Verunstaltung der Wissenschaften, wenn man ihre Grenzen ineinander laufen l?sst; die Grenze der Logik aber ist dadurch ganz genau bestimmt, dass sie eine Wissenschaft ist, welche nichts als die formalen Regeln alles Denkens ausf?hrlich darlegt und strenge beweist.
Dass es der Logik so gut gelungen ist, diesen Vorteil hat sie bloss ihrer Eingeschr?nktheit zu verdanken, dadurch sie berechtigt, ja verbunden ist, von allen Objekten der Erkenntnis und ihrem Unterschiede zu abstrahieren, und in ihr also der Verstand es mit nichts weiter, als sich selbst und seiner Form, zu tun hat. Weit schwerer musste es nat?rlicherweise f?r die Vernunft sein, den sicheren Weg der Wissenschaft einzuschlagen, wenn sie nicht bloss mit sich selbst, sondern auch mit Objekten zu schaffen hat; daher jene auch als Prop?deutik gleichsam nur den Vorhof der Wissenschaften ausmacht, und wenn von Kenntnissen die Rede ist, man zwar eine Logik zur Beurteilung derselben voraussetzt, aber die Erwerbung derselben in eigentlich und objektiv so genannten Wissenschaften suchen muss.
Sofern in diesen nun Vernunft sein soll, so muss darin etwas a priori erkannt werden, und ihre Erkenntnis kann auf zweierlei Art auf ihren Gegenstand bezogen werden, entweder diesen und seinen Begriff bloss zu bestimmen, oder ihn auch wirklich zu machen. Die erste ist theoretische, die andere praktische Erkenntnis der Vernunft. Von beiden muss der reine Teil, soviel oder sowenig er auch enthalten mag, n?mlich derjenige, darin Vernunft g?nzlich a priori ihr Objekt bestimmt, vorher allein vorgetragen werden, und dasjenige, was aus anderen Quellen kommt, damit nicht vermengt werden, denn es gibt ?ble Wirtschaft, wenn man blindlings ausgibt, was einkommt, ohne nachher, wenn jene in Stecken ger?t, unterscheiden zu k?nnen, welcher Teil der Einnahme den Aufwand tragen k?nne, und von welcher man denselben beschneiden muss.
Mathematik und Physik sind die beiden theoretischen Erkenntnisse der Vernunft, welche ihre Objekte a priori bestimmen sollen, die erstere ganz rein, die zweite wenigstens zum Teil rein, dann aber auch nach Massgabe anderer Erkenntnisquellen als der der Vernunft.
Die Mathematik ist von den fr?hesten Zeiten her, wohin die Geschichte der menschlichen Vernunft reicht, in dem bewundernsw?rdigen Volke der Griechen den sicheren Weg einer Wissenschaft gegangen. Allein man darf nicht denken, dass es ihr so leicht geworden, wie der Logik, wo die Vernunft es nur mit sich selbst zu tun hat, jenen k?niglichen Weg zu treffen, oder vielmehr sich selbst zu bahnen; vielmehr glaube ich, dass es lange mit ihr beim Herumtappen geblieben ist, und diese Um?nderung einer Revolution zuzuschreiben sei, die der gl?ckliche Einfall eines einzigen Mannes in einem Versuche zustande brachte, von welchem an die Bahn, die man nehmen musste, nicht mehr zu verfehlen war, und der sichere Gang einer Wissenschaft f?r alle Zeiten und in unendliche Weiten eingeschlagen und vorgezeichnet war. Die Geschichte dieser Revolution der Denkart, welche viel wichtiger war, als die Entdeckung des Weges um das ber?hmte Vorgebirge, und des Gl?cklichen, der sie zustande brachte, ist uns nicht aufbehalten. Doch beweist die Sage, welche Diogenes der Laertier uns ?berliefert, der von den kleinsten, und, nach dem gemeinen Urteil, gar nicht einmal eines Beweises ben?tigten, Elementen der geometrischen Demonstrationen den angeblichen Erfinder nennt, dass das Andenken der Ver?nderung, die durch die erste Spur der Entdeckung dieses neuen Weges bewirkt wurde, den Mathematikern ?usserst wichtig geschienen haben m?sse, und dadurch unvergesslich geworden sei. Dem ersten, der den gleichseitigen Triangel demonstrierte , dem ging ein Licht auf; denn er fand, dass er nicht dem, was er in der Figur sah, oder auch dem blossen Begriffe derselben nachsp?ren und gleichsam davon ihre Eigenschaften ablernen, sondern durch das, was er nach Begriffen selbst a priori hineindachte und darstellte , hervorbringen m?sse, und dass er, um sicher etwas a priori zu wissen, er der Sache nichts beilegen m?sse, als was aus dem notwendig folgte, was er seinem Begriffe gem?ss selbst in sie gelegt hat.
Mit der Naturwissenschaft ging es weit langsamer zu, bis sie den Heeresweg der Wissenschaft traf, denn es sind nur etwa anderthalb Jahrhunderte, dass der Vorschlag des sinnreichen Baco von Verulam diese Entdeckung teils veranlasste, teils, da man bereits auf der Spur derselben war, mehr belebte, welche eben sowohl durch eine schnell vorgegangene Revolution der Denkart erkl?rt werden kann. Ich will hier nur die Naturwissenschaft, so fern sie auf empirische Prinzipien gegr?ndet ist, in Erw?gung ziehen.
Der Metaphysik, einer ganz isolierten spekulativen Vernunfterkenntnis, die sich g?nzlich ?ber Erfahrungsbelehrung erhebt, und zwar durch blosse Begriffe , wo also Vernunft selbst ihr eigener Sch?ler sein soll, ist das Schicksal bisher noch so g?nstig nicht gewesen, dass sie den sicheren Gang einer Wissenschaft einzuschlagen vermocht h?tte; ob sie gleich ?lter ist, als alle ?brige, und bleiben w?rde, wenn gleich die ?brigen insgesamt in dem Schlunde einer alles vertilgenden Barbarei g?nzlich verschlungen werden sollten. Denn in ihr ger?t die Vernunft kontinuierlich in Stecken, selbst wenn sie diejenigen Gesetze, welche die gemeinste Erfahrung best?tigt, a priori einsehen will. In ihr muss man unz?hlige Male den Weg zur?ck tun, weil man findet, dass er dahin nicht f?hrt, wo man hin will, und was die Einhelligkeit ihrer Anh?nger in Behauptungen betrifft, so ist sie noch so weit davon entfernt, dass sie vielmehr ein Kampfplatz ist, der ganz eigentlich dazu bestimmt zu sein scheint, seine Kr?fte im Spielgefechte zu ?ben, auf dem noch niemals irgend ein Fechter sich auch den kleinsten Platz hat erk?mpfen und auf seinen Sieg einen dauerhaften Besitz gr?nden k?nnen. Es ist also kein Zweifel, dass ihr Verfahren bisher ein blosses Herumtappen, und, was das Schlimmste ist, unter blossen Begriffen, gewesen sei.
Woran liegt es nun, dass hier noch kein sicherer Weg der Wissenschaft hat gefunden werden k?nnen? Ist er etwa unm?glich? Woher hat denn die Natur unsere Vernunft mit der rastlosen Bestrebung heimgesucht, ihm als einer ihrer wichtigsten Angelegenheiten nachzusp?ren? Noch mehr, wie wenig haben wir Ursache, Vertrauen in unsere Vernunft zu setzen, wenn sie uns in einem der wichtigsten St?cke unserer Wissbegierde nicht bloss verl?sst, sondern durch Vorspiegelungen hinh?lt und am Ende betr?gt! Oder ist er bisher nur verfehlt; welche Anzeige k?nnen wir benutzen, um bei erneuertem Nachsuchen zu hoffen, dass wir gl?cklicher sein werden, als andere vor uns gewesen sind?
In jenem Versuche, das bisherige Verfahren der Metaphysik umzu?ndern, und dadurch, dass wir nach dem Beispiele der Geometer und Naturforscher eine g?nzliche Revolution mit derselben vornehmen, besteht nun das Gesch?ft dieses Kritik der reinen spekulativen Vernunft. Sie ist ein Traktat von der Methode, nicht ein System der Wissenschaft selbst; aber sie verzeichnet gleichwohl den ganzen Umriss derselben, sowohl in Ansehung ihrer Grenzen, als auch den ganzen inneren Gliederbau derselben. Denn das hat die reine, spekulative Vernunft Eigent?mliches an sich, dass sie ihr eigen Verm?gen, nach Verschiedenheit der Art, wie sie sich Objekte zum Denken w?hlt, ausmessen, und auch selbst die mancherlei Arten, sich Aufgaben vorzulegen, vollst?ndig vorz?hlen, und so den ganzen Vorriss zu einem System der Metaphysik verzeichnen kann und soll; weil, was das erste betrifft, in der Erkenntnis a priori den Objekten nichts beigelegt werden kann, als was das denkende Subjekt aus sich selbst hernimmt, und, was das zweite anlangt, sie in Ansehung der Erkenntnisprinzipien eine ganz abgesonderte, f?r sich bestehende Einheit ist, in welcher ein jedes Glied, wie in einem organisierten K?rper, um aller anderen und alle um eines willen da sind, und kein Prinzip mit Sicherheit in einer Beziehung genommen werden kann, ohne es zugleich in der durchg?ngigen Beziehung zum ganzen reinen Vernunftgebrauch untersucht zu haben. Daf?r aber hat auch die Metaphysik das seltene Gl?ck, welches keiner anderen Vernunftwissenschaft, die es mit Objekten zu tun hat , zuteil werden kann, dass, wenn sie durch diese Kritik in den sicheren Gang einer Wissenschaft gebracht worden, sie das ganze Feld der f?r sie geh?rigen Erkenntnisse v?llig befassen und also ihr Werk vollenden und f?r die Nachwelt, als einen nie zu vermehrenden Hauptstuhl, zum Gebrauche niederlegen kann, weil sie es bloss mit Prinzipien und den Einschr?nkungen ihres Gebrauchs zu tun hat, welche durch jene selbst bestimmt werden. Zu dieser Vollst?ndigkeit ist sie daher, als Grundwissenschaft, auch verbunden, und von ihr muss gesagt werden k?nnen: nil actum reputam, si quid superesset agendum 1).
Bei dieser wichtigen Ver?nderung im Felde der Wissenschaften, und dem Verluste, den spekulative Vernunft an ihrem bisher eingebildeten Besitze erleiden muss, bleibt dennoch alles mit der allgemeinen menschlichen Angelegenheit, und dem Nutzen, den die Welt bisher aus den Lehren der reinen Vernunft zog, in demselben vorteilhaften Zustande, als es jemalen war, und der Verlust trifft nur das Monopol der Schulen, keineswegs aber das Interesse der Menschen. Ich frage den unbiegsamsten Dogmatiker, ob der Beweis von der Fortdauer unserer Seele nach dem Tode aus der Einfachheit der Substanz, ob der von der Freiheit des Willens gegen den allgemeinen Mechanismus durch die subtilen, obzwar ohnm?chtigen Unterscheidungen subjektiver und objektiver praktischer Notwendigkeit, oder ob der vom Dasein Gottes aus dem Begriffe eines allerrealsten Wesens, nachdem sie von den Schulen ausgingen, jemals haben bis zum Publikum gelangen und auf dessen ?berzeugung den mindesten Einfluss haben k?nnen? Ist dieses nun nicht geschehen, und kann es auch, wegen der Untauglichkeit des gemeinen Menschenverstandes zu so subtiler Spekulation, niemals erwartet werden; hat vielmehr, was das erstere betrifft, die jedem Menschen bemerkliche Anlage seiner Natur, durch das Zeitliche nie zufrieden gestellt werden zu k?nnen, die Hoffnung eines k?nftigen Lebens, in Ansehung des zweiten die blosse klare Darstellung der Pflichten im Gegensatze aller Anspr?che der Neigungen das Bewusstsein der Freiheit, und endlich, was das dritte anlangt, die herrliche Ordnung, Sch?nheit und F?rsorge, die allerw?rts in der Natur hervorblickt, allein den Glauben an einen weisen und grossen Welturheber, die sich aufs Publikum verbreitende ?berzeugung, sofern sie auf Vernunftgr?nden beruht, ganz allein bewirken m?ssen: so bleibt ja nicht allein dieser Besitz ungest?rt, sondern er gewinnt vielmehr dadurch noch an Ansehen, dass die Schulen nunmehr belehrt werden, sich keine h?here und ausgebreitetere Einsicht in einem Punkte anzumassen, der die allgemeine menschliche Angelegenheit betrifft, als diejenige ist, zu der die grosse Menge auch eben so leicht gelangen kann, und sich also auf die Kultur dieser allgemein fasslichen und in moralischer Absicht hinreichenden Beweisgr?nde allein einzuschr?nken. Die Ver?nderung betrifft also bloss die arroganten Anspr?che der Schulen, die sich gerne hierin f?r die alleinigen Kenner und Aufbewahrer solcher Wahrheiten m?chten halten lassen, von denen sie dem Publikum nur den Gebrauch mitteilen, den Schl?ssel derselben aber f?r sich behalten . Gleichwohl ist doch auch f?r einen billigeren Anspruch des spekulativen Philosophen gesorgt. Er bleibt immer ausschliesslich Deposit?r einer dem Publikum ohne dessen Wissen n?tzlichen Wissenschaft, n?mlich der Kritik der Vernunft; denn die kann niemals popul?r werden, hat aber auch nicht n?tig, es zu sein; weil, so wenig dem Volke die fein gesponnenen Argumente f?r n?tzliche Wahrheiten in den Kopf wollen, ebensowenig kommen ihm auch die eben so subtilen Einw?rfe dagegen jemals in den Sinn; dagegen, weil die Schule, so wie jeder sich zur Spekulation erhebende Mensch, unvermeidlich in beide ger?t, jene dazu verbunden ist, durch gr?ndliche Untersuchung der Rechte der spekulativen Vernunft einmal f?r allemal dem Skandal vorzubeugen, das ?ber kurz oder lang selbst dem Volke aus den Streitigkeiten aufstossen muss, in welche sich Metaphysiker ohne Kritik unausbleiblich verwickeln, und die selbst nachher ihre Lehren verf?lschen. Durch diese kann nun allein dem Materialismus, Fatalismus, Atheismus, dem freigeisterischen Unglauben, der Schw?rmerei und Aberglauben, die allgemein sch?dlich werden k?nnen, zuletzt auch dem Idealismus und Skeptizismus, die mehr den Schulen gef?hrlich sind und schwerlich ins Publikum ?bergehen k?nnen, selbst die Wurzel abgeschnitten werden. Wenn Regierungen sich ja mit Angelegenheiten der Gelehrten zu befassen gut finden, so w?rde es ihrer weisen F?rsorge f?r Wissenschaften sowohl als Menschen weit gem?sser sein, die Freiheit einer solchen Kritik zu beg?nstigen, wodurch die Vernunftbearbeitungen allein auf einen festen Fuss gebracht werden k?nnen, als den l?cherlichen Despotismus der Schulen zu unterst?tzen, welche ?ber ?ffentliche Gefahr ein lautes Geschrei erheben, wenn man ihre Spinneweben zerreisst, von denen doch das Publikum niemals Notiz genommen hat, und deren Verlust es also auch nie f?hlen kann.
Die Kritik ist nicht dem dogmatischen Verfahren der Vernunft in ihrem reinen Erkenntnis als Wissenschaft entgegengesetzt, sondern dem Dogmatismus, d.i. der Anmassung, mit einer reinen Erkenntnis aus Begriffen , nach Prinzipien, so wie sie die Vernunft l?ngst im Gebrauche hat, ohne Erkundigung der Art und des Rechts, womit sie dazu gelangt ist, allein fortzukommen. Dogmatismus ist also das dogmatische Verfahren der reinen Vernunft, ohne vorangehende Kritik ihres eigenen Verm?gens. Diese Entgegensetzung soll daher nicht der geschw?tzigen Seichtigkeit, unter dem angemassten Namen der Popularit?t, oder wohl gar dem Skeptizismus, der mit der ganzen Metaphysik kurzen Prozess macht, das Wort reden; vielmehr ist die Kritik die notwendige vorl?ufige Veranstaltung zur Bef?rderung einer gr?ndlichen Metaphysik als Wissenschaft, die notwendig dogmatisch und nach der strengsten Forderung systematisch, mithin schulgerecht ausgef?hrt werden muss; denn diese Forderung an sie, da sie sich anheischig macht, g?nzlich a priori, mithin zu v?lliger Befriedigung der spekulativen Vernunft ihr Gesch?ft auszuf?hren, ist unnachl?sslich. In der Ausf?hrung also des Plans, den die Kritik vorschreibt, d.i. im k?nftigen System der Metaphysik, m?ssen wir dereinst der strengen Methode des ber?hmten Wolf, des gr?ssten unter allen dogmatischen Philosophen, folgen, der zuerst das Beispiel gab, wie durch gesetzm?ssige Feststellung der Prinzipien, deutliche Bestimmung der Begriffe, versuchte Strenge der Beweise, Verh?tung k?hner Spr?nge in Folgerungen der sichere Gang einer Wissenschaft zu nehmen sei, der auch eben darum eine solche, als Metaphysik ist, in diesen Stand zu versetzen vorz?glich geschickt war, wenn es ihm beigefallen w?re, durch Kritik des Organs, n?mlich der reinen Vernunft selbst, sich das Feld vorher zu bereiten: ein Mangel, der nicht sowohl ihm, als vielmehr der dogmatischen Denkungsart seines Zeitalters beizumessen ist, und dar?ber die Philosophen seiner sowohl, als aller vorigen Zeiten einander nichts vorzuwerfen haben. Diejenigen, welche seine Lehrart und doch zugleich auch das Verfahren der Kritik der reinen Vernunft verwerfen, k?nnen nichts anderes im Sinne haben, als die Fesseln der Wissenschaft gar abzuwerfen, Arbeit in Spiel, Gewissheit in Meinung und Philosophie in Philodoxie zu verwandeln.
K?nigsberg, im Aprilmonat 1787.
Einleitung
Dass alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anfange, daran ist gar kein Zweifel; denn wodurch sollte das Erkenntnisverm?gen sonst zur Aus?bung erweckt werden, gesch?he es nicht durch Gegenst?nde, die unsere Sinne r?hren und teils von selbst Vorstellungen bewirken, teils unsere Verstandest?tigkeit in Bewegung bringen, diese zu vergleichen, sie zu verkn?pfen oder zu trennen, und so den rohen Stoff sinnlicher Eindr?cke zu einer Erkenntnis der Gegenst?nde zu verarbeiten, die Erfahrung heisst? Der Zeit nach geht also keine Erkenntnis in uns vor der Erfahrung vorher, und mit dieser f?ngt alle an.
Wenn aber gleich alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anhebt, so entspringt sie darum doch nicht eben alle aus der Erfahrung. Denn es k?nnte wohl sein, dass selbst unsere Erfahrungserkenntnis ein Zusammengesetztes aus dem sei, was wir durch Eindr?cke empfangen, und dem, was unser eigenes Erkenntnisverm?gen aus sich selbst hergibt, welchen Zusatz wir von jenem Grundstoffe nicht eher unterscheiden, als bis lange ?bung uns darauf aufmerksam und zur Absonderung desselben geschickt gemacht hat.
Es ist also wenigstens eine der n?heren Untersuchung noch ben?tigte und nicht auf den ersten Anschein sogleich abzufertigende Frage: ob es ein dergleichen von der Erfahrung und selbst von allen Eindr?cken der Sinne unabh?ngiges Erkenntnis gebe. Man nennt solche Erkenntnisse a priori, und unterscheidet sie von den empirischen, die ihre Quellen a posteriori n?mlich in der Erfahrung, haben.
Jener Ausdruck ist indessen noch nicht bestimmt genug, um den ganzen Sinn, der vorgelegten Frage angemessen, zu bezeichnen. Denn man pflegt wohl von mancher aus Erfahrungsquellen abgeleiteten Erkenntnis zu sagen, dass wir ihrer a priori f?hig oder teilhaftig sind, weil wir sie nicht unmittelbar aus der Erfahrung, sondern aus einer allgemeinen Regel, die wir gleichwohl selbst doch aus der Erfahrung entlehnt haben, ableiten. So sagt man von jemand, der das Fundament seines Hauses untergrub: er konnte es a priori wissen, dass es einfallen w?rde, d.i. er durfte nicht auf die Erfahrung, dass es wirklich einfiele, warten. Allein g?nzlich a priori konnte er dieses doch auch nicht wissen. Denn dass die K?rper schwer sind, und daher, wenn ihnen die St?tze entzogen wird, fallen, musste ihm doch zuvor durch Erfahrung bekannt werden.
Wir werden also im Verfolg unter Erkenntnissen a priori nicht solche verstehen, die von dieser oder jener, sondern die schlechterdings von aller Erfahrung unabh?ngig stattfinden. Ihnen sind empirische Erkenntnisse, oder solche, die nur a posteriori, d.i. durch Erfahrung, m?glich sind, entgegengesetzt. Von den Erkenntnissen a priori heissen aber die jenigen rein, denen gar nichts Empirisches beigemischt ist. So ist z.B. der Satz: eine jede Ver?nderung hat ihre Ursache, ein Satz a priori, allein nicht rein, weil Ver?nderung ein Begriff ist, der nur aus der Erfahrung gezogen werden kann.
Es kommt hier auf ein Merkmal an, woran wir sicher ein reines Erkenntnis vom empirischen unterscheiden k?nnen. Erfahrung lehrt uns zwar, dass etwas so oder so beschaffen sei, aber nicht, dass es nicht anders sein k?nne. Findet sich also erstlich ein Satz, der zugleich mit seiner Notwendigkeit gedacht wird, so ist er ein Urteil a priori, ist er ?berdem auch von keinem abgeleitet, als der selbst wiederum als ein notwendiger Satz g?ltig ist, so ist er schlechterdings a priori. Zweitens: Erfahrung gibt niemals ihren Urteilen wahre oder strenge, sondern nur angenommene und komparative Allgemeinheit , so dass es eigentlich heissen muss: soviel wir bisher wahrgenommen haben, findet sich von dieser oder jener Regel keine Ausnahme. Wird also ein Urteil in strengen Allgemeinheit gedacht, d.i. so, dass gar keine Ausnahme als m?glich verstattet wird, so ist es nicht von der Erfahrung abgeleitet, sondern schlechterdings a priori g?ltig. Die empirische Allgemeinheit ist also nur eine willk?rliche Steigerung der G?ltigkeit, von der, welche in den meisten F?llen, zu der, die in allen gilt, wie z.B. in dem Satze: alle K?rper sind schwer; wo dagegen strenge Allgemeinheit zu einem Urteile wesentlich geh?rt, da zeigt diese auf einen besonderen Erkenntnisquell desselben, n?mlich ein Verm?gen des Erkenntnisses a priori. Notwendigkeit und strenge Allgemeinheit sind also sichere Kennzeichen einer Erkenntnis a priori, und geh?ren auch unzertrennlich zueinander. Weil es aber im Gebrauche derselben bisweilen leichter ist, die empirische Beschr?nktheit derselben, als die Zuf?lligkeit in den Urteilen, oder es auch manchmal einleuchtender ist, die unbeschr?nkte Allgemeinheit, die wir einem Urteile beilegen, als die Notwendigkeit desselben zu zeigen, so ist es ratsam, sich gedachter beider Kriterien, deren jedes f?r sich unfehlbar ist, abgesondert zu bedienen.
Dass es nun dergleichen notwendige und im strengsten Sinne allgemeine, mithin reine Urteile a priori, im menschlichen Erkenntnis wirklich gebe, ist leicht zu zeigen. Will man ein Beispiel aus Wissenschaften, so darf man nur auf alle S?tze der Mathematik hinaussehen, will man ein solches aus dem gemeinsten Verstandesgebrauche, so kann der Satz, dass alle Ver?nderung eine Ursache haben m?sse, dazu dienen; ja in dem letzteren enth?lt selbst der Begriff einer Ursache so offenbar den Begriff einer Notwendigkeit der Verkn?pfung mit einer Wirkung und einer strengen Allgemeinheit der Regel, dass er g?nzlich verlorengehen w?rde, wenn man ihn, wie Hume tat, von einer ?ftern Beigesellung dessen, was geschieht, mit dem, was vorhergeht, und einer daraus entspringenden Gewohnheit, Vorstellungen zu verkn?pfen, ableiten wollte. Auch k?nnte man, ohne dergleichen Beispiele zum Beweise der Wirklichkeit reiner Grunds?tze a priori in unserem Erkenntnisse zu bed?rfen, dieser ihre Unentbehrlichkeit zur M?glichkeit der Erfahrung selbst, mithin a priori dartun. Denn wo wollte selbst Erfahrung ihre Gewissheit hernehmen, wenn alle Regeln, nach denen sie fortgeht, immer wieder empirisch, mithin zuf?llig w?ren; daher man diese schwerlich f?r erste Grunds?tze gelten lassen kann. Allein hier k?nnen wir uns damit begn?gen, den reinen Gebrauch unseres Erkenntnisverm?gens als Tatsache samt den Kennzeichen desselben dargelegt zu haben. Aber nicht bloss in Urteilen, sondern selbst in Begriffen zeigt sich ein Ursprung einiger derselben a priori. Lasset von eurem Erfahrungsbegriffe eines K?rpers alles, was daran empirisch ist, nach und nach weg: die Farbe, die H?rte oder Weiche, die Schwere, selbst die Undurchdringlichkeit, so bleibt doch der Raum ?brig, den er einnahm, und den k?nnt ihr nicht weglassen. Ebenso, wenn ihr von eurem empirischen Begriffe eines jeden, k?rperlichen oder nicht k?rperlichen, Objekts alle Eigenschaften weglasst, die euch die Erfahrung lehrt; so k?nnt ihr ihm doch nicht diejenige nehmen, dadurch ihr es als Substanz oder einer Substanz anh?ngend denkt, . Ihr m?sst also, ?berf?hrt durch die Notwendigkeit, womit sich dieser Begriff euch aufdringt, gestehen, dass er in eurem Erkenntnisverm?gen a priori seinen Sitz habe.
Was noch weit mehr sagen will als alles vorige, ist dieses, dass gewisse Erkenntnisse sogar das Feld aller m?glichen Erfahrungen verlassen, und durch Begriffe, denen ?berall kein entsprechender Gegenstand in der Erfahrung gegeben werden kann, den Umfang unserer Urteile ?ber alle Grenzen derselben zu erweitern den Anschein haben.
Und gerade in diesen letzteren Erkenntnissen, welche ?ber die Sinnenwelt hinausgehen, wo Erfahrung gar keinen Leitfaden, noch Berichtigung geben kann, liegen die Nachforschungen unserer Vernunft, die wir, der Wichtigkeit nach, f?r weit vorz?glicher, und ihre Endabsicht f?r viel erhabener halten, als alles, was der Verstand im Felde der Erscheinungen lernen kann, wobei wir, sogar auf die Gefahr zu irren, eher alles wagen, als dass wir so angelegene Untersuchungen aus irgendeinem Grunde der Bedenklichkeit, oder aus Geringsch?tzung und Gleichg?ltigkeit aufgeben sollten. Diese unvermeidlichen Aufgaben der reinen Vernunft selbst sind Gott, Freiheit und Unsterblichkeit. Die Wissenschaft aber, deren Endabsicht mit allen ihren Zur?stungen eigentlich nur auf die Aufl?sung derselben gerichtet ist, heisst Metaphysik, deren Verfahren im Anfange dogmatisch ist, d.i. ohne vorhergehende Pr?fung des Verm?gens oder Unverm?gens der Vernunft zu einer so grossen Unternehmung zuversichtlich die Ausf?hrung ?bernimmt.
Nun scheint es zwar nat?rlich, dass, sobald man den Boden der Erfahrung verlassen hat, man doch nicht mit Erkenntnissen, die man besitzt, ohne zu wissen woher, und auf den Kredit der Grunds?tze, deren Ursprung man nicht kennt, sofort ein Geb?ude errichten werde, ohne der Grundlegung desselben durch sorgf?ltige Untersuchungen vorher versichert zu sein, dass man also vielmehr die Frage vorl?ngst werde aufgeworfen haben, wie denn der Verstand zu allen diesen Erkenntnissen a priori kommen k?nne, und welchen Umfang, G?ltigkeit und Wert sie haben m?gen. In der Tat ist auch nichts nat?rlicher, wenn man unter dem Worte nat?rlich das versteht, was billiger- und vern?nftigerweise geschehen sollte; versteht man aber darunter das, was gew?hnlichermassen geschieht, so ist hinwiederum nichts nat?rlicher und begreiflicher, als dass diese Untersuchung lange unterbleiben musste. Denn ein Teil dieser Erkenntnisse, als die mathematischen, ist im alten Besitze der Zuverl?ssigkeit, und gibt dadurch eine g?nstige Erwartung auch f?r andere, ob diese gleich von ganz verschiedener Natur sein m?gen. ?berdem, wenn man ?ber den Kreis der Erfahrung hinaus ist, so ist man sicher, durch Erfahrung nicht widerlegt zu werden. Der Reiz, seine Erkenntnisse zu erweitern, ist so gross, dass man nur durch einen klaren Widerspruch, auf den man st?sst, in seinem Fortschritte aufgehalten werden kann. Dieser aber kann vermieden werden, wenn man seine Erdichtungen nur behutsam macht, ohne dass sie deswegen weniger Erdichtungen bleiben. Die Mathematik gibt uns ein gl?nzendes Beispiel, wie weit wir es, unabh?ngig von der Erfahrung, in der Erkenntnis a priori bringen k?nnen. Nun besch?ftigt sie sich zwar mit Gegenst?nden und Erkenntnissen bloss so weit, als sich solche in der Anschauung darstellen lassen. Aber dieser Umstand wird leicht ?bersehen, weil gedachte Anschauung selbst a priori gegeben werden kann, mithin von einem blossen reinen Begriff kaum unterschieden wird. Durch einen solchen Beweis von der Macht der Vernunft eingenommen, sieht der Trieb zur Erweiterung keine Grenzen. Die leichte Taube, indem sie im freien Fluge die Luft teilt, deren Widerstand sie f?hlt, k?nnte die Vorstellung fassen, dass es ihr im luftleeren Raum noch viel l besser gelingen werde. Ebenso verliess Plato die Sinnenwelt, weil sie dem Verstande so enge Schranken setzt, und wagte sich jenseit derselben, auf den Fl?geln der Ideen, in den leeren Raum des reinen Verstandes. Er bemerkte nicht, dass er durch seine Bem?hungen keinen Weg gew?nne, denn er hatte keinen Widerhalt, gleichsam zur Unterlage, worauf er sich steifen, und woran er seine Kr?fte anwenden konnte, um den Verstand von der Stelle zu bringen. Es ist aber ein gew?hnliches Schicksal der menschlichen Vernunft in der Spekulation, ihr Geb?ude so fr?h, wie m?glich, fertigzumachen, und hintennach allererst zu untersuchen, ob auch der Grund dazu gut gelegt sei. Alsdann aber werden allerlei Besch?nigungen herbeigesucht, um uns wegen dessen T?chtigkeit zu tr?sten, oder auch eine solche sp?te und gef?hrliche Pr?fung lieber gar abzuweisen. Was uns aber w?hrend dem Bauen von aller Besorgnis und Verdacht frei h?lt, und mit scheinbarer Gr?ndlichkeit schmeichelt, ist dieses. Ein grosser Teil, und vielleicht der gr?sste, von dem Gesch?fte unserer Vernunft, besteht in Zergliederungen der Begriffe, die wir schon von Gegenst?nden haben. Dieses liefert uns eine Menge von Erkenntnissen, die, ob sie gleich nichts weiter als Aufkl?rungen oder Erl?uterungen desjenigen sind, was in unsern Begriffen schon gedacht worden, doch wenigstens der Form nach neuen Einsichten gleich gesch?tzt werden, wiewohl sie der Materie, oder dem Inhalte nach die Begriffe, die wir haben, nicht erweitern, sondern nur auseinander setzen. Da dieses Verfahren nun eine wirkliche Erkenntnis a priori gibt, die einen sichern und n?tzlichen Fortgang hat, so erschleicht die Vernunft, ohne es selbst zu merken, unter dieser Vorspiegelung Behauptungen von ganz anderer Art, wo die Vernunft zu gegebenen Begriffen ganz fremde und zwar a priori hinzutut, ohne dass man weiss, wie sie dazu gelangen und ohne sich eine solche Frage auch nur in die Gedanken kommen zu lassen. Ich will daher gleich anfangs von dem Unterschiede dieser zweifachen Erkenntnisart handeln.
In allen Urteilen, worinnen das Verh?ltnis eines Subjekts zum Pr?dikat gedacht wird, ist dieses Verh?ltnis auf zweierlei Art m?glich. Entweder das Pr?dikat B geh?rt zum Subjekt A als etwas, was in diesem Begriffe A enthalten ist; oder B liegt ganz ausser dem Begriff A, ob es zwar mit demselben in Verkn?pfung steht. Im ersten Fall nenne ich das Urteil analytisch, in dem andern synthetisch. Analytische Urteile sind also diejenigen, in welchen die Verkn?pfung des Pr?dikats mit dem Subjekt durch Identit?t, diejenigen aber, in denen diese Verkn?pfung ohne Identit?t gedacht wird, sollen synthetische Urteile heissen. Die ersteren k?nnte man auch Erl?uterungs-, die andern Erweiterungs-Urteile heissen, weil jene durch das Pr?dikat nichts zum Begriff des Subjekts hinzutun, sondern diesen nur durch Zergliederung in seine Teilbegriffe zerf?llen, die in selbigen schon gedacht waren: dahingegen die letzteren zu dem Begriffe des Subjekts ein Pr?dikat hinzutun, welches in jenem gar nicht gedacht war, und durch keine Zergliederung desselben h?tte k?nnen herausgezogen werden. Z.B. wenn ich sage: alle K?rper sind ausgedehnt, so ist dies ein analytisch Urteil. Denn ich darf nicht ?ber den Begriff, den ich mit dem K?rper verbinde, hinausgehen, um die Ausdehnung, als mit demselben verkn?pft, zu finden, sondern jenen Begriff nur zergliedern, d.i. des Mannigfaltigen, welches ich jederzeit in ihm denke, mir nur bewusst werden, um dieses Pr?dikat darin anzutreffen; es ist also ein analytisches Urteil. Dagegen, wenn ich sage: alle K?rper sind schwer, so ist das Pr?dikat etwas ganz anderes, als das, was ich in dem blossen Begriff eines K?rpers ?berhaupt denke. Die Hinzuf?gung eines solchen Pr?dikats gibt also ein synthetisch Urteil.
Erfahrungsurteile, als solche, sind insgesamt synthetisch. Denn es w?re ungereimt, ein analytisches Urteil auf Erfahrung zu gr?nden, weil ich aus meinem Begriffe gar nicht hinausgehen darf, um das Urteil abzufassen, und also kein Zeugnis der Erfahrung dazu n?tig habe. Dass ein K?rper ausgedehnt sei, ist ein Satz, der a priori feststeht, und kein Erfahrungsurteil. Denn, ehe ich zur Erfahrung gehe, habe ich alle Bedingungen zu meinem Urteile schon in dem Begriffe, aus welchem ich das Pr?dikat nach dem Satze des Widerspruchs nur herausziehen, und dadurch zugleich der Notwendigkeit des Urteils bewusst werden kann, welche mir Erfahrung nicht einmal lehren w?rde. Dagegen, ob ich schon in dem Begriff eines K?rpers ?berhaupt das Pr?dikat der Schwere gar nicht einschliesse, so bezeichnet jener doch einen Gegenstand der Erfahrung durch einen Teil derselben, zu welchem ich also noch andere Teile eben derselben Erfahrung, als zu dem ersteren geh?rten, hinzuf?gen kann. Ich kann den Begriff des K?rpers vorher analytisch durch die Merkmale der Ausdehnung, der Undurchdringlichkeit, der Gestalt usw., die alle in diesem Begriffe gedacht werden, erkennen. Nun erweitere ich aber meine Erkenntnis, und, indem ich auf die Erfahrung zur?cksehe, von welcher ich diesen Begriff des K?rpers abgezogen hatte, so finde ich mit obigen Merkmalen auch die Schwere jederzeit verkn?pft, und f?ge also diese als Pr?dikat zu jenem Begriffe synthetisch hinzu. Es ist also die Erfahrung, worauf sich die M?glichkeit der Synthesis des Pr?dikats der Schwere mit dem Begriffe des K?rpers gr?ndet, weil beide Begriffe, ob zwar einer nicht in dem anderen enthalten ist, dennoch als Teile eines Ganzen, n?mlich der Erfahrung, die selbst eine synthetische Verbindung der Anschauungen ist, zueinander, wiewohl nur zuf?lligerweise, geh?ren.
Zuv?rderst muss bemerkt werden: dass eigentliche mathematische S?tze jederzeit Urteile a priori und nicht empirisch sind, weil sie Notwendigkeit bei sich f?hren, welche aus Erfahrung nicht abgenommen werden kann. Will man aber dieses nicht einr?umen, wohlan, so schr?nke ich meinen Satz auf die reine Mathematik ein, deren Begriff es schon mit sich bringt, dass sie nicht empirische, sondern bloss reine Erkenntnis a priori enthalte.
Ebensowenig ist irgendein Grundsatz der reinen Geometrie analytisch. Dass die gerade Linie zwischen zwei Punkten die k?rzeste sei, ist ein synthetischen Satz. Denn mein Begriff vom Geraden enth?lt nichts von Gr?sse, sondern nur eine Qualit?t. Der Begriff des K?rzesten kommt also g?nzlich hinzu, und kann durch keine Zergliederung aus dem Begriffe der geraden Linie gezogen werden. Anschauung muss also hier zu Hilfe genommen werden, vermittels deren allein die Synthesis m?glich ist.
Man gewinnt dadurch schon sehr viel, wenn man eine Menge von Untersuchungen unter die Formel einer einzigen Aufgabe bringen kann. Denn dadurch erleichtert man sich nicht allein selbst sein eigenes Gesch?lt, indem man es sich genau bestimmt, sondern auch jedem anderen, der es pr?fen will, das Urteil, ob wir unserem Vorhaben ein Gen?ge getan haben oder nicht. Die eigentliche Aufgabe der reinen Vernunft ist nun in der Frage enthalten: Wie sind synthetische Urteile a priori m?glich?
Dass die Metaphysik bisher in einem so schwankenden Zustande der Ungewissheit und Widerspr?che geblieben ist, ist lediglich der Ursache zuzuschreiben, dass man sich diese Aufgabe und vielleicht sogar den Unterschied der analytischen und synthetischen Urteile nicht fr?her in Gedanken kommen liess. Auf der Aufl?sung dieser Aufgabe, oder einem genugtuenden Beweise, dass die M?glichkeit, die sie erkl?rt zu wissen verlangt, in der Tat gar nicht stattfinde, beruht nun das Stehen und Fallen der Metaphysik. David Hume, der dieser Aufgabe unter allen Philosophen noch am n?chsten trat, sie aber sich bei weitem nicht bestimmt genug und in ihrer Allgemeinheit dachte, sondern bloss bei dem synthetischen Satze der Verkn?pfung der Wirkung mit ihren Ursachen stehen blieb, glaubte herauszubringen, dass ein solcher Satz a priori g?nzlich unm?glich sei, und nach seinen Schl?ssen w?rde alles, was wir Metaphysik nennen, auf einen blossen Wahn von vermeinter Vernunfteinsicht dessen hinauslaufen, was in der Tat bloss aus der Erfahrung erborgt und durch Gewohnheit den Schein der Notwendigkeit ?berkommen hat; auf welche, alle reine Philosophie zerst?rende, Behauptung er niemals gefallen w?re, wenn er unsere Aufgabe in ihrer Allgemeinheit vor Augen gehabt h?tte, da er dann eingesehen haben w?rde, dass, nach seinem Argumente, es auch keine reine Mathematik geben k?nnte, weil diese gewiss synthetische S?tze a priori enth?lt, vor welcher Behauptung ihn alsdann sein guter Verstand wohl w?rde bewahrt haben.
In der Aufl?sung obiger Aufgabe ist zugleich die M?glichkeit des reinen Vernunftgebrauches in Gr?ndung und Ausf?hrung aller Wissenschaften, die eine theoretische Erkenntnis a priori von Gegenst?nden enthalten, mit begriffen, d.i. die Beantwortung der Fragen:
Wie ist reine Mathematik m?glich? Wie ist reine Naturwissenschaft m?glich?
Nun ist aber diese Art von Erkenntnis in gewissem Sinne doch auch als gegeben anzusehen, und Metaphysik ist, wenngleich nicht als Wissenschaft, doch als Naturanlage wirklich. Denn die menschliche Vernunft geht unaufhaltsam, ohne dass blosse Eitelkeit des Vielwissens sie dazu bewegt, durch eigenes Bed?rfnis getrieben bis zu solchen Fragen fort, die durch keinen Erfahrungsgebrauch der Vernunft und daher entlehnte Prinzipien beantwortet werden k?nnen, und so ist wirklich in allen Menschen, sobald Vernunft sich in ihnen bis zur Spekulation erweitert, irgendeine Metaphysik zu aller Zeit gewesen, und wird auch immer darin bleiben. Und nun ist auch von dieser die Frage:
Wie ist Metaphysik als Naturanlage m?glich?
d.i. wie entspringen die Fragen, welche reine Vernunft sich aufwirft, und die sie, so gut als sie kann, zu beantworten durch ihr eigenes Bed?rfnis getrieben wird, aus der Natur der allgemeinen Menschenvernunft?
Da sich aber bei allen bisherigen Versuchen, diese nat?rlichen Fragen, z.B. ob die Welt einen Anfang habe, oder von Ewigkeit her sei, usw. zu beantworten, jederzeit unvermeidliche Widerspr?che gefunden haben, so kann man es nicht bei der blossen Naturanlage zur Metaphysik, d.i. dem reinen Vernunftverm?gen selbst, woraus zwar immer irgendeine Metaphysik erw?chst, bewenden lassen, sondern es muss m?glich sein, mit ihr es zur Gewissheit zu bringen, entweder im Wissen oder Nicht-Wissen der Gegenst?nde, d.i. entweder der Entscheidung ?ber die Gegenst?nde ihrer Fragen, oder ?ber das Verm?gen und Unverm?gen der Vernunft in Ansehung ihrer etwas zu urteilen, also entweder unsere reine Vernunft mit Zuverl?ssigkeit zu erweitern, oder ihr bestimmte und sichere Schranken zu setzen. Diese letzte Frage, die aus der obigen allgemeinen Aufgabe fliesst, w?rde mit Recht diese sein: Wie ist Metaphysik als Wissenschaft m?glich?
Die Kritik der Vernunft f?hrt also zuletzt notwendig zur Wissenschaft; der dogmatische Gebrauch derselben ohne Kritik dagegen auf grundlose Behauptungen, denen man ebenso scheinbare entgegensetzen kann, mithin zum Skeptizismus.
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