Read Ebook: Die Verschwörung des Fiesco zu Genua: Ein republikanisches Trauerspiel by Schiller Friedrich
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Ebook has 1370 lines and 30721 words, and 28 pages
Edition: 10
Friedrich Schiller
Die Verschw?rung des Fiesco zu Genua
Ein republikanisches Trauerspiel.
Nam id facinus inprimis ego memorabile existimo sceleris atque periculi novitate. Sallust vom Catilina.
Ich habe in meinen R?ubern das Opfer einer ausschweifenden Empfindung zum Vorwurf genommen.--Hier versuche ich das Gegentheil, ein Opfer der Kunst und Cabale. Aber so merkw?rdig sich auch das ungl?ckliche Project des Fiesco in der Geschichte gemacht hat, so leicht kann es doch diese Wirkung auf dem Schauplatz verfehlen. Wenn es wahr ist, dass nur Empfindung Empfindung weckt, so m?sste, d?ucht mich, der politische Held in eben dem Grade kein Subject f?r die B?hne sein, in welchem er den Menschen hintenansetzen muss, um der politische Held zu sein. Es stand daher nicht bei mir, meiner Fabel jene lebendige Gluth einzuhauchen, welche durch das lautere Product der Begeisterung herrscht; aber die kalte, unfruchtbare Staatsaction aus dem menschlichen Herzen herauszuspinnen und eben dadurch an das menschliche Herz wieder anzukn?pfen--den Mann durch den staatsklugen Kopf zu verwickeln--und von der erfindrischen Intrigue Situationen f?r die Menschheit zu entlehnen--das stand bei mir. Mein Verh?ltniss mit der b?rgerlichen Welt machte mich auch mit dem Herzen bekannter, als dem Kabinet, und vielleicht ist eben diese politische Schw?che zu einer poetischen Tugend geworden.
Personen des St?cks.
Andreas Doria, Doge von Genua. Ehrw?rdiger Greis von 80 Jahren. Spuren von Feuer. Ein Hauptzug: Gewicht und strenge befehlende K?rze.
Gianettino Doria, Neffe des Vorigen. Pr?tendent. Mann von 26 Jahren. Rauh und anst?ssig in Sprache, Gang und Manieren. B?urisch-stolz. Die Bildung zerrissen.
Fiesco, Graf von Lavagna. Haupt der Verschw?rung. Junger, schlanker, bl?hend-sch?ner Mann von 23 Jahren--stolz mit Anstand--freundlich mit Majest?t--h?flich-geschmeidig und eben so t?ckisch.
Verrina, verschworner Republikaner. Mann von 60 Jahren. Schwer, ernst und d?ster. Tiefe Z?ge.
Bourgognino, Verschworner. J?ngling von 20 Jahren. Edel und angenehm. Stolz, rasch und nat?rlich.
Calcagno, Verschworner. Hagrer Woll?stling. 30 Jahre. Bildung gef?llig und unternehmend.
Sacco, Verschworner. Mann von 45 Jahren. Gew?hnlicher Mensch.
Lomellino, Gianettinos Vertrauter. Ein ausgetrockneter Hofmann.
Zenturione, Zibo, Asserato, Missvergn?gte.
Romano, Maler. Frei, einfach und stolz.
Muley Hassan, Mohr von Tunis. Ein confiscirter Mohrenkopf. Die Physiognomie eine originelle Mischung von Spitzb?berei und Laune.
Deutscher der herzoglichen Leibwache. Ehrliche Einfalt. Handfeste Tapferkeit.
Drei aufr?hrerische B?rger.
Leonore, Fiesco's Gemahlin. Dame von 18 Jahren. Blass und schm?chtig. Fein und empfindsam. Sehr anziehend, aber weniger blendend. Im Gesicht schw?rmerische Melancholie. Schwarze Kleidung.
Julia, Gr?fin Wittwe Imperiali, Dorias Schwester. Dame von 25 Jahren. Gross und voll. Stolze Kokette. Sch?nheit, verdorben durch Bizarrerie. Blendend und nicht gefallend. Im Gesicht ein b?ser moquanter Charakter. Schwarze Kleidung.
Bertha, Verrinas Tochter. Unschuldiges M?dchen.
Rosa, Arabella, Leonorens Kammerm?dchen.
Mehrere Nobili, B?rger, Deutsche, Soldaten, Bediente, Diebe.
Der Schauplatz Genua.--Die Zeit 1547.
Erster Aufzug
Saal bei Fiesco
Man h?rt in der Ferne eine Tanzmusik und den Tumult eines Balls.
Erster Auftritt.
Leonore maskiert, Rosa, Arabella fliehen zerst?rt auf die B?hne.
Leonore . Nichts mehr! Kein Wort mehr! Es ist am Tag. Das wirft mich nieder.
Arabella. Gn?dige Frau-Leonore . Vor meinen Augen! eine stadtkundige Kokette! im Angesicht des ganzen Adels von Genua! Rosa! Bella! und vor meinen weinenden Augen.
Rosa. Nehmen Sie die Sache f?r Das, was sie wirklich war--eine Galanterie-Leonore. Galanterie?--und das emsige Wechselspiel ihrer Augen? das ?ngstliche Lauern auf ihre Spuren? der lange verweilende Kuss auf ihren entbl?ssten Arm, dass noch die Spur seiner Z?hne im flammrothen Fleck zur?ckblieb? Ha! und die starre tiefe Bet?ubung, worein er, gleich dem gemalten Entz?cken, versunken sass, als w?r' um ihn her die Welt weggeblasen und er allein mit dieser Julia im ewigen Leeren? Galanterie?--gutes Ding, das noch nie geliebt hat, streite mir nicht ?ber Galanterie und Liebe.
Rosa. Desto besser, Madonna. Einen Gemahl verlieren heisst zehen Cicisbeo Profit machen.
Leonore. Verlieren?--ein kleiner aussetzender Puls der Empfindung und Fiesco verloren? Geh, giftige Schw?tzerin--komm mir nie wieder vor die Augen!--eine unschuldige Neckerei--vielleicht eine Galanterie? Ist es nicht so, meine empfindende Bella?
Arabella. O ja! ganz zuverl?ssig so!
Leonore . Dass sie darum in seinem Herzen sich w?sste?--dass hinter jedem seiner Gedanken ihr Name im Hinterhalt l?ge?--ihn anspr?che in jeder Fusstapfe der Natur?--Was ist das? wo gerath' ich hin? Dass ihm die sch?ne majest?tische Welt nichts w?re, als der pr?chtige Demant, worauf nur ihr Bild--nur ihr Bild gestochen ist?--dass er sie liebte?--Julien! O deinen Arm her--halte mich, Bella!
Leonore . Horch! War das nicht die Stimme Fiescos, die aus dem L?rme hervordrang? Kann er lachen, wenn seine Leonore im Einsamen weinet? Nicht doch, mein Kind! Es war Gianettino Dorias b?urische Stimme.
Arabella. Sie war's, Signora! Aber kommen Sie in ein anderes Zimmer.
Leonore. Du entf?rbst dich, Bella! du l?gst--ich lese in euren Augen--in den Gesichtern der Genueser ein Etwas--ein Etwas. O gewiss! diese Genueser wissen mehr, als f?r das Ohr einer Gattin taugt.
Rosa. O der Alles vergr?ssernden Eifersucht!
Leonore. . Da er noch Fiesco war--dahertrat im Pomeranzenhain, wo wir M?dchen lustwandeln gingen, ein bl?hender Apoll, verschmolzen in den m?nnlich-sch?nen Antinous. Stolz und herrlich trat er daher, nicht anders, als wenn das durchlauchtige Genua auf seinen jungen Schultern sich wiegte; unsere Augen schlichen diebisch ihm nach und zuckten zur?ck, wie auf dem Kirchenraub ergriffen, wenn sein wetterleuchtender Blick sie traf. Ach, Bella! wie verschlangen wir seine Blicke! wie parteiisch z?hlte sie der ?ngstliche Neid der Nachbarin zu! Sie fielen unter uns wie der Goldapfel des Zanks, z?rtliche Augen brannten wilder, sanfte Busen pochten st?rmischer, Eifersucht hatte unsere Eintracht zerrissen.
Arabella. Ich besinne mich. Das ganze weibliche Genua kam in Aufruhr um diese sch?ne Eroberung.
Leonore . Und nun mein ihn zu nennen! verwegenes, entsetzliches Gl?ck! Mein Genuas gr?ssten Mann, der vollendet sprach aus dem Meissel der unersch?pflichen K?nstlerin, alle Gr?ssen seines Geschlechts im lieblichsten Schmelze verband--H?ret, M?dchen! kann ich's nun doch nicht mehr verschweigen!--H?ret, M?dchen, ich vertraue euch etwas, einen Gedanken--als ich am Altar stand neben Fiesco--seine Hand in meine Hand gelegt--hatt' ich den Gedanken, den zu denken dem Weibe verboten ist--dieser Fiesco, dessen Hand jetzt in der deinigen liegt--dein Fiesco--aber still! dass kein Mann uns belausche, wie hoch wir uns mit dem Abfall seiner Vortrefflichkeit br?sten--dieser dein Fiesco--Weh euch, wenn das Gef?hl euch nicht h?her wirft!--wird--uns Genua von seinen Tyrannen erl?sen!
Arabella . Und diese Vorstellung kam einem Frauenzimmer am Brauttag?
Leonore. Erstaune, Bella! Der Braut in der Wonne des Brauttags! Ich bin ein Weib--aber ich f?hle den Adel meines Bluts, kann es nicht dulden, dass dieses Haus Doria ?ber unsre Ahnen hinauswachsen will. Jener sanftm?thige Andreas--es ist eine Wollust, ihm gut zu sein--mag immer Herzog von Genua heissen, aber Gianettino ist sein Neffe--sein Erbe--und Gianettino hat ein freches, hochm?thiges Herz. Genua zittert vor ihm, und Fiesco, Fiesco--weinet um mich--liebt seine Schwester.
Arabella. Arme, ungl?ckliche Frau-Leonore. Geht jetzt und sehet diesen Halbgott der Genueser im schamlosen Kreis der Schwelger und Buhldirnen setzen, ihre Ohren mit unartigem Witze kitzeln, ihnen M?rchen von verw?nschten Prinzessinnen erz?hlen--das ist Fiesco!--Ach, M?dchen! nicht Genua allein verlor seinen Helden--auch ich meinen Gemahl!
Rosa. Reden Sie leiser. Man k?mmt durch die Galerie.
Leonore . Fiesco kommt. Flieht! flieht! Mein Anblick k?nnte ihm einen tr?ben Augenblick machen.
Zweiter Auftritt
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