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Read Ebook: Reisescizzen und Tagebuchblätter aus Deutsch-Ostafrika by B Low Frieda Freiin Von

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Ebook has 370 lines and 35388 words, and 8 pages

Es wird der englischen Mission in Zanzibar zum Vorwurf gemacht, dass sie die Schwarzen zu jungen Herren erzieht, statt zu t?chtigen Arbeitern oder Dienern. Die aus der Anstalt entlassenen J?nglinge gelten hier als privilegierte Nichtsthuer und Taugenichtse. Solange sie unter der liebevollen Pflege der Damen sind, f?hlen sie sich allerdings sehr wohl und der Zweck der Missionsgesellschaft, >>~to make the negroes happy~<< ist momentan wenigstens erf?llt. >>~Our boys are very happy little chaps!~<< sagte Miss Allen, als sie mir nach der reichlichen und guten Mahlzeit einzelne ihrer Lieblinge vorstellte. Sie versicherte mir: >>wir wollen die Neger keineswegs zu Engl?ndern machen, sondern zu Christen. Im ?brigen sollen sie die Eigent?mlichkeit ihrer Race behalten. Wir studieren darum sorgf?ltig ihre Gebr?uche und ihre Sprache. Allen Unterricht erteilen wir in Kisuaheli.<<

Zanzibar, den 20. Juni 1887.

Jetzt haben wir das Ende des Ramadan, des mohamedanischen Bet- und Fastenmonats miterlebt. Es ist dies Ende der Fastenzeit, welches mit dem Erscheinen des neuen Mondes zusammenf?llt, zugleich das Neujahrsfest der Araber. Gegen Sonnenuntergang marschierten des Sultans s?mtliche Truppen heran mit klingendem Spiel oder rhythmischem Kriegsgesang und nahmen auf dem Schlossplatz und dem angrenzenden >>~Boulevard sur mer~<< vom Palast bis ziemlich zu unserem H?tel Aufstellung. Einen sch?nen Anblick bieten die >>irregul?ren<< Truppen. Das sind junge, meist mit edlen Gesichtsz?gen und sehr schlanken Gestalten ausgestattete Araber in dem durch Illustrationen aus der Zeit der Kreuzz?ge bekannten ?beraus malerischen Kost?me: um den Kopf die hellseidene Keffie die tief in den Nacken herabh?ngt, ein bis ?ber die Kniee reichender, meist weisser Waffenrock, dar?ber in dem sch?rpenartigen breiten Gurt eine Menge von Dolchen, Messern etc. ?brigens tr?gt auch von diesen Irregul?ren jeder Mann ein Gewehr. Die Berittenen tragen den Burnus der Beduinen und jagen mit ausgelegter Lanze in gestrecktem Galopp meist auf wundervollen Vollblutpferden durch die Strassen. Wie sie das bei der hiesigen Pflasterung m?glich machen, ist mir unklar.

Am Meeresstrande sind, soweit der Blick reicht, Kanonen aufgefahren. Die Sultansschiffe prangen im reichsten Fahnenschmuck und das Volk der Araber, Indier, Perser, Aegypter, Goanesen und Suaheli erf?llt im Festtagsgewand Strassen und Pl?tze. Ich sah vom Fenster aus Neger-Dandies in schneeweissem, wallendem Hemd mit kupferfarbener, rotgoldner oder gr?nspanfarbener seidner Weste. Von dem Glanz dieser aus Indien stammenden Farben macht man sich in Europa kaum einen Begriff. Dazu tragen die Neger weisse gestickte mit zahlreichen L?chern versehene M?tzchen, ein kostspieliger Artikel, und Spazierst?ckchen in der Hand.

Auf dem Turm des Sultans, von den Europ?ern seiner Form und Beleuchtung wegen, der Weihnachtsbaum genannt, stand der W?chter und schaute nach der Himmelsgegend, in welcher der neue Mond sichtbar wurde. Unten herrschte grosse Aufregung, denn wenn sich der Mond an diesem Abend nicht sehen l?sst, m?ssen die Gl?ubigen noch vierundzwanzig Stunden l?nger fasten und beten.

Wir ?berschritten gerade in Gesellschaft von Herrn Dr. Peters, Herrn Braun und Baron Gravenreuth den Schlossplatz, als vom Turme aus der Signalschuss gegeben wurde, der das Erscheinen des ersehnten Gestirns ank?ndigt. Sofort begannen die s?mmtlichen Kanonen zu donnern, auch von den Schiffen her, und die gesammte Reichsarmee schoss die mit Pulver ?berladenen Gewehre auf einmal ab. Einen schlimmeren L?rm habe ich in meinem Leben nur einmal geh?rt, als ich, per Courierzug durch den Gotthardttunnel fahrend, auf der Aussengallerie des Eisenbahnwagens stand. Damals f?rchtete ich ernstlich f?r mein Geh?r; aber auch heute verging mir im ersten Moment H?ren und Sehen.

Bald nach Sonnenuntergang, sowie die fr?he Tropennacht das groteske Strassenbild verh?llte, wurden die Schiffe illuminiert, so dass die Formen des Takelwerks sich in weissen Lichtperlen von dem Wasser abzeichnen. Das Schiessen dauert immer fort.

Den 21. Juni.

Heute ist erster Neujahrsfeiertag. Wir haben in Gesellschaft der deutschen Herren einen Spaziergang landeinw?rts gemacht, um die T?nze der Schwarzen zu sehen. In den Strassen wird fortw?hrend geschossen.

Den 22. Juni.

Heute, am zweiten Feiertag, war grosser Empfang beim Sultan f?r die Europ?er. Wer im Besitz eines schwarzen ?berrocks oder Fracks ist, macht in Begleitung des betreffenden Konsuls dem Sultan seine Aufwartung und w?nscht Gl?ck zum neuen Jahr. Nach beendigter Audienz besprengt ein Hofbeamter die G?ste mit Rosen?l. Man riecht es in Folge dessen den Europ?ern meist noch tagelang an, dass sie an Hof gewesen waren. Als Nachspiel erh?lt jeder Besucher eine Sch?ssel Confect in's Haus geschickt. Die Herren aus dem Usagara-Haus ?berliessen mir liebensw?rdig einen Teil der ihnen gewordenen Geschenke, allein da diese arabischen, aus Sewsam, Honig und Mandel bereiteten S?ssigkeiten in Hammeltalg gebacken sind, konnten sie mein Herz wenig erfreuen.

Den 23. Juni.

Miss Shaw, die in ihrer Apotheke jeden Morgen und jeden Abend schwarze Patienten empf?ngt, hat mir bereitwilligst Erlaubnis erteilt, ihr mit meiner Gef?hrtin bei diesem Vornehmen zu assistieren. Heute Morgen wanderten wir zu diesem Zweck, gef?hrt von einem unserer schwarzen Kellner, nach der Mission. Die Apotheke im Missionshaus ist ein hoher Raum, in welchen das Licht durch ein fast an der Decke befindliches Fenster f?llt. Der Fussboden ist mit Steinplatten ausgelegt, auch befindet sich ein Wasserbeh?lter mit Hahn und Schlauchspritze da.

Die zu Miss Shaw pilgernden Patienten litten, so viel ich ihrer heute gesehen habe, an durch Unsauberkeit verschleppten Geschw?ren oder offenen Wunden.

Zu meiner Verwunderung zeigten sie sich bei den durch Schneiden, Auswaschen und Verbinden verursachten Schmerzen sehr tapfer. Kaum dass Einer zuckte, oder das Gesicht verzog. Ein etwa sechsj?hriges Kind litt an den Augen und erhielt Einspritzungen. Er war erst seit acht Tagen in Mkunazini. Wie alle Missionsz?glinge hier, war auch er ein kleiner Sclave, den englische Kreuzer arabischen Sclavenschiffen weggekapert und der Mission ?berantwortet hatten. Am Tage seiner Ankunft, erz?hlte Miss Shaw, hatte sie ihn sofort seiner sehr entz?ndeten Augen wegen vorgenommen. Abends bekam er dann zum Nachtisch eine Apfelsine. Anstatt diese aber zu essen, bat er vor Schlafengehen seine W?rterin, die Apfelsine der Dame zu bringen, die ihm >>Daua<< f?r seine Augen gegeben habe. -- Es ist gewiss irrt?mlich, den Negern Undankbarkeit vorzuwerfen und ich glaube keinesfalls, dass dieser Mangel eine Charakteranlage ist. Wenn Europ?er sich ?ber Undankbarkeit der Schwarzen beschweren, so hat es wahrscheinlich meistens den Grund, dass die vermeintlich erteilten Wohlthaten nicht als solche empfunden worden sind.

Heute Nachmittag holte mich Herr v. Gravenreuth zu einem Besuch im franz?sischen Hospital ab. Diese Sch?pfung des Ordens vom heiligen Geist und vom heiligen Herzen Mari? hat ein viel ernsteres Gepr?ge, als die anmutige Niederlassung der Engl?nder. Das Kloster liegt dicht am Meer, dessen Brandung hier an Korallenriffe schl?gt, so dass das dumpfe Brausen der anprallenden Wellen die Kranken in den Schlaf singt. Eine einsame Palme neigt die sch?nen Zweige wie trauernd dem Wasser zu. In dem ernsten, fast d?steren Klosterhof steht ein Gartenh?uschen nahe der Eingangspforte, dessen innerer Raum mit Heiligenbildern und Holzst?hlen ausgestattet ist, wie ein Beetsaal. Das ist das Empfangszimmer. Die Schwestern in ihrer schwarzen Nonnenkleidung treten leise auf und sprechen mit ged?mpfter Stimme. Sie sind zum gr?ssten Teil Creolinnen aus St. Mauritius und daher an das Klima besser gew?hnt als wir Nordl?nderinnen. Dennoch erz?hlen ihre bleichen, eingefallenen Gesichter und die tiefliegenden Augen von Nachtwachen und Bet?bungen, die den Geist vielleicht auf Kosten des K?rpers f?rdern. Aber dies Kloster ist f?r alle in diese Landstriche verschlagenen Europ?er zu einer St?tte des Segens geworden, von der sie mit inniger Dankbarkeit und Ehrfurcht sprechen. Wie manches Mal hat mein Bruder hier schon Heilung von schwerer Krankheit gefunden!

Die Oberin ist eine zarte, distinguirte Erscheinung, >>~petite, avec de grands yeux~<<. Sie stammt aus altfranz?sischer Adelsfamilie und ist schon dreizehn Jahre im Dienst der Krankenpflege th?tig. Wir sprachen ?ber die Gefahren des Klimas und sie res?mirte ihre Erfahrungen in dem Ausspruch: >>~l'?nergie, c'est tout. Avec de l'?nergie on vit ici, sans cela, on meurt~<<.

d. 24. Juni.

Heute Morgen, als ich aus meinem Zimmer trat, um zu fr?hst?cken, stand auf der Galerie ein Herr in Joppe, Kniehosen und Gamaschen, dem Cost?m, in dem die Herren auf dem Continent zu reisen pflegen. Ohne n?her hinzusehen, wollte ich an ihm vor?ber zu dem Kaffeetisch, als er mit einer mir sehr vertrauten Stimme: >>Guten Morgen, Frieda,<< sagte. Da erst erkannte ich meinen Bruder, den ich seit mehr als zwei Jahren nicht gesehen hatte. Und heute ist gerade sein Geburtstag! Albrecht hat einen ~par force~-Marsch von Usungula nach Bagamoyo gemacht. Er befindet sich k?rperlich und geistig sehr wohl und ?ussert sich durchaus zufrieden mit den Schwarzen, mit denen er jetzt, nachdem er ihre Eigent?mlichkeiten kennen gelernt hat, gern verkehrt und leicht fertig wird. Das Kisuaheli spricht er zwar nicht so correct wie Baron St. Paul, der in alle Feinheiten der Grammatik eingedrungen ist, aber gel?ufig und mit echter Neger-Betonung.

d. 25. Juni.

Miss Shaw hat uns diesen Morgen in H?tten einzelner weiblicher Patienten mitgenommen.

Man musste sich b?cken, um durch die Th?r in den dunklen Raum zu gelangen, der das Innere der H?tten bildet. Den Fussboden darin bildet die festgetretene Erde; die Einrichtungen, die wir heute sahen, bestanden aus einer einzigen Kitanda. Das indische Holzschemelchen, auf dem Miss Shaw bei ihrer Arbeit zu sitzen pflegt, trugen wir mit umher. Die Patientinnen boten ziemlich schwere F?lle von durch Unreinlichkeit und unordentliches Leben entstandenen fressenden Geschw?ren, deren energische Behandlung aber auch diese Weiber mit dem gr?ssten Stoicismus ?ber sich ergehen liessen. Wenn der active Mut den Suaheli-Negern fehlt, so scheint daf?r der passive, der sich im Dulden ?ussert, desto reichlicher vorhanden.

Den 26. Juni.

Gew?hnlich gehen wir nachmittags mit Herrn von Gravenreuth oder meinem Bruder spazieren, aber zuweilen hat keiner der Herren Zeit f?r uns, und allein wagen wir uns nicht auf die Strasse. Um uns dann die in diesem feuchtheissen Klima unerl?ssliche K?rperbewegung zu verschaffen, klettern wir, wenn die Sonne untergeht, auf das flache Dach unseres H?tels. Dies ist von so hohen Mauern umgeben, dass man nach keiner Seite hin Aussicht hat, also auch selbst nicht gesehen wird. Wir exercieren dann ganz stramm und machen turnerische Frei?bung, was uns vortrefflich bekommt. Unterhaltender und reizvoller sind freilich die G?nge durch die Stadt, besonders abends. Ich habe als Kind mit Vorliebe die M?rchen von tausend und einer Nacht durchbl?ttert, die mein Vater in einer vier Foliob?nde starken Prachtausgabe mit unz?hligen Illustrationen besass. Jetzt scheint mir diese orientalische M?rchenwelt vor meinen Augen lebendig geworden, so oft ich Gelegenheit habe, nachts die Gassen zu durchwandern. Wir biegen dicht bei unserem H?tel in eine enge, finstere Gasse ein. Die altersgeschw?rzten Hausmauern zu beiden Seiten sind ganz fensterlos. In einem tiefnischigen Pf?rtchen steht unbeweglich eine weiss verschleierte Araberin. Sie scheint jemanden zu erwarten. Wir gehen an ihr vor?ber, ohne dass sie uns zu beachten scheint. Hinter uns ert?nt, aus einer Seitengasse sich nahend, der einf?rmige rhythmische und gellende Wechselgesang schwarzer Lasttr?ger und das gleichm?ssige Getrappel ihrer nackten F?sse. Sie holen w?hrend des Singens rasch und m?hsam Atem, weil sie mit der schweren Last nicht gehen, sondern laufen.

Wir biegen aber bald in eine belebtere Strasse ein. Aus einer Moschee ert?nt der Chorgesang and?chtiger Mohamedaner. Wir erlauben uns vor der offenen Eingangspforte des Tempels einen Augenblick Halt zu machen. Da knieen die Betenden in langen Reihen dicht hintereinander, d. h. sie hocken auf den kreuzweis untergeschlagenen Beinen und singen unter best?ndigen Verneigungen und nach Vorschrift ausgef?hrten eigent?mlichen Handbewegungen ihre Responsen ab. Zahlreiche Krystall-Lampen, die von der Decke h?ngen, beleuchten scharf die schwarzen, braunen und gelben Gesichter. Die Schwarzen haben ?brigens unbeschadet ihrer Andacht s?mtlich die Gesichter uns zugekehrt und betrachten uns mit derselben Neugier, wie wir sie. Um sie nicht ferner zu zerstreuen, setzen wir unsern Weg fort. An der n?chsten Strassenecke str?mt uns s?sser Bl?tenduft entgegen. Es ist die sogenannte Jasminecke. Hier werden in den Abendstunden auf niederen indischen Holzschemeln grosse Haufen von Jasminbl?ten feilgehalten. Die vornehmen Araberinnen bestreuen mit diesen Bl?ten vor Schlafengehen ihr Lager. Ihre Kopfnerven m?ssen anders geartet sein, als die der Europ?erinnen. Wir befinden uns an der Jasminecke auf einem mit wildem Gr?n ?berwucherten Platz. Vor uns steht als malerische Ruine ein zerfallenes Araberhaus; einzelne maurische B?gen sind erhalten. Was hier zusammenf?llt, bleibt als Tr?mmerhaufen liegen und wenn's in der belebtesten Strasse der Stadt ist. Auf dem Gem?uer wachsen schlankst?mmige Melonenb?ume, >>~papa?~<<, unter deren zierlicher Bl?tterkrone die melonenf?rmigen Fr?chte h?ngen, hier eine beliebte Speise. Stammartige Wurzeln klettern aussen an dem Gestein herunter auf die Strasse nieder. Nicht weit von uns sitzen indische Jungen um ein kleines Holzkohlenfeuer, auf dem sie in einem Pf?nnchen Weihrauch verbrennen. Die Indier haben regelm?ssige Gesichtsz?ge und tr?umerische zuweilen sehr sch?ne Augen. Aber die schlotterige Gestalt, die schlechte Haltung und die tr?gen Bewegungen tragen den Stempel der Weichlichkeit in unangenehmer Weise. Die m?nnlichen Indier tragen weisse bis an die Kn?chel reichende Hosen, Westen und kurze weisse Jacken. Nichts sitzt bei ihnen malerisch, oder zeigt h?bschen Faltenwurf, wie es bei den Schwarzen h?ufig und bei den Arabern fast durchg?ngig der Fall ist. Auch sind ihre in's Auge fallenden Charakterz?ge, Habgier und Geiz, auf den Gesichtern der ?lteren M?nner mit erschreckender Deutlichkeit ausgepr?gt. Die Knaben vor uns sehen freilich im r?tlichen Schein ihres Feuerchens h?bsch genug aus. An einem anderen Feuer sitzen alte Weiber und r?sten Erdn?sse. Der vor uns hergehende Diener l?sst sich f?r ein paar Pesa sein rotes Fez damit anf?llen. Man entfernt die ger?stete Schale und der Kern schmeckt unseren Haseln?ssen ?hnlich, nur darf er nicht beim R?sten angebrannt sein.

Den 29. Juni.

Ich habe nun auch die zwei einzigen deutschen Damen hier in Zanzibar kennen gelernt. Frau Strandes, die nach dreij?hrigem Aufenthalt hier jetzt zum ersten mal unter dem Klimafieber leidet, hat einen pr?chtigen blonden und blau?ugigen kleinen Sohn. Dem Kind scheint die Tropenluft vorl?ufig ganz vortrefflich zu bekommen. Freilich ist seine Mama auch eine musterhaft verst?ndige kleine Frau, deren consequentes Erziehungssystem mir Achtung abn?tigt.

Am vergangenen Sonntag haben wir schon zum zweiten mal Morgengottesdienst im Usagara-Haus gehabt. Starke Gewitterregen haben die Gassen Zanzibars unter Wasser gesetzt. Man hat nur die Wahl von Stein zu Stein zu voltigieren oder durch die Wasserb?che zu waten.

Unser Geistlicher, Herr Missionar Greiner, erschien deshalb am Sonntag in kurzer Joppe, in die Stiefel gesteckten Beinkleidern und hohen Reiterstiefeln von gelbem Leder. So angethan, stand er vor der kleinen Gemeinde und las die milden Worte des Gleichnisses vom verlornen Sohn. Man glaubte sich in eine Hussiten- oder Hugenottenandacht aus den Zeiten der Glaubenskriege versetzt, als der Prediger des lauteren Wortes ritterlich gewappnet, die Bibel in der einen und das Schwert in der anderen Hand seiner Herde voranzugehen hatte. Wir sangen wieder den Choral: >>Nun danket alle Gott<<, dessen grossartige Melodie immer und ?berall die Herzen erhebt.

Nun ist Pastor Greiner mit seiner Frau und Nichte per Dau nach Dar-es-Salaam gesegelt, ein k?hnes Unterfangen in Hinblick auf die Frauen, denn wir haben noch vollen S?d-Westmonsum. Der Sturmwind weht grade von der Richtung, nach welcher das Segelbot seinen Cours halten muss, es kommt daher unter best?ndigem Kreuzen im besten Fall nur sehr langsam von der Stelle, und die Reisenden riskieren, tagelang in dem schmutzigen, caj?tenlosen Segelboot auf den Wellen herumgeworfen zu werden. Was mich betrifft, so w?rde ich mich einer Daureise gegen Wind und Wellen nur im ?ussersten Notfall aussetzen. Ich habe die ?rmsten mit inniger Teilnahme zur Einschiffungsstelle begleitet, wo sie, der Ebbe wegen, auf den Schultern schwarzer Lasttr?ger nach dem elenden Fahrzeug geschleppt wurden. M?chten sie die Reisetage erst ?berstanden haben!

Den 30. Juni 1887.

Gestern fanden auf der grossen Wiese an der Mnasimoja turnerische Spiele statt, ausgef?hrt von der Mannschaft des hier liegenden englischen Kriegsschiffes zur Feier des Regierungsjubil?ums der K?nigin von England. Wir waren in der h?flichsten Form von dem englischen Generalconsulat eingeladen. Mr. Holmwood liess Herrn Dr. Peters in seiner eigenen Equipage abholen, was Aufmerksamkeit erregte. Die ganze ~beau monde~ Zanzibars war auf der mit zahlreichen Flaggen geschm?ckten Festwiese erschienen.

>>Wer kennt die V?lker, z?hlt die Namen, Die gastlich hier zusammen kamen?!<<

Man sah die Vertreter der europ?ischen Regierungen, von Deutschland, England, Frankreich, Italien, Portugal, Belgien, wie auch von Amerika; die Vertreter der Handelsgesellschaften und kaufm?nnischen Firmen, die verschiedenen Missionen, die Truppen seiner Hoheit, die reichen Indier mit ihren in goldleuchtenden Seidenfetzen eingewickelten Weibern und Kindern, die ernst dreinschauenden Parsen mit Brillen auf der Nase und hohen M?tzen, ?hnlich denen griechischer Popen u. s. w.

Unter den Spielen interessierte mich ein Wettrennen, das zwischen englischen Matrosen und schwarzen Sultanssoldaten stattfand.

Die Schwarzen liefen gleich beim Starten die Bahn dahin wie ein Tr?ppchen fl?chtiger Antilopen und gewannen sofort einen ganz bedeutenden Vorsprung. Bald aber blieb einer nach dem anderen zur?ck. Die Engl?nder ?nderten ihr weit m?ssigeres Tempo nicht. Sie hatten bald die s?mtlichen Schwarzen eingeholt und erreichten lange vor jenen das Ziel.

Auch mein Bruder, dessen Muskelkraft einen gewissen Ruf hat, und der turnerisch sehr gewandte Herr Consul O'Swald beteiligten sich an einigen der Spiele mit den englischen Marine-Offizieren.

Der Generalconsul, Mr. Holmwood stellte mir die beiden indischen Geldf?rsten vor, die der englischen Regierung 100000 Rupies ?berwiesen haben, zur Errichtung eines Hospitals f?r Arme. Wir hatten ?brigens an diesem Nachmittag die Genugthuung wahrzunehmen, dass wir Deutschen zur Zeit hier die bevorzugteste gesellschaftliche Stellung einnehmen. Die besonders gegen Herrn Dr. Peters und seine Gesellschaft offiziell bekundete Zuvorkommenheit der hier immer noch dominierenden Engl?nder ist geradezu staunenerregend.

d. 2. Juli.

Mein Bruder ist mit der Wolf'schen Eisenbahnexpedition abgereist, zun?chst nach ~Dar-es-Salaam~, wo er die n?tigen Tr?ger mieten soll. Vielleicht sehen wir uns dort bald wieder.

Nacht vom 7. zum 8. Juli.

Ich sitze am Lager einer fieberkranken jungen ?streicherin, deren Mann im Innern zum besten der Wissenschaft Schmetterlinge f?ngt. Sie ist ihm voll Enthusiasmus hierhergefolgt mit der Absicht, ihn auf allen seinen Streifz?gen zu begleiten. Nun haben Entbehrungen und Anstrengung in dem ungewohnten Klima die Arme niedergeworfen. Die H?tte, in der sie wohnt, liegt im Garten eines Portugiesen von Goa. Sie enth?lt, wie die Negerh?tten, einen einzigen Raum, dessen Plafond das Dach und dessen Parket der Erdboden ist. Fenster sind nicht vorhanden, deshalb steht auch nachts die Th?re auf, so dass ich von meinem Sitz am Krankenbett hinaussehe in die >>mondbegl?nzte Zaubernacht -- die den Sinn gefangen h?lt.<< Draussen stehn m?chtige Kokospalmen mit felsblockartigen St?mmen; dem Pf?rtchen gegen?ber eine Banane, deren sch?ne Riesenbl?tter der Nachtwind raschelnd durcheinanderwirft. Auf einem steinernen Tisch unter den B?umen steht ein Thonkrug, wie eine etruskische Vase geformt, mit Trinkwasser. Die Portugiesin, der der Garten geh?rt, hat es f?r mich hingestellt. Auf einer Steinbank liegt vor der H?tte schlafend ein etwa zehnj?hriger Negerknabe. Er muss gelegentlich f?r die Kranke einen Gang thun. Dann wecke ich ihn, und er springt dienstbereit auf die Beine, ohne sich einen Augenblick zu besinnen. Zu meinen F?ssen liegt ein wackerer Rattenf?nger, ein kluges, freundliches Tier. ~Iessy~, so heisst er, schl?ft auch; aber wenn eine Ratte ihre Aufwartung macht, ist er schnell genug bei der Hand. Ich habe, auf dringendes Bitten meines Bruders, einen geladenen Revolver neben mir liegen, aber ich kann mich noch immer nicht mit dem Gedanken vertraut machen, zu einer derartigen Waffe meine Zuflucht nehmen zu m?ssen. Wir deutschen Frauen sind gewohnt, unsere Sicherheit gerade in unserer Waffenlosigkeit zu sehen.

Meine Kranke habe ich mit einem Palmenwedel gef?chelt, bis sie eingeschlafen ist. Lange wird der ihr so n?tige Schlummer, f?rchte ich, nicht dauern. Mittlerweile habe ich beim sanften Schein des Nachtl?mpchens mein Tagebuch vorgenommen, um durch Schreiben die Schl?frigkeit zu ?berwinden. Ein Kanonenschuss am Hafen verk?ndet eben die zehnte Stunde, Muskitos umschw?rmen mich mit singendem Sausen und erregen durch ihre Hartn?ckigkeit meinen grimmigen Zorn. Diese blutgierigen Ungeheuer n?tigen mich best?ndig um mich zu schlagen, wobei ich gew?hnlich mich selbst, aber nicht die Muskitos treffe. Eben l?uft ein gr?nes Eidechschen die weisse Wand entlang, und nicht weit davon bewegt eine Riesenspinne ihre dicken haarigen Beine, ein greulicher Anblick.

d. 8. Juli. Vormittag.

Herrlich war der Morgenhimmel vor uns nach Sonnenaufgang im Garten des Portugiesen. Ganz pr?chtig zeichneten sich die edlen Linien der Palmen von dem lichtgoldenen Hintergrund ab. Die H?hne kr?hten in den benachbarten Geh?ften, da sprang der kleine Diener von seinem harten Lager auf, wusch sich an der nahen Cisterne und kehrte dann die Wege des Gartens. Dann machte er ein Holzfeuerchen auf dem Kochherd, der unter einem Schutzdach von Palmzweigen an der Hinterwand des Hauses im Freien angebracht ist. Bald kam auch die Portugiesin aus dem Vorderhaus und kochte Kaffee, der meiner Kranken ebenso gut schmeckte wie mir. Gegen sieben Uhr kamen zwei von den franz?sischen Klosterschwestern und versicherten mir, trotz des momentanen verh?ltnissm?ssigen Wohlbefindens der jungen Frau k?nne dieselbe an diesem ungesunden Aufenthaltsort das Fieber nicht loswerden. Sie wollten die Kranke daher gegen Mittag in das Hospital bringen lassen und sie dort bis auf weiteres verpflegen.

Um acht Uhr kam dann meine junge Gef?hrtin, Bertha, und l?ste mich ab.

Heute veranstalten die Indier ein gl?nzendes Fest zu Ehren der K?nigin von England bez. Kaiserin von Indien. Die ganze Stadt ist zur Illumination mit bunten L?mpchen versehen; man hat zahlreiche Triumphb?gen und Transparente angebracht, eine Schiffsladung voll Feuerwerk von ~Bombay~ kommen lassen und die sonst so schmutzigen rumpelkammerartig zugerichteten Verkaufsstrassen gleichen heute Laubeng?ngen aus Palmzweigen.

Ich musste an ~Marie Antoinette~ denken. --

?brigens habe ich ein starkes Verlangen nach Schlaf und werde den abendlichen Zauber Anderen ?berlassen.

Den 9. Juli.

Mittlerweile hatte sich um uns her die ganze europ?ische Gesellschaft eingefunden, so dass man nach links und rechts und ringsumher Gr?sse und heitere Bemerkungen auszutauschen hatte. Auch die Consuln waren erschienen und zwar in Uniform. Mr. Holmwood hatte die Consuln und Herrn Dr. Peters zu einem feierlichen Diner bei sich gehabt. Als die gl?nzendste Erscheinung unter ihnen fiel der junge Herr O'Swald auf, der in der roten Uniform der kaiserlich ?sterreichischen Konsuln mit dreieckigem Hut und stolzem weissen Federbusch an einen englischen General aus der Zeit des Herzogs von Wellington erinnerte und den Orientalen gewaltig imponierte. Vor uns am Strande des Meeres wurden nun Raketen und Mongolfieren steigen gelassen, und sprangen Fr?sche, Feuerr?der etc.

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