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Read Ebook: Was ich geschaut: Novellen by Troll Borosty N Irma Von

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Ebook has 805 lines and 40563 words, and 17 pages

Der Knabe war ersch?pft in die Kissen zur?ckgesunken und schloss die Augen. Gabriele tr?ufelte ihm einen L?ffel voll Medicin zwischen die trockenen, heissen Lippen; dann sassen die beiden Gatten eine Weile schweigend an seinem Lager. Da schlug die Uhr acht, und Brauneck schnellte von seinem Sitze empor.

>>Ich gehe, meine G?ste zu empfangen,<< fl?sterte er, zu Gabriele geneigt. >>Wir werden heute unser Spielchen in meinem Zimmer abhalten, und ich will den Herren beim Kommen und Gehen die gr?sstm?gliche Behutsamkeit anempfehlen, damit Erich nicht beunruhigt werde.<<

Gabriele schaute auf und der Ausdruck peinlichen Staunens malte sich in ihren Gesichtsz?gen.

>>Wie?<< sagte sie, >>Du hast Deinen Herren nicht abgesagt? Du findest ein Vergn?gen daran, Dich dem Kartenspiele zu widmen, w?hrend Dein Kind hier schwer krank liegt?<<

Brauneck zuckte die Achseln.

>>Liebe Gabriele, Du hast eine pessimistische Neigung, das Leben furchtbar tragisch aufzufassen.<<

Ein halbunterdr?ckter Seufzer entrang sich Gabrielens Lippen.

>>Es w?re vielleicht viel besser gewesen, f?r heute eine Absage ergehen zu lassen,<< fuhr Brauneck fort. >>Aber ich gestehe es, ich habe vergessen, es rechtzeitig zu thun. Und jetzt Abends w?re es hierzu doch jedenfalls zu sp?t gewesen. So bleibt mir nichts ?brig, als die Herren zu empfangen. Aber, wie gesagt, ich werde daf?r Sorge tragen, dass der kleine Patient in seinem Schlummer nicht gest?rt werde.<<

Gabriele erhob und entfernte sich einige Schritte vom Bette des Knaben. Sie wollte nicht, dass er ihre Worte zu h?ren verm?chte. Brauneck folgte ihr.

>>Ein schwerer Krankheitsfall in der Familie,<< antwortete sie, >>g?be Dir wohl einen hinreichenden Rechtfertigungsgrund, Deine Einladung noch in letzter Stunde zur?ckzuziehen. Selbst jetzt noch m?ssten Deine Freunde Deine Entschuldigung annehmen. Ich bitte Dich, Otto, thu' es doch, schicke sie fort, bleibe bei Deinem Kinde. Wenn Du es mir zuliebe nicht thun willst, so thu' es Erich zuliebe. Er schl?ft nicht; er fr?gt immer nach Dir. Biete ihm die Erleichterung in seinem Leiden, dass er Dich bei sich sieht, wenn er die Augen aufschl?gt und nach Dir verlangt.<<

Brauneck machte eine Bewegung.

>>Aber liebe Gabriele,<< sagte er mit schlecht verhehlter Ungeduld, >>das geht doch nicht an, dass ich die G?ste, die ich geladen, nun, da sie kommen, wieder gehen heisse, weil mein kleiner Sohn krank liegt. Solche Sentimentalit?t w?rde man allenfalls der Frau, der Mutter zugute halten, aber einem Manne nicht.<<

Vom Bette her t?nte ein leises St?hnen.

Gabriele faltete die H?nde und streckte sie bittend dem Gatten entgegen. Er aber sch?ttelte verneinend den Kopf.

>>Otto, bleibe bei uns, bleibe bei Deinem Kinde! Ich bitte Dich!<<

>>Aber ich gehe ja nicht fort! Ich verlasse doch weder das Haus, noch selbst die Wohnung.<<

>>Bleibe hier, bei Erich!<<

>>Das kann ich nicht.<<

>>Und was soll ich dem Kinde sagen, wenn es nach seinem Vater fr?gt?<<

>>Sag' ihm, was Du willst!<<

Gabriele zuckte zusammen; dann richtete sie sich hoch auf.

>>So geh' denn! Geh' zu Deinen Genossen, geh' dem entsetzlichen -- Vergn?gen nach, das Du nicht entbehren kannst! So m?chtig hat der D?mon des Spieles Deine Seele umstrickt, dass Du ihm Dein Verm?gen zum Opfer brachtest, das Du Deinem Sohne h?ttest erhalten sollen. Jetzt siehst Du Deines Kindes Leben selbst bedroht -- doch auch das h?lt Dich nicht zur?ck. F?r Dein Weib und Dein Kind ist Dein Herz erkaltet; nur die Flamme jener unseligen Leidenschaft verzehrt es.<<

Fast unh?rbar leise hatte Gabriele diese Worte hervorgestossen, aber Otto war keines entgangen. Er erbleichte. Einen Augenblick lang begegneten sich die Blicke der beiden Gatten. Dann senkte Otto den Kopf, wendete sich langsam um und verliess ger?uschlos das Zimmer.

Einige Minuten blieb Gabriele regungslos stehen und starrte auf die Th?r, durch welche er sich entfernt hatte. Dann wandte auch sie sich um und kehrte an Erich's Lager zur?ck.

Nach einer Weile schlug der Knabe die Augen auf. Ein heisser Tropfen war ihm auf die Stirn gefallen.

>>Mama,<< sagte er und streichelte mit seinem H?ndchen ?ber ihre Hand, die auf seinem Bette ruhte. >>Weine nicht, Mama, mir thut nichts mehr weh, gewiss nicht. Weine nur nicht, Mama, liebe Mama!<<

Erich log. Er log, um seiner geliebten Mutter, die er traurig sah, zu verheimlichen, dass er litt. Der Gl?ckliche wusste noch nicht, dass es einen Kummer giebt, heisser, bitterer, trostloser, als selbst der eines Mutterherzens am Schmerzenslager des Kindes: Der Kummer um eine verlorene Seele, die uns theuer ist --

Brauneck war in sein Zimmer gegangen, hatte aber noch keinen seiner G?ste vorgefunden. Er athmete erleichtert auf, als er sich allein sah. Aber was n?tzte es ihm? In wenigen Minuten mussten sie ja doch kommen, und er musste zu den Karten greifen. Zu den Karten, die -- er wusste es wohl -- den Fluch seines Lebens bildeten, die er wahnwitzig liebte und die er in diesem Augenblicke zu f?rchten und zu hassen vermeinte.

Er seufzte tief auf, warf sich in einen Fauteuil und die Arme auf die Seitenlehnen gest?tzt, verbarg er den Kopf in seine H?nde.

Die Worte seiner Frau hatten ihn m?chtig ersch?ttert. Sie hatten sein im Grunde leicht bewegliches und weiches Gem?th im Tiefsten aufgew?hlt. Blitzartig zog das Bild seines eigenen Selbst vor seinem geistigen Auge vor?ber. Nackt und aller besch?nigenden Entschuldigungsgr?nde bar, schaute er seine Seele im Banne jener furchtbaren Leidenschaft, deren Sklave er geworden. Ja, Gabriele hatte recht, all seinen Besitz hatte er dem D?mon Spiel in den Rachen geworfen. Drei grosse Verm?gen hatte er sich von ihm rauben lassen: sein eigenes, das seiner Mutter, das ihm wenige Jahre nach seiner Verheiratung zugefallen war, und jenes eines Oheims, den er vor kurzem beerbt hatte. Die noch ?brigen Reste betrugen kaum einige Tausend Gulden. Er hatte seinen Sohn zum Bettler gespielt. Aber nicht das allein: Er war noch weit tiefer gesunken, als Gabriele ahnte. Nicht nur das Laster -- das Verbrechen hatte seine H?nde besudelt. Als fast sein ganzes Capital vergeudet war und er sich am Rande vollst?ndigen Ruines sah, da war eine entsetzliche Versuchung an ihn herangetreten. Schleichenden Schrittes erst, in fl?chtigen Umrissen, wie ein Phantom. Dann nahm sie deutlichere Formen an und lockte ihn immer lauter und dringender. Ein b?ser Zufall, der ihm einen Genossen zuf?hrte, welcher unentdeckt und erfolgreich die Bahn des Verbrechens schon betreten hatte, gab den Ausschlag. Seine letzten schwindenden Skrupel waren besiegt -- und -- er erlag. --

Das war es, was er, in sein Inneres schauend, gewahrte. Er wusste, dass es keine Umkehr, keine Rettung f?r ihn gab.

Ein schmerzliches St?hnen entrang sich Otto's gequ?lter Brust. Da schellte die Klingel an der Eingangsth?r; im Vorzimmer wurden Stimmen laut, und er sprang empor. Seine G?ste trafen ein; jetzt war nicht die Zeit dazu, sich d?steren Betrachtungen hinzugeben. Wozu auch? Vielleicht w?rde endlich das Gl?ck ihm hold, und -- wer weiss, vielleicht liesse sich, wenn nicht alles, so doch ein Theil des Verlorenen zur?ckerobern. Nicht alles Unrecht, was in der Welt geschieht, gelangt zur Enth?llung. Wie viele Schurken und Verbrecher, schlimmer als er, bleiben unentdeckt und erfreuen sich ungest?rt der goldenen Fr?chte ihrer Gaunerstreiche.

Otto trat den Ank?mmlingen gr?ssend entgegen; bald folgten Andere, und eine Viertelstunde sp?ter sass die Gesellschaft vollz?hlig beim Spiele.

Dr?ben aber lehnte Gabriele am Bette des kleinen Erich und sandte aus gl?ubiger Seele ein inbr?nstiges Gebet zu Gott empor, dass er ihr Kind vom Tode und ihren Gatten vom Untergange in Laster und Verkommenheit, dem schlimmeren Tode, erretten m?ge. --

Die Stunden verrannen. Tiefe Stille herrschte im Zimmer des Kranken. Otto hatte Wort gehalten; es drang kein Laut her?ber von der lustigen Spielgesellschaft, den Schlummer des Knaben zu st?ren. Aber Erich schlief nicht. Wohl hatte der Husten nachgelassen, aber der Athem drang in kurzen, hastigen St?ssen aus der Lunge, und das Fieber steigerte sich stetig. Einigemale hatte der Kleine nach dem Vater gefragt und Gabriele ihm geantwortet, dass er zu Hause sei, in seinem Zimmer, ob sie ihn herbeirufen solle? Erich sch?ttelte den Kopf. Er glaubte, dass der Vater schlafe und wollte ihn nicht seinetwegen wecken lassen. Mama weilte bei ihm, er war ja nicht allein.

Und immer weiter r?ckten die Zeiger der Wanduhr vor, und Stunde um Stunde floss in den Schoss der Unendlichkeit. Mit unerm?dlicher P?nktlichkeit reichte Gabriele dem Kinde die Arznei, tr?ufelte einen k?hlenden Trank zwischen die heissen Lippen, lockerte seine Kissen. Von Zeit zu Zeit durchmass sie mit leichten, unh?rbaren Schritten das Gemach. Eine qualvolle Unruhe hatte sie erfasst. Sie wusste und sie f?hlte es, dass die Stunde nahte der Entscheidung ?ber Tod und Leben.

Mitternacht war vor?ber. Mit stockendem Herzschlage stand Gabriele ?ber Erich gebeugt und lauschte. Ihr hatte pl?tzlich geschienen, als ob die stossweisen Athemz?ge des Kranken von einem leisen, r?chelnden Ger?usch begleitet w?rden, und eine furchtbare Angst hatte sie an der Kehle gepackt.

Da machte Erich eine Bewegung und setzte sich im Bette auf. >>Mama,<< sagte er mit ungew?hnlich lauter und deutlicher Stimme. >>Mama, jetzt hatte ich einen wundersch?nen Traum. Den m?chte ich Dir erz?hlen. Aber Papa soll ihn auch h?ren. Bitte, liebe Mama, ruf' ihn ein wenig zu mir.<<

>>Gleich, mein Kind, ich hole ihn gleich,<< erwiderte Gabriele. >>Aber wie f?hlst Du Dich? besser?<<

>>Wie ich mich f?hle?<< wiederholte der Knabe. >>Besser, viel besser. Nur so sonderbar ist mir zu Muthe, und hier innen -- Erich deutete mit der Hand auf seine Brust -- hier innen ist mir auf einmal so heiss. Aber das thut nichts, Mama,<< fuhr er fort. >>Ich f?hle gar keine Schmerzen mehr. Bitte, gehe Papa zu holen, damit ich ihm auch meinen sch?nen Traum erz?hlen kann.<<

Gabriele nickte und verliess das Zimmer. Als sie, die Reihe der Gem?cher durchschreitend, sich dem Zimmer ihres Gatten n?herte, scholl ihr daraus lautes Stimmengewirre entgegen. Ein heftiger Wortwechsel schien dort stattzufinden. Einen Augenblick z?gerte sie einzutreten. Doch nach kurzer Ueberlegung ging sie weiter und wurde, als sie die schwere Porti?re zur?ckschlug, welche jenes Gemach vom Salon trennte, Zeugin eines Auftrittes, der, sie mit t?dtlichem Entsetzen erf?llend, ihre Schritte hemmte. Sie sah Folgendes:

Mehrere der Herren waren von ihren Sitzen aufgesprungen und sprachen wild und verworren durcheinander. Einer derselben hielt mehrere Karten in der Hand, die er den anderen Spielern triumphirend vorwies.

>>Da seht!<< rief er. >>Da habt Ihr den Beweis. Die Karten sind markirt!<<

Und in der n?chsten Secunde schleuderte er die Karten ihrem Gatten ins Angesicht. >>Elender Schurke!<<

Otto fuhr vom Stuhle auf. Aschfahle Bl?sse bedeckte seine Wangen. Seine Lippen zuckten.

Dumpfes Schweigen lagerte pl?tzlich ?ber der Gesellschaft.

>>Die Pflichten der H?flichkeit als Hausherr verbieten mir, gegen Sie so vorzugehen, wie ich an jedem anderen Orte vorgehen w?rde,<< stammelte Brauneck nach einigen Augenblicken. >>Nichtsdestoweniger werden Sie<< -- gegen den Ankl?ger gewendet -- >>mir f?r Ihre mir zugef?gte Beschimpfung Genugthuung zu geben haben. Ich werde Ihnen morgen meine Zeugen schicken.<<

Ein Hohngel?chter beantwortete Brauneck's Worte.

>>Mit einem Falschspieler schl?gt man sich nicht!<<

Und alle Anwesenden erhoben sich von ihren Pl?tzen.

Gabriele stand noch immer an der Th?rschwelle. Ein dunkler Schatten legte sich ihr ?ber die Augen. Aber sie schrie nicht auf; sie brach nicht zusammen. Unbemerkt wandte sie sich zur?ck und ehe die G?ste sich zum Weggehen ger?stet, erreichte sie das Zimmer ihres Kindes.

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