Read Ebook: Ludwig Bechsteins Märchenbuch Mit 176 Holzschnitten nach Originalzeichnungen von Ludwig Richter by Bechstein Ludwig Richter Ludwig Illustrator
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Ebook has 957 lines and 115224 words, and 20 pages
,,So zieht denn herzhaft in de Streit, Dohran erkennt mer tapfre Leut."
Und so ging es in Gottes Namen und im Sturmschritt auf das Ungeheuer los, und als dem Schulzen das Herz pfupferte, konnte er sich seiner Angst nicht erwehren und schrie: ,,Hau, huelhau! Hau, hauhau!" Da erschrak der Has und gab spornstreichs Fersengeld querfeldein, und lief, was er laufen konnte. Jetzt rief Schulz Allg?uer freudiglich:
,,Potz Veitle, luag, luag, was ischt das? Es Ohngeheuer ischt noh e Has!"
,,Hoschts gsehe? Hoschts gsehe?" fragten sich nun die andern untereinander. ,,Hotz Blitz! E Ding wie ne Kalb!" rief der Blitzschwab. Der Nestelschwab tat seinen gr?ssten Fluch: ,,Mit Verlaub! Dass dih es Meusle beiss'! E Tier wie ne Mastochs!" ,,Oho!" rief der Kn?pflesschwab: ,,En Elefand ischt noh e Katz gege des Ohntier." ,,Bygott!" erwiderte der Allg?uer, ,,wenn des koa Has gweh ischt, noh woiss i de Dreim?nner Wei vom Rachebutzer net z' unterschaide!"
,,Noh, Noh!" vermittelte der Seehas: ,,Has her! Has hen! E Seehas ischt halt gresser und gremmiger, als ?lle Hase im heiliche remische Reich." ,,Wie der Seewei seurer und herber als ?lle Wei im heiliche remische Reich," sagte hinten der Gehlf?ssler, und ?ber diese Anz?glichkeit h?tte ihm der Seehas fast ein paar Watscheln gegeben, denn es kr?nkte ihn schwer, dass der Veitle ?ber den Seewein spottete, der ihm von Kindesbeinen an geschmeckt. Mit den Seeweinen verh?lt es sich aber also: es gibt ihrer drei Arten, zum ersten der Sauerampfer, schmeckt nur ein weniges besser als Essig und verzieht das Maul nur ein bisschen, zumal wenn man sich daran gew?hnt hat. Die zweite Gattung ist Dreim?nnerwein geheissen, steht im Geschmack noch zehn Grad unter Essig und wurde so getauft, weil man behauptet, dass derjenige, so ihn zu trinken verurteilt, von zweien gehalten werden muss, w?hrend ihn ein dritter eingiesst. Die dritte Sorte ist der Rachenputzer, hat die r?hmliche Eigenschaft, dass er Schleim und alles andere abf?hrt, tut aber dabei not, dass wer sich mit dem Wein im Leib schlafen legt, in der Nacht sich wecken lasse, damit er sich umkehren m?ge, sonst m?chte ihm der Rachenputzer ein Loch in den Magen fressen.
Da nun das Abenteuer mit dem Ungeheuer von den sieben Schwaben so gl?ckhaft bestanden war, so wurden sie eins, nunmehr von ihren Taten auszuruhen und wieder friedlich heimzuziehen. Zuvor aber tat not, ein Siegeszeichen zu errichten, das der Mit- und Nachwelt ihren Triumph auf ewige Zeiten vermelde. Da nun unm?glich war, wie vor Zeiten tapfere Ritter getan, die Drachenhaut in einer Kirche aufzuh?ngen, dieweil kein Drache sein Fell zu Markte getragen und der Has in seinem Balg wohlbehalten entkommen war, so wurden die guten Gesellen dahin eins, ihr B?renfell und ihren Spiess als eine Troph?e in die n?chstgelegene Kapelle zu stiften, die hiess man hernach die Kapell zum schw?bischen Heiland. Dort wird wohl der Spiess noch h?ngen, das B?renfell aber haben die Motten verzehrt, und die Sperlinge haben die Haare in ihre Nester getragen.
Vom Schwaben, der das Leberlein gefressen.
Als unser lieber Herr und Heiland noch auf Erden wandelte, von einer Stadt zur andern, das Evangelium predigte und viele Zeichen tat, kam zu ihm auf eine Zeit ein guter einf?ltiger Schwab und fragte ihn: ,,Mein Leiden-Gesell, wo willt du hin?" Da antwortete ihm unser Herrgott: ,,Ich ziehe um, und mache die Leute selig." So sagte der Schwab: ,,Willt du mich mit dir lassen?" -- ,,Ja," antwortete unser Herrgott, ,,wenn du fromm sein willt und weidlich beten." Das sagte der Schwab zu. Als sie nun miteinander gingen, kamen sie zwischen zwei D?rfer, darinnen l?utete man. Der Schwab, der gern schw?tzte, fragte unsern Herrgott: ,,Mein Leiden-Gesell, was l?utet man da?" Unser Heiland, dem alle Dinge wissend waren, antwortete: ,,In dem einen Dorfe l?utet man zu einer Hochzeit, in dem andern zum Beg?ngnis eines Toten." -- ,,Gang du zum Toten!" sprach der Schwab, ,,so will ich zur Hochzeit gehn."
Darauf ging unser Herrgott in das Dorf und machte den Toten wieder lebendig, da schenkte man ihm hundert Gulden. Der Schwab t?t sich auf der Hochzeit um, half einschenken, einem Gast um den andern, und auch sich selbst, und als die Hochzeit zu Ende war, da schenkte man ihm einen Kreuzer. Das war der Schwab wohl zufrieden, machte sich auf den Weg und kam wieder zu unserm Herrgott. Alsbald, wie der Schwab diesen von weitem sahe, hub er sein Kreuzerlein in die H?he und schrie: ,,Lug, mein Leiden-Gesell! Ich hab' Geld; was hast denn du?", trieb also viel Prahlens mit seinem Kreuzerlein. Unser Herrgott lachte seiner und sprach: ,,Ach, ich hab' wohl mehr als du!" t?t den Sack auf und liess den Schwaben die hundert Gulden sehen. Der aber war nicht unbehend, warf geschwind sein armes Kreuzerlein unter die hundert Gulden, und rief: ,,Gemein, gemein! Wir wollen alles gemein miteinander haben!" Das liess unser Herrgott gut sein.
Nun als sie weiter miteinander gingen, begab es sich, dass sie zu einer Herde Schafe kamen, da sagte unser Herrgott zum Schwaben: ,,Gehe, Schwab, zu dem Hirten, heisse ihn uns ein L?mmlein zu geben, und koche uns das Geh?nge oder Ger?usch zu einem Mahle." -- ,,Ja!" sagte der Schwab, tat, wie ihm der Herr geheissen, ging zum Hirten, liess sich ein L?mmlein geben, zog's ab und bereitete das Geh?nge zum Essen. Und im Sieden da schwamm das Leberlein stets empor; der Schwab dr?ckt's mit dem L?ffel unter, aber es wollte nicht unten bleiben, das verdross den Schwaben ?ber alle Massen. Nahm deshalb ein Messer, schnitt das Leberlein, dieweil es gar war, voneinander und ass es. Und als nun das Essen auf den Tisch kam, da fragte unser Herrgott, wo denn das Leberlein hingekommen w?r? Der Schwab aber war gleich mit der Antwort bei der Hand, das L?mmlein habe keines gehabt. ,,Ei!" sagte unser Herrgott, ,,wie wollte es denn gelebt haben ohne ein Leberlein?" Da verschwur sich der Schwab hoch und teuer: ,,Es hat bei Gott und allen Gottes-Heiligen keines gehabt!" Was wollte unser Herrgott tun? Wollte er haben, dass der Schwab still schwieg, musst' er wohl zufrieden sein.
Nun begab es sich, dass sie wiederum miteinander spazierten, und da l?utete es abermals in zwei D?rfern. Der Schwab fragte: ,,Lieber, was l?utet man da?" -- ,,In dem einen Dorf l?utet man zu einem Toten, in dem andern zur Hochzeit," sagte unser Herrgott. ,,Wohl!" sprach der Schwab. ,,Jetzt gang du zur Hochzeit, so will ich zum Toten!" . Fragte den Herrn weiter: ,,Lieber, wie hast du getan, dass du den Toten auferwecket hast?" -- ,,Ja," antwortete der Herr, ,,ich sprach zu ihm, steh auf im Namen des Vaters, Sohnes und Heiligen Geistes! Da stand er auf." -- ,,Schon gut, schon gut!" rief der Schwab, ,,nun weiss ich's wohl zu tun!" und zog zum Dorfe, wo man ihm den Toten entgegentrug. Als der Schwab das sahe, rief er mit heller Stimme: ,,Halt da! Halt da! Ich will ihn lebendig machen, und wenn ich ihn nit lebendig mache, so henkt mich ohne Urtel und Recht."
Die guten Leute waren froh, verhiessen dem Schwaben hundert Gulden, und setzten die Bahre, darauf der Tote lag, nieder. Der Schwab t?t den Sarg auf und fing an zu sprechen: ,,Steh auf im Namen der heiligen Dreifaltigkeit!" Der Tote aber wollte nicht aufstehen. Dem Schwaben ward angst, er sprach seinen Segen zum andern und zum drittenmal, als aber jener Tote sich nicht erhob, so rief er voll Zorn: ,,Ei, so bleib liegen in tausend Teufel Namen!" Als die Leute diese gottlose Rede h?rten, und sahen, dass sie von dem Gecken betrogen waren, liessen sie den Sarg stehen, fassten den Schwaben und eileten demn?chst mit ihm dem Galgen zu, warfen die Leiter an und f?hrten den Schwaben hinauf.
Unser Herrgott zog fein gemachsam seine Strasse heran, da er wohl wusste, wie es dem Schwaben ergehen werde, wollte doch sehen, wie er sich stellen w?rde, kam nun zum Gericht, und rief: ,,O guter Gesell, was hast du doch getan? In welcher Gestalt erblick' ich dich?" Der Schwab war blitzwild und begann zu schelten, der Herr h?tte ihn den Segen nicht recht gelehrt. ,,Ich habe dich recht belehrt," sprach der Herr. ,,Du aber hast es nicht recht gelernt und getan, doch dem sei, wie ihm wolle. Willt du mir sagen, wo das Leberlein hinkommen ist, so will ich dich erledigen!" -- ,,Ach!" sagte der Schwab, ,,das L?mmlein hat wahrlich kein Leberlein gehabt! Wes zeihest du mich?" -- ,,Ei, du willst's nur nicht sagen!" sprach der Herr. ,,Wohlan, bekenn' es, so will ich den Toten lebendig machen!" Der Schwab aber fing an zu schreien: ,,Henket mich, henket mich! So komm' ich der Marter ab. Der will mich zwingen mit dem Leberlein, und h?rt doch wohl, dass das L?mmlein kein Leberlein gehabt hat! Henket mich nur stracks und flugs!"
Wie solches unser Herrgott h?rte, dass sich der Schwab eher wollt henken lassen, als die Wahrheit gestehen, befahl er, ihn herabzulassen, und machte nun selbst den Toten lebendig.
Als sie nun miteinander wieder von dannen zogen, sprach unser Herrgott zum Schwaben: ,,Komm her, wir wollen miteinander das gewonnene Geld teilen, und dann voneinander scheiden, denn wenn ich dich allewege und ?berall sollte vom Galgen erledigen, w?rde mir das zuviel." Nahm also die zweihundert Gulden und teilte sie in drei Teile. Als solches der Schwab sahe, fragte er: ,,Ei, Lieber, warum machst du drei Teile, so doch unsrer nur zween sind?" -- ,,Ja," antwortete unser lieber Herrgott, ,,der eine Teil, der ist mein; der andere Teil, der ist dein, und der dritte Teil, der ist dessen, der das Leberlein gefressen hat!" Als der Schwab solches h?rte, rief er fr?hlich aus: ,,So hab' ich's bei Gott und allen lieben Gottes-Heiligen doch gefressen!" Sprach's und strich auch den dritten Teil ein, und nahm also Urlaub von unserm lieben Herrgott.
Die Probest?cke des Meisterdiebes.
Es wohnten in einem Dorfe ein Paar sehr arme alte Leute mutterseelenallein in einem geringen H?uslein, das ganz weit draussen stand, und h?rte gerade mit diesem H?uslein das Dorf auf. Die beiden Alten waren brav und fleissig, aber sie hatten keine Kinder. Einen Sohn, einen einzigen, hatten sie gehabt, aber der war ein ungeratener Bube gewesen, und heimlich auf und davongegangen, hatte auch sein Lebetag nichts wieder von sich h?ren und sehen lassen, und so glaubten die beiden Alten, ihr Einziger sei lange tot und bei Gott gut aufgehoben.
Nun sassen einstmals die beiden Alten vor ihrer Haust?r, an einem Feiertage, da fuhr zum Dorfe herein ein stattlicher Wagen, den zogen sechs sch?ne Rosse, und darin sass ein einzelner Herr, hintenauf stand ein Bedienter, dessen Hut und Rock von Gold und Silber nur so starrte. Der Wagen fuhr durch das ganze Dorf, und die B?uerlein, die gerade aus der Kirche kamen, meinten schier, es fahre ein Herzog oder gar ein K?nig vorbei, denn solche Pracht konnte der Edelmann, der droben im alten Schloss wohnte, nicht aufwenden. Da hielt mit einem Male der Wagen vor dem letzten H?uslein still, der Bediente sprang vom Bocke und ?ffnete dem darin sitzenden Herrn den Schlag, welcher ausstieg und auf die beiden Alten zueilte, die sich ganz best?rzt von ihrer Bank erhoben hatten. Er bot ihnen freundlich guten Tag und Handschlag und fragte, ob er nicht ein Gericht Kartoffelh?tes mit ihnen essen k?nne? Dar?ber verwunderte sich am meisten das M?tterlein, aber der junge h?bsche und sehr vornehm gekleidete Herr stillte alsbald ihr Staunen, indem er sagte, dass ihm noch kein Koch diese H?tes habe recht machen k?nnen, er wolle sie einmal von Landleuten zubereitet essen, wie in seiner Jugend. Da luden die Alten den edlen Junker, f?r den sie den Fremdling hielten, freundlich in ihre H?tte, und er liess den Wagen mit Kutscher und Bedienten einstweilen in das Wirtshaus fahren. Das M?tterlein holte eilends Kartoffeln aus dem kleinen Keller des H?usleins herauf, sch?lte, rieb und presste sie, liess Wasser sieden, tat die geballten Kl?sse, zu denen sie etwas Schmalz getan, hinein, und segnete dieses Essen mit dem frommen Spruch: ,,Gott beh?t es," davon denn auch die Kl?sse an vielen Orten S?dth?ringens H?tes heissen. In dieser Zeit, dass die Alte ihr Mahl bereitete, war ihr Mann mit dem Fremdling in das Hausg?rtchen gegangen, wo er an kurz zuvor gepflanzten jungen B?umen sich eine kleine Besch?ftigung machte, und nachsah, ob die Pf?hle, an welche die St?mmchen mit Weide gebunden waren, noch festhielten, und der Wind keine Weide losgerissen hatte, und wo dies geschehen war, da band der Alte jedes St?mmchen wieder fest. Da hub der junge Fremde an zu fragen: ,,Warum bindet Ihr dieses kleine St?mmchen dreimal an?" -- ,,Ja!" sprach der Alte, ,,da hat es drei Kr?mmen, darum bind' ich's fest, dass es gerade w?chst." -- ,,Das ist recht, Alter!" sprach der Fremde; ,,aber dort habt Ihr ja einen alten krummen Knorz von Baum! Warum bindet Ihr den nicht auch an einen Pfahl auf, dass er gerade wird?" -- ,,Hoho!" lachte der Alte, ,,alte B?ume, wenn sie krumm sind, werden nicht wieder gerad. Wenn man sie gerade haben will, muss man sie jung gut ziehen." -- ,,Habt Ihr auch Kinder?" fragte der Fremde weiter. ,,O lieber Gott, Euer Gnaden!" antwortete der Mann, ,,gehabt hab' ich einen Jungen, war ein erzer Nichtsnutzer, hat wilde b?se Streiche gemacht, und ist mir zuletzt davongelaufen, und sein Lebtag nicht wiedergekommen. Wer weiss, wo ihn der liebe Gott hingef?hrt hat, oder der B?se." -- ,,Warum habt Ihr denn Euern Sohn nicht beizeiten gerad gezogen, wie diese da, Eure B?umchen!" sprach betr?bt und vorwurfsvoll der Fremde. ,,Wenn er nun ein ungeratner krummer Knorz und Wildling worden, so ist's Eure Schuld. Aber wenn er Euch nun wieder unter die Augen k?me, w?rdet Ihr ihn wohl erkennen?" -- ,,Weiss auch nicht, lieber Herr!" erwiderte der Bauer, ,,er wird wohl in die H?he geschossen sein, wenn er noch lebt, doch hatte er ein Muttermal am Leibe, daran allenfalls k?nnt' ich ihn kennen. Der kommt aber doch erst am Nimmermehrstag wieder heim." Da zog der Fremde seinen Rock aus, und zeigte dem Alten ein Muttermal; der schlug die H?nde ?berm Kopf zusammen und schrie: ,,Herr Jes's! Du bist mein Sohn -- aber nein -- du bist so schrecklich f?rnehm. Bist du denn ein Graf geworden, oder gar ein Herzog?" -- ,,Das nicht, Vater," sprach der Sohn leise, ,,aber etwas anders, ein Spitzbub bin ich geworden, weil Ihr mich nicht gerade gezogen habt, doch lasst's gut sein, ich hab' meine Kunst t?chtig studiert, bin nicht etwa so ein miserabler Pfuscher, wie's ihrer viele gibt."
Der alte Mann war ganz stumm vor Schreck und vor Freude, f?hrte den Sohn an der Hand ins Haus und zur Mutter, die justement die Kl?sse fertig hatte und auftrug, und sagte ihr alles. Da fiel das M?tterlein ihrem Sohn an das Herz und um den Hals, k?sste ihn und weinte und sagte: ,,Dieb hin, Dieb her! Du bist doch mein lieber Sohn, den ich unterm Herzen getragen habe, und mir h?pft das Herz hoch in der Brust, dass ich dich in meinen alten Tagen wiedergesehen! Ach, was wird dein Herr Pate sagen, droben auf dem Schloss der Edelmann!" -- ,,Ja!" sprach dazwischen der Vater, w?hrend alle drei nun miteinander tapfer in die Kl?sse einhieben, ,,dein Herr Pate wird nichts von dir wissen wollen, bei so bewandten Umst?nden, wie es mit dir steht; er wird dich am Ende an dem lichten Galgen zappeln lassen." -- ,,Nun, besuchen will ich ihn doch, den Herrn Paten!" antwortete der Sohn, liess seinen Wagen anspannen und fuhr aufs Schloss hinauf.
Der Edelmann war sehr erfreut, seinen Paten, den er als armes Kind aus Gnaden zur Taufe gehoben, so stattlich wieder vor sich treten zu sehen, als dieser sich ihm zu erkennen gab. Aber dar?ber freute er sich nicht im mindesten, als auf Befragen, was er denn in der Welt geworden sei, der junge Pate zur Antwort gab, er w?re ein ausgelernter Spitzbube geworden. Sann alsobald dar?ber nach, wie er mit guter Art einen so gef?hrlichen Menschen inzeiten loswerden m?chte.
,,Wohlan!" sprach der Edelmann zu seinem Paten, ,,wir wollen sehen, ob du das Deinige ordentlich gelernt hast, und ein so grosser Dieb geworden bist, den man mit Ehren laufen lassen kann, oder nur so ein kleiner, den man an den ersten besten Galgen henkt. Letzteres werde ich in meinem Gerichtsbann mit dir unfehlbar tun, wenn du nicht die drei Proben bestehst, die ich dir auferlegen werde!" -- ,,Nur her damit, gestrenger Herr Pate! Ich f?rchte mich vor keiner Arbeit."
Der Edelmann sann eine kleine Weile nach, dann sprach er: ,,H?r' an! Dieses sind die drei Proben. Zum ersten: stiehl mir mein Leibpferd aus dem Stalle, den ich wohl bewachen lasse von Soldaten und Stalleuten, die jeden totschlagen, der Miene macht, in den Stall zu dringen. Zum andern, stiehl mir, wenn ich mit meiner Frau im Bette liege, das Bettuch unterm Leibe weg, und meiner Frau den Trauring vom Finger, doch wisse, dass ich geladene Pistolen zur Hand habe. Zum dritten und letzten, -- und merke, das ist das schwerste St?ck: stiehl mir Pfarrer und Schulmeister aus der Kirche und h?nge sie beide lebend in einem Sack in meinen Schornstein. Tor und T?ren im Schlosse sollen dir dazu offenstehen."
Der Meisterdieb bedankte sich freundlich bei seinem Herrn Paten, dass er ihm so leichte St?cklein aufgegeben, und ging seiner Wege, um in n?chster Nacht gleich das erste St?ck auszuf?hren. Der Edelmann traf alle Anstalten, sein Leibross gut bewachen zu lassen. Sein erster Reitknecht musste sich daraufsetzen, ein anderer Diener musste den Zaum fassen, ein dritter den Schwanz, und vor die T?re ordnete der Herr eine Soldatenwache. Die wachten und wachten, froren und fluchten, denn es war kalt und alle waren durstig; da zeigte sich ein altes m?des M?tterlein, das trug ein F?sslein auf einem Korbe, h?stelte schwer und keuchte zum Schlosshof hinein. Das F?sslein weckte in der Seele der Soldaten ganz besonders anziehende Gedanken, n?mlich die, dass m?glicherweise Branntwein darin sein k?nne, und dass Branntwein ein Spezifikum gegen den Nachtfrost sei und gegen die b?sen Nebel. Riefen daher das alte M?tterlein zum Feuer, dass sich's w?rme, und forschten nach dem Inhalt des F?ssleins. Richtig geahnet! Branntwein war darin, und noch dazu veredelter, Doppelpomeranzen, Spanischbitter oder so eine Sorte. Auch war das F?sslein nicht t?ckischerweise verpicht und verspundet, sondern es war ein H?hnlein daran, und die Frau hatte, das war das Beste, den Branntwein zu verkaufen. Da kauften die Soldaten ein Becherlein ums andere, riefen's auch den W?chtern im Stalle zu, dass draussen im Hofe der Weizen bl?he, und das alte Frauchen hatte alle H?nde voll zu tun mit Einsch?nken, so dass ihr F?sslein schier leer war. Die alte Frau war aber kein anderer Mensch als der Erzdieb, der sich gut verkleidet und in den Schnaps einen barbarischen Schlaftrunk gemischt hatte. Es w?hrte gar nicht lange, so fiel ein Soldat nach dem andern in Schlaf und den W?chtern im Stalle fielen auch die Augen zu, und es war gut, dass der Dieb schon im Stalle bei dem Pferde stand, so konnte er den Reitknecht in seinen Armen auffangen, als dieser gerade vom Pferde fiel, und ihn sanft rittlings auf die Schranke setzen und was weniges anbinden, damit der gute Mensch nicht etwa auch da herunterfalle und Schaden leide. Dem Leibkutscher, der den Zaum hielt, und in der Ecke schnarchte, lieh der Dieb einen Strick in die Hand, und dem Stallknecht statt des Rossschweifes ein Strohseil. Dann nahm er eine Pferdedecke, schnitt sie in St?cke, wickelte sie um des Rosses F?sse, schwang sich in den Sattel und heidi, hast du nicht gesehen -- zum Stall und zum offengebliebenen Schlosstor hinaus.
Als es heller Tag geworden, sah der Edelmann zum Fenster hinaus, und sah einen stattlichen Reiter dahergaloppiert kommen, auf einem nicht minder stattlichen Ross, das ihm so bekannt vorkam. Der Reiter hielt an und bot guten Morgen hinauf zum Schlossfenster. ,,Guten Morgen, Herr Pate! Euer Pferd ist Goldes wert!" -- ,,Ei, dass dich alle Teufel!" rief der Edelmann, wie er sah, dass das Pferd seine Schecke war. ,,Du bist ein Gaudieb! Nu, nu -- nur zu! Lass deine Kunst weiter sehen!" Der Edelmann nahm seine Reitpeitsche und ging nach dem Stalle voller Zorn; als er aber die wunderlichen Gruppen der noch immer schlafenden W?chter sah, musste er laut auflachen; gedachte aber bald in seinem Herzen: wenn der Gauner diese Nacht kommt, mir das Bettuch zu stehlen, will ich ihm eine Kugel durch den Kopf schiessen, denn solch einen gef?hrlichen Kerl m?chte ich nicht in meiner N?he wissen.
Da nun die Nacht herbeigekommen war, legte sich der Edelmann mit seiner Frau zu Bette, und neben sich legte er eine geladene Pistole und unterschiedliche andere Wehr und Waffen, schlief auch nicht ein, sondern blieb wachsam, horchte und lauschte, ob sich nichts regte. Lange blieb alles still, jetzt endlich, es war schon ziemlich dunkel, war es, als w?rde eine lange Leiter angelehnt, und bald darauf wurde draussen am Fenster die Gestalt eines Menschen sichtbar, der hereinsteigen wollte. ,,Erschrick nicht, Frau!" rief leise der Edelmann, nahm die Pistole, zielte gut, dr?ckte los, und schoss den R?uber mitten durch den Kopf, dieser wankte, und gleich darauf h?rte man unten einen schweren Fall. ,,Der steht nicht wieder auf," sprach der Edelmann, ,,doch m?cht' ich Aufsehen vermeiden, ich will deshalb geschwind die Leiter hinuntersteigen, dass im Hause kein L?rm wird, und den Erschossenen beiseite schaffen." Das war der Edelfrau recht, und ihr Mann tat, wie er gesagt. Bald darauf kam er wieder herauf und sprach zur Frau: ,,Der ist mausetot; ich will den armen Teufel aber doch, ehe ich ihn in die Grube werfe, in ein Leilaken h?llen, und da er um deines Ringes willen sein Leben hat lassen m?ssen, so wollen wir ihm diesen anstecken; gib mir den Ring und auch das Bettuch." Die Frau gab beides her, und jener stieg eilend wieder hinunter. Es war aber nicht der Edelmann, sondern der Meisterdieb, der, um sein St?cklein auszuf?hren, vom ersten besten Galgen , einen frisch Gehenkten abgeschnitten und ihn dann auf seine Schultern geladen hatte, als er die Leiter emporstieg. Wie drinnen der Schuss fiel, liess er den Leichnam hinunterst?rzen, stieg eilend die Leiter herab und versteckte sich. Und wie nun der Edelmann herunterkam und sich mit dem vermeintlich Erschossenen zu schaffen machte, wischte er rasch hinauf ins Zimmer der Frau, ahmte des Paten Stimme nach und forderte Ring und Bettuch.
Am andern Morgen sah der Edelmann wieder nach seiner Gewohnheit zum Fenster hinaus, da ging drunten ein Mann auf und ab, der hatte, wie es schien, Leinwand zu verkaufen, mindestens trug er ein zusammengeschlagenes B?ndel ?ber der Schulter, und liess einen sch?nen Ring in der Morgensonne blitzen und funkeln. Mit einem Male rief der Mann hinauf: ,,Sch?nsten guten Morgen, Herr Pate! Ich w?nsche Ihnen und der Frau Patin recht wohl geruht zu haben!" -- Der Edelmann war wie vom Donner ger?hrt, als er seinen Paten, den er die vorige Nacht mit eigner Hand erschossen und mit derselben Hand in eine Grube geworfen, leibhaftig stehen sah, und fragte hastig seine Frau nach Ring und Tuch. ,,Nun, du hast mir's ja diese Nacht abverlangt!" erwiderte die Dame. ,,Der Satan! Aber ich nicht!" tobte der Edelmann -- doch gab er sich bald wieder, in Erw?gung, dass der k?hne Dieb noch mehr h?tte nehmen k?nnen. Er machte dem Paten eine Faust zum Fenster hinaus und rief: ,,Erzgauner! Das dritte! Das dritte bringt dich sicherlich an den Galgen!"
In der n?chsten Nacht darauf begab sich etwas Seltsames auf dem Gottesacker. Der Schulmeister, der diesem zun?chst wohnte, wurde es zuerst gewahr, und meldete es dem Herrn Pfarrer. ?ber den Gr?bern wandelten kleine brennende Lichtlein in unsteter Bewegung umher. ,,Das sind die armen Seelen, Schulmeister!" fl?sterte der Pfarrer mit Grausen. Pl?tzlich erschien eine grosse schwarze Gestalt auf den Stufen der Kircht?re, die rief mit hohlem Tone:
Kommt all' zu mir, kommt all' zu mir, Der J?ngste Tag ist vor der T?r! O Menschenkinder, betet still! Die Toten sammeln schon ihr Gebein! Wer mit mir in den Himmel will, Der kreuch in diesen Sack hinein!
,,Wollen wir?" fragte der Schulmeister den Pfarrer mit Z?hneklappern. ,,Zeit w?r's, vorm Torschluss. Der heilige Apostel Petrus ruft uns, das ist keine Frage. Aber Reisegeld?" -- ,,Ich habe mir zwanzig Kronen erdarbt," wisperte das Schulmeisterlein. ,,Ich habe hundert Dicketonnen f?r den Notfall zur?ckgelegt!" sprach der Pfarrer. ,,Holen wir's und nehmen's mit!" riefen beide und taten also, dann n?herten sie sich der schwarzen Gestalt mit Furcht und Zittern. Diese war der Meisterdieb; er hatte Krebse gekauft und ihnen brennende Wachslichterlein auf den R?cken geklebt, das waren die armen Seelen, hatte einen M?nchsbart und eine M?nchskutte, und einen Hopfensack, in den er die beiden Schwarzr?cke aufnahm, nachdem er ihnen ihr Erspartes abgenommen. Jetzt schn?rte er den Sack zu und schleifte ihn hinter sich her durch das Dorf und durch einen T?mpel, wobei er rief: ,,Jetzt geht's durch das Rote Meer!", dann durch den Bach: ,,Jetzt geht's durch den Bach Kidron!", dann durch die Schlossflur, allwo es k?hl war: ,,Jetzt geht's durch das Tal Josaphat!", dann zur Treppe hinauf: ,,Dieses ist schon die Himmelsleiter!", endlich hing er den Sack im Schornstein auf an einen Haken, daran man die Schinken r?uchert, machte darunter einen ziemlichen Qualm und rief mit schrecklicher Stimme: ,,Dieses ist das Fegefeuer! Dieses dauert etwelche Jahre!" und machte sich fort. Da schrien Pfarrer und Schulmeister Zetermordio, dass das ganze Hausgesinde zusammenlief. Der Meisterdieb aber trat kecklich zum Edelmann: ,,Herr Pate, meine dritte Probe ist auch gel?st. Pfarrer und Schulmeister h?ngen im Schornstein, und so es Euch gef?llig, k?nnt Ihr sie selber zappeln sehen und schreien h?ren!" -- ,,O du Erzschalk und Erzgauner, du Erzb?sewicht und Meisterdieb aller Meisterdiebe!" rief der Edelmann und gab gleich Befehl, jene aus dem Fegefeuer zu erl?sen. ,,Du hast mich ?berwunden, hebe dich von dannen! Hier hast du ein Goldst?ck. Hebe dich von dannen, komme mir nicht wieder vor Augen, und lass dich f?r dein Geld henken, wo es dir gef?llig ist."
,,Danke zum Allersch?nsten, gestrenger Herr Pate, und will so tun!" antwortete der Spitzbub, ,,aber wollt Ihr nicht die Pf?nder ausl?sen, die ich redlich erworben habe? Euer Leibross mit zweihundert Kronen, Eurer Gemahlin Trauring und das Tuch mit hundert Kronen, des Pfarrers und Schulmeisters Geld mit hundertundzwanzig Kronen! Wo nicht, so fahr' ich damit von dannen." Den Edelmann r?hrte fast der Schlag; er sprach: ,,Lieber Pate, das war ja alles nur ein Spass, du wirst diese G?ter nicht an dir behalten wollen; ich schenke dir ja das Leben." ,,Nun, so will ich gehen und Euch die Sachen alle herbringen!" sprach der Meisterdieb; ging und liess seinen Wagen anspannen, seinen alten Vater und seine Mutter hineinsetzen, setzte sich selbst auf des Edelmanns Ross, steckte den pr?chtigen Ring an den Finger und schickte dem Edelmann nur das Bettuch mit einem Brieflein, darin stand: ,,Gebt dem Pfarrer und dem Schulmeister ihr Geld zur?ck, sonst stiehlt Euch Eure Frau Dero untert?niger Pate und Meisterdieb."
Da bekam der Edelmann grosse Furcht, trug den Schaden und wollte nichts mehr von seinem Paten wissen, erfuhr auch nichts mehr von ihm, denn der war mit seinen Eltern in ein fernes Land gezogen und ein ehrlicher und angesehener Mann geworden.
Die verzauberte Prinzessin.
Es war einmal ein armer Handwerksmann, der hatte zwei S?hne, einen guten, der hiess Hans, und einen b?sen, der hiess Helmerich. Wie das aber wohl geht in der Welt, der Vater hatte den b?sen mehr lieb als den guten.
Nun begab es sich, dass das Jahr einmal ein mehr als gew?hnlich teures war und dem Meister der Beutel leer ward. Ei! dachte er, man muss zu leben wissen. Sind die Kunden doch so oft zu dir gekommen, nun ist es an dir, h?flich zu sein und dich zu ihnen zu bem?hen. Gesagt, getan. Fr?hmorgens zog er aus und klopfte an mancher stattlichen T?r; aber wie es sich denn so trifft, dass die stattlichsten Herren nicht die besten Zahler sind, die Rechnung zu bezahlen hatte niemand Lust. So kam der Handwerksmann m?de und matt des Abends in seine Heimat und tr?bselig setzte er sich vor die T?re der Schenke ganz allein, denn er hatte weder das Herz, mit den Zechg?sten zu plaudern, noch freute er sich sehr auf das lange Gesicht seines Weibes. Aber wie er dasass in Gedanken versunken, konnte er doch nicht lassen, hinzuh?ren auf das Gespr?ch, das drinnen gef?hrt ward. Ein Fremder, der eben aus der Hauptstadt angelangt war, erz?hlte, dass die sch?ne K?nigstochter von einem b?sen Zauberer gefangen gesetzt sei und m?sse im Kerker bleiben ihr lebelang, wenn nicht jemand sich f?nde, der die drei Proben l?ste, welche der Zauberer gesetzt hatte. F?nde sich aber einer, so w?re die Prinzess sein und ihr ganzes herrliches Schloss mit all seinen Sch?tzen. Das h?rte der Meister an, zuerst mit halbem Ohr, dann mit dem ganzen und zuletzt mit allen beiden, denn er dachte: mein Sohn Helmerich ist ein aufgeweckter Kopf, der wohl den Ziegenbock barbieren m?chte, so das einer von ihm heischte; was gilt's, er l?st die Proben und wird der Gemahl der sch?nen Prinzess und Herr ?ber Land und Leute. Denn also hatte der K?nig, ihr Vater, verk?ndigen lassen. -- Schleunig kehrte er nach Haus und vergass seine Schulden und Kunden ?ber der neuen M?r, die er eilig seiner Frau hinterbrachte. Des andern Morgens schon sprach er zum Helmerich, dass er ihn mit Ross und Wehr ausr?sten wolle zu der Fahrt, und wie schnell machte der sich auf die Reise! Als er Abschied nahm, versprach er seinen Eltern, er wolle sie samt dem dummen Bruder Hans gleich holen lassen in einem sechssp?nnigen Wagen; denn er meinte schon, er w?re K?nig. ?berm?tig wie er dahinzog, liess er seinen Mutwillen aus an allem, was ihm in den Weg kam. Die V?gel, die auf den Zweigen sassen und den Herrgott lobten mit Gesang, wie sie es verstanden, scheuchte er mit der Gerte von den ?sten und kein Getier kam ihm in den Weg, daran er nicht seinen Schabernack ausgelassen h?tte. Und zum ersten begegnete er einem Ameisenhaufen; den liess er sein Ross zertreten, und die Ameisen, die erz?rnt an sein Ross und an ihn selbst krochen und Pferd und Mann bissen, erschlug und erdr?ckte er alle. Weiter kam er an einen klaren Teich, in dem schwammen zw?lf Enten. Helmerich lockte sie ans Ufer und t?tete deren elf, nur die zw?lfte entkam. Endlich traf er auch einen sch?nen Bienenstock; da machte er es den Bienen wie er es den Ameisen gemacht. Und so war seine Freude, die unschuldige Kreatur nicht sich zum Nutzen, sondern aus blosser T?cke zu plagen und zu zerst?ren.
Als Helmerich nun bei sinkender Sonne das pr?chtige Schloss erreicht hatte, darin die Prinzessin verzaubert war, klopfte er gewaltig an die geschlossene Pforte. Alles war still; immer heftiger pochte der Reiter. Endlich tat sich ein Schiebfenster auf und hervor sah ein altes M?tterlein mit spinnewebfarbigem Gesichte, die fragte verdriesslich, was er begehre. ,,Die Prinzess will ich erl?sen," rief Helmerich, ,,geschwind macht mir auf." ,,Eile mit Weile, mein Sohn," sprach die Alte; ,,morgen ist auch ein Tag, um neun Uhr werde ich dich hier erwarten." Damit schloss sie den Schalter.
Am andern Morgen um neun Uhr, als Helmerich wieder erschien, stand das M?tterchen schon seiner gew?rtig mit einem F?sschen voll Leinsamen, den sie ausstreute auf eine sch?ne Wiese. ,,Lies die K?rner zusammen," sprach sie zu dem Reiter, ,,in einer Stunde komme ich wieder, da muss die Arbeit getan sein." -- Helmerich aber dachte, das sei ein alberner Spass und lohne es nicht, sich darum zu b?cken; er ging derweil spazieren und als die Alte wiederkam, war das F?sschen so leer wie vorher. ,,Das ist nicht gut," sagte sie. Darauf nahm sie zw?lf goldene Schl?sselchen aus der Tasche und warf sie einzeln in den tiefen dunklen Schlossteich. ,,Hole die Schl?ssel herauf," sprach sie, ,,in einer Stunde komme ich wieder, da muss die Arbeit getan sein." Helmerich lachte und tat wie vorher. -- Als die Alte wiederkam und auch diese Aufgabe nicht gel?st war, da rief sie zweimal: ,,Nicht gut! Nicht gut!" Doch nahm sie ihn bei der Hand und f?hrte ihn die Treppe hinauf in den grossen Saal des Schlosses; da sassen drei Frauenbilder, alle drei in dichte Schleier verh?llt. ,,W?hle, mein Sohn," sprach die Alte, ,,aber sieh dich vor, dass du recht w?hlst. In einer Stunde komme ich wieder." Helmerich war nicht kl?ger, da sie wiederkam als da sie wegging; ?berm?tig aber rief er aufs Geratewohl: ,,Die zur Rechten w?hl' ich." -- Da warfen alle drei die Schleier zur?ck; in der Mitte sass die holdselige Prinzess, rechts und links zwei scheussliche Drachen, und der zur Rechten packte den Helmerich in seine Krallen und warf ihn durch das Fenster in den tiefen Abgrund.
Ein Jahr war verflossen seit Helmerich ausgezogen, die Prinzess zu erl?sen, und noch immer war bei den Eltern kein sechssp?nniger Wagen angelangt. ,,Ach!" sprach der Vater, ,,w?re nur der ungeschickte Hans ausgezogen statt unsres besten Buben, da w?re das Ungl?ck doch geringer." -- ,,Vater," sagte Hans, ,,lasst mich hinziehn, ich will's auch probieren." Aber der Vater wollte nicht, denn was dem Klugen misslingt, wie f?hrte das der Ungeschickte zu Ende? Da der Vater ihm Ross und Wehr versagte, machte Hans sich heimlich auf und wanderte wohl drei Tage denselben Weg zu Fuss, den der Bruder an einem geritten war. Aber er f?rchtete sich nicht, und schlief des Nachts auf dem weichen Moos unter den gr?nen Zweigen so sanft wie unter dem Dach seiner Eltern; die V?gel des Waldes scheuten sich nicht vor ihm, sondern sangen ihn in Schlaf mit ihren besten Weisen. Als er nun an die Ameisen kam, die besch?ftigt waren, ihren neuen Bau zu vollenden, st?rte er sie nicht, sondern wollte ihnen helfen, und die Tierchen, die an ihm hinaufkrochen, las er ab ohne sie zu t?ten, wenn sie ihn auch bissen. Die Enten lockte er auch ans Ufer, aber um sie mit Brosamen zu f?ttern; den Bienen warf er die frischen Blumen hin, die er am Wege gepfl?ckt hatte. So kam er fr?hlich an das K?nigsschloss und pochte bescheiden am Schalter. Gleich tat die T?re sich auf und die Alte fragte nach seinem Begehr. ,,Wenn ich nicht zu gering bin, m?chte ich es auch versuchen, die sch?ne Prinzess zu erl?sen," sagte er. ,,Versuche es, mein Sohn," sagte die Alte, ,,aber wenn du die drei Proben nicht bestehst, kostet es dein Leben." ,,Wohlan, M?tterlein," sprach Hans, ,,sage, was ich tun soll." Jetzt gab die Alte ihm die Probe mit dem Leinsamen. Hans war nicht faul sich zu b?cken, doch schon schlug es drei Viertel und das F?sschen war noch nicht halb voll. Da wollte er schier verzagen; aber auf einmal kamen schwarze Ameisen mehr als genug und in wenigen Minuten lag kein K?rnlein mehr auf der Wiese. Als die Alte kam, sagte sie: ,,Das ist gut!" und warf die zw?lf Schl?ssel in den Teich, die sollte er in einer Stunde herausholen. Aber Hans brachte keinen Schl?ssel aus der Tiefe; so tief er auch tauchte, er kam nicht an den Grund. Verzweifelnd setzte er sich ans Ufer; da kamen die zw?lf Entchen herangeschwommen, jede mit einem goldenen Schl?sselchen im Schnabel, die warfen sie ins feuchte Gras. So war auch diese Probe gel?st, als die Alte wiederkam, um ihn nun in den Saal zu f?hren, wo die dritte und schwerste Probe seiner harrte. Verzagend sah Hans auf die drei gleichen Schleiergestalten; wer sollte ihm hier helfen? Da kam ein Bienenschwarm durchs offene Fenster geflogen, die kreisten durch den Saal und summten um den Mund der drei Verh?llten. Aber von rechts und links flogen sie schnell wieder zur?ck, denn die Drachen rochen nach Pech und Schwefel, wovon sie leben; die Gestalt in der Mitte umkreisten sie alle und surrten und schwirrten leise: ,,Die Mittle, die Mittle." Denn da duftete ihnen der Geruch ihres eigenen Honigs entgegen, den die K?nigstochter so gern ass. Also, da die Alte wiederkam nach einer Stunde, sprach Hans ganz getrost: ,,Ich w?hle die Mittle." Und da fuhren die b?sen Drachen zum Fenster hinaus, die sch?ne K?nigstochter aber warf ihren Schleier ab und freute sich der Erl?sung und ihres sch?nen Br?utigams. Und Hans sandte dem Vater der Prinzess den schnellsten Boten und zu seinen Eltern einen goldenen Wagen mit sechs Pferden bespannt, und sie alle lebten herrlich und in Freuden, und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie heute noch.
Der Teufel ist los oder Das M?rlein, wie der Teufel den Branntwein erfand.
Es hatten einmal zwei Landesherren einen Grenzstreit; da waren auf jeder Seite Zeugen, die das Recht behaupteten, und darunter waren zwei, die hatten vom Teufel die Schwarzkunst erlernt und ihm daf?r ihre Seelen verschrieben.
Diese beiden haben einmal ein jeder in der Nacht wollen falsche Grenzsteine setzen, so, wie jeder von ihnen die Grenze behauptete, und haben die Steine mit schwarzer Kunst wollen machen, dass sie auss?hen, als ob sie schon viele, viele Jahre dagestanden h?tten. Da sind sie alle zwei, als feurige M?nner, hinauf auf die H?he gegangen. Und wie der eine hinaufkommt, da ist der andere schon da. Aber keiner hat etwas von dem andern gewusst, dass dieser denselben Gedanken hatte.
Da fragte der eine den andern: ,,Was machst du da?"
,,,,Was hast du danach zu fragen? Sage mir zuvor, was du da machen willst?""
,,Grenzsteine will ich setzen, und will den Grenzzug machen, wie dieser eigentlich sein muss."
,,,,Das habe ich selbst schon getan, und da stehen die Steine, und so geht der Grenzzug.""
,,,,Wer ist denn dein Herr? Das wird auch ein sch?ner Musj? sein!""
,,Der Teufel ist mein Herr! Hast du nun Respekt?"
Und so kamen die zwei hintereinander, und zuletzt da gab der eine feurige Mann dem andern eine Maulschelle, dass ihm der Kopf herabflog und kullerte den ganzen Berg hinab. Und der feurige Mann ohne Kopf rannte hinter seinem feurigen Kopfe her und wollte ihn haschen und ihn sich wieder aufsetzen. Aber er konnte ihn nicht einholen bis ganz drunten im Graben.
Wie nun der eine dem andern die Maulschelle gegeben hatte, und jener hinter seinem Kopfe herlief, da kam auf einmal ein dritter feuriger Mann dazu, und fragte den, der oben blieb: ,,Was hast du da gemacht?"
,,,,Was geht es dich an und was hast du mir zu befehlen? Den Augenblick packe dich deiner Wege, oder ich mache es dir gerade so wie jenem.""
,,Halunke! Hast du nicht mehr Respekt vor mir? Weisst du nicht, dass ich dein Herr, der Teufel, bin?"
,,,,Und wenn du zehnmal der Teufel selbst bist, so liegt mir daran gar nichts; du kannst mich meinetwegen recht sch?n reinmachen!""
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