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Read Ebook: Angela Borgia by Meyer Conrad Ferdinand

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Ebook has 898 lines and 39434 words, and 18 pages

"Doch, rettende F?rstin", fuhr er fort, "wen bringt Ihr in Euerm Gefolge? Ist es die G?ttin der Gerechtigkeit, bes?nftigt durch die G?ttin der Huld?"

Angela war schon von der Reise und durch die Bosheiten Don Ferrantes aufgeregt; jetzt emp?rte sie das Gaukelspiel der Begnadigung des S?nders durch die S?nderin und der Flitter der Phrase. Wie sie nun gar in den Born dieser wunderbaren Augen blickte, wurde sie von Zorn und Jammer aufs tiefste ersch?ttert. Ihre innerste, starke Natur ?berw?ltigte sie, und jede Verschleierung abwerfend, trat ihr Wesen unverh?llt hervor. Ihre redlichen Augen richteten sich auf die seinigen, und es bewegte sich etwas Undeutliches auf ihren ausdrucksvollen Lippen.

"Was meint die Herrin?" fragte Don Giulio.

Da brach es hervor. Angela sprach deutlich vor den hundert und hundert Zeugen, und ihre Stimme klang ?ber den Platz: "Schade, jammerschade um Euch, Don Giulio! F?rchtet Gottes Gericht!"--Ein grosses Schweigen entstand.

Und noch einmal erscholl die Stimme des M?dchens ?ber Don Giulio:

"Schade um Euch!" Seltsam! Die Ferraresen teilten vollst?ndig Angelas Gef?hl und Urteil ?ber das verwerfliche und gef?hrliche Treiben des F?rstensohnes, das Bedauern seiner Entwertung und ihr Leid um ihn, den sie liebten um seiner Sch?nheit und Anmut willen.

Rings erhob sich ein Gemurmel und Echo: "Schade! Sie hat recht! Es ist wahr! Schade um ihn!"

Donna Lukrezia aber ergriff die Hand Angelas, wie die ?ltere Schwester die einer j?ngeren, welche sich etwas Unziemliches hat zuschulden kommen lassen.

"Wie kannst du dich so vergessen?" sagte sie und f?hrte die Bewegte hinweg, die vor Scham und Aufregung in ein krampfhaftes Schluchzen ausbrach, wor?ber auch der bisher gelassen gebliebene Don Giulio die Haltung verlor.

Zweites Kapitel

Da, wo der weite Park von Belriguardo in die ferraresische Ebene ohne Grenzmauer verl?uft, sassen auf einer letzten verlorenen Bank im Schatten einer immergr?nen Eiche zwei, die, aus Haltung und Miene zu schliessen, voneinander Abschied nahmen.

Bald legte der junge, in die schwarze Tracht von Venedig gekleidete Mann die Hand beteuernd auf das Herz, bald betrachtete er die still in sich versunkene Gestalt Lukrezias, wie um sie sich auf ewig einzupr?gen.

"So gehet Ihr denn, Bembo", sagte sie, "und ich halte Euch nicht, da Ihr damit erf?llet, um was ich Euch bat, ohne es auszusprechen. Ihr geht, und wie lange wird es dauern, bis Ihr mich vergesset!"

"Donna Lukrezia", erwiderte der Venezianer bewegt, "wie lange ich Euer gedenken und Euch lieben werde, wahrlich, das ist mir verborgen, denn ich kenne nicht meine Todesstunde."

Er sagte es mit so trauriger Z?rtlichkeit in der Stimme, dass die Herzogin ger?hrt erwiderte: "Um mein Andenken in Euch zu erhalten, sollt Ihr etwas von mir mit Euch nehmen, mein Freund", und sie winkte eine schlanke, dunkle M?dchengestalt heran, die am Waldsaum auf und nieder schritt, wohl um die Herrin vor sich selber zu h?ten, oder um das Nahen eines unwillkommenen Zeugen zu verraten.

"Setze dich neben mich, Angela", sagte sie, "und schneide mir eine Locke vom Haupt!" Sie ?ffnete ihr Gurtt?schchen, zog daraus ein kleines, scharfes Messer mit goldenem Griff hervor und bot es Angela, die, den Befehl ausf?hrend, ihr vom ?berflusse eine flutende Locke raubte.

Die F?rstin suchte nach einer H?lle, um den Ringel hineinzulegen, fand aber nichts als in derselben Gurttasche eine in Gold und gepresstes Leder gebundene Ausgabe der sieben Busspsalmen, ein beliebtes Handb?chlein der damaligen Hofwelt. Unbefangen legte sie ihre Locke hinein und reichte Bembo das Liebespfand. Dieser dr?ckte es an die Brust, dann an den Mund und dankte f?r den s?ssen Kern in der herben Schale mit einer seelenvollen Miene, durch welche sich ein ganz leises, ironisches L?cheln schlich.

"Schreibt mir", sagte sie dann, "durch sichere Gelegenheit, jedesmal, wenn Ihr ahnet, dass mir Gefahr droht und ich Eures Rates bedarf. Bleibet um mich, auch in der Ferne! Ich weiss, Ihr verlasset mich nicht, nachdem Ihr mir geholfen habt, den Bau meines neuen Gl?ckes in Ferrara aufzurichten."

"Es war eine Freude", erwiderte Bembo, "Eure klugen H?nde bauen zu sehen. Euer Werk ist untadelig und schwer zu ersch?ttern. Ich frage mich noch mit schmerzlichem Zweifel: Fordert Eure Sicherheit von mir das Opfer, dass ich Ferrara meide und mich Eurer Gegenwart beraube, die wie eine goldige Luft das ganze Dasein erhellt und verkl?rt?"

"Das habe ich vom Vater", sagte sie harmlos.

Der feine Venezianer zog die Brauen zusammen.

"Die Bande Eures Blutes und der D?mon Eures Hauses sind Eure Gefahr", seufzte er. "Und darum verlasse ich Euch ungern. Dennoch ist es besser, ich gehe. Eure Sicherheit, Madonna, ruht auf dem Vertrauen, das Don Alfonso Euch schenkt. Unsere geistige Liebe w?rde er kaum beargw?hnen, sachlich, wie er ist; und doch ist es besser... wer liebt, der opfert sich."

"Es ist besser", best?tigte sie leise.

"Erlaubt mir nun zum Abschied, geliebte Frau, ein freies und sch?tzendes Wort!" bat er. "Die Verh?ltnisse liegen vor Euch im Licht Eures scharfen Verstandes, aber dieser helle Tag reicht nur bis an den Schattenkreis, wo Eure Liebe zu Vater und Bruder beginnt."

Hier entf?rbte sich Lukrezia, und ihr bleiches Auge erstarrte zu einem Medusenblick.

"Z?rnet nicht, Madonna", rief Bembo. "Weiss ich doch, wie Ihr als unschuldiges Kind in diese schwere Verstrickung gerietet! Reden muss ich zu Euerm Heil. Erinnert Euch: Jahre waren vergangen seit Euerm Einzug, Euer Gemahl war regierender Herzog geworden, Ihr hattet Wurzeln geschlagen in Ferrara und die Liebe des Volkes gewonnen; da starb Euch der Vater. Ihr aber ergabet Euch massloser Trauer und unendlichen Tr?nen, bis ich kam und Euch ins Ohr fl?sterte: Ihr beleidigt mit Euern Tr?nenerg?ssen Don Alfonso und vergesset die unleidlichen Dinge, denen er Euch entriss."

Lukrezia h?rte ihm aufmerksam zu, und ihr Verstand musste ihm gegen ihr leidenschaftliches Gef?hl recht geben.

"Wenn dergestalt Euer Urteil ?ber den weiland Heiligen Vater ein verblendetes ist, so entsteht jetzt, da er dahingefahren, f?r Euch daraus kein Unheil mehr. Ein anderes aber ist es mit C?sar, Euerm furchtbaren Bruder: er lebt und besitzt noch seine Drachenkraft. Er ist ein J?ngling und wird sicherlich heute oder morgen seine Fesseln durchfeilt haben und wieder aus dem Orkus steigen, um ganz Italien zu verwirren. Diese schwarze Klippe bedroht Euere Barke; m?ge sie nicht daran scheitern! Das Wiederkommen C?sars ist Eure Schicksalsstunde. Und Ihr werdet--" er besann sich, ob er ihr die bittere Arznei erspare, fuhr aber mit entschlossener Liebe fort: "wehe Euch, Ihr werdet folgen, wenn Euch Don C?sar ruft. Ihr werdet dem Teufel gehorchen, wie sie erz?hlen, dass Euer Vater auf dem Sterbebette sagte: 'Du rufst, ich komme'."

Lukrezia bekreuzigte sich.

"Teure Herrin!" Bembo machte eine Bewegung, ihr zu F?ssen zu fallen, hielt sich aber zur?ck, da die wandelnde Angela sich gerade nach ihnen umwandte.

"Ich beschw?re dich, Lukrezia", fl?sterte er, sich zu ihr beugend, "sobald diese gef?hrlichen Stunden kommen und du f?hlst, dass du die Herrschaft ?ber dich verlierst, so wirf dich vor dem Herzog nieder und bekenne, dass du sein Verbot ?bertreten willst, denn sicherlich wird er seinen Untertanen bei Todesstrafe verbieten, mit C?sar zu zetteln, dessen Erscheinung Italien wie ein Erdbeben ersch?ttern w?rde... Doch ich beschw?re Euch vergeblich, Madonna! Denn ich weiss, Ihr werdet die Z?gel verlieren, Ihr werdet des Herzogs Verbot unter die F?sse treten."

"Werde ich?" fragte Lukrezia, wie abwesend. Doch erschien ihr glaublich, dass sie es tun werde, denn sie kannte ihre Bande.

"Herrin", schluchzte der Venezianer, "wann immer ich erfahre, C?sar sei aus dem Kerker gebrochen, ich eile auf Windesfl?geln nach Ferrara und umklammere Euch, dass Ihr ihm nicht in die Arme st?rzet--doch k?me ich zu sp?t, so gedenket meines Rates, sobald Ihr Euch wieder besitzt und besinnet. Sch?tzet und berget Euch vor der Strafe des Herzogs an seinem Herzen. Und habt Ihr menschliche Werkzeuge angewandt, um Euch mit dem Bruder zu verbinden, opfert sie unbedenklich und gebet sie der Rache des Herzogs preis.--Der Herzog liebt Euch..."

"Ich glaube, dass er mich liebt", sagte Lukrezia, sich wieder erhellend.

"Seid dessen gewiss", beteuerte der Venezianer. "J?ngst an der Tafel nannte er den Namen C?sars--nicht unabsichtlich--und sprach von einem dunkeln Ger?chte seiner Entweichung. Dabei beobachtete er Euch scharf... Ihr bliebet ruhig, nur Eure Hand zitterte, die den Becher hielt, daraus Ihr schl?rftet. Er betrachtete Euch lange, doch wohlwollend und wie mit der gerechten Erw?gung, was Eurer Natur gem?ss und welcher Widerstand Euch m?glich sei. Gewiss, er wird Euch halten und retten, wenn Euch nicht das Verh?ngnis gewaltig fortreisst."

Die Herzogin, die wieder v?llig heiter war, sagte jetzt mit wunderbarem Leichtsinn: "Ich werde Eure Sorge beherzigen. Aber, Freund, nun genug von mir! Spendet mir lieber einen Rat f?r jene dort--", sie blickte nach der wandelnden Angela, "die mir in weit n?herer Gefahr zu schweben scheint. Seht hin!"

Ein schreiender Raubvogel erhob sich aus dem Walde und kreiste ?ber den Wiesen. Zugleich rauschte es im Geb?sch, und ein hagerer, in Purpur gekleideter Mann trat auf Angela zu, wandte sich aber, Bembo neben der Herzogin entdeckend, gr?ssend an diese.

"Ihr findet uns, Eminenz", sagte die Herzogin unbefangen, "wie sich mein liebensw?rdiger venezianischer Besuch, den ich schwer missen werde, von mir verabschiedet."

"Ihr verlasst uns, Bembo?" sagte der Kardinal leutselig. "Das sollte mir leid tun. Wohin gehet Ihr?"

"Nach Urbino, Eminenz."

"Um wieder zu uns zur?ckzukehren?... Denn uns geh?ret Ihr an, und wir k?nnen Euch nicht entbehren, ebensowenig als eine andere, die man auch von uns fortsenden will."

Die F?rstin zog das neben ihr stehende M?dchen zu sich auf die Bank nieder und behielt seine Hand in der ihrigen, als n?hme sie von Angela Besitz.

"Wir bilden hier einen festgeflochtenen, farbigen Kranz", fuhr er fort, "aus dem es unrecht w?re, eine Blume zu entfernen, geschweige die s?sseste Knospe wegzureissen!"

Lukrezia erhob ihre Augen gross gegen den Kardinal, ?berlegend, ob jetzt, da Bembo noch als Zeuge hier stehe, nicht der Augenblick gekommen sei, ein l?ngst im Finstern schleichendes ?bel an die Helle zu ziehen und durch das darauf fallende Tageslicht zu vernichten.

Geistesgegenw?rtig, wie sie war, besann sie sich nicht lange.

"Kardinal", sagte sie, "wenn Ihr unter der andern uns bald Verlassenden diese hier versteht, so wisset, ich trachte danach, dass sie von uns scheide. Ihr Alter ruft der Verm?hlung, und hier weiss ich f?r sie keinen Gemahl, w?hrend Graf Contrario, den Ihr kennt und der sie heimzuf?hren begehrt, alle Eigenschaften besitzt, die ich als die Sch?tzerin Angelas von ihrem Manne fordern darf. So ist mein Wille; doch werde ich gern noch Eure Meinung dar?ber in Betracht ziehen."

Bembo wollte sich bescheiden entfernen, wurde aber durch einen Blick Lukrezias festgehalten. Sie kannte das Unberechenbare in der Natur des Kardinals und scheute seine ?berraschungen.

Dieser schien die Herausforderung in den Worten der F?rstin nicht zu f?hlen; er w?hlte, w?hrend der Venezianer sich neben den Frauen auf eine Rasenb?schung niederliess, gelassen ihnen gegen?ber einen bequemen Platz im Dunkel einer Kastanie, deren Stamm sich nahe dem Boden teilte, mit den ?ppigen ?sten den Rasen bedeckend, und begann, indem er mit dem schaukelnden Fusse nach einer fl?chtigen Eidechse stiess, mit ruhigen Worten:

"Wie ich den Grafen Contrario kenne, taugt er nimmermehr f?r eine Borgia, denn er ist ein armer Mensch, zusammengesetzt aus peinlichen Tugenden und ewigem Widerspruch, ein Berg rechthaberischer Grunds?tze, der die Maus einer knickerischen Rechenkunst gebiert, g?nzlich unf?hig, eine Frau um ihrer selbst willen mit Gr?sse und Verschwendung zu lieben! Ich behaupte, seiner Werbung um dieses Sch?ne, dieses Liebe hier liegt ein grobes Rechenexempel zugrunde. Hier auf diese Tafel will ich es niederschreiben!"

Er zog ein T?felchen hervor, schrieb mit dem Stift und las zugleich:

"Graf Ettore Contrario freit um die hochherzige Angela Borgia, weil er mit dem Fiskus in Ferrara einen von seinem Vater geerbten Prozess ?ber bedeutende, auf ferraresischem Boden gelegene L?ndereien f?hrt, den er aller Wahrscheinlichkeit nach bei den zust?ndigen ferraresischen Gerichten verlieren w?rde ohne den Schutz eines h?chsten Einflusses, wie der, zum Beispiel, unserer erlauchten F?rstin, f?r deren einziges L?cheln der verliebte Grossrichter Herkules Strozzi Ehre und Seele verkauft. Unsre Herzogin aber und ihr Sklave Herkules w?ren zu bestechen, wenn der vollkommene Graf die Hand dieser Unschuld begehrt, welche Donna Lukrezia aus Ferrara entfernen will, weil das junge M?dchen aufs z?rtlichste und rasendste von dem Kardinal Ippolito geliebt wird, w?hrend sie selbst, als echtes Weib, unwissend und hoffnungslos f?r den gr?ssten Taugenichts der Erde entflammt ist.

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