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Read Ebook: Die Krankheit: Eine Erzählung by Klabund

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Ebook has 485 lines and 13909 words, and 10 pages

Morgenrot! Klabund! Die Tage d?mmern!

Gedichte Geh. M. 2.--, geb. M. 3.--.

Klabunds Karussell

Zweite Auflage Geh. M. 3.--, geb. M. 4.--.

Der Marketenderwagen

Dritte Auflage Geh. M. 2.--, geb. M. 3.--.

Moreau

Der Roman eines Soldaten Vierte Auflage Geh. M. 4.--, geb. M. 5.--.

In Vorbereitung:

Die Himmelsleiter

Gedichte.

Die Krankheit

Eine Erz?hlung von Klabund

Zweite Auflage

Berlin 1917 Erich Reiss Verlag

Geschrieben im Februar und M?rz 1916

Sybil Smolowa zu eigen

>>Sie sind also nur deshalb hierhergekommen, um zu sterben?<< sagte der junge Deutsche und lief, die H?nde in den unteren Taschen seiner kamelhaarbraunen Sportweste, aufgeregt und hustend durch den Zigarettenqualm.

>>Weshalb sonst?<< sagte Sybil, die rauchend auf dem Bett lag, schlank und blond.

>>Scharmant, scharmant<<, wisperte der kleine Japaner, der oben im Sanatorium Beaurivage Assistentendienste versah, und hielt ein blaues Speiglas, auf dem eine sonderbare Tabelle angebracht war, gegen das Licht.

>>Zehn Kubikzentimeter Auswurf<<, l?chelte er, von irgendeiner inneren Fr?hlichkeit betroffen.

Er sprach fliessend Deutsch und fliessend Portugiesisch und gab sich zuweilen, wenn es n?tig schien, als Portugiese aus. Er unterhielt geheime Beziehungen zu dem Dienstm?dchen des portugiesischen Konsuls. Das war eine dicke Schwyzerin aus Bern, die wie geknetet aussah. An Stelle einer Kuhglocke trug sie eine Doubl?medaille um den fettigen Hals, die das Bild des kleinen Japaners -- in seiner seidenen und faltenreichen Nationaltracht -- in sich verbarg.

>>Ich habe fr?her nur dunkle Frauen geliebt,<< sagte der junge Deutsche und sah durch die Balkont?r in den st?rmenden Schnee, >>Frauen mit schwarzen Haaren und schwarzen Augen. Als ich selber noch im Dunkeln tappte mit meinen neunzehn, zwanzig Jahren. Dann wurde es licht in mir. Ich liebte eine Frau mit braunen Haaren und Hirschaugen. Dann eine mit roten Haaren und beinah blauen Augen, die violett gl?nzten. Meine Freunde verspotteten mich mit ihr und meinten, sie h?tte neben ihren roten Haaren auch rote Augen, und ich liebte ein Kaninchen. -- Endlich wurde es ganz hell um mich. Die Sonne ging auf. Rasend blond aus einem Himmel blauer Blicke. Ich sah in den Mittag meines Lebens. Blauer Himmel, holde Sonne, warum wollen Sie mir nicht glauben, Sybil, dass Sie mein Tag sind?<<

>>Oh!<< Sybil wehrte leise ab. Sie schlug die Asche ihrer Zigarette auf den Bettvorleger.

Der kleine Japaner stellte die blaue Flasche auf den Nachttisch und tanzte in eine dunkle Ecke des Zimmers. Man h?rte ihn lachen: wie einen fremdartigen Wasservogel.

Er unterhielt sich in seiner zischenden Sprache mit dem ausgestopften Papagei.

Der bleiche bulgarische Offizier, der gekr?mmt auf einem Hocker sass und in den Boden starrte, r?usperte sich.

Er hatte beide Balkankriege mitgemacht; die Schlacht bei L?leburgas; die Belagerung von Adrianopel; den Stellungskampf an der Tschataldschalinie. Niemand durfte in seiner Anwesenheit vom Krieg sprechen. Ihm trat sofort der Schaum auf die Lippen.

Als Professor Ronken, der Weissbart mit dem Rotkehlchenkopf, ihn das erstemal untersuchte und mit seinem eleganten weichen Hammer beklopfte, fiel er in Ohnmacht in dem Augenblick, als Dr. Froidevaux von einer chirurgischen Operation kommend, den weissen Mantel ein wenig mit Blut bespritzt, das Zimmer betrat.

>>Sybil,<< sagte der Bulgare, >>es w?re schlimm, wenn Sie st?rben. Sylvester Glonner hat recht. Sie sind unsere blonde Sonne. Bei Ihnen im verqualmten Zimmer zu sitzen w?rmt mehr, als auf der Liegehalle in der Mittagssonne schl?frig zu liegen. Die Davoser Sonne macht schl?frig. Sie machen wach.<<

Er fiel auf seinen Hocker zur?ck.

Der junge Deutsche lehnte sich schwerf?llig an den weiss polierten Schrank. Er erinnerte sich eines Verses von H?lderlin: Wo bist du? Trunken d?mmert die Seele mir von aller deiner Wonne.

>>Wo bist du?<< sagte er laut.

Der Japaner lachte.

Sylvester war, als h?tte ein Blick von Sybil ihn fl?chtig gestreift. Wie ein warmer Wind. Der Bulgare sah auf die Uhr:

>>Ich muss zur Liegekur. Es geht auf sechs.<< Er klapperte an seinem Kr?ckstock ohne Gruss zur T?r hinaus.

Der kleine Japaner schwebte freundlich hinter ihm her.

>>Sie bleiben allein<<, sagte Sylvester.

>>Wie immer ...<<

Sie blies den Zigarettenrauch in wahllosen Ornamenten zur Decke.

Er gab ihr die Hand und ging.

Davos lag in der Abendd?mmerung wie eine amerikanische Stadt am Rande der Rocky mountains ... am Rande der Welt ... Wie improvisiert, zum Abbruch jederzeit bereit, waren die grossen Sanatorien und Hotels mit ihren funkelnden Liegehallen da und dort und kreuz und quer im Tal und an den Berglehnen errichtet. Obgleich sie selten ?ber vier Stockwerke z?hlten, schienen sie mit den himmelauf kletternden Lichtern der Liegehallen Wolkenkratzer.

Ernste Deutsche, fl?chtige Italiener, beh?bige Holl?nder, zwitschernde Brasilianer, duftende Franz?sinnen, dunkle Russen wandelten im gleichm?ssig getragenen Kurschritt des Kranken ?ber die Promenade. Von der Post am Kurhaus und den glitzernden L?den vorbei bis zum Grand-Hotel Belvedere und wieder zur?ck.

Hin und wieder raste ein Engl?nder mit eiligen Skischritten, oder ein Amerikaner, einen Skeleton wie einen Hund hinter sich herzerrend, ?ber die Strasse.

Dr. Ronken, der Weissbart mit dem Rotkehlchenkopf, fuhr in seinem schlanken Schlitten, sorgf?ltig in Heidschnuckenpelze geh?llt, einen gr?ngestreiften Schal vorm Mund, k?niglich ?ber die Promenade. Er war seit dreissig Jahren in Davos ans?ssig und nunmehriger Chefarzt und alleiniger Besitzer des renommierten und wohlflorierenden Sanatoriums Beaurivage, welches oben am Walde, dicht beim R?tiweg gelegen ist. Er war selber einmal krank gewesen und hatte sich nach seinen Prinzipien in neunj?hriger Kur ausgeheilt.

Seine Patienten und Patientinnen, die ihn f?rchteten und beim Abschied von Davos seine Photographie bei Herrn Photographen Guardawal f?r drei Franken kauften, verschwanden keuchend und ?ngstlich kichernd in verschiedenen L?den und Konfiserien, um nicht von ihm gesehen zu werden. Eigentlich h?tten sie nach seiner Vorschrift schon Liegekur machen m?ssen. --

Sylvester trat in das Kurhauscaf?, um Zeitungen zu lesen. Er hatte sich kaum in die Neue Z?richer Zeitung vertieft, als Pein an seinen Tisch trat, Alfons Pein, der bekannte lungenkranke Lyriker und Verfasser der B?hnenmysterien >>Kain und Abel<< und >>Golgatha<<. Sein Leben und Dichten bestand in undeutlichen, verquollenen und verschwommenen Phantasien, die er mehr oder weniger geschickt aufzeichnete und denen ethische Gedanken unterzulegen er sich krampfhaft bem?hte.

Pein hatte eine vorz?gliche Kur gemacht und war eigentlich schon seit f?nf Jahren gesund. Er h?tte, ohne Schaden an seiner fanatisch beh?teten neu errungenen Gesundheit zu nehmen, ins Tiefland zur?ckkehren k?nnen. Aber er f?hlte wohl, dass er nur hier oben noch eine Rolle spielte, wo er, von den Kurg?sten interessiert beobachtet, von den Kellnerinnen bel?chelt, im Kurhauscaf? an seinem Stammplatz Hunderte von kleinen blauen Oktavheftchen mit schlechten Versen und verwirrter Prosa versah. >>Ich bin nun mal an H?henluft gew?hnt<<, schnaubte er und in seine Augen trat ein leerer, kindlicher Glanz.

Pein, der von sich behauptete, dass er in vielerlei K?nsten weit ?ber das Mittelmass emporrage und dass man ihn nicht v?llig kenne, wenn man ihn nur als Dichter kenne: denn er malte, musizierte, bildhauerte ... hatte sich fr?her einmal als Schauspieler und Regisseur bet?tigt und gedachte dieses Metier im Davoser Kurtheater wieder aufzunehmen.

>>Wird sie spielen?<< fragte er Sylvester.

>>Leider<<, sagte Sylvester und bestellte einen Vermouth.

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