bell notificationshomepageloginedit profileclubsdmBox

Read Ebook: Angela Borgia by Meyer Conrad Ferdinand

More about this book

Font size:

Background color:

Text color:

Add to tbrJar First Page Next Page

Ebook has 898 lines and 39434 words, and 18 pages

Edition: 10

Angela Borgia

Conrad Ferdinand Meyer

Erstes Kapitel

Als die Angetraute des Erben von Ferrara, welche die Tochter des Papstes und Donna Lukrezia genannt war, von ihrem Gatten, Don Alfonso von Este, im Triumph nach ihrer neuen Residenz geholt wurde, ritt sie, w?hrend er den gl?nzenden Zug anf?hrte, in der Mitte desselben auf einem schneeweissen Zelter unter einem purpurnen Thronhimmel, den ihr die Professoren der Universit?t zu H?upten hielten.

Die w?rdigen M?nner schritten feierlich je vier an einer Seite des Baldachins, neben welchen andere acht gingen, um sie an den vergoldeten Stangen abzul?sen und ihrerseits des Dienstes und der Ehre teilhaftig zu werden. Hin und wieder erhob der eine und der andere den sinnenden Blick auf die zartgef?rbte, lichte Erscheinung im wehenden Goldhaar. Der Professor der Naturgeschichte erforschte und bedachte die seltene Farbe ihrer hellen Augen und fand sie unbestimmbar, w?hrend der Professor der Moralwissenschaften, ein Greis mit unbestechlichen Falten, sich ernstlich fragte, ob auf dem unheimlichen, mit Schlangen gef?llten Hintergrunde einer solchen Vergangenheit ein so frohes und sorgenloses Gesch?pf eine menschliche M?glichkeit w?re, oder ob Donna Lukrezia nicht eher ein unbekannten Gesetzen gehorchendes, d?monisches Zwitterding sei. Der dritte, ein Mathematiker und Astrolog, hielt die F?rstin f?r ein nat?rliches Weib, das nur, durch masslose Verh?ltnisse und den Einfluss seltsamer Konstellationen aus der Bahn getrieben, unter ver?nderten Sternen und in neuer Umgebung den Lauf gew?hnlicher Weiblichkeit einhalten werde.

Der vierte, ein J?ngling mit krausem Haar und k?hnen Z?gen, verzehrte die ganze schwebende Gestalt vom Nacken bis zur Ferse mit der Flamme seines Blickes. Das war Herkules Strozzi, Professor der Rechte, und trotz seiner Jugend zugleich der oberste Richter in Ferrara. W?re es nicht seine F?rstin gewesen, er h?tte sie als florentinischer Republikaner vor sein Tribunal geschleppt, aber gerade dieser strahlende rechtlose Triumph ?ber Gesetz und Sitte nach so schm?hlichen Taten und Leiden riss ihn zu bewunderndem Erstaunen hin.

Unangefochten von diesem Gedankengefolge, aber es leicht erratend, klar und klug, wie sie war, verbreitete die junge Triumphatorin Licht und Gl?ck ?ber den Festzug mit ihrem L?cheln. Doch auch sie hing unter ihrer lieblichen Maske ernsten Betrachtungen nach, denn sie erwog die Entscheidung dieser sie nach Ferrara f?hrenden Stunde, welche die Br?cke zwischen ihr und ihrer gr?sslichen Vergangenheit zerst?rte. Diese w?rde noch hinter ihr drohen und die Furienhaare sch?tteln, aber durfte nicht nach ihr greifen, wenn sie selbst sich nicht schaudernd umwandte und zur?cksah, und solche Kraft traute sie sich zu.

Eine zarte Pflanze, aufwachsend in einem Treibhause der S?nde, eine feine Gestalt in den schamlosen S?len des Vatikans, den ersten Gatten durch Meineid absch?ttelnd, einen anderen von ihrer Brust weg in das Schwert des furchtbaren und geliebteren Bruders treibend, hatte Lukrezia M?he gehabt, in den Kreuzg?ngen der Kl?ster, wohin sie sich mitunter nach der Sitte zu mechanischer Busse zur?ckzog, die einfachsten sittlichen Begriffe wie die Laute einer fremden Sprache sich anzulernen; denn sie waren, ihrer Seele fremd. H?chstens geschah es, dass ihr einmal ein Busse predigender M?nch, den dann der Heilige Vater zur Strafe in den Tiber werfen liess, eine pl?tzliche R?te in die Wangen oder einen Schauder ins Gebein jagte. Mit der von ihrem unglaublichen Vater ererbten Verj?ngungsgabe erhob sie sich jeden Morgen als eine Neue vom Lager, wie nach einem Bade v?lligen Vergessens. Dergestalt verwand sie ohne M?he, was eine gerechte Seele mit den schwersten Bussen zu s?hnen f?r unm?glich erachtet, was sie zur Selbstvernichtung getrieben h?tte. Und wenn sie nach einer unerh?rten Tat verfolgende Stimmen und Tritte der Geisterwelt hinter sich vernahm, so verschloss sie die Ohren und gewann den Geistern den Vorsprung ab auf ihren jungen F?ssen.

Nur ihr Verstand, und der war gross, ?berzeugte sie durch die Vergleichung der r?mischen Dinge mit den Begriffen der ganzen ?brigen, der lebenden und der vergangenen Welt, oder durch ein irgendwo geh?rtes m?nnliches Urteil, oder durch das von ihr wahrgenommene Erschrecken eines Unschuldigen bei ihrem Anblick--ihr Verstand allein ?berf?hrte sie nach und nach von der nicht empfundenen Verdammnis ihres Daseins, aber allm?hlich so gr?ndlich und unwidersprechlich, dass sie mit, Sehnsucht, und jeden Tag sehnlicher, ein neues zu beginnen und Rom wie einen b?sen Traum hinter sich zu lassen verlangte.

Ihr Begehren, dessen Heftigkeit sie verbarg, erf?llte ihr dritter Gemahl, der Erbe von Ferrara.. Beim Anblick dieser ruhigen, geschlossenen Miene hatte sie sich gesagt: Jetzt ist es erreicht. Mit diesem bin ich gerettet. Sicherlich kennt er meine Vergangenheit und t?uscht sich dar?ber, so reizend ich bin, keinen Augenblick. Es kostet ihn ?berwindung, mit mir den Ring zu wechseln bei dem Geschrei, in dem ich stehe, und bei seiner b?rgerlichen Ehrsamkeit; wenn er sich nun aber entschlossen hat, mich zum Weibe zu nehmen zur Wohlfahrt seines Staates und um mit vollen H?nden aus dem Schatze des heiligen Petrus zu sch?pfen--aus welchem Grunde es sei, so wird der Mann, wie er ist, einen mutigen Strich durch meine Vergangenheit ziehen und mir dieselbe niemals vorhalten, fall' ich nicht in neue Schuld... davor aber werde ich mich wahren. Und er wird meine Gaben kennenlernen, meine Regentenkunst bewundern--Donna Lukrezia hatte schon F?rstent?mer und w?hrend der Abwesenheit des Vaters selbst die apostolische Kirche verwaltet--, meine unverwirrbare Geistesgegenwart, meine Billigkeit, meine Leutseligkeit... Niemals werde ich ihm den Schatten eines Anlasses geben, Treue oder Gehorsam seines Weibes zu beargw?hnen... wenn nicht, ausser wenn--eine Furche senkte sich zwischen die fr?hlichen Brauen, und sie schauderte--ausser wenn der Vater befiehlt; aber der sitzt in Rom--oder der Bruder ruft; aber der liegt in seinem spanischen Kerker.

Sie l?chelte das Volk an, um die Schmach ihrer Abh?ngigkeit tief zu verstecken, kraft deren sie mit Vater und Bruder zu einer h?llischen Figur verbunden war. Dann nahm sie ihre ganze Kraft zusammen, und mit einem kr?ftigen Ruck entschlug sie sich der Sache.

In diesem Augenblicke hielt der Zug vor einem Kastell, von dessen ausdrucksvoller Mauerkrone ein Seilt?nzer herabschwebte. Sie sah das Kunstst?ck an und sagte sich: "Du gleitest und st?rzest nicht, und ich ebensowenig."

Es war ein Amor, der unten vom Seile sprang, vor ihr das Knie bog und ihr einen Myrtenkranz bot mit den huldigenden Worten: "Der keuschen Lukrezia!" Unter dem Jubel der Menge kr?nte sie sich und ergab sich ganz der Lust des Augenblickes.

Jetzt fuhren Blitze aus der Br?stung des runden Turmes, der sich donnernd in Rauch h?llte. Don Alfonso war ein leidenschaftlicher Liebhaber von Gesch?tz--ganz Kanone--und konnte sich zur Zeit und zur Unzeit des Pulverknalls nicht ers?ttigen. Dem Zelter Donna Lukrezias dagegen zerriss der gewaltsame Ton das feine Ohr. Er stieg, und die F?rstin glitt sanft aus dem Sattel in die Arme der Professoren, w?hrend dicht hinter ihr ein herrliches M?dchen mit krausem Haar und leuchtenden Augen ihren erschreckten Rappen ohne Zagen b?ndigte und beruhigte.

Neben ihr klemmte ein hagerer Kavalier mit eisernen Schenkeln die Seiten seines Pferdes. Diese h?hnische Larve geh?rte Don Ferrante, der bei der Verm?hlung in Rom Don Alfonso, seinen Bruder, vertreten hatte, und den die Ferraresen kurzweg den Menschenfeind hiessen. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, seiner heutigen Reisegef?hrtin Ferrara und das F?rstenhaus, dem er selbst angeh?rte, auf seine Weise zu beleuchten und auf jede zu verleiden.

Die sichere Reiterin aber war Angela Borgia, eine nahe Verwandte der F?rstin und ihr Fr?ulein, das sie nach Ferrara begleitete und hinter der Ber?ckenden bescheiden die B?hne der Welt betrat.

Und dieses Theater entfaltete sich heute in ungew?hnlicher Pracht: strahlender Himmel, gl?nzende Trachten, ?ffentlicher Jubel, der festliche Verkehr der Beg?nstigten und Gl?cklichen dieser Erde, berauschende Musik, stolzierende Rosse, reizende Frauen, verliebte J?nglinge, schmeichelnde Huldigungen, klopfende Pulse, die Welt, wie sie sich schm?ckt und l?chelnd im Spiegel besieht, alle diese Lust und F?lle lag vor ihr ausgebreitet und wurde ihr verg?llt durch den spottenden Teufel an ihrer Seite.

"Seht, junge Herrin", so h?hnte er jetzt, "wie anmutig Donna Lukrezia f?llt und wie sie von den Tugenden und Wissenschaften", er wies auf die Professoren, "feierlich wieder zu Rosse gehoben wird. Ich halte es mit dem Gaukler und preise ihre Keuschheit. Nur stand sie in der Familie vereinzelt und litt unter dem Zwange des Vaters und Bruders. Darum ergriff sie die Hand Don Alfonsos, um hier", er zeigte die nahen T?rme und Kuppeln Ferraras, "einen passenderen Umgang zu finden; aber Donna Lukrezia irrt. Ohne uns mit Seiner Heiligkeit oder dem erlauchten Don Cesare messen zu wollen, sind wir S?hne des Herzogs und er selbst doch in unserer Art ein ruchloses Geschlecht, nat?rlich jeder von uns nach seinen Kr?ften und nach seinem Masse, soweit es f?r Laien tunlich ist.

Ihr erstaunt, dass ich hier im Zuge des Herzogs so ungebunden rede! Aber seht, Fr?ulein, es ist meine Charaktermaske, ?ffentlich zu schm?hen und zu l?stern, die mir der Herzog, mein Vater, erlaubt und zugesteht, insofern ich mich enthalte, mich insgeheim gegen ihn zu verschw?ren, eine Untugend, die von alters her im Blute der Familie versteckt ist.

Und wisset, tapferes M?dchen, damit habet Ihr mich gleich f?r Euch gewonnen, dass Ihr nicht fade seid, sondern, wie ich, der Wahrheit Zeugnis gebt, ohne Menschenfurcht--wenn es sein muss, auf offenem Markte. Die anderen, die da hinter uns", er wies ver?chtlich auf die folgenden Paare des Hofstaates, "was sind sie? Geputztes Gesindel, Schelme und Dirnen! Heuchler und B?binnen! Nicht wert, dass sie die Sonne bescheint--mit Ausnahme selbstverst?ndlich der hundert Maultiere, die den Brautschatz Donna Lukrezias tragen. Das sind redliche und verdiente Gesch?pfe. Aber M?he hat es uns gekostet, mich und den Bruder Kardinal, diesen Brautschatz dem Heiligen Vater und der Kirche unter den Krallen hervorzuziehen! Doch ich sagte: Entweder--oder! wie mich der Herzog, mein Vater, beauftragt hatte. Leichter gelang es uns, die Heiligkeit mit dem von unserem Vater Herkules der Braut zugestandenen Wittum hinter das Licht zu f?hren." Don Ferrante kicherte. "Wir schwatzten n?mlich dem Heiligen Vater unsere ber?hmten flavianischen G?ter auf, die zwar von unserem ferraresischen Fiskus verwaltet, aber ihm von dem Grafen Contrario gerichtlich bestritten werden. Ihr wisst, von dem liebensw?rdigen Grafen Contrario, dem z?hesten Widersprecher und Rechthaber in ganz Italien! Und das war es eigentlich, was den Herzog Herkules, unsern sparsamen Vater, an dieser Heirat am meisten erfreut hat. So wurde alles nach Gerechtigkeit geordnet! Und mit welcher Wollust schrieb ich nach der Verm?hlung die Depesche f?r den harrenden Kurier: Mitgift zugestanden. Heiligkeit ?berlistet. Donna Lukrezia getraut und gar nicht unheimlich. Das wollte sagen: diesmal tr?gt sie kein weisses P?lverchen in der Tasche. Und wirklich, ich glaube, Bruder Alfonso darf heute abend ohne Gef?hrde sein Haupt mit diesem Goldhaar", er wies mit dem Spitzbart unter den Thronhimmel, "auf dasselbe Kissen legen."

Diese Anspielung auf die Giftmischereien der Borgia presste dem M?dchen eine Tr?ne aus, die sie zornig von der langen Wimper sch?ttelte. "Eure Zunge meuchelt, Don Ferrante!" sagte sie.

Angela Borgia stammte aus einer Seitenlinie des ber?hmten spanischen Geschlechtes und wurde, nachdem sie, wie viele Kinder ihrer Zeit, fr?he auf tragische Weise beide Eltern verloren hatte, mit anderm weiblichen Edelblut in einem Kloster des Kirchenstaates eher aufgen?hrt als erzogen. Als besch?tzte Verwandte des Papstes erfreute sie sich der Bevorzugung der Nonnen und der F?hrerschaft unter den Gespielinnen.

Es bestand damals eine seltsame, von den grellsten Widerspr?chen gepeitschte Welt, die selbst einem italienischen M?dchen, das sonst alles, was Wirklichkeit besitzt, unbefangen angreift und durchlebt, ernstlich bange machen und Kopf und Herz verwirren konnte. Der jungen Angela wurde in Bild und Predigt eine sittliche Sch?nheit und Vollkommenheit vorgehalten, deren irdischer Vertreter, der Greis, auf welchem, wie der gleichzeitige Sultan sich ausdr?ckt, das Christentum beruhte, milde gesagt, ein entsetzlicher Taugenichts war, ?ber dessen Ruchlosigkeiten die Schwestern weinten und die Schlimmsten ihrer Gespielinnen insgeheim sich lustig machten.

Angela aber erschrak und brachte es nicht ?ber sich, das Leben als einen Widerspruch zu verspotten.

Sie begann nun, sich schwere Bussen und Geisselungen aufzuerlegen zugunsten ihres Verwandten, des Heiligen Vaters, und ihrer Base Lukrezia, von welcher im Kloster gleichfalls mit geheimen Seitenblicken des Abscheues geredet wurde. Von diesen Peinigungen brachten sie die verst?ndigen Schwestern indessen bald zur?ck, indem sie ihr vorhielten, alle ihre Anstrengungen w?ren einem solchen Unmass der S?nde gegen?ber g?nzlich unzureichend und vergeblich.

Daf?r entwickelte sich in Angela gegen die herrschende Nichtsw?rdigkeit ein Bed?rfnis verzweifelter Gegenwehr und, mit einem zarten Flaum auf den Wangen und dem Feuer ihrer Augen, eine gewisse ritterliche Tapferkeit, nicht nach dem duldenden Vorbilde ihrer weiblichen Heiligen, sondern mehr nach dem k?hnen Beispiel der geharnischten Jungfrauen, die in der damaligen Dichtung umherschweiften, jener untadeligen Prinzessinnen, die sich der Schw?chen ihres Geschlechtes sch?mten und welche zu handeln und sich zu verteidigen wussten, ohne dabei die Grazien zu beleidigen.

So erwuchs Angela kraft einer edeln Natur zu einem widerstandsf?higen und selbstbewussten M?dchen, zu dem, was das Jahrhundert in lobendem Sinne eine Virago nannte.

Nun begab es sich an einem Sommertage, dass aus dem Dunkel des Eichwaldes, der den Fuss des das Kloster tragenden apenninischen Felsens umnachtete, auf weissem Zelter eine helle Waldfee mit ihren Gespielen, oder vielleicht G?ttin Diana mit ihrem Jagdgefolge, oder gar die erlauchte Donna Lukrezia mit ihren Frauen emporstieg und an die Pforte klopfte.

Wirklich, es war diese. Sie wurde von der ?btissin empfangen, der sie die Hand k?sste und von welcher sie gesegnet wurde. Dann liess sie sich die Nonnen und die Klosterz?glinge vorstellen und richtete an jede holdselig das ihr nach Rang und Stand geb?hrende Wort mit einer wohllautenden Stimme, die noch lange nachklang, nachdem sie gesprochen hatte. Zuletzt nahm sie Angela beiseite, und, Hand in Hand mit ihr durch einen Lorbeergang des Gartens auf und nieder wandelnd, sagte sie ihr fr?hlich, dass sie die Verlobte des Thronerben von Este sei, und dass sie Angela als ihre Verwandte und ihr Hoffr?ulein nach Ferrara mitnehmen werde. "Base", l?chelte sie, "ich will dein Gl?ck machen. Du gef?llst mir, und ich behalte dich, bis ich dich verm?hle."

Ebenso vetterlich wohlwollend begr?sste sie im Vatikan, den sie mit geheimem Grauen betrat, Lukrezias furchtbarer Bruder, ein J?ngling von vornehmer Erscheinung und gr?nschillerndem Blick. Unbefangen mit der Base t?ndelnd, sagte er: "Ich werde euch beide nicht nach Ferrara begleiten, die Gesch?fte verbieten es; doch m?chte ich euch Don Giulio empfehlen, den ihr dort finden werdet, einen j?ngern Bruder Don Alfonsos. Er ist ein bescheidener, aber hochbegabter J?ngling, nur dass er den Sinnen noch zu viel einr?umt. Er w?re es aber wert, und ich m?chte es ihm g?nnen, dass er sich durch eine edle Frau fesseln liesse."

Und jetzt ritt Angela hinter Madonna Lukrezia, und wiederholte Kanonenschl?ge verk?ndigten die N?he des Tores.

Don Ferrante musste sich beeilen, wenn er noch vor dem Betreten der Stadt die Br?der in der Meinung seiner jungen Begleiterin v?llig entwurzeln wollte; er ging aber r?stig ans Werk.

"Mich wundert", sagte er, "wie Donna Lukrezia, der die ?ffentliche Stimme oder doch die Einbildungskraft der M?nner etwas Ausserordentliches und Gefl?geltes verleiht, mit meinem Bruder, ihrem k?nftigen Eheherrn, dem gew?hnlichsten aller Sterblichen, der von fr?h bis sp?t an Essen und Ofen Gesch?tz giesst, wird haushalten k?nnen! Venus neben dem russigen Vulkan. Doch es mag gehen, so gut es dort ging. Sie wird seine herrlichen Fayencemalereien bewundern und ihn damit gl?cklich machen. Aber sie h?te sich", fuhr er fort, und seine h?hnende Stimme wurde drohend, "sie h?te sich! Don Alfonso ist der Rachs?chtigste unter uns, nur dass er seine Stunde abwartet und seine Rache das Recht heisst. Doch nein, ich tue dem Bruder Kardinal unrecht. Seine Rache ist die grausamste, da er der gr?ssere Geist ist und als der uns allen Unentbehrliche keinen Pr?tor zu f?rchten hat. Er ist der Diplomat unseres Hauses; die F?den unserer Politik laufen alle durch seine gelenken Finger, und er kennt unsere schlimmsten Geheimnisse. F?rchtet diesen Geier, junges M?dchen!"

Ebendieser Kardinal Ippolito, der Staatsmann, die hagere Gestalt im Purpur, die gleichfalls zur Freite nach Rom gekommen und jetzt noch dort war, um mit dem Papste die ?bergabe der L?ndermitgift zu regeln, hatte sich viel und herablassend mit Angela besch?ftigt, sie ermutigend, Ferrara mit ihrer Gegenwart zu versch?nern.

Eine bange Angst bem?chtigte sich Angelas. Sonne, Staub und L?rm, die vergiftenden Reden Don Ferrantes, das vor ihr aufsteigende hagere Bild des Kardinals! Ein Gef?hl der Verlorenheit und Hilflosigkeit brachte das kr?ftige M?dchen einer Ohnmacht nahe--es entfuhr ihr ein leiser Schrei.

Da wandte sich die vor ihr schwebende Donna Lukrezia rasch nach ihr um, ein bleicher Blitz schoss aus ihren bl?ulichen Augen, und sie rief: "Womit ?ngstigt er dich, Angela? Wisset, Don Ferrante, und pr?get Euch ein: wer Angela zu nahe tritt, der tritt mir zu nahe. Und Lukrezia Borgia wollet Ihr nicht zur Gegnerin haben!"

Das wollte Don Ferrante von ferne nicht. Er l?chelte liebensw?rdig. "Keine Rede davon, erlauchte Frau! Ich tue mein m?gliches, Donna Angela angenehm zu unterhalten und unserm Hause ihre Gunst zu erwerben."

"Was beschreib' ich Euch noch Sch?nes, junge Herrin?" fuhr er fort, nachdem sich die F?rstin wieder abgewendet hatte. "Die unvergleichlichen und verbrecherischen Augen meines Bruders Don Giulio! Ihr kennet ihn?" fragte er, da er eine Bewegung auf ihrem Gesichte sah. "Wohl nur seinem Rufe nach! Denn der ist gross. XDCber ein kurzes aber wird er pers?nlich vor Euch stehen, wenn Ihr seinen Kerker ?ffnet, Donna Lukrezia und Ihr."

"Seinen Kerker ?ffnen?" fragte sie erstaunt.

"Gewiss! Und den aller Misset?ter", erkl?rte ihr Don Ferrante lustig. "Donna Lukrezia wird durch ihr Erscheinen die Verbrecher unschuldig machen. Solches ist in Ferrara Herkommen bei jeder f?rstlichen Verm?hlung und durchaus keine Allegorie. Es sind wirkliche Verbrecher, und sie werden auch tats?chlich freigelassen, so dass wir w?hrend der Feste wohl daran tun werden, unsern Schmuck festzuhalten und nachts nicht ohne Fackeln und Bewaffnete auszugehen."

"Was hat denn Don Giulio verbrochen?" fragte sie.

"Oh, nichts! Er hat mit seinen Augen ein Weib bezaubert und ihrem Manne den Degen durch die Brust gerannt."

"Schmachvoll!"

"Er ist ein ungezogener Knabe! In den Weingarten des Lebens eingebrochen, reisst er, statt sich ordentlich eine Traube zu pfl?cken, deren, so viele er mit beiden H?nden erreichen kann, vom Gel?nder, zerquetscht vor Gier die s?ssen Beeren und besudelt sich mit dem roten Safte Brust und Antlitz."

Und mit diesem frevlen J?ngling hatte sie Don Cesares Gedanke zusammengestellt!

Wieder donnerten die St?cke. Beim Schalle der Zimbeln und Pauken ging es durch das Tor. Die Professoren beschleunigten den Schritt, und bald langte Lukrezias Triumphzug vor dem Schlosse an, unter dessen schwerem Bau die Kerker lagen.

Der herantretende alte Herzog hob die F?rstin vom Pferde und schritt mit den Neuverm?hlten und Angela die Stufen hinunter nach der tiefen Pforte. Dort stand der Kerkermeister und ?berreichte Donna Lukrezia auf einem Sammetkissen einen gewaltigen verrosteten Schl?ssel. Sie ergriff ihn, und die T?r, kaum von ihm ber?hrt, drehte sich in den Angeln und sprang wie durch Zauber weit auf. Jetzt brach die Schar der Gefangenen hervor, Lukrezia zu F?ssen st?rzend und ihr die H?nde k?ssend. Alle hatten sie sich zuvor gereinigt, und ihre leidenschaftliche Dankgeb?rde ermangelte nicht des Anstandes. Doch gab es unter ihnen erbarmungsw?rdige Jammergestalten und abschreckende Verbrechermienen.

Zuletzt, nachdem der Kerker sich seines ekeln Inhalts entleert hatte, stieg noch ein J?ngling von edelster Bildung mit gekreuzten Armen die dunkeln Stufen empor. Ans Tageslicht tretend, erhob er die H?nde, als ob er die Sonne begr?sse; dann beschirmte er mit ihnen die Augen, als blende ihn der scharfe Strahl oder die Sch?nheit der oben stehenden beiden Frauen. Ein Knie vor Donna Lukrezia beugend, bedankte er sich bei ihr mit den Worten: "Erlauchte Frau und Schw?gerin, ich begr?sse in Euch die Barmherzigkeit, die jedes weibliche Herz bewohnt, und die f?rstliche Gnade, vor welcher die Fesseln fallen."

Mit diesen und noch sch?neren Reden huldigte er der neuverm?hlten F?rstin, dann richteten sich seine Augen, die wirklich in ihrer tiefen Bl?ue unter dem edeln Zuge der dunkeln Brauen von seltenem Zauber waren, auf die j?ngere Borgia, und er erstaunte aufrichtig ?ber die strenge Haltung des kaum erwachsenen M?dchens.

"Doch, rettende F?rstin", fuhr er fort, "wen bringt Ihr in Euerm Gefolge? Ist es die G?ttin der Gerechtigkeit, bes?nftigt durch die G?ttin der Huld?"

Add to tbrJar First Page Next Page

 

Back to top