Read Ebook: Hier Zensur - wer dort? Antworten von gestern auf Fragen von heute by Houben H H Heinrich Hubert Heine Thomas Theodor Illustrator
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Ebook has 911 lines and 65365 words, and 19 pages
Illustrator: Thomas Theodor Heine
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H. H. Houben
Hier Zensur -- wer dort?
Antworten von gestern auf Fragen von heute
Mit Umschlagbild von
Th. Th. Heine
Leipzig ? F. A. Brockhaus ? 1918
Dieses B?chlein ist ein Auszug aus einem gleichnamigen gr?sseren Werk, das sp?ter im selben Verlag erscheinen wird.
Copyright 1918 by F. A. Brockhaus, Leipzig.
Vorwort.
Inhalt.
Seite
Nachweis der wichtigsten Quellenschriften 208
>>Die Religionen Musen alle Tolleriret werden und Mus der Fiskal nuhr das auge darauf haben das Keine der andern abruch Tuhe, den hier mus jeder nach Seiner Fasson Selich werden.<<
Vom Ursprung der Zensur.
Politische Zensur.
Genau so wie die geistlichen F?rsten hatten auch die weltlichen es bald gelernt, sich der gef?hrlichen Er?rterung ihrer Rechte durch Zensurverbote zu entledigen.
Das tapfere Generaldirektorium.
Bald gen?gten die bisherigen Verordnungen ?ber politische und religi?se Schriften nicht mehr. Von 1716 bis 1731 wurden in Preussen nur neun B?cher verboten. Vom kaiserlichen Hof in Wien und besonders von Russland liefen Beschwerden ein, und am 20. September 1732 befahl Friedrich Wilhelm, dass alle Schriften, >>in welchen Unser und Unserer hohen Alliirten Interesse versiren m?chte<<, nicht nur >>durch verordnete t?chtige Censores approbiret<<, sondern ausserdem noch, nebst dem Urteil des Zensors, dem Kabinettsministerium in Berlin eingesandt werden sollten.
Gegen gottesl?sterliche Schriften war der fromme K?nig besonders empfindlich. Als im Jahre 1737 eine anonyme satirische Kom?die der Frau Gottsched, >>Die Pietisterey im Fischbein-Rocke<<, seinen heftigsten Unwillen erregte, entwarf der Minister von Cocceji ein erstes allgemeines Zensuredikt. Eine Verordnung des K?nigs vom 19. M?rz bestimmte ferner, dass im Berliner Packhof von ausw?rts ankommende B?cher nicht eher ausgeliefert werden d?rften, bis der Generalfiskal ein Verzeichnis davon erhalten und die Einfuhr genehmigt habe.
Dieser damals in ?sterreich schon l?ngst ?blichen Ausdehnung der Zensur auf alle im Lande gedruckten oder von ausw?rts eingef?hrten Schriften widersetzte sich aber das Generaldirektorium, die damalige preussische Verwaltungsbeh?rde, so nachdr?cklich, dass Coccejis Zensuredikt, obgleich es schon gedruckt war, zur?ckgezogen und die Verf?gung des K?nigs auf theologische Schriften beschr?nkt wurde. >>Das B?cherwesen<<, erkl?rte das Generaldirektorium, >>hat seit der Reformation in ganz Deutschland, nicht weniger in allen civilisirten Landen freien Lauf gehabt, wodurch die Gelehrsamkeit zu sehr hohem Grade gestiegen ist, in welchem wir sie heut zu Tage sehen. Wollte nun diese Freiheit durch dergleichen Ordre in Ihro Majest?t Landen eingeschr?nkt werden, so w?rden die Gelehrten hiedurch nicht allein sehr niedergeschlagen, und der Buchhandel g?nzlich zu Grunde gerichtet werden, sondern auch die Barbarei und Unwissenheit, welche Ihro Majest?t glorw?rdigste Vorfahren mit so vieler M?he und Kosten vertrieben, auf's Neue, zum gr?ssten Praejudiz der gegenw?rtigen und zuk?nftigen Zeit ?berhand nehmen.<<
>>Gazetten d?rfen nicht geniret werden.<<
Dies vielzitierte Wort Friedrichs des Grossen, der am 31. Mai 1740 seine Regierung antrat, findet sich in einem Schreiben des Kabinettsministers Grafen Podewils vom 5. Juni 1740 an den Kriegsminister, das lautete:
>>Sr. K?nigl. Mayest?t haben mir nach auffgehobener Taffel allergn?digst befohlen des K?nigl. Etats undt Krieges Ministri H. von Thulemeier Excellenz in h?chst Deroselben Nahmen zu er?ffnen, dass dem hiesigen Berlinschen Zeitungs Schreiber eine unumbschr?nckte Freyheit gelassen werden soll in dem articul von Berlin von demjenigen was anizo hieselbst vorgehet zu schreiben was er will, ohne dass solches censiret werden soll, weil, wie h?chst Deroselben Worthe waren, ein solches Dieselbe divertiren, dagegen aber auch so denn frembde Ministri sich nicht w?rden beschweren k?nnen, wenn in den hiesigen Zeitungen hin undt wieder Passagen anzutreffen, so ihnen misfallen k?nten. Ich nahm mir zwar die Freyheit darauff zu regeriren, dass der Russische Hoff ?ber dieses Sujet sehr pointilleux w?re, Sr. K?nigl. Mayest?t erwiederten aber dass Gazetten wenn sie interessant seyn solten nicht geniret werden m?sten; welches Sr. K?nigl. Mayest?t allergn?digsten Befehl zu folge hiedurch gehorsahmst melden sollen.<<
Gegen diese Liberalit?t des neuen Herrn hatte Herr von Podewils selbst gewichtige Bedenken, und auch der Kriegsminister von Thulemeyer, der damalige Chef der Zeitungszensur, machte dazu die vorsichtige Randbemerkung: >>Wegen des articuls von Berlin ist dieses indistincte zu observiren wegen ausw?rtiger Puissancen aber ~cum grano salis~ und mit guter Behuetsamkeit.<<
Ein zweifelhafter Fortschritt.
Unter >>Zeitungen<< verstand K?nig Friedrich nichts anderes als die einzelnen Nummern der seit 1721 dreimal w?chentlich erscheinenden >>Berlinischen Privilegirten Zeitung<<, der einzigen, die damals in Berlin bestand. Die ihr jetzt gew?hrte Zensurfreiheit bezog sich aber durchaus nur auf den lokalen Teil. Das war immerhin ein Fortschritt, denn nun durfte sich der Berichterstatter doch wieder getrauen, Nachrichten ?ber das Leben am k?niglichen Hofe zu bringen, was Friedrichs Vorg?nger sich stets sehr ungn?dig verbeten hatte, so dass die Zeitungsleser ?ber ausl?ndische Potentaten stets weit mehr erfuhren denn ?ber ihren eigenen Herrn.
Im ?brigen stand die Zeitung nach wie vor unter Zensur, die nach dem Tode Thulemeyers der Kriegsrat von Ilgen ?bernahm, und bald zeigte sich, dass es auch mit der >>unumbschr?nkten Freiheit<< des lokalen Teils nicht weit her war. Schon im September wurde die Zeitung strenge ermahnt, die ihr >>erlaubete Freyheit mit mehrer Ueberlegung und Behutsamkeit zu gebrauchen ... wiedrigen Falls nachdr?ckliche Ahntung zu gew?rtigen<< sei. Der Zensor von Ilgen hielt sich zwar an des K?nigs Befehl und strich im lokalen Teil nichts, aber die nachtr?gliche >>Ahntung<< konnte weit unangenehmer werden als die strengste Zensur, die den Verleger wenigstens von der Verantwortlichkeit f?r die zensierten Artikel befreite. Weder der K?nig noch die Minister oder das Generaldirektorium waren an ?ffentlichkeit der politischen Vorg?nge oder auch nur der staatlichen Personalien gew?hnt, und als schon im Dezember 1740 der erste Schlesische Krieg begann, wurde die Zeitungsredaktion sehr bald aus dem Traume ihrer vermeintlichen Zensurfreiheit aufger?ttelt. ?ber die wichtigsten Tagesvorg?nge in Schlesien usw. durfte sie nichts bringen ohne den ausdr?cklichen Auftrag des Etatsministers.
Mit k?niglicher Freiheit.
Nicht viel bessere Erfahrungen machte der Verleger Ambrosius Haude, der vom 30. Juni 1740 an in den >>Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen<< der >>Vossischen<< eine gef?hrliche Konkurrenz entgegenstellte.
Haude war ein literarischer Vertrauensmann des jungen F?rsten. Als der strenge Vater die Bibliothek des Sohnes in einem Tapetenschrank entdeckte und verkaufen liess, hatte Haude sie erstanden und in einem Hinterzimmer seines Buchladens aufgestellt, wo nun der Kronprinz verbotener Lekt?re in Ruhe fr?nen konnte. Der Lohn daf?r war jetzt ein Privileg zur Herausgabe einer deutschen und einer franz?sischen Zeitung; die letztere, das >>~Journal de Berlin~<<, bestand nur ein Jahr.
Zun?chst erfreute sich Haude tats?chlich v?lliger Zensurfreiheit. Da niemand wusste, wieweit das ihm vom K?nig gew?hrte Privileg ging, wagte man sich an ihn nicht heran. Als aber im Dezember 1740 die Kriegszensur einsetzte und der Verleger der >>Vossischen<< sich beschwerte, dass der Zensor ihm Artikel streiche, die in dem Konkurrenzblatt ungehindert erschienen, fragte man Haude nach seiner Konzession, und da er nichts Schriftliches vorweisen konnte, wurde ihm am 31. Dezember befohlen, in seinen beiden Bl?ttern >>von Seiner K?nigl^ Mt. h?chsten affairen und Angelegenheiten, von nun-an, weiter nicht das geringste, es habe Nahmen wie es immer wolle<<, ohne Zensur zu drucken.
Mit der >>unumbschr?nkten Freiheit<< auch nur des lokalen Teils der Berliner Zeitungen war es also schon im Dezember 1740 gr?ndlich vorbei. Haude sperrte sich zwar noch eine Weile, aber als man ihm mit Verlust seines Privilegs drohte, blieb ihm nichts ?brig, als sich der Zensur Ilgens zu unterwerfen.
Schon am 9. Juli 1743 machte dann der K?nig selbst diesem unklaren Zustand ein Ende, indem er die drei Jahre zuvor verliehene Zensurfreiheit zur?cknahm und die Gazetten nicht eher mehr zum Druck zu geben befahl, >>bis selbige vorher durch einen vern?nftigen Mann censiret und approbiret worden seynd<<.
Kriegsrat von Ilgen ?bte also die Zensur weiter, bis er 1750 wegen mangelnder Aufmerksamkeit seines Amtes entsetzt und durch einen strengeren Herrn, den Geh. Rat Vockerodt, abgel?st wurde.
Bis Ende 1742 hatte die >>Spenersche Zeitung<< den Wahlspruch >>Wahrheit und Freiheit<< gef?hrt, von Beginn des folgenden Jahres ab erschien sie nur noch >>Mit k?niglicher Freiheit<<. Das sollte jedenfalls heissen >>mit k?niglichem Privilegium<<, klang aber jetzt wie Ironie.
Man darf es nicht allzu tragisch nehmen, dass Friedrich der Grosse mit der Tagespresse genau so willk?rlich umsprang wie nur irgendein Despot. Die damaligen Zeitungen waren nichts weiter als Nachrichtenbl?tter und strebten noch kaum danach, sich aus dieser Niederung zu erheben. Die Geheimdiplomatie war noch die alleinige Lenkerin der Staaten, und bei den h?ufigen kriegerischen Verwicklungen war es eine Vorbedingung des Sieges, die Karten verdeckt zu halten. Die Berichte der Berliner Zeitungen ?ber die beiden ersten Schlesischen Kriege stammten fast nur aus dem Hauptquartier, besonders die >>Schreiben eines Preussischen Offiziers<<; meist hatte der K?nig selbst sie verfasst oder wenigstens durchgesehen. Durch diese k?nigliche Berichterstattung wurden die Berliner Zeitungen zum erstenmal wichtige Quellen f?r die gesamte europ?ische Presse. Was Friedrichs n?chsten Zwecken widersprach oder seine Pl?ne verraten konnte, wurde nach dem Gebot der Kriegszensur unnachsichtig unterdr?ckt. Man fahndete auf die Verbreiter falscher und flauer Kriegsger?chte, und fremde Zeitungen, die mit Tatarennachrichten die Stimmung verdarben, wurden verboten.
Im ?brigen wurden noch keine Partei- und ?berzeugungsk?mpfe in den Berliner Zeitungen ausgefochten. Der Verleger Haude hatte in seinem Blatte zuerst den Artikel >>Von gelehrten Sachen<< eingerichtet; die >>Vossische<< begann erst 1748 diesem Vorbild z?gernd zu folgen, ?bertrumpfte dann aber die Konkurrentin bald dadurch, dass sie 1749 Lessing als Mitarbeiter gewann; eine nur kurze Episode, die aber den Beginn der sch?pferischen literarischen Kritik in Berlin nicht nur, sondern in der deutschen Literatur ?berhaupt bedeutete.
Im Jahre 1744 beschwerte sich Haude einmal, dass der Kriegsrat von Ilgen ihm jede tadelnde Kritik eines Buches verbiete, wodurch sich das Feuilleton seines Blattes l?cherlich machen m?sse, und es scheint, dass der K?nig den Eifer des Zensors ein wenig ged?mpft hat. Von sonstigen Zensurgefechten der Zeitungsschreiber in den vierziger Jahren melden die Akten aber nichts, woraus sich von selbst ergibt, dass sich das F?hnlein der damaligen Journalisten nicht sonderlich herausfordernd, angriffslustig und neuerungss?chtig erwiesen hat.
Auch das Feuilleton der damaligen Berliner Bl?tter bot nur einen k?mmerlich matten Abglanz vom Geist der Zeit, der sich dagegen in der Buchliteratur und den schon ziemlich zahlreichen Wochen- und Monatsschriften seinem innersten Wesen nach offenbarte.
Das Zeitalter der Aufkl?rung.
Das Jahrhundert Friedrichs des Grossen nennt sich das der Aufkl?rung. Nicht als ob der preussische K?nig diesen Stempel seiner Zeit gewaltsam aufgedr?ckt h?tte. Ihr Gepr?ge schuf sich, unabh?ngig von ihm, aus der geistigen Kraft der Nation. Ihm geb?hrt aber das Verdienst, dieser kulturellen Flut keinen Damm entgegengesetzt, sondern ihr freien Lauf gelassen zu haben.
Das Wesen der Aufkl?rung liegt in ihrem Kampf um Gott. Es wurzelte in religionsphilosophischen Problemen und griff erst allm?hlich auch auf das Verh?ltnis des Menschen zum Staat und zur Obrigkeit hin?ber. Die sich hieraus entspinnenden K?mpfe geh?ren aber einem sp?tern Zeitalter an. Wenn daher Friedrich in politischen Fragen keine Duldung abweichender Meinungen kannte, so vers?ndigte er sich damit noch nicht am Geist seiner Zeit, der nur nach Aufkl?rung in theologischer Hinsicht verlangte.
Im ersten Jahrzehnt seiner Regierung war sich der junge K?nig, der selbst die bittere Qual geistiger Knechtschaft unter der brutalen Faust seines gewaltt?tigen Vaters bis zum ?ussersten gekostet hatte, ?ber seine Haltung gegen?ber dem Geist seiner Zeit noch nicht klar, was seine hin- und hertastenden ersten Zensurverf?gungen zeigen.
Das Zensuredikt von 1749.
Unterm 11. Mai 1749 erschien in Preussen ein >>Edikt wegen der wiederhergestellten Censur derer in K?niglichen Landen herauskommenden B?cher und Schriften, wie auch wegen des Debits ?rgerlicher B?cher, so ausserhalb Landes verleget werden<<.
Der K?nig, so heisst es in der Einleitung, >>habe h?chst missf?llig wahrgenommen, dass verschiedene scandaleuse theils wider die Religion, theils wider die Sitten anlaufende B?cher und Schriften in Unseren Landen verfertiget, verleget und debitiret werden<<. Um diesem >>Unwesen<< abzuhelfen und >>die ehemalige seit einiger Zeit in Abgang gekommene B?cher-Censur wiederum herzustellen<<, werde nunmehr in Berlin eine Zensurkommission eingesetzt, die >>alle B?cher und Schriften, die in Unseren s?mmtlichen Landen verfertiget und gedruckt werden, oder die Unsere Unterthanen ausserhalb Landes drucken lassen wollen<<, vor dem Druck zu genehmigen habe.
Zensurfrei waren nur die Schriften der Akademie der Wissenschaften. Was in Universit?tsst?dten erschien , musste die Universit?t selbst durch die in Betracht kommenden Fakult?ten auf eigene Gefahr zensieren lassen. Politische Schriften, die den >>~Statum publicum~<< des Deutschen Reiches oder des preussischen K?nigshauses und >>die Gerechtsame<< Preussens betrafen oder bei denen >>ausw?rtige Puissancen und Reichsst?nde interessiret sind<<, unterstanden ohne Ausnahme dem >>Departement derer ausw?rtigen Sachen<<. >>Blosse Carmina<< schliesslich konnte, wenn keine Universit?t am Orte war, die Landes-Provinzialregierung oder die st?dtische Ortsbeh?rde zum Druck freigeben.
Im ?brigen sollte >>nicht das Geringste<< ohne vorherige Genehmigung gedruckt werden. Auf Umgehung der Zensur stand eine Strafe von 100 Talern. Ebensowenig durften die Buchh?ndler >>scandaleuse und anst?ssige<< B?cher von ausw?rts kommen lassen und verkaufen; konnten sie ihre Ahnungslosigkeit nicht beschw?ren, so hatten sie ihre Unvorsichtigkeit in jedem Fall mit 10 Talern Strafe zu b?ssen.
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