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Read Ebook: Hier Zensur - wer dort? Antworten von gestern auf Fragen von heute by Houben H H Heinrich Hubert Heine Thomas Theodor Illustrator

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Ebook has 911 lines and 65365 words, and 19 pages

Im ?brigen sollte >>nicht das Geringste<< ohne vorherige Genehmigung gedruckt werden. Auf Umgehung der Zensur stand eine Strafe von 100 Talern. Ebensowenig durften die Buchh?ndler >>scandaleuse und anst?ssige<< B?cher von ausw?rts kommen lassen und verkaufen; konnten sie ihre Ahnungslosigkeit nicht beschw?ren, so hatten sie ihre Unvorsichtigkeit in jedem Fall mit 10 Talern Strafe zu b?ssen.

Die gekr?nkten >>Schulbedienten<<.

Der Ruhm, Friedrichs des Grossen Zensuredikt veranlasst zu haben, geb?hrt haupts?chlich den Berliner Schulmeistern.

Seit dem 2. Januar 1749 gab der Verleger der >>Vossischen Zeitung<<, Christian Friedrich Voss, der Schwiegersohn R?digers, eine Zeitschrift >>Der Wahrsager<< heraus, die der Redakteur der >>Vossischen<<, Christlob Mylius, zum gr?ssten Teil selbst schrieb. Zu ihren Mitarbeitern geh?rte auch Lessing.

Das 7. St?ck des >>Wahrsagers<< vom 13. Februar 1749 brachte nun einen sehr am?santen Aufsatz, der gegen Schule und Lehrerschaft heftige Angriffe voll Spott und Ironie enthielt, und prompt lief eine Beschwerde einiger Berliner >>Schulbedienten<< ein, die dar?ber Klage f?hrten, dass in diesem Aufsatz >>der Schulstand ziemlich durchgenommen und l?cherlich gemachet werde, welches ihn bei der ohnehin boshaften Jugend zum Despekt gereichte und aus der n?thigen Autorit?t setzte<<.

Der ~Adjunctus fisci~ Kornmann beschied also den Verleger zu sich. Dieser erkl?rte, der inkriminierte Aufsatz habe nicht >>vern?nftige Schulleute attaquiren<< wollen; ?brigens >>g?be es auch dergleichen, wie sie in dem St?ck charakterisiret w?ren<<. In Zukunft versprach Voss, seine Zeitschrift >>allenfalls moderater<< einzurichten.

Aber acht Tage sp?ter brachte das 9. St?ck des >>Wahrsagers<< eine Plauderei ?ber Hahnreie, worin Kornmann die versprochene M?ssigung vermisste. Er setzte daher einen Bericht an das Ministerium auf; in dem letzten St?ck geschehe >>bei einer satyrischen Materie gewisser Strassen in Berlin Erw?hnung, welche Leuten, so sich mit dergleichen Schriften am?siren, leicht Gelegenheit giebet, allerhand Applicationes zu machen, anderer Folgen, so daraus entstehen k?nnten, nicht zu gedenken<<.

Der Etatsminister von Bismarck fragte daraufhin beim Grosskanzler von Cocceji an, >>da so viele Misbr?uche vorgehen, wie noch k?rzlich mit denen Schriften des de La Mettrie geschehen<<, ob nicht ein Zensor einzusetzen sei. Cocceji stimmte zu: am 7. M?rz 1749 wurde dem Verleger anbefohlen, Anst?ssiges im >>Wahrsager<< zu vermeiden, und am selben Tage schlugen Cocceji, Bismarck und Danckelmann dem K?nige die Bestellung eines Zensors vor, >>ohne dessen Approbation nicht das geringste zum Druck bef?rdert werden d?rfe<<.

Am 16. M?rz billigte eine Kabinettsorder des K?nigs den Vorschlag, verf?gte aber zugleich, >>Druck und Debit<< des >>Wahrsagers<< sofort zu verbieten, ein Befehl, der um so auff?lliger war, als die Minister diesen Vorschlag gar nicht gemacht hatten. Die Minister beeilten sich auch nicht, dem Befehl Folge zu leisten, denn das Verbot wurde erst zwei Monate sp?ter ausgefertigt -- wenige Tage nachdem der Verleger das Blatt mit dem 20. St?ck vom 15. Mai hatte eingehen lassen.

Vielleicht hatten die Minister gehofft, den K?nig mittlerweile noch umstimmen zu k?nnen; aber dieser stand damals unter dem Einfluss des vorhin erw?hnten franz?sischen Philosophen Lamettrie, der seiner polemischen und satirischen Schriften wegen aus Frankreich und Holland hatte fl?chten m?ssen und in Berlin als Vorleser des K?nigs ein Asyl gefunden hatte. Auch ihn hatte der >>Wahrsager<< in dem Aufsatz ?ber das Schulwesen heftig mitgenommen, und der Ausl?nder, der unter Friedrichs blinder Vorliebe f?r alles Franz?sische in Preussen Pressfreiheit genoss, die er in seinem Vaterland nicht hatte finden k?nnen, entbl?dete sich nicht, seinen k?niglichen G?nner gegen die einheimische Presse scharfzumachen. Die Beschwerde der Berliner >>Schulbedienten<< bot ihm dazu die willkommene Handhabe, die er geschickt zu benutzen wusste, um seinen Widersacher Mylius mundtot zu machen.

Der Berliner Schriftsteller und Verleger Friedrich Nicolai, der Freund Lessings, versichert dagegen, die treibende Kraft beim Erlass des Zensuredikts sei der zelotische Probst S?ssmilch gewesen, der nachdr?cklich gegen die vielgelesenen Schriften des >>ber?chtigten<< Aufkl?rers Edelmann vorgehen wollte. Dieser freigeistige Polterer hatte sich 1749 in Berlin niedergelassen und bald eine grosse Gemeinde um sich versammelt; der K?nig liess ihn gew?hren, da sich Edelmann verpflichtet hatte, nichts mehr zu schreiben, und es gelang den orthodoxen Hetzern auch nicht, das r?udige Schaf aus ihrer H?rde zu entfernen.

Die erste Berliner Zensurkommission.

Wer waren nun die M?nner, denen Friedrich der Grosse 1749 die oberste Zensurgewalt anvertraute?

Als der K?nig am 16. M?rz die Anstellung eines Zensors guthiess, bestimmte er ausdr?cklich, >>dass ein ganz vern?nftiger Mann zu solcher Censur ausgesuchet und bestellet werden soll, der eben nicht alle Kleinigkeiten und Bagatelles releviret und aufmutzet<<. Aber die Minister, vor allem wohl der Grosskanzler Cocceji, der schon 1737 eine strenge Zensur hatte einf?hren wollen, legten den k?niglichen Willen in ihrem Sinne aus und bildeten die Zensurkommission aus vier M?nnern, von denen allen kaum zu erwarten war, dass sie ihr Amt im friderizianischen Geiste aus?ben w?rden, deren Wahl aber doch der K?nig genehmigte.

Die juristischen Schriften sollte der Geheime Tribunalsrat Buchholtz ?berwachen, die historischen der franz?sische Prediger und Konsistorialrat Poloutier, die philosophischen der Kirchenrat und Prediger ~Dr.~ Elsner und die theologischen der vorhin genannte Probst und Konsistorialrat Joh. Peter S?ssmilch. Die medizinischen Werke waren gar nicht erw?hnt; ihre Zensur besorgte schon seit 1709 das Oberkollegium medicum.

Ein Jurist also und drei Theologen. Im Stil der Zeit war demnach auch diese Zensurkommission des freigeistigen K?nigs eine vorwiegend theologische. ?ber das, was wider die Religion und die guten Sitten verstiess, hatten Prediger und Konsistorialr?te zu entscheiden. Nur die juristische Literatur erfreute sich der Aufsicht eines Fachgelehrten.

Der verwunderte Zensor.

Von nachhaltiger Wirkung ist aber dieses Zensuredikt nie gewesen. Der pers?nlichen Initiative des K?nigs war es nicht entsprungen, und seine ministeriellen Ratgeber merkten wohl bald, dass sie mit einer allzu b?rokratischen Auslegung des Gesetzes wenig Beifall bei ihm fanden. So war es, nach Nicolais Versicherung, bald vergessen, und statt seiner entwickelte sich in Preussen eine beispiellose Pressfreiheit, die f?r den Aufschwung der deutschen Literatur von unberechenbarem Einfluss war. Schriften, die nirgendwo in Deutschland offen verkauft werden durften, vor allem solche philosophischer und theologischer Art, die den erfolgreichen Kampf des Zeitalters der Aufkl?rung gegen die Orthodoxie f?hrten, wurden in Berlin nicht beanstandet, zum Teil dort verlegt, und es fiel bald niemandem mehr ein, die Zensurbeh?rde auch nur um Erlaubnis zu fragen. Sah sich schliesslich auf das Dr?ngen eines Angebers hin der Generalfiskal veranlasst, einen Verleger zu massregeln, so schlug der K?nig das Verfahren meist nieder. Im Jahre 1763 war die Zahl der verbotenen B?cher noch nicht auf ?ber 26 gestiegen.

Als Friedrich Nicolai im Jahre 1759 den damaligen Zensor der philosophischen Schriften, ~Dr.~ Heinius, ersuchte, die Zensur der ber?hmten >>Literaturbriefe<< zu ?bernehmen, die Nicolai mit Lessing, Mendelssohn und Abbt 1761--1767 herausgab, war der Zensor h?chst ?berrascht, dass einmal jemand etwas wolle zensieren lassen, was >>ihm lange nicht vorgekommen<< sei. Die >>Literaturbriefe<<, dann desselben Herausgebers >>Allgemeine Deutsche Bibliothek<<, die von 1765--1792 ungehindert in Berlin erscheinen konnte, und seit 1783 Gedike und Biesters >>Berlinische Monatsschrift<<, die den grossen Philosophen Kant zu ihren Mitarbeitern z?hlte, sind die bedeutendsten der zahlreichen kritischen Zeitschriften, die unter Friedrichs des Grossen Regierung emporbl?hten und, trotz seiner pers?nlichen Abneigung gegen alles deutsche Schrifttum, der machtvollen Entwicklung der deutschen Literatur bahnbrechend vorgearbeitet haben.

Wie wenig Friedrich trotz seines Zensurediktes gewillt war, die fanatische Verfolgung aller Denk- und Redefreiheit, wie sie namentlich in ?sterreich ausge?bt wurde, mitzumachen, zeigt ein k?stlicher Streich, den er 1750 den dortigen Jesuiten spielte.

Der K?nig traf im Jahre 1750 im Schlossgarten von Sanssouci einen jungen Mann, dessen fremdartige Tracht ihm auffiel. Er liess sich mit ihm in ein Gespr?ch ein und erfuhr, dass er einen Reformierten aus Ungarn vor sich habe, der in Frankfurt an der Oder Theologie studiert hatte und vor der Heimreise noch die Residenz des K?nigs sehen wollte. Friedrich fand an dem jungen Manne so viel Wohlgefallen, dass er ihm nahelegte, in seinen Staaten zu bleiben, und ihn daselbst zu versorgen versprach. Der Kandidat lehnte diesen Vorschlag seiner Familienverh?ltnisse wegen ab. Nun forderte ihn der K?nig auf, sich eine andere Gnade zu erbitten, und als der Kandidat meinte, er wisse nicht, was er verlangen solle, fragte Friedrich, ?berrascht durch diese seltene Bescheidenheit, ob er ihm denn nicht irgendeinen Gefallen erweisen k?nne?

>>Ich habe mir<<, antwortete nun der Theologe, >>verschiedene philosophische und theologische Werke gekauft, die in ?sterreich verboten sind. Die Jesuiten werden sie mir wegnehmen, sobald ich in Wien eintreffe. Wollten nun Eure Majest?t mir diese B?cher --<<

>>Nehme Er seine B?cher<<, unterbrach ihn Friedrich, >>in Gottes Namen mit, kauf' Er sich noch dazu, was Er denkt, das in Wien recht verboten ist, und was Er nur immer brauchen kann. H?rt Er? Und wenn sie Ihm in Wien die B?cher wegnehmen wollen, so sag' Er nur, ich habe sie Ihm geschenkt. Darauf werden die Herren Patres wohl nicht viel achten, das schadet aber nichts. Lass Er sich die B?cher nur nehmen, geh' Er aber dann gleich zu meinem Gesandten und erz?hl' Er ihm die ganze Geschichte und was ich Ihm gesagt habe. Hernach geh' Er in den vornehmsten Gasthof und leb' Er recht kostbar. Er muss aber t?glich wenigstens einen Dukaten verzehren, und bleib' Er so lange, bis sie Ihm die B?cher wieder in's Haus schicken.<<

Der K?nig ging darauf ins Schloss, kehrte aber bald nachher zu dem Kandidaten zur?ck und ?bergab ihm ein Blatt Papier, das die Worte enthielt: >>Gut, um auf Unsere Kosten in Wien zu leben. Friedrich.<< Dieses Blatt sollte er in Wien dem preussischen Gesandten ?bergeben und sich im ?brigen genau nach der erhaltenen Vorschrift benehmen. Ausserdem versprach der K?nig, ihm die beste Pfarre in Ungarn zu verschaffen; dann entliess er den jungen Theologen, Hedhessi war sein Name, in Gnaden, ihm Gl?ck auf die Reise w?nschend.

Hedhessi kaufte so viel verbotene B?cher zusammen, als er vermochte, und reiste nach Hause. Vor den Linien Wiens wurden seine B?cher beschlagnahmt. Er wandte sich also an den preussischen Gesandten, um seine B?cher zur?ckzuverlangen.

Der Gesandte, bereits vom K?nig geh?rig instruiert, liess den Theologen in den ersten Gasthof der Residenz f?hren und berichtete ?ber den Stand der Sache nach Berlin. Pl?tzlich erging aus dem Kabinett des K?nigs der Befehl, die Bibliothek der Jesuiten in Breslau zu versiegeln und mit Wachen zu besetzen.

Die best?rzten Jesuiten in Breslau forschten vergebens nach der Ursache der k?niglichen Ungnade und sandten, um das Gewitter abzuleiten, eine Deputation nach Potsdam. Friedrich liess die Abgeordneten vier Wochen auf eine Audienz warten, w?hrend welcher Zeit der junge Hedhessi in Wien nach der k?niglichen Vorschrift lebte. Endlich liess sie der K?nig vor, verwies sie aber an seinen Gesandten in Wien und bat sie, ihn den dortigen B?cherrevisoren zu empfehlen.

Die frommen V?ter verstanden diesen Wink ebensowenig wie ihre Br?der in Breslau. Diese sandten eine andere Deputation nach Wien, um hier endlich die dringend notwendige Aufkl?rung zu erlangen. Aber der preussische Gesandte in Wien, an den sich die Abgeordneten wandten, bedauerte, ihnen keinen Aufschluss erteilen zu k?nnen; nur so nebenher warf er die Bemerkung hin, es sei hier ein junger Mann, dem die Jesuiten eine Kiste mit B?chern weggenommen h?tten.

Nun ging den Abgeordneten pl?tzlich ein Licht auf. Sie eilten zu ihren Kollegen, und ehe eine Stunde verging, erhielt Hedhessi die konfiszierten B?cher zur?ck. Auch beeilten sich die Herren, seine teure Zeche zu bezahlen.

Mit leichterem Herzen gingen sie jetzt wieder nach Potsdam, um ihre Bitte zu erneuern. Friedrich empfing sie diesmal freundlich, ?bergab ihnen einen Kabinettsbefehl, der die Wiederer?ffnung der versiegelten Bibliothek anordnete, und ein Schreiben an den Pater Rektor in Breslau, des Inhalts, dass das Kollegium zu Breslau daf?r einstehen m?sse, wenn die Reformierten in Ungarn wegen dieser Sache gekr?nkt w?rden und Hedhessi nicht die beste Pfarre in seiner Heimat erhalte.

Und es geschah, wie der K?nig w?nschte.

Wenn die Katze nicht zu Hause ist ...

L?nger als drei Jahre waren die >>Literaturbriefe<< unter vorschriftsm?ssiger Zensur ungest?rt erschienen, als sie pl?tzlich am 18. M?rz 1762 kurzerhand f?r jetzt und k?nftig verboten wurden und der Generalfiskal Geheimer Rat Uhden den Auftrag erhielt, dem Herausgeber den Prozess zu machen.

Um die Gr?nde des Verbots zu erfahren, begab sich Nicolai sogleich zu Uhden, der ihm sonst wohlgewogen, aber in Amtssachen ein unparteiischer und strenger Richter war, konnte von ihm jedoch nichts anderes erfahren als die Versicherung: >>Man wisse sehr wohl, was f?r h?chst strafbare und unverzeihliche Sachen in den >Literaturbriefen< enthalten seien.<< Nicht wenig betroffen war allerdings der Generalfiskal, als ihm Nicolai die Zensurbogen vorwies; unter diesen Umst?nden, meinte er, habe der Herausgeber nichts zu bef?rchten; den Verfasser der verbrecherischen Aufs?tze >>werde man aber zu finden wissen<<.

Auf den n?chsten Tag war auch schon einer der Hauptmitarbeiter der Zeitschrift, der Philosoph Moses Mendelssohn, vorgeladen, ein sanfter und ruhiger Mann, dem es aber nicht an Charakterfestigkeit fehlte, wo es auf Standhaftigkeit ankam. Zwischen ihm und dem Generalfiskal, der den j?dischen Philosophen noch gar nicht kannte und den Eintretenden mit finsterer Amtsmiene empfing, entwickelte sich nun folgendes Gespr?ch:

Mittlerweile h?rte Nicolai, der Staatsrat sei der Urheber des Verbotes gewesen, und durch den Geheimrat von Podewils, der das Protokoll der Staatsratssitzung gef?hrt, die >>Literaturbriefe<< gelesen und die Haltlosigkeit der ?bereilten Massregel sofort erkannt hatte, erfuhr er den genauern Zusammenhang:

Ein Vielschreiber namens Justi hatte sich f?r die scharfe Kritik eines seiner B?cher in den >>Literaturbriefen<< dadurch ger?cht, dass er die Zeitschrift denunzierte, ein Jude habe darin in einem Aufsatz wider den Hofprediger Cramer in Kopenhagen die Gottheit Christi bestritten und ausserdem durch ein freches Urteil ?ber ein Werk des K?nigs, die >>~Po?sies diverses~<<, eine Majest?tsbeleidigung begangen. Justi, der sp?ter wegen Unterschleife Festungsstrafe erhielt, war durch die Protektion des k?niglichen Leibarztes ~Dr.~ Eller soeben nach Berlin gekommen und galt als ein grosser Chemiker, der das verfallene preussische Bergwerkswesen wieder in Flor bringen sollte. Der Anzeige dieses Mannes hatte der Staatsrat blindlings Glauben geschenkt. Dem damaligen Grosskanzler von Jariges, der sich um deutsche Literatur nie bek?mmert hatte, war zudem die Denunziation h?chst gelegen gewesen: Manche freie ?usserung des K?nigs selbst ?ber Religion hatte er mit stiller Entr?stung h?ren m?ssen und an der dadurch eingerissenen allgemeinen Urteilsfreiheit in religi?sen Dingen l?ngst heftigen Anstoss genommen. Jetzt war die Gelegenheit g?nstig: der K?nig, der >>dergleichen Sachen zu leicht zu nehmen pflegte<<, weilte im Felde -- es war die Zeit des Siebenj?hrigen Krieges --, jetzt liess sich ?ber den Kopf des Philosophen von Sanssouci hinweg durch eine drakonische Strafe dem einreissenden Missbrauch Einhalt tun. In diesem Sinne hatte er dem Staatsrat die Sache vorgetragen und ohne Widerspruch das Verbot der >>Literaturbriefe<< durchgesetzt.

Justis Denunziation war aber eine doppelte L?ge: einmal hatte nicht Mendelssohn, sondern Lessing den Aufsatz gegen des Hofpredigers Cramer Wochenschrift, den >>Nordischen Aufseher<<, geschrieben und dabei nichts weiter gesagt, als dass Cramers Vorstellung von der Person Christi sozinianisch sei, eine noch heute in den Unitariern fortbestehende, sektirerische Auffassung, die der g?ttlichen Verehrung Christi keinen Abbruch tat. Die Kritik ?ber Friedrichs des Grossen >>~Po?sies diverses~<< im 6. Bande der >>Literaturbriefe<< dagegen hatte Mendelssohn allerdings geschrieben, aber sie enthielt so wenig eine Majest?tsbeleidigung, dass der K?nig selbst sie mit Zufriedenheit gelesen hatte!

Nach dieser Aufkl?rung war es f?r Nicolai leicht, die Aufhebung des Verbotes zu erwirken; er machte eine Eingabe an den Staatsrat, bei der ihm der eigene Sohn des Generalfiskals, der f?r Musik und Literatur lebhaft interessierte Kammergerichtsrat Uhden, durch Einf?gung etlicher kr?ftiger Spr?chlein ?ber das leichtsinnige Vorgehen der Beh?rde unterst?tzte; gleichzeitig beschwerte sich der Zensor ~Dr.~ Heinius ?ber die Nichtachtung der von ihm ausge?bten Zensur, und vier Tage nach dem Verbot waren die >>Literaturbriefe<< wieder freigegeben.

Der Vorfall hatte wenigstens das eine Gute, dass der L?rm, den er erregte, manche Leute auf die neuere deutsche Literatur aufmerksam machte, um die sie sich nach dem Beispiel des K?nigs bisher wenig oder gar nicht gek?mmert hatten. Denn es war allerdings merkw?rdig, dass, nachdem die >>Literaturbriefe<< schon bis in den 13. Band fortgesetzt waren und in der deutschen gelehrten Welt nicht wenig Aufsehen gemacht hatten, dennoch die damaligen preussischen Staatsminister nebst dem Generalfiskal weder von der Existenz noch von der Bedeutung der Zeitschrift eine Ahnung hatten!

Was dem einen recht ist ...

In dieser zuf?lligen Zusammenstellung witterte man in Wien eine Verh?hnung des Kaisers, und die dortige Zensurbeh?rde beschwerte sich dieserhalb beim K?nig von Preussen. Der aber dachte nicht daran, gegen die Herausgeber einzuschreiten; um die Wiener von der Grundlosigkeit ihres Verdachtes zu ?berzeugen, befahl er vielmehr, f?r die Bilder des n?chsten Kalenderjahrgangs ein noch viel l?cherlicheres Thema zu nehmen und -- sein eigenes Portr?t voranzustellen.

Chodowiecki w?hlte Ariosts >>Rasenden Roland<<, und Daniel Berger stach des K?nigs Bildnis dazu.

Neuordnung der preussischen Zensur 1772.

Die geschilderten Vorf?lle zeigen, dass die preussische Zensur auch nach dem Gesetz von 1749 allm?hlich wieder >>in Abgang<< gekommen war, sicher aber ohne sonderliche Strenge durchgef?hrt wurde. Nicht anders ging es mit der neuen Auflage des Zensurediktes, die 1772 ans Licht trat.

Auch dies neue >>Circular<< vom 1. Juni 1772 beklagte, dass die alten Vorschriften >>mehrfach hintangesetzt<< worden seien; ausserdem seien die alten Zensoren gestorben. Die Ernennung der neuen regelte es zun?chst. Die historischen Schriften hatte der Geheime Finanzrat Kahle zu zensieren, der dieses Amt schon seit einigen Jahren versah; die juristischen sollte von jetzt an der Geh. Tribunalsrat Stuck, die theologischen der freisinnige Oberkonsistorialrat Teller, und die philosophischen der Professor der Ritterakademie Sulzer beaufsichtigen.

Ausserdem ist dieses neue Zensuredikt ein charakteristischer Spiegel der literarischen Bewegung der Zeit.

Die sch?ne Literatur war in dem Edikt von 1749 nur durch die >>Carmina<< vertreten gewesen; jetzt fand auch die Masse der >>kleinen Schriften: Carmina, Wochenschriften, gelehrte Zeitungen, ?konomische Schriften und alle andere kleine Piecen<<, Ber?cksichtigung; sie sollten, wenn sie nicht zu den B?chern geh?rten, die den vier Zensoren vorgelegt werden mussten, von der Landesregierung oder den Magistraten begutachtet werden, in Universit?tsst?dten von der Universit?t. Nur Berlin machte eine Ausnahme: hier hatte der >>historische Zensor<< auch diese kleinen Schriften zu begutachten.

Und schliesslich wurden jetzt in das Zensuredikt auch die Zeitungen mit aufgenommen, deren Zahl seit 1749 stattlich gewachsen war. Die Zensur der >>teutschen und franz?sischen Zeitungen<< hatte der Geheime Rat von Beausobre unter der Direktion des Ausw?rtigen Amtes zu besorgen; sie war ihm schon vor siebzehn Jahren ?bertragen worden. Ausserhalb Berlins sollte die Zeitungszensur von der Regierung oder den Justizkollegien erledigt werden; wenn diese Beh?rden nicht am Orte waren, hatten sie einen Vertreter zu stellen.

Die bessere Organisation verlangte aber auch mehr Aufwand. Daher wurden jetzt die Zensurgeb?hren eingef?hrt; ausser einem Freiexemplar des gepr?ften Buches, auf das den Zensoren schon seit 1749 ein Anspruch zustand, durften sie von 1772 an zwei Groschen f?r den Druckbogen berechnen.

Das erweiterte Edikt von 1772 sch?rfte den Zensoren noch ein, dass >>Unsere Allergn?digste Absicht keineswegs dahingerichtet ist, eine anst?ndige und ernsthafte Untersuchung der Wahrheit zu hindern, sondern nur vornehmlich demjenigen zu steuern, was den allgemeinen Grunds?tzen der Religion und sowohl moralischer als b?rgerlicher Ordnung entgegen ist<<.

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