Read Ebook: Kampf und Tod Karls des Zwölften: Historische Erzählungen by Heidenstam Verner Von Bergman Gustaf Translator
Font size:
Background color:
Text color:
Add to tbrJar First Page Next Page Prev Page
Ebook has 547 lines and 26372 words, and 11 pages
>>Oh, Lappalien! Lappalien! Exzellenz soll tun was ich gesagt habe. Jemand von den anwesenden Generalen, der frei ist, kann auch aufsitzen und einen Mann von den Seinen mitnehmen.<<
Lewenhaupt verbeugte sich.
Der K?nig betrachtete ihn ein wenig zaghaft, ohne zu antworten, und blieb stehen, nachdem Rhensk?ld hinausgeeilt war. Niemand von den anderen im Ring hielt es f?r geb?hrlich, das Schweigen zu brechen oder sich zu bewegen.
Erst nach einer ganz langen Weile verbeugte sich der K?nig wieder vor jedem einzelnen und ging hinaus ins Freie.
>>Na,<< fragte Lewenhaupt und klopfte dem F?hnrich mit wiedergewonnener Nat?rlichkeit auf die Schulter. >>Herr F?hnrich soll mitkommen! Das ist das erstemal, dass der F?hnrich Aug in Aug mit Seiner Majest?t gestanden hat.<<
>>Ich hatte ihn mir anders vorgestellt.<<
>>Er ist immer so. Er ist zu k?niglich, um zu befehlen.<<
Sie folgten dem K?nig, der ?ber Wagen und gest?rzte Tiere kletterte. Seine Bewegungen waren gewandt, aber niemals hastig, sondern massvoll und ziemlich langsam, so dass er keinen Augenblick seine W?rde verlor. Als er sich schliesslich durch das Gedr?nge im Stadttor den Weg gebahnt hatte, stieg er mit seinem Gefolge, das sich jetzt auf sieben Mann belief, in den Sattel.
Die Pferde glitten auf der Eisstrasse aus, und einige st?rzten, aber Lewenhaupts Einwendungen lockten den K?nig nur, die Sporen noch herzloser zu benutzen. Der Lakai Hultman hatte ihm die ganze Nacht laut vorgelesen oder M?rchen erz?hlt und ihn schliesslich mit der Wahrsagung zum Lachen gebracht, dass er, w?re er nicht von Gott zum K?nig erkoren, sein ganzes Leben lang ein menschenscheuer Stubenhocker geworden w?re, der viel wunderlichere Verse als der selige Messenius in Disa auf >>Bollhuset<< ausgedacht h?tte, vor allem aber die gewaltigsten Kampfges?nge. Er versuchte, an Rolf G?triksson zu denken, der immer selbst zuvorderst vor seinen Leuten ritt, aber es wollte ihm heute nicht gl?cken, seine Gedanken in die Spielstube der Sage einzuschliessen. Die Unruhe, die in der letzten Zeit ihre Krallen in sein Gem?t geschlagen hatte, wollte die k?nigliche Beute nicht loslassen. Er hatte jetzt eben auf der Kanzlei die erhitzten Gesichter gesehen. Von den Aufz?gen der Kinderjahre her noch immer in seiner eignen fr?heren Einbildungswelt gefangen, war er f?r die schrillen Notschreie am Wege taub und wurde misstrauisch gegen jeden, der ein empfindliches Geh?r zeigte. Heute wie auch sonst merkte er kaum, dass man ihm das ausgeruhteste Pferd und das frischste Brot angeboten hatte, dass man am Morgen einen Beutel mit f?nfhundert Dukaten in seine Tasche gesteckt hatte und dass die Reiter beim ersten Tumult einen Ring um ihn schlagen und sich dem Tod weihen w?rden, den er herausforderte. Dagegen merkte er, dass die Soldaten ihn mit einem unheimlichen Schweigen gr?ssten, und die Missgeschicke hatten ihn sogar gegen seine N?chsten misstrauisch gemacht. Der vorsichtigste Widerspruch, die verdeckteste Missbilligung bemerkte er, ohne sich zu verraten, und jedes Wort lag da und nagte an seiner Seele. Es deuchte ihn, als ob er mit jeder Stunde einen Offizier verliere, auf den er fr?her vertraut hatte, und sein Herz wurde immer k?lter. Sein gekr?nkter Ehrgeiz kr?mmte sich und blutete unter der Last des Misslingens, und er atmete leichter, je weiter er das Hauptquartier hinter sich liess.
Pl?tzlich blieb Lewenhaupt stehen und drehte um, in der Hoffnung, auf den K?nig einwirken zu k?nnen.
>>Mein guter Ajax!<< sagte er und streichelte das dampfende Pferd. >>Wohl bist du ein alter Krippenbeisser, aber ich kann dich f?r nichts und wieder nichts nicht voranjagen, und selbst fange ich an zu altern wie du. Aber in Jesu Namen, ihr Kerle! Es folge dem K?nig, wer kann!<<
Als er den ?ngstlichen Seitenblick des F?hnrichs nach dem K?nig hin sah, ?usserte er mit ged?mpfter Stimme:
>>Sei ruhig, mein Junge! Seine Majest?t braust nie auf, wie wir anderen. Er ist zu k?niglich, um schimpfen oder zanken zu k?nnen.<<
Der K?nig tat, als ob er nichts merke. Wilder und wilder setzte er ?ber Eis und Schnee den stummen Wettritt ohne Ziel und Sinn fort. Er hatte jetzt nur vier Begleiter.
Eine Weile sp?ter st?rzte das eine Pferd mit gebrochenem Vorderbein, und der Reiter schoss ihm aus Barmherzigkeit eine Kugel durchs Ohr, um nachher selbst allein und zu Fuss in der K?lte ungewissen Schicksalen entgegenzugehen.
Schliesslich war der F?hnrich der einzige, der dem K?nig zu folgen vermochte, und sie waren jetzt zwischen Geb?sch und Jungwald gekommen, wo sie nur im Schritt vorw?rts konnten. Auf dem H?gel ?ber ihnen lag ein grosses und russiges Haus mit engen Gitterl?chern und einer Mauer um den Hof.
Im gleichen Augenblick fiel ein Schuss.
>>Wie ging das?<< fragte der K?nig und sah sich um.
>>Der kleine Satan pfiff nicht schlecht, als er mir am Ohr vorbeiflog, aber er biss nur in die Hutecke,<< antwortete der F?hnrich, ohne die geringste Erfahrung, wie er sich dem K?nig gegen?ber verhalten sollte. Er hatte einen schwachen Smaal?ndischen Akzent und lachte vergn?gt mit seinem ganzen hellen Gesicht. Vom Gl?ck berauscht, so unter vier Augen mit dem, der ihm mehr als alle anderen Sterblichen schien, zusammensein zu d?rfen, fuhr er fort.
>>Wir werden wohl da hinaufgehen und sie am Bart nehmen?<<
Die Antwort gefiel dem K?nig aufs h?chste, und mit einem Sprung stand er auf dem Boden.
>>Wir binden die G?ule hier an die Str?ucher,<< sagte er ausgelassen und mit starker Farbe auf den Wangen. >>Sodann gehen wir hinauf und stechen jeden nieder, dass es nur so pfeift.<<
Sie verliessen die keuchenden Pferde und kletterten vorgebeugt durch das Geb?sch hinauf. Oberhalb der Mauer blickten einige Kosakenk?pfe mit h?ngendem Haar und gelb und grinsend wie gek?pfte Misset?ter herunter.
>>Siehe,<< fl?sterte der K?nig und klatschte in die H?nde. >>Dort versuchen sie das morsche Tor zuzuziehen, die Fuchsschw?nze!<<
Sein vorhin noch nichtssagender Blick wurde jetzt abwechselnd unstet, weit und gl?nzend. Er zog den Haudegen und hob ihn mit beiden H?nden ?ber seinen Kopf.
Gleich einem Gott der Jugend st?rmte er durch das halboffene Tor. Der F?hnrich, der an seiner Seite hieb und stach, war oft nahe daran, hinter ihm von seiner Waffe getroffen zu werden, und ein Musketenschuss schw?rzte die rechte Schl?fe des K?nigs. Vier Mann wurden im Torweg niedergehauen, und der f?nfte der Schar floh mit einer Feuerschaufel nach dem Hof hinein, vom K?nig verfolgt.
Dort strich der K?nig auf dem Schnee das Blut vom Degen, legte zwei Dukaten in die Feuerschaufel des Kosaken und brach in zunehmender Heiterkeit aus: >>Es ist kein Pl?sier, sich mit diesen Tr?pfen zu schlagen, die nie zur?ckhauen, sondern nur laufen. Komm zur?ck, wenn du dir einen ordentlichen Degen erstanden hast!<<
Der Kosak, der nichts verstand, stierte die Goldm?nzen an, schlich sich der Mauer entlang nach dem Tor und entfloh. Immer weiter und weiter draussen auf dem Felde rief er seine umherstreifenden Kameraden mit einem unheimlichen und klagenden: Ohaho! Ohaho! zusammen.
Der K?nig sang leise vor sich hin, wie um einen unsichtbaren Feind zu reizen: >>Kosakenm?nnlein, Kosakenm?nnlein, sammle deine Schelme!<<
Die Mauern rings um den Hof waren schimmelig und schwarz. Aus dem Boden h?rte man einen endlos gesponnenen Mollton wie von einer ?olsharfe, und forschend stiess der K?nig die T?r zum Wohnhaus auf. Das bestand aus einem einzigen, grossen und halbdunklen Zimmer, und vor dem Feuer lag ein Haufen blutbefleckter Kleider, die die Leichenpl?nderer von gefallenen Schweden genommen hatten. Die T?r wurde vom Zug wieder zugeworfen, und der K?nig ging nach dem Stallgeb?ude nebenan. Da gab es keine T?r, und den Laut h?rte man immer deutlicher. Drinnen im Dunkeln lag ein zu Tode gehungertes Pferd, das an eine der eisernen ?sen in der Wand gebunden war.
Ein erhobener Haudegen w?rde den K?nig nicht gehindert haben, aber die ungewisse D?mmerung erregte seine Einbildungskraft, dass sie ihn auf der Schwelle zum Stehen brachte. Doch liess er sich nichts anmerken, sondern rief den F?hnrich. Sie stiegen eine steile Treppe zu einem Keller hinunter. Dort war ein Brunnen, und an dem Kran der singenden Winde, die das Wasser heraufholte, kutschierte ein tauber Kosake mit Peitsche und Z?gel, ohne die geringste Ahnung einer Gefahr, eine menschliche Gestalt in schwedischer Offiziersuniform.
Als sie die Stricke l?sten und an die Stelle des Gefangenen den Kosaken banden, erkannten sie den Holsteiner Feuerhausen, der als Major in einem geworbenen Regiment diente, aber von den Kosaken weggeschnappt und wie ein Vieh vor ihr Wasserwerk gespannt worden war.
Er kniete und stammelte in gebrochenem Schwedisch:
>>Majest?t. Ich traue nicht meinen Augen ... Meine ~reconnaissance~ ...<<
Der K?nig fiel ihm heiter ins Wort und wendete sich zum F?hnrich:
>>F?hre die beiden Pferde hinauf in den Stall! Drei M?nner k?nnen nicht behaglich auf zwei Pferden reiten, und deshalb bleiben wir hier, bis einige Kosaken vorbeikommen, denen wir ein neues Pferd nehmen k?nnen. Der Herr selbst steht Wache am Tor.<<
Danach ging der K?nig nach dem Wohnhaus zur?ck und machte die T?r hinter sich zu. Die ausgehungerten Pferde, die gierig die Rinde von den Str?uchern nagten, wurden w?hrenddessen in den Stall hinaufgef?hrt, und der F?hnrich begann Posten zu stehen.
Langsam vergingen die Stunden. Als es gegen Abend ging, vergr?sserte sich die Gewalt des Sturmes, und der Schnee irrte im Sonnenuntergang ?ber die trostlosen Schneesteppen. Leichengelbe Kosakengesichter sp?hten ?ber das Geb?sch, und weit draussen im Sturme t?nte das Ohaho! Ohaho! Ohaho! umherstreifender Pl?nderer.
Da trat Feuerhausen aus dem Stall, wo er zwischen den Pferden gesessen hatte, um nicht Frost in die Wunden zu bekommen, die von den Stricken herr?hrten, mit denen er gebunden gewesen war. Er ging an die verschlossene T?r des Wohnhauses.
>>Majest?t!<< stammelte er. >>Die Kosaken sammeln sich mehr und mehr, und die Dunkelheit bricht bald an. Ich und der F?hnrich sitzen auf einem Pferd. Z?gern wir hier, so wird diese Nacht die letzte der Grossm?chtigsten Majest?t sein, was Gott durch seinen geheimen Ratschluss verh?ten m?ge.<<
Der K?nig antwortete von innen:
>>Es muss bei dem bleiben, was wir gesagt haben. Drei Mann reiten nicht bequem auf zwei Pferden.<<
Der Holsteiner sch?ttelte den Kopf und ging zum F?hnrich hinunter.
>>So ist die Majest?t, Ihr verdammte Svenske! Ich habe ihn vom Stall aus hin und her gehen h?ren. Krankheit und Gewissensbisse sind gekommen. Wie ein ~pater familias~ steht der moskowitische Zar unter seinen Untertanen. Einen Zuckerb?ckergesellen erhebt er zu seinem Freund und ein geringes Dienstm?dchen auf seinen glorw?rdigen Thron. ~D?testable~ sind seine Geb?rden, wenn er pokuliert, und er handhabt das Frauenzimmer ~? la fran?ois~; aber seine erste und letzte ~parole~ lautet immer: >Auf Russlands Wohl!< K?nig Carolus verl?sst seine L?nder als rauchende Aschenhaufen und besitzt keinen Freund, nicht einmal unter seinen N?chsten. K?nig Carolus ist einsamer als der ?rmste Trosskutscher. Hat nicht einmal den Schoss eines Kameraden, wo er sich ausweinen kann. Unter Durchlauchten und M?tressen und Per?cken kommt er wie ein Gespenst aus einem tausendj?hrigen Mausoleum, -- und Gespenster gehen am liebsten ohne Kompagnie. Ist er ein ~homme d'?tat~? Oh Gott! Keinen Sinn f?r das Allgemeine! Ist er Feldherr? Keinen Sinn f?r die Massen! Nur Br?cken schlagen, Schanzk?rbe stellen, in die H?nde klatschen wegen einer eroberten Standarte und zweier Pauken. Keinen Sinn f?r Staat und Armee, nur f?r Menschen!<<
>>Daf?r kann man auch Sinn haben!<< antwortete der F?hnrich.
Er ging heftig auf und ab, und die Finger waren schon so steif vor K?lte, dass er kaum den gezogenen Haudegen halten konnte.
Der Holsteiner zog den zerrissenen Rockkragen um die Backen und fuhr mit ged?mpfter Stimme und eifrigen Geb?rden fort:
>>K?nig Carolus lacht entz?ckt, wenn die Br?cke bricht und Menschen und Vieh elendiglich ertrinken. Kein Herz im Busen. Zum Henker mit ihm! K?nig Carolus ist so ein kleines schwedisches ~demi-g?nie~, das in die Welt hinauswandert, nur trommelt und paradiert und Fiasko macht; und das Parterre pfeift. Uhi!<<
>>Und gerade deshalb gehen die Schweden in den Tod f?r ihn,<< antwortete der F?hnrich, >>gerade deshalb.<<
>>Nicht so hitzig, Liebster! Ich lachte ja, dass ich alle Z?hne zeigte, als wir uns zuerst sahen.<<
>>Ich h?re Herrn Major gern sprechen, aber ich friere. Wollen Herr Major nicht hinaufgehen und an der T?r des K?nigs horchen?<<
Add to tbrJar First Page Next Page Prev Page