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Read Ebook: Ausgewählte Schriften by Kleist Heinrich Von

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Ebook has 192 lines and 95380 words, and 4 pages

Einstmals war Nicolo, mit jener Xaviera Tartini, mit welcher er, trotz des Verbots des Vaters, die Verbindung nie ganz aufgegeben hatte, heimlich, und ohne Vorwissen seiner Gemahlin, unter der Vorspiegelung, dass er bei einem Freund eingeladen sei, auf dem Karneval gewesen und kam, in der Maske eines genuesischen Ritters, die er zuf?llig gew?hlt hatte, sp?t in der Nacht, da schon alles schlief, in sein Haus zur?ck. Es traf sich, dass dem Alten pl?tzlich eine Unp?sslichkeit zugestossen war, und Elvire, um ihm zu helfen, in Ermangelung der M?gde, aufgestanden, und in den Speisesaal gegangen war, um ihm eine Flasche mit Essig zu holen. Eben hatte sie einen Schrank, der in dem Winkel stand, ge?ffnet, und suchte, auf der Kante eines Stuhles stehend, unter den Gl?sern und Caravinen umher: als Nicolo die T?r sacht ?ffnete, und mit einem Licht, das er sich auf dem Flur angesteckt hatte, mit Federhut, Mantel und Degen, durch den Saal ging. Harmlos, ohne Elviren zu sehen, trat er an die T?r, die in sein Schlafgemach f?hrte, und bemerkte eben mit Best?rzung, dass sie verschlossen war: als Elvire hinter ihm, mit Flaschen und Gl?sern, die sie in der Hand hielt, wie durch einen unsichtbaren Blitz getroffen, bei seinem Anblick von dem Schemel, auf welchem sie stand, auf das Get?fel des Bodens niederfiel. Nicolo, von Schrecken bleich, wandte sich um und wollte der Ungl?cklichen beispringen; doch da das Ger?usch, das sie gemacht hatte, notwendig den Alten herbeiziehen musste, so unterdr?ckte die Besorgnis, einen Verweis von ihm zu erhalten, alle andere R?cksichten: er riss ihr, mit verst?rter Beeiferung, ein Bund Schl?ssel von der H?fte, das sie bei sich trug, und einen gefunden, der passte, warf er den Bund in den Saal zur?ck und verschwand. Bald darauf, da Piachi, krank wie er war, aus dem Bette gesprungen war, und sie aufgehoben hatte, und auch Bediente und M?gde, von ihm zusammengeklingelt, mit Licht erschienen waren, kam auch Nicolo in seinem Schlafrock, und fragte, was vorgefallen sei; doch da Elvire, starr vor Entsetzen, wie ihre Zunge war, nicht sprechen konnte, und ausser ihr nur er selbst noch Auskunft auf diese Frage geben konnte, so blieb der Zusammenhang der Sache in ein ewiges Geheimnis geh?llt; man trug Elviren, die an allen Gliedern zitterte, zu Bett, wo sie mehrere Tage lang an einem heftigen Fieber darniederlag, gleichwohl aber durch die nat?rliche Kraft ihrer Gesundheit den Zufall ?berwand, und bis auf eine sonderbare Schwermut, die ihr zur?ckblieb, sich ziemlich wieder erholte.

So verfloss ein Jahr, als Constanze, Nicolos Gemahlin, niederkam, und samt dem Kinde, das sie geboren hatte, in den Wochen starb. Dieser Vorfall, bedauernsw?rdig an sich, weil ein tugendhaftes und wohlerzogenes Wesen verloren ging, war es doppelt, weil er den beiden Leidenschaften Nicolos, seiner Bigotterie und seinem Hange zu den Weibern, wieder Tor und T?r ?ffnete. Ganze Tage lang trieb er sich wieder, unter dem Vorwand, sich zu tr?sten, in den Zellen der Karmeliterm?nche umher, und gleichwohl wusste man, dass er w?hrend der Lebzeiten seiner Frau, nur mit geringer Liebe und Treue an ihr gehangen hatte. Ja, Constanze war noch nicht unter der Erde, als Elvire schon zur Abendzeit, in Gesch?ften des bevorstehenden Begr?bnisses in sein Zimmer tretend, ein M?dchen bei ihm fand, das, gesch?rzt und geschminkt, ihr als die Zofe der Xaviera Tartini nur zu wohl bekannt war. Elvire schlug bei diesem Anblick die Augen nieder, kehrte sich, ohne ein Wort zu sagen, um, und verliess das Zimmer; weder Piachi, noch sonst jemand, erfuhr ein Wort von diesem Vorfall, sie begn?gte sich, mit betr?btem Herzen bei der Leiche Constanzens, die den Nicolo sehr geliebt hatte, niederzuknieen und zu weinen. Zuf?llig aber traf es sich, dass Piachi, der in der Stadt gewesen war, beim Eintritt in sein Haus dem M?dchen begegnete, und da er wohl merkte, was sie hier zu schaffen gehabt hatte, sie heftig anging und ihr halb mit List, halb mit Gewalt, den Brief, den sie bei sich trug, abgewann. Er ging auf sein Zimmer, um ihn zu lesen, und fand, was er vorausgesehen hatte, eine dringende Bitte Nicolos an Xaviera, ihm, behufs einer Zusammenkunft, nach der er sich sehne, gef?lligst Ort und Stunde zu bestimmen. Piachi setzte sich nieder und antwortete, mit verstellter Schrift, im Namen Xavieras: "gleich, noch vor Nacht, in der Magdalenenkirche."--siegelte diesen Zettel mit einem fremden Wappen zu, und liess ihn, gleich als ob er von der Dame k?me, in Nicolos Zimmer abgeben. Die List gl?ckte vollkommen; Nicolo nahm augenblicklich seinen Mantel, und begab sich in Vergessenheit Constanzens, die im Sarg ausgestellt war, aus dem Hause. Hierauf bestellte Piachi, tief entw?rdigt, das feierliche, f?r den kommenden Tag festgesetzte Leichenbegr?bnis ab, liess die Leiche, so wie sie ausgesetzt war, von einigen Tr?gern aufheben, und bloss von Elviren, ihm und einigen Verwandten begleitet, ganz in der Stille in dem Gew?lbe der Magdalenenkirche, das f?r sie bereitet war, beisetzen. Nicolo, der in dem Mantel geh?llt, unter den Hallen der Kirche stand, und zu seinem Erstaunen einen ihm wohlbekannten Leichenzug herannahen sah, fragte den Alten, der dem Sarge folgte: was dies bedeute? und wen man herantr?ge? Doch dieser, das Gebetbuch in der Hand, ohne das Haupt zu erheben, antwortete bloss: Xaviera Tartini:--worauf die Leiche, als ob Nicolo gar nicht gegenw?rtig w?re, noch einmal entdeckelt, durch die Anwesenden gesegnet, und alsdann versenkt und in dem Gew?lbe verschlossen ward.

Dieser Vorfall, der ihn tief besch?mte, erweckte in der Brust des Ungl?cklichen einen brennenden Hass gegen Elviren; denn ihr glaubte er den Schimpf, den ihm der Alte vor allem Volk angetan hatte, zu verdanken zu haben. Mehrere Tage lang sprach Piachi kein Wort mit ihm; und da er gleichwohl, wegen der Hinterlassenschaft Constanzens, seiner Geneigtheit und Gef?lligkeit bedurfte: so sah er sich gen?tigt, an einem Abend des Alten Hand zu ergreifen und ihm mit der Miene der Reue, unverz?glich und auf immerdar, die Verabschiedung der Xaviera anzugeloben. Aber dies Versprechen war er wenig gesonnen zu halten; vielmehr sch?rfte der Widerstand, den man ihm entgegen setzte, nur seinen Trotz, und ?bte ihn in der Kunst, die Aufmerksamkeit des redlichen Alten zu umgehen. Zugleich war ihm Elvire niemals sch?ner vorgekommen, als in dem Augenblick, da sie, zu seiner Vernichtung, das Zimmer, in welchem sich das M?dchen befand, ?ffnete und wieder schloss. Der Unwille, der sich mit sanfter Glut auf ihren Wangen entz?ndete, goss einen unendlichen Reiz ?ber ihr mildes, von Affekten nur selten bewegtes Antlitz; es schien ihm unglaublich, dass sie, bei soviel Lockungen dazu, nicht selbst zuweilen auf dem Wege wandeln sollte, dessen Blumen zu brechen er eben so schm?hlich von ihr gestraft worden war. Er gl?hte vor Begierde, ihr, falls dies der Fall sein sollte, bei dem Alten denselben Dienst zu erweisen, als sie ihm, und bedurfte und suchte nichts, als die Gelegenheit, diesen Vorsatz ins Werk zu richten.

Einst ging er, zu einer Zeit, da gerade Piachi ausser dem Hause war, an Elvirens Zimmer vorbei, und h?rte, zu seinem Befremden, dass man darin sprach. Von raschen, heimt?ckischen Hoffnungen durchzuckt, beugte er sich mit Augen und Ohren gegen das Schloss nieder, und--Himmel! was erblickte er? Da lag sie, in der Stellung der Verz?ckung, zu jemandes F?ssen, und ob er gleich die Person nicht erkennen konnte, so vernahm er doch ganz deutlich, recht mit dem Akzent der Liebe ausgesprochen, das gefl?sterte Wort: Colino. Er legte sich mit klopfendem Herzen in das Fenster des Korridors, von wo aus er, ohne seine Absicht zu verraten, den Eingang des Zimmers beobachten konnte; und schon glaubte er, bei einem Ger?usch, das sich ganz leise am Riegel erhob, den unsch?tzbaren Augenblick, da er die Scheinheilige entlarven k?nne, gekommen: als, statt des Unbekannten den er erwartete, Elvire selbst, ohne irgend eine Begleitung, mit einem ganz gleichg?ltigen und ruhigen Blick, den sie aus der Ferne auf ihn warf, aus dem Zimmer hervortrat. Sie hatte ein St?ck selbstgewebter Leinwand unter dem Arm; und nachdem sie das Gemach, mit einem Schl?ssel, den sie sich von der H?fte nahm, verschlossen hatte, stieg sie ganz ruhig, die Hand ans Gel?nder gelehnt, die Treppe hinab. Diese Verstellung, diese scheinbare Gleichg?ltigkeit, schien ihm der Gipfel der Frechheit und Arglist, und kaum war sie ihm aus dem Gesicht, als er schon lief, einen Hauptschl?ssel herbeizuholen, und nachdem er die Umringung, mit scheuen Blicken, ein wenig gepr?ft hatte, heimlich die T?r des Gemachs ?ffnete. Aber wie erstaunte er, als er alles leer fand, und in allen vier Winkeln, die er durchsp?hte, nichts, das einem Menschen auch nur ?hnlich war, entdeckte: ausser dem Bild eines jungen Ritters in Lebensgr?sse, das in einer Nische der Wand, hinter einem rotseidenen Vorhang, von einem besondern Lichte bestrahlt, aufgestellt war. Nicolo erschrak, er wusste selbst nicht warum: und eine Menge Gedanken fuhren ihm, den grossen Augen des Bildes, das ihn starr ansah, gegen?ber, durch die Brust: doch ehe er sie noch gesammelt und geordnet hatte, ergriff ihn schon Furcht, von Elviren entdeckt und gestraft zu werden; er schloss, in nicht geringer Verwirrung, die T?r wieder zu, und entfernte sich.

Je mehr er ?ber diesen sonderbaren Vorfall nachdachte, je wichtiger ward ihm das Bild, das er entdeckt hatte, und je peinlicher und brennender war die Neugierde in ihm, zu wissen, wer damit gemeint sei. Denn er hatte sie, im ganzen Umriss ihrer Stellung auf Knieen liegen gesehen, und es war nur zu gewiss, dass derjenige, vor dem dies geschehen war, die Gestalt des jungen Ritters auf der Leinwand war. In der Unruhe des Gem?ts, die sich seiner bemeisterte, ging er zu Xaviera Tartini, und erz?hlte ihr die wunderbare Begebenheit, die er erlebt hatte. Diese, die in dem Interesse, Elviren zu st?rzen, mit ihm zusammentraf, indem alle Schwierigkeiten, die sie in ihrem Umgang fanden, von ihr herr?hrten, ?usserte den Wunsch, das Bild, das in dem Zimmer derselben aufgestellt war, einmal zu sehen. Denn einer ausgebreiteten Bekanntschaft unter den Edelleuten Italiens konnte sie sich r?hmen, und falls derjenige, der hier in Rede stand, nur irgend einmal in Rom gewesen und von einiger Bedeutung war, so durfte sie hoffen, ihn zu kennen. Es f?gte sich auch bald, dass die beiden Eheleute Piachi, da sie einen Verwandten besuchen wollten, an einem Sonntag auf das Land reiseten, und kaum wusste Nicolo auf diese Weise das Feld rein, als er schon zu Xavieren eilte, und diese mit einer kleinen Tochter, die sie von dem Kardinal hatte, unter dem Vorwande, Gem?lde und Stickereien zu besehen, als eine fremde Dame in Elvirens Zimmer f?hrte. Doch wie betroffen war Nicolo, als die kleine Klara , sobald er nur den Vorhang erhoben hatte, ausrief: "Gott, mein Vater! Signor Nicolo, wer ist das anders, als Sie?"--Xaviera verstummte. Das Bild, in der Tat, je l?nger sie es ansah, hatte eine auffallende ?hnlichkeit mit ihm: besonders wenn sie sich ihn, wie ihrem Ged?chtnis gar wohl m?glich war, in dem ritterlichen Aufzug dachte, in welchem er, vor wenigen Monaten, heimlich mit ihr auf dem Karneval gewesen war. Nocolo versuchte ein pl?tzliches Err?ten, das sich ?ber seine Wangen ergoss, wegzuspotten; er sagte, indem er die Kleine k?sste: wahrhaftig, liebste Klara, das Bild gleicht mir, wie du demjenigen, der sich deinen Vater glaubt! --Doch Xaviera, in deren Brust das bittere Gef?hl der Eifersucht rege geworden war, warf einen Blick auf ihn; sie sagte, indem sie vor den Spiegel trat, zuletzt sei es gleichg?ltig, wer die Person sei; empfahl sich ihm ziemlich kalt und verliess das Zimmer.

Nicolo verfiel, sobald Xaviera sich entfernt hatte, in die lebhafteste Bewegung ?ber diesen Auftritt. Er erinnerte sich, mit vieler Freude, der sonderbaren und lebhaften Ersch?tterung, in welche er, durch die phantastische Erscheinung jener Nacht, Elviren versetzt hatte. Der Gedanke, die Leidenschaft dieser, als ein Muster der Tugend umwandelnden Frau erweckt zu haben, schmeichelte ihn fast eben so sehr, als die Begierde, sich an ihr zu r?chen; und da sich ihm die Aussicht er?ffnete, mit einem und demselben Schlage beide, das eine Gel?st, wie das andere, zu befriedigen, so erwartete er mit vieler Ungeduld Elvirens Wiederkunft, und die Stunde, da ein Blick in ihr Auge seine schwankende ?berzeugung kr?nen w?rde. Nichts st?rte ihn in dem Taumel, der ihn ergriffen hatte, als die bestimmte Erinnerung, dass Elvire das Bild, vor dem sie auf Knieen lag, damals, als er sie durch das Schl?sselloch belauschte: Colino, genannt hatte; doch auch in dem Klang dieses, im Lande nicht eben gebr?uchlichen Namens, lag mancherlei, das sein Herz, er wusste nicht warum, in s?sse Tr?ume wiegte, und in der Alternative, einem von beiden Sinnen, seinem Auge oder seinem Ohr zu misstrauen, neigte er sich, wie nat?rlich, zu demjenigen hin?ber, der seiner Begierde am lebhaftesten schmeichelte.

Inzwischen kam Elvire erst nach Verlauf mehrer Tage von dem Lande zur?ck, und da sie aus dem Hause des Vetters, den sie besucht hatte, eine junge Verwandte mitbrachte, die sich in Rom umzusehen w?nschte, so warf sie, mit Artigkeiten gegen diese besch?ftigt, auf Nicolo, der sie sehr freundlich aus dem Wagen hob, nur einen fl?chtigen nichtsbedeutenden Blick. Mehrere Wochen, der Gastfreundin, die man bewirtete, aufgeopfert, vergingen in einer dem Hause ungew?hnlichen Unruhe; man besuchte, in- und ausserhalb der Stadt, was einem M?dchen, jung und lebensfroh, wie sie war, merkw?rdig sein mochte; und Nicolo, seiner Gesch?fte im Kontor halber, zu allen diesen kleinen Fahrten nicht eingeladen, fiel wieder, in Bezug auf Elviren, in die ?belste Laune zur?ck. Er begann wieder, mit den bittersten und qu?lendsten Gef?hlen, an den Unbekannten zur?ck zu denken, den sie in heimlicher Ergebung verg?tterte; und dies Gef?hl zerriss besonders am Abend der l?ngst mit Sehnsucht erharrten Abreise jener jungen Verwandten sein verwildertes Herz, da Elvire, statt nun mit ihm zu sprechen, schweigend, w?hrend einer ganzen Stunde, mit einer kleinen, weiblichen Arbeit besch?ftigt, am Speisetisch sass. Es traf sich, dass Piachi, wenige Tage zuvor, nach einer Schachtel mit kleinen, elfenbeinernen Buchstaben gefragt hatte, vermittelst welcher Nicolo in seiner Kindheit unterrichtet worden, und die dem Alten nun, weil sie niemand mehr brauchte, in den Sinn gekommen war, an ein kleines Kind in der Nachbarschaft zu verschenken. Die Magd, der man aufgegeben hatte, sie, unter vielen anderen, alten Sachen, aufzusuchen, hatte inzwischen nicht mehr gefunden, als die sechs, die den Namen: Nicolo ausmachen; wahrscheinlich weil die andern, ihrer geringeren Beziehung auf den Knaben wegen, minder in Acht genommen und, bei welcher Gelegenheit es sei, verschleudert worden waren. Da nun Nicolo die Lettern, welche seit mehreren Tagen auf dem Tisch lagen, in die Hand nahm, und w?hrend er, mit dem Arm auf die Platte gest?tzt, in tr?ben Gedanken br?tete, damit spielte, fand er--zuf?llig, in der Tat, selbst, denn er erstaunte dar?ber, wie er noch in seinem Leben nicht getan--die Verbindung heraus, welche den Namen: Colino bildet. Nicolo, dem diese logogriphische Eigenschaft seines Namens fremd war, warf, von rasenden Hoffnungen von neuem getroffen, einen ungewissen und scheuen Blick auf die ihm zur Seite sitzende Elvire. Die ?bereinstimmung, die sich zwischen beiden W?rtern angeordnet fand, schien ihm mehr als ein blosser Zufall, er erwog, in unterdr?ckter Freude, den Umfang dieser sonderbaren Entdeckung, und harrte, die H?nde vom Tisch genommen, mit klopfendem Herzen des Augenblicks, da Elvire aufsehen und den Namen, der offen da lag, erblicken w?rde. Die Erwartung, in der er stand, t?uschte ihn auch keineswegs; denn kaum hatte Elvire, in einem m?ssigen Moment, die Aufstellung der Buchstaben bemerkt, und harmlos und gedankenlos, weil sie ein wenig kurzsichtig war, sich n?her dar?ber hingebeugt, um sie zu lesen: als sie schon Nicolos Antlitz, der in scheinbarer Gleichg?ltigkeit darauf niedersah, mit einem sonderbar beklommenen Blick ?berflog, ihre Arbeit, mit einer Wehmut, die man nicht beschreiben kann, wieder aufnahm, und, unbemerkt wie sie sich glaubte, eine Tr?ne nach der anderen, unter sanftem Err?ten, auf ihren Schoss fallen liess. Nicolo, der alle diese innerlichen Bewegungen, ohne sie anzusehen, beobachtete, zweifelte gar nicht mehr, dass sie unter dieser Versetzung der Buchstaben nur seinen eignen Namen verberge. Er sah sie die Buchstaben mit einemmal sanft ?bereinander schieben, und seine wilden Hoffnungen erreichten den Gipfel der Zuversicht, als sie aufstand, ihre Handarbeit weglegte und in ihr Schlafzimmer verschwand. Schon wollte er aufstehen und ihr dahin folgen: als Piachi eintrat, und von einer Hausmagd, auf die Frage, wo Elvire sei? zur Antwort erhielt: "dass sie sich nicht wohl befinde und sich auf das Bett gelegt habe." Piachi, ohne eben grosse Best?rzung zu zeigen, wandte sich um, und ging, um zu sehen, was sie mache; und da er nach einer Viertelstunde, mit der Nachricht, dass sie nicht zu Tische kommen w?rde, wiederkehrte und weiter kein Wort dar?ber verlor: so glaubte Nicolo den Schl?ssel zu allen r?tselhaften Auftritten dieser Art, die er erlebt hatte, gefunden zu haben.

Am andern Morgen, da er, in seiner sch?ndlichen Freude, besch?ftigt war, den Nutzen, den er aus dieser Entdeckung zu ziehen hoffte, zu ?berlegen, erhielt er ein Billet von Xavieren, worin sie ihn bat, zu ihr zu kommen, indem sie ihm, Elviren betreffend, etwas, das ihm interessant sein w?rde, zu er?ffnen h?tte. Xaviera stand, durch den Bischof, der sie unterhielt, in der engsten Verbindung mit den M?nchen des Karmeliterklosters; und da seine Mutter in diesem Kloster zur Beichte ging, so zweifelte er nicht, dass es jener m?glich gewesen w?re, ?ber die geheime Geschichte ihrer Empfindungen Nachrichten, die seine unnat?rlichen Hoffnungen best?tigen konnten, einzuziehen. Aber wie unangenehm, nach einer sonderbaren schalkhaften Begr?ssung Xavierens, ward er aus der Wiege genommen, als sie ihn l?chelnd auf den Diwan, auf welchem sie sass, niederzog, und ihm sagte: sie m?sse ihm nur er?ffnen, dass der Gegenstand von Elvirens Liebe ein, schon seit zw?lf Jahren, im Grabe schlummernder Toter sei.--Aloysius, Marquis von Montferrat, dem ein Oheim zu Paris, bei dem er erzogen worden war, den Zunamen Collin, sp?terhin in Italien scherzhafter Weise in Colino umgewandelt, gegeben hatte, war das Original des Bildes, das er in der Nische, hinter dem rotseidenen Vorhang, in Elvirens Zimmer entdeckt hatte; der junge, genuesische Ritter, der sie, in ihrer Kindheit, auf so edelm?tige Weise aus dem Feuer gerettet und an den Wunden, die er dabei empfangen hatte, gestorben war.--Sie setzte hinzu, dass sie ihn nur bitte, von diesem Geheimnis weiter keinen Gebrauch zu machen, indem es ihr, unter dem Siegel der ?ussersten Verschwiegenheit, von einer Person, die selbst kein eigentliches Recht dar?ber habe, im Karmeliterkloster anvertraut worden sei. Nicolo versicherte, indem Bl?sse und R?te auf seinem Gesicht wechselten, dass sie nichts zu bef?rchten habe; und g?nzlich ausser Stand, wie er war, Xavierens schelmischen Blicken gegen?ber, die Verlegenheit, in welche ihn diese Er?ffnung gest?rzt hatte, zu verbergen, sch?tzte er ein Gesch?ft vor, das ihn abrufe, nahm, unter einem h?sslichen Zucken seiner Oberlippe, seinen Hut, empfahl sich und ging ab.

Besch?mung, Wollust und Rache vereinigten sich jetzt, um die abscheulichste Tat, die je ver?bt worden ist, auszubr?ten. Er f?hlte wohl, dass Elvirens reiner Seele nur durch einen Betrug beizukommen sei; und kaum hatte ihm Piachi, der auf einige Tage aufs Land ging, das Feld ger?umt, als er auch schon Anstalten traf, den satanischen Plan, den er sich ausgedacht hatte, ins Werk zu richten. Er besorgte sich genau denselben Anzug wieder, in welchem er, vor wenig Monaten, da er zur Nachtzeit heimlich vom Karneval zur?ckkehrte, Elviren erschienen war; und Mantel, Kollett und Federhut, genuesischen Zuschnittts, genau so, wie sie das Bild trug, umgeworfen, schlich er sich, kurz vor dem Schlafengehen, in Elvirens Zimmer, hing ein schwarzes Tuch ?ber das in der Nische stehende Bild, und wartete, einen Stab in der Hand, ganz in der Stellung des gemalten jungen Patriziers, Elvirens Verg?tterung ab. Er hatte auch, im Scharfsinn seiner sch?ndlichen Leidenschaft, ganz richtig gerechnet; denn kaum hatte Elvire, die bald darauf eintrat, nach einer stillen und ruhigen Entkleidung, wie sie gew?hnlich zu tun pflegte, den seidnen Vorhang, der die Nische bedeckte, er?ffnet und ihn erblickt: als sie schon: Colino! Mein Geliebter! rief und ohnm?chtig auf das Get?fel des Bodens niedersank. Nicolo trat aus der Nische hervor; er stand einen Augenblick, im Anschauen ihrer Reize versunken, und betrachtete ihre zarte, unter dem Kuss des Todes pl?tzlich erblassende Gestalt: hob sie aber bald, da keine Zeit zu verlieren war, in seinen Armen auf, und trug sie, indem er das schwarze Tuch von dem Bild herabriss, auf das im Winkel des Zimmers stehende Bett. Dies abgetan, ging er, die T?r zu verriegeln, fand aber, dass sie schon verschlossen war; und sicher, dass sie auch nach Wiederkehr ihrer verst?rten Sinne, seiner phantastischen, dem Ansehen nach ?berirdischen Erscheinung keinen Widerstand leisten w?rde, kehrte er jetzt zu dem Lager zur?ck, bem?ht, sie mit heissen K?ssen auf Brust und Lippen aufzuwecken. Aber die Nemesis, die dem Frevel auf dem Fuss folgt, wollte, dass Piachi, den der Elende noch auf mehrere Tage entfernt glaubte, unvermutet, in eben dieser Stunde, in seine Wohnung zur?ckkehren musste; leise, da er Elviren schon schlafen glaubte, schlich er durch den Korridor heran, und da er immer den Schl?ssel bei sich trug, so gelang es ihm, pl?tzlich, ohne dass irgend ein Ger?usch ihn angek?ndigt h?tte, in das Zimmer einzutreten. Nicolo stand wie vom Donner ger?hrt; er warf sich, da seine B?berei auf keine Weise zu bem?nteln war, dem Alten zu F?ssen, und bat ihn, unter der Beteurung, den Blick nie wieder zu seiner Frau zu erheben, um Vergebung. Und in der Tat war der Alte auch geneigt, die Sache still abzumachen; sprachlos, wie ihn einige Worte Elvirens gemacht hatten, die sich von seinen Armen umfasst, mit einem entsetzlichen Blick, den sie auf den Elenden warf, erholt hatte, nahm er bloss, indem er die Vorh?nge des Bettes, auf welchem sie ruhte, zuzog, die Peitsche von der Wand, ?ffnete ihm die T?r und zeigte ihm den Weg, den er unmittelbar wandern sollte. Doch dieser, eines Tart?ffe v?llig w?rdig, sah nicht sobald, dass auf diesem Wege nichts auszurichten war, als er pl?tzlich vom Fussboden erstand und erkl?rte: an ihm, dem Alten, sei es, das Haus zu r?umen, denn er durch vollg?ltige Dokumente eingesetzt, sei der Besitzer und werde sein Recht, gegen wen immer auf der Welt es sei, zu behaupten wissen! --Piachi traute seinen Sinnen nicht; durch diese unerh?rte Frechheit wie entwaffnet, legte er die Peitsche weg, nahm Hut und Stock, lief augenblicklich zu seinem alten Rechtsfreund, dem Doktor Valerio, klingelte eine Magd heraus, die ihm ?ffnete, und fiel, da er sein Zimmer erreicht hatte, bewusstlos, noch ehe er ein Wort vorgebracht hatte, an seinem Bette nieder. Der Doktor, der ihn und sp?terhin auch Elviren in seinem Hause aufnahm, eilte gleich am andern Morgen, die Festsetzung des h?llischen B?sewichts, der mancherlei Vorteile f?r sich hatte, auszuwirken; doch w?hrend Piachi seine machtlosen Hebel ansetzte, ihn aus den Besitzungen, die ihm einmal zugeschrieben waren, wieder zu verdr?ngen, flog jener schon mit einer Verschreibung ?ber den ganzen Inbegriff derselben, zu den Karmeliterm?nchen, seinen Freunden, und forderte sie auf, ihn gegen den alten Narren, er ihn daraus vertreiben wolle, zu besch?tzen. Kurz, da er Xavieren, welche der Bischof los zu sein w?nschte, zu heiraten willigte, siegte die Bosheit, und die Regierung erliess, auf Vermittelung dieses geistlichen Herrn, ein Dekret, in welchem Nicolo in den Besitz best?tigt und dem Piachi aufgegeben ward, ihn nicht darin zu bel?stigen.

Piachi hatte gerade Tags zuvor die ungl?ckliche Elvire begraben, die an den Folgen eines hitzigen Fiebers, das ihr jener Vorfall zugezogen hatte, gestorben war. Durch diesen doppelten Schmerz gereizt, ging er, das Dekret in der Tasche, in das Haus, und stark, wie die Wut ihn machte, warf er den von Natur schw?cheren Nicolo nieder und dr?ckte ihm das Gehirn an der Wand ein. Die Leute die im Hause waren, bemerkten ihn nicht eher, als bis die Tat geschehen war; sie fanden ihn noch, da er den Nicolo zwischen den Knien hielt, und ihm das Dekret in den Mund stopfte. Dies abgemacht, stand er, indem er alle seine Waffen abgab, auf; ward ins Gef?ngnis gesetzt, verh?rt und verurteilt, mit dem Strange vom Leben zum Tode gebracht zu werden.

In dem Kirchenstaat herrscht ein Gesetz, nach welchem kein Verbrecher zum Tode gef?hrt werden kann, bevor er die Absolution empfangen. Piachi, als ihm der Stab gebrochen war, verweigerte sich hartn?ckig der Absolution. Nachdem man vergebens alles, was die Religion an die Hand gab, versucht hatte, ihm die Strafw?rdigkeit seiner Handlung f?hlbar zu machen, hoffte man, ihn durch den Anblick des Todes, der seiner wartete, in das Gef?hl der Reue hineinzuschrecken, und f?hrte ihn nach dem Galgen hinaus. Hier stand ein Priester und schilderte ihm, mit der Lunge der letzten Posaune, alle Schrecknisse der H?lle, in die seine Seele hinabzufahren im Begriff war; dort ein anderer, den Leib des Herrn, das heilige Ents?hnungsmittel in der Hand, und pries ihm die Wohnungen des ewigen Friedens.--"Willst du der Wohltat der Erl?sung teilhaftig werden?" fragten ihn beide. "Willst du das Abendmahl empfangen?"--Nein, antwortete Piachi.--"Warum nicht?"--Ich will nicht selig sein. Ich will in den untersten Grund der H?lle hinabfahren. Ich will den Nicolo, der nicht im Himmel sein wird, wiederfinden, und meine Rache, die ich hier nur unvollst?ndig befriedigen konnte, wieder aufnehmen!--Und damit bestieg er die Leiter und forderte den Nachrichter auf, sein Amt zu tun. Kurz, man sah sich gen?tigt, mit der Hinrichtung einzuhalten, und den Ungl?cklichen, den das Gesetz in Schutz nahm, wieder in das Gef?ngnis zur?ckzuf?hren. Drei hinter einander folgende Tage machte man dieselben Versuche und immer mit demselben Erfolg. Als er am dritten Tage wieder, ohne an den Galgen gekn?pft zu werden, die Leiter herabsteigen musste: hob er, mit einer grimmigen Geb?rde, die H?nde empor, das unmenschliche Gesetz verfluchend, das ihn nicht zur H?lle fahren lassen wolle. Er rief die ganze Schar der Teufel herbei, ihn zu holen, verschwor sich, sein einziger Wunsch sei, gerichtet und verdammt zu werden, und versicherte, er w?rde noch dem ersten, besten Priester an den Hals kommen, um des Nicolo in der H?lle wieder habhaft zu werden!--Als man dem Papst dies meldete, befahl er, ihn ohne Absolution hinzurichten; kein Priester begleitete ihn, man kn?pfte ihn, ganz in der Stille, auf dem Platz del popolo auf.

Der Zweikampf

Herzog Wilhelm von Breysach, der, seit seiner heimlichen Verbindung mit einer Gr?fin, namens Katharina von Heersbruck, aus dem Hause Alt-H?ningen, die unter seinem Range zu sein schien, mit seinem Halbbruder, dem Grafen Jakob dem Rotbart, in Feindschaft lebte, kam gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts, da die Nacht des heiligen Remigius zu d?mmern begann, von einer in Worms mit dem deutschen Kaiser abgehaltenen Zusammenkunft zur?ck, worin er sich von diesem Herrn, in Ermangelung ehelicher Kinder, die ihm gestorben waren, die Legitimation eines, mit seiner Gemahlin vor der Ehe erzeugten, nat?rlichen Sohnes, des Grafen Philipp von H?ningen, ausgewirkt hatte. Freudiger, als w?hrend des ganzen Laufs seiner Regierung in die Zukunft blickend, hatte er schon den Park, der hinter seinem Schlosse lag, erreicht: als pl?tzlich ein Pfeilschuss aus dem Dunkel der Geb?sche hervorbrach, und ihm, dicht unter dem Brustknochen, den Leib durchbohrte. Herr Friedrich von Trota, sein K?mmerer, brachte ihn, ?ber diesen Vorfall ?usserst betroffen, mit H?lfe einiger andern Ritter, in das Schloss, wo er nur noch, in Armen seiner best?rzten Gemahlin, die Kraft hatte, einer Versammlung von Reichsvasallen, die schleunigst, auf Veranstaltung der letztern, zusammenberufen worden war, die kaiserliche Legitimationsakte vorzulegen; und nachdem, nicht ohne lebhaften Widerstand, indem, in Folge des Gesetzes, die Krone an seinen Halbbruder, den Grafen Jakob den Rotbart, fiel, die Vasallen seinen letzten bestimmten Willen erf?llt, und unter dem Vorbehalt, die Genehmigung des Kaisers einzuholen, den Grafen Philipp als Thronerben, die Mutter aber, wegen Minderj?hrigkeit desselben, als Vorm?nderin und Regentin anerkannt hatten: legte er sich nieder und starb.

Die Herzogin bestieg nun, ohne weiteres, unter einer blossen Anzeige, die sie, durch einige Abgeordnete, an ihren Schwager, den Grafen Jakob den Rotbart, tun liess, den Thron; und was mehrere Ritter des Hofes, welche die abgeschlossene Gem?tsart des letzteren zu durchschauen meinten, vorausgesagt hatten, das traf, wenigstens dem ?usseren Anschein nach, ein: Jakob der Rotbart verschmerzte, in kluger Erw?gung der obwaltenden Umst?nde, das Unrecht, das ihm sein Bruder zugef?gt hatte; zum mindesten enthielt er sich aller und jeder Schritte, den letzten Willen des Herzogs umzustossen, und w?nschte seinem jungen Neffen zu dem Thron, den er erlangt hatte, von Herzen Gl?ck. Er beschrieb den Abgeordneten, die er sehr heiter und freundlich an seine Tafel zog, wie er seit dem Tode seiner Gemahlin, die ihm ein k?nigliches Verm?gen hinterlassen, frei und unabh?ngig auf seiner Burg lebe; wie er die Weiber der angrenzenden Edelleute, seinen eignen Wein, und, in Gesellschaft munterer Freunde, die Jagd liebe, und wie ein Kreuzzug nach Pal?stina, auf welchem er die S?nden einer raschen Jugend, auch leider, wie er zugab, im Alter noch wachsend, abzub?ssen dachte, die ganze Unternehmung sei, auf die er noch, am Schluss seines Lebens, hinausgehe. Vergebens machten ihm seine beiden S?hne, welche in der bestimmten Hoffnung der Thronfolge erzogen worden waren, wegen der Unempfindlichkeit und Gleichg?ltigkeit mit welcher er, auf ganz unerwartete Weise, in diese unheilbare Kr?nkung ihrer Anspr?che willigte, die bittersten Vorw?rfe: er wies sie, die noch unb?rtig waren, mit kurzen und sp?ttischen Machtspr?chen zur Ruhe, n?tigte sie, ihm am Tage des feierlichen Leichenbeg?ngnisses, in die Stadt zu folgen, und daselbst, an seiner Seite, den alten Herzog, ihren Oheim, wie es sich geb?hre, zur Gruft zu bestatten; und nachdem er im Thronsaal des herzoglichen Palastes, dem jungen Prinzen, seinem Neffen, in Gegenwart der Regentin Mutter, gleich allen andern Grossen des Hofes, die Huldigung geleistet hatte, kehrte er unter Ablehnung aller ?mter und W?rden, welche die letztere ihm antrug, begleitet von den Segnungen des, ihn um seine Grossmut und M?ssigung doppelt verehrenden Volks, wieder auf seine Burg zur?ck.

Die Herzogin schritt nun, nach dieser unverhofft gl?cklichen Beseitigung der ersten Interessen, zur Erf?llung ihrer zweiten Regentenpflicht, n?mlich, wegen der M?rder ihres Gemahls, deren man im Park eine ganze Schar wahrgenommen haben wollte, Untersuchungen anzustellen, und pr?fte zu diesem Zweck selbst, mit Herrn Godwin von Herrthal, ihrem Kanzler, den Pfeil, der seinem Leben ein Ende gemacht hatte. Inzwischen fand man an demselben nichts, das den Eigent?mer h?tte verraten k?nnen, ausser etwa, dass er, auf befremdende Weise, zierlich und pr?chtig gearbeitet war. Starke, krause und gl?nzende Federn steckten in einem Stiel, der, schlank und kr?ftig, von dunkelm Nussbaumholz, gedrechselt war; die Bekleidung des vorderen Endes war von gl?nzendem Messing, und nur die ?usserste Spitze selbst, scharf wie die Gr?te eines Fisches, war von Stahl. Der Pfeil schien f?r die R?stkammer eines vornehmen und reichen Mannes verfertigt zu sein, der entweder in Fehden verwickelt, oder ein grosser Liebhaber von der Jagd war; und da man aus einer, dem Knopf eingegrabenen, Jahrszahl ersah, dass dies erst vor kurzem geschehen sein konnte: so schickte die Herzogin, auf Anraten des Kanzlers, den Pfeil, mit dem Kronsiegel versehen, in alle Werkst?tten von Deutschland umher, um den Meister, der ihn gedrechselt hatte, aufzufinden, und, falls dies gelang, von demselben den Namen dessen zu erfahren, auf dessen Bestellung er gedrechselt worden war.

F?nf Monden darauf lief an Herrn Godwin, den Kanzler, dem die Herzogin die ganze Untersuchung der Sache ?bergeben hatte, die Erkl?rung von einem Pfeilmacher aus Strassburg ein, dass er ein Schock solcher Pfeile, samt dem dazu geh?rigen K?cher, vor drei Jahren f?r den Grafen Jakob den Rotbart verfertigt habe. Der Kanzler, ?ber diese Erkl?rung ?usserst betroffen, hielt dieselbe mehrere Wochen lang in seinem Geheimschrank zur?ck; zum Teil kannte er, wie er meinte, trotz der freien und ausschweifenden Lebensweise des Grafen, den Edelmut desselben zu gut, als dass er ihn einer so abscheulichen Tat, als die Ermordung eines Bruders war, h?tte f?r f?hig halten sollen; zum Teil auch, trotz vieler andern guten Eigenschaften, die Gerechtigkeit der Regentin zu wenig, als dass er, in einer Sache, die das Leben ihres schlimmsten Feindes galt, nicht mit der gr?ssten Vorsicht h?tte verfahren sollen. Inzwischen stellte er, unter der Hand, in der Richtung dieser sonderbaren Anzeige, Untersuchungen an, und da er durch die Beamten der Stadtvogtei zuf?llig ausmittelte, dass der Graf, der seine Burg sonst nie oder nur h?chst selten zu verlassen pflegte, in der Nacht der Ermordung des Herzogs daraus abwesend gewesen war: so hielt er es f?r seine Pflicht, das Geheimnis fallen zu lassen, und die Herzogin, in einer der n?chsten Sitzungen des Staatsrats, von dem befremdenden und seltsamen Verdacht, der durch diese beiden Klagpunkte auf ihren Schwager, den Grafen Jakob den Rotbart fiel, umst?ndlich zu unterrichten.

Die Herzogin, die sich gl?cklich pries, mit dem Grafen, ihrem Schwager, auf einem so freundschaftlichen Fuss zu stehen, und nichts mehr f?rchtete, als seine Empfindlichkeit durch un?berlegte Schritte zu reizen, gab inzwischen, zum Befremden des Kanzlers, bei dieser zweideutigen Er?ffnung nicht das mindeste Zeichen der Freude von sich; vielmehr, als sie die Papiere zweimal mit Aufmerksamkeit ?berlesen hatte, ?usserte sie lebhaft ihr Missfallen, dass man eine Sache, die so ungewiss und bedenklich sei, ?ffentlich im Staatsrat zur Sprache bringe. Sie war der Meinung, dass ein Irrtum oder eine Verleumdung dabei statt finden m?sse, und befahl, von der Anzeige schlechthin bei den Gerichten keinen Gebrauch zu machen. Ja, bei der ausserordentlichen, fast schw?rmerischen Volksverehrung, deren der Graf, nach einer nat?rlichen Wendung der Dinge, seit seiner Ausschliessung vom Throne genoss, schien ihr auch schon dieser blosse Vortrag im Staatsrat ?usserst gef?hrlich; und da sie voraus sah, dass ein Stadtgeschw?tz dar?ber zu seinen Ohren kommen w?rde, so schickte sie, von einem wahrhaft edelm?tigen Schreiben begleitet, die beiden Klagpunkte, die sie das Spiel eines sonderbaren Missverst?ndnisses nannte, samt dem, worauf sie sich st?tzen sollten, zu ihm hinaus, mit der bestimmten Bitte, sie, die im voraus von seiner Unschuld ?berzeugt sei, mit aller Widerlegung derselben zu verschonen.

Der Graf der eben mit einer Gesellschaft von Freunden bei der Tafel sass, stand, als der Ritter mit der Botschaft der Herzogin, zu ihm eintrat, verbindlich von seinem Sessel auf; aber kaum, w?hrend die Freunde den feierlichen Mann, der sich nicht niederlassen wollte, betrachteten, hatte er in der W?lbung des Fensters den Brief ?berlesen: als er die Farbe wechselte, und die Papiere mit den Worten den Freunden ?bergab: Br?der, seht! welch eine sch?ndliche Anklage, auf den Mord meines Bruders, wider mich zusammengeschmiedet worden ist! Er nahm dem Ritter, mit einem funkelnden Blick, den Pfeil aus der Hand, und setzte, die Vernichtung seiner Seele verbergend, inzwischen die Freunde sich unruhig um ihn versammelten, hinzu: dass in der Tat das Geschoss sein geh?re und auch der Umstand, dass er in der Nacht des heiligen Remigius aus seinem Schloss abwesend gewesen, gegr?ndet sei! Die Freunde fluchten ?ber diese h?mische und niedertr?chtige Arglistigkeit; sie schoben den Verdacht des Mordes auf die versuchten Ankl?ger selbst zur?ck, und schon waren sie im Begriff, gegen den Abgeordneten, der die Herzogin, seine Frau, in Schutz nahm, beleidigend zu werden: als der Graf, der die Papiere noch einmal ?berlesen hatte, indem er pl?tzlich unter sie trat, ausrief: ruhig, meine Freunde!--und damit nahm er sein Schwert, das im Winkel stand, und ?bergab es dem Ritter mit den Worten: dass er sein Gefangener sei! Auf die betroffene Frage des Ritters: ob er recht geh?rt, und ob er in der Tat die beiden Klagpunkte, die der Kanzler aufgesetzt, anerkenne? antwortete der Graf: ja! ja! ja! --Inzwischen hoffe er der Notwendigkeit ?berhoben zu sein, den Beweis wegen seiner Unschuld anders, als vor den Schranken eines f?rmlich von der Herzogin niedergesetzten Gerichts zu f?hren. Vergebens bewiesen die Ritter, mit dieser ?usserung h?chst unzufrieden, dass er in diesem Fall wenigstens keinem andern, als dem Kaiser, von dem Zusammenhang der Sache Rechenschaft zu geben brauche; der Graf, der sich in einer sonderbar pl?tzlichen Wendung der Gesinnung, auf die Gerechtigkeit der Regentin berief, bestand darauf, sich vor dem Landestribunal zu stellen, und schon, indem er sich aus ihren Armen losriss, rief er, aus dem Fenster hinaus, nach seinen Pferden, willens, wie er sagte, dem Abgeordneten unmittelbar in die Ritterhaft zu folgen: als die Waffengef?hrten ihm gewaltsam, mit einem Vorschlag, den er endlich annehmen musste, in den Weg traten. Sie setzten in ihrer Gesamtzahl ein Schreiben an die Herzogin auf, forderten als ein Recht, das jedem Ritter in solchem Fall zustehe, freies Geleit f?r ihn, und boten ihr zur Sicherheit, dass er sich dem von ihr errichteten Tribunal stellen, auch allem, was dasselbe ?ber ihn verh?ngen m?chte, unterwerfen w?rde, eine B?rgschaft von 20 000 Mark Silbers an.

Die Herzogin, auf diese unerwartete und ihr unbegreifliche Erkl?rung, hielt es, bei den abscheulichen Ger?chten, die bereits ?ber die Veranlassung der Klage, im Volk herrschten, f?r das Ratsamste, mit g?nzlichem Zur?cktreten ihrer eignen Person, dem Kaiser die ganze Streitsache vorzulegen. Sie schickte ihm, auf den Rat des Kanzlers, s?mtliche ?ber den Vorfall lautende Aktenst?cke zu, und bat, in seiner Eigenschaft als Reichsoberhaupt ihr die Untersuchung in einer Sache abzunehmen, in der sie selber als Partei befangen sei. Der Kaiser, der sich wegen Verhandlungen mit der Eidgenossenschaft grade damals in Basel aufhielt, willigte in diesen Wunsch; er setzte daselbst ein Gericht von drei Grafen, zw?lf Rittern und zwei Gerichtsassessoren nieder; und nachdem er dem Grafen Jakob dem Rotbart, dem Antrag seiner Freunde gem?ss, gegen die dargebotene B?rgschaft von 20 000 Mark Silbers freies Geleit zugestanden hatte, forderte er ihn auf, sich dem erw?hnten Gericht zu stellen, und demselben ?ber die beiden Punkte: wie der Pfeil, der, nach seinem eignen Gest?ndnis, sein geh?re, in die H?nde des M?rders gekommen? auch: an welchem dritten Ort er sich in der Nacht des heiligen Remigius aufgehalten habe, Red und Antwort zu geben.

Es war am Montag nach Trinitatis, als er Graf Jakob der Rotbart, mit einem gl?nzenden Gefolge von Rittern, der an ihn ergangenen Aufforderung gem?ss, in Basel vor den Schranken des Gerichts erschien, und sich daselbst, mit ?bergehung der ersten, ihm, wie er vorgab, g?nzlich unaufl?slichen Frage, in Bezug auf die zweite, welche f?r den Streitpunkt entscheidend war, folgendermassen fasste: "Edle Herren!" und damit st?tzte er seine H?nde auf das Gel?nder, und schaute aus seinen kleinen blitzenden Augen, von r?tlichen Augenwimpern ?berschattet, die Versammlung an. "Ihr beschuldigt mich, der von seiner Gleichg?ltigkeit gegen Krone und Szepter Proben genug gegeben hat, der abscheulichsten Handlung, die begangen werden kann, der Ermordung meines, mir in der Tat wenig geneigten, aber darum nicht minder teuren Bruders; und als einen der Gr?nde, worauf ihr eure Anklage st?tzt, f?hrt ihr an, dass ich in der Nacht des heiligen Remigius, da jener Frevel ver?bt ward, gegen eine durch viele Jahre beobachtete Gewohnheit, aus meinem Schlosse abwesend war. Nun ist mir gar wohl bekannt, was ein Ritter, der Ehre solcher Damen, deren Gunst ihm heimlich zuteil wird, schuldig ist; und wahrlich! h?tte der Himmel nicht, aus heiterer Luft, dies sonderbare Verh?ngnis ?ber mein Haupt zusammengef?hrt: so w?rde das Geheimnis, das in meiner Brust schl?ft, mit mir gestorben, zu Staub verwest, und erst auf den Posaunenruf des Engels, der die Gr?ber sprengt, vor Gott mit mir erstanden sein. Die Frage aber, die kaiserliche Majest?t durch euren Mund an mein Gewissen richtet, macht, wie ihr wohl selbst einseht, alle R?cksichten und alle Bedenklichkeiten zu Schanden; und weil ihr denn wissen wollt, warum es weder wahrscheinlich, noch auch selbst m?glich sei, dass ich an dem Mord meines Bruders, es sei nun pers?nlich oder mittelbar, Teil genommen, so vernehmt, dass ich in der Nacht des heiligen Remigius, also zur Zeit, da er ver?bt worden, heimlich bei der sch?nen, in Liebe mir ergebenen Tochter des Landdrosts Winfried von Breda, Frau Wittib Littegarde von Auerstein war."

Nun muss man wissen, dass Frau Wittib Littegarde von Auerstein, so wie die sch?nste, so auch, bis auf den Augenblick dieser schm?hlichen Anklage, die unbescholtenste und makelloseste Frau des Landes war. Sie lebte, seit dem Tode des Schlosshauptmanns von Auerstein, ihres Gemahls, den sie wenige Monden nach ihrer Verm?hlung an einem ansteckenden Fieber verloren hatte, still und eingezogen auf der Burg ihres Vaters; und nur auf den Wunsch dieses alten Herrn, der sie gern wieder verm?hlt zu sehen w?nschte, ergab sie sich darin, dann und wann bei den Jagdfesten und Banketten zu erscheinen, welche von der Ritterschaft der umliegenden Gegend, und haupts?chlich von Herrn Jakob dem Rotbart, angestellt wurden. Viele Grafen und Herren, aus den edelsten und beg?tertsten Geschlechtern des Landes, fanden sich mit ihren Werbungen, bei solchen Gelegenheiten um sie ein, und unter diesen war ihr Herr Friedrich von Trota, der K?mmerer, der ihr einst auf der Jagd gegen den Anlauf eines verwundeten Ebers t?chtiger Weise das Leben gerettet hatte, der Teuerste und Liebste; inzwischen hatte sie sich aus Besorgnis, ihren beiden, auf die Hinterlassenschaft ihres Verm?gens rechnenden Br?dern dadurch zu missfallen, aller Ermahnungen ihres Vaters ungeachtet, noch nicht entschliessen k?nnen, ihm ihre Hand zu geben. Ja, als Rudolf, der ?ltere von beiden sich mit einem reichen Fr?ulein aus der Nachbarschaft verm?hlte, und ihm, nach einer dreij?hrigen kinderlosen Ehe, zur grossen Freude der Familie, ein Stammhalter geboren ward: so nahm sie, durch manche deutliche und undeutliche Erkl?rung bewogen, von Herrn Friedrich, Ihrem Freunde, in einem unter vielen Tr?nen abgefassten Schreiben, f?rmlich Abschied, und willigte, um die Einigkeit des Hauses zu erhalten, in den Vorschlag ihres Bruders, den Platz als ?btissin in einem Frauenstift einzunehmen, das unfern ihrer v?terlichen Burg an den Ufern des Rheins lag.

Grade um die Zeit, da bei dem Erzbischof von Strassburg dieser Plan betrieben ward, und die Sache im Begriff war zur Ausf?hrung zu kommen, war es, als der Landdrost, Herr Winfried von Breda, durch das von dem Kaiser eingesetzte Gericht, die Anzeige von der Schande seiner Tochter Littegarde, und die Aufforderung erhielt, dieselbe zur Verantwortung gegen die von dem Grafen Jakob wider sie angebrachte Beschuldigung nach Basel zu bef?rdern. Man bezeichnete ihm, im Verlauf des Schreibens, genau die Stunde und den Ort, in welchem der Graf, seinem Vorgeben gem?ss, bei Frau Littegarde seinen Besuch heimlich abgestattet haben wollte, und schickte ihm sogar einen, von ihrem verstorbenen Gemahl herr?hrenden Ring mit, den er beim Abschied, zum Andenken an die verflossene Nacht, aus ihrer Hand empfangen zu haben versicherte. Nun litt Herr Winfried eben, am Tage der Ankunft dieses Schreibens, an einer schweren und schmerzvollen Unp?sslichkeit des Alters; er wankte, in einem ?usserst gereizten Zustande, an der Hand seiner Tochter im Zimmer umher, das Ziel schon ins Auge fassend, das allem was Leben atmet gesteckt ist; dergestalt, dass ihn, bei ?berlesung dieser f?rchterlichen Anzeige, der Schlag augenblicklich r?hrte, und er, indem er das Blatt fallen liess, mit gel?hmten Gliedern auf den Fussboden niederschlug. Die Br?der, die gegenw?rtig waren, hoben ihn best?rzt vom Boden auf, und riefen einen Arzt herbei, der zu seiner Pflege, in den Nebengeb?uden wohnte; aber alle M?he, ihn wieder ins Leben zur?ck zu bringen, war umsonst: er gab, w?hrend Frau Littegarde besinnungslos in dem Schoss ihrer Frauen lag, seinen Geist auf, und diese, da sie erwachte, hatte auch nicht den letzten bitters?ssen Trost, ihm ein Wort zur Verteidigung ihrer Ehre in die Ewigkeit mitgegeben zu haben. Das Schrecken der beiden Br?der ?ber diesen heillosen Vorfall, und ihre Wut ?ber die der Schwester angeschuldigte und leider nur zu wahrscheinliche Schandtat, die ihn veranlasst hatte, war unbeschreiblich. Denn sie wussten nur zu wohl, dass Graf Jakob der Rotbart ihr in der Tat, w?hrend des ganzen vergangenen Sommers, angelegentlich den Hof gemacht hatte; mehrere Turniere und Bankette waren bloss ihr zu Ehren von ihm angestellt, und sie, auf eine schon damals sehr anst?ssige Weise, vor allen andern Frauen, die er zur Gesellschaft zog, von ihm ausgezeichnet worden. Ja, sie erinnerten sich, dass Littegarde, grade um die Zeit des besagten Remigiustages, eben diesen von ihrem Gemahl herstammenden Ring, der sich jetzt, auf sonderbare Weise in den H?nden des Grafen Jakob wieder fand, auf einem Spaziergang verloren zu haben vorgegeben hatte; dergestalt, dass sie nicht einen Augenblick an der Wahrhaftigkeit der Aussage, die der Graf vor Gericht gegen sie abgeleistet hatte, zweifelten. Vergebens--inzwischen unter den Klagen des Hofgesindes die v?terliche Leiche weggetragen ward--umklammerte sie, nur um einen Augenblick Geh?r bittend, die Kniee ihrer Br?der; Rudolf, vor Entr?stung flammend, fragte sie, indem er sich zu ihr wandte: ob sie einen Zeugen f?r die Nichtigkeit der Beschuldigung f?r sich aufstellen k?nne? und da sie unter Zittern und Beben erwiderte: dass sie sich leider auf nichts, als die Unstr?flichkeit ihres Lebenswandels berufen k?nne, indem ihre Zofe grade wegen eines Besuchs, den sie in der bewussten Nacht bei ihren Eltern abgestattet, aus ihrem Schlafzimmer abwesend gewesen sei: so stiess Rudolf sie mit F?ssen von sich, riss ein Schwert das an der Wand hing, aus der Scheide, und befahl ihr, in missgeschaffner Leidenschaft tobend, indem er Hunde und Knechte herbeirief, augenblicklich das Haus und die Burg zu verlassen. Littegarde stand bleich wie Kreide, vom Boden auf; sie bat, indem sie seinen Misshandlungen schweigend auswich, ihr wenigstens zur Anordnung der erforderten Abreise die n?tige Zeit zu lassen; doch Rudolf antwortete weiter nichts, als, vor Wut sch?umend: hinaus, aus dem Schloss! dergestalt, dass da er auf seine eigne Frau, die ihm mit der Bitte um Schonung und Menschlichkeit, in den Weg trat, nicht h?rte, und Sie, durch einen Stoss mit dem Griff des Schwerts, der ihr das Blut fliessen machte, rasend auf die Seite warf, die ungl?ckliche Littegarde, mehr tot als lebendig, das Zimmer verliess: sie wankte, von den Blicken der gemeinen Menge umstellt, ?ber den Hofraum der Schlosspforte zu, wo Rudolf ihr ein B?ndel mit W?sche, wozu er einiges Geld legte, hinausreichen liess, und selbst hinter ihr, unter Fl?chen und Verw?nschungen, die Torfl?gel verschloss.

Dieser pl?tzliche Sturz, von der H?he eines heiteren und fast ungetr?bten Gl?cks, in die Tiefe eines unabsehbaren und g?nzlich hilflosen Elends, war mehr als das arme Weib ertragen konnte. Unwissend, wohin sie sich wenden solle, wankte sie, gest?tzt am Gel?nder, den Felsenpfad hinab, um sich wenigstens f?r die einbrechende Nacht ein Unterkommen zu verschaffen; doch ehe sie noch den Eingang des D?rfchens, das verstreut im Tale lag, erreicht hatte, sank sie schon ihrer Kr?fte beraubt, auf den Fussboden nieder. Sie mochte, allen Erdenleiden entr?ckt, wohl eine Stunde so gelegen haben, und v?llige Finsternis deckte schon die Gegend, als sie, umringt von mehreren mitleidigen Einwohnern des Orts, erwachte. Denn ein Knabe, der am Felsenabhang spielte, hatte sie daselbst bemerkt, und in dem Hause seiner Eltern von einer so sonderbaren und auffallenden Erscheinung Bericht abgestattet; worauf diese, die von Littegarden mancherlei Wohltaten empfangen hatten, ?usserst best?rzt sie in einer so trostlosen Lage zu wissen, sogleich aufbrachen, um ihr mit H?lfe, so gut es in ihren Kr?ften stand, beizuspringen. Sie erholte sich durch die Bem?hungen dieser Leute gar bald, und gewann auch, bei dem Anblick der Burg, die hinter ihr verschlossen war, ihre Besinnung wieder; sie weigerte sich aber das Anerbieten zweier Weiber, sie wieder auf das Schloss hinauf zu f?hren, anzunehmen, und bat nur um die Gef?lligkeit, ihr sogleich einen F?hrer herbei zu schaffen, um ihre Wanderung fortzusetzen. Vergebens stellten ihr die Leute vor, dass sie in ihrem Zustande keine Reise antreten k?nne; Littegarde bestand unter dem Vorwand, dass ihr Leben in Gefahr sei, darauf, augenblicklich die Grenzen des Burggebiets zu verlassen; ja, sie machte, da sich der Haufen um sie, ohne ihr zu helfen, immer vergr?sserte, Anstalten, sich mit Gewalt los zu reissen, und sich allein, trotz der Dunkelheit der hereinbrechenden Nacht, auf den Weg zu begeben; dergestalt dass die Leute notgedrungen, aus Furcht, von der Herrschaft, falls ihr ein Ungl?ck zustiesse, daf?r in Anspruch genommen zu werden, in ihren Wunsch willigten, und ihr ein Fuhrwerk herbeischafften, das mit ihr, auf die wiederholt an sie gerichtete Frage, wohin sie sich denn eigentlich wenden wolle, nach Basel fuhr.

Aber schon vor dem Dorfe ?nderte sie, nach einer aufmerksamem Erw?gung der Umst?nde, ihren Entschluss, und befahl ihrem F?hrer umzukehren, und sie nach der, nur wenige Meilen entfernten Trotenburg zu fahren. Denn sie f?hlte wohl, dass sie ohne Beistand, gegen einen solchen Gegner, als der Graf Jakob der Rotbart war, vor dem Gericht zu Basel nichts ausrichten w?rde; und niemand schien ihr des Vertrauens, zur Verteidigung ihrer Ehre aufgerufen zu werden, w?rdiger, als ihr wackerer, ihr in Liebe, wie sie wohl wusste, immer noch ergebener Freund, der treffliche K?mmerer Herr Friedrich von Trota. Es mochte ohngef?hr Mitternacht sein, und die Lichter im Schlosse schimmerten noch, als sie ?usserst erm?det von der Reise, mit ihrem Fuhrwerk daselbst ankam. Sie schickte einen Diener des Hauses, der ihr entgegen kam, hinauf, um der Familie ihre Ankunft anmelden zu lassen; doch ehe dieser noch seinen Auftrag vollf?hrt hatte, traten auch schon Fr?ulein Bertha und Kunigunde, Herrn Friedrichs Schwestern, vor die T?r hinaus, die zuf?llig, in Gesch?ften des Haushalts, im untern Vorsaal waren. Die Freundinnen hoben Littegarden, die ihnen gar wohl bekannt war, unter freudigen Begr?ssungen vom Wagen, und f?hrten sie, obschon nicht ohne einige Beklemmung, zu ihrem Bruder hinauf, der in Akten, womit ihn ein Prozess ?bersch?ttete, versenkt, an einem Tische sass. Aber wer beschreibt das Erstaunen Herrn Friedrichs, als er auf das Ger?usch, das sich hinter ihm erhob, sein Antlitz wandte, und Frau Littegarden, bleich und entstellt, ein wahres Bild der Verzweiflung, vor ihm auf Knieen nieder sinken sah. "Meine teuerste Littegarde!" rief er, indem er aufstand, und sie vom Fussboden erhob: "was ist Euch widerfahren?" Littegarde, nachdem sie sich auf einen Sessel niedergelassen hatte, erz?hlte ihm, was vorgefallen; welch eine verruchte Anzeige der Graf Jakob der Rotbart, um sich von dem Verdacht, wegen Ermordung des Herzogs, zu reinigen, vor dem Gericht zu Basel in Bezug auf sie, vorgebracht habe; wie die Nachricht davon ihrem alten, eben an einer Unp?sslichkeit leidenden Vater augenblicklich den Nervenschlag zugezogen, an welchem er auch, wenige Minuten darauf, in den Armen seiner S?hne verschieden sei; und wie diese in Entr?stung dar?ber rasend, ohne auf das, was sie zu ihrer Verteidigung vorbringen k?nne, zu h?ren, sie mit den entsetzlichsten Misshandlungen ?berh?uft, und zuletzt, gleich einer Verbrecherin, aus dem Hause gejagt hatten. Sie bat Herrn Friedrich, sie unter einer schicklichen Begleitung nach Basel zu bef?rdern, und ihr daselbst einen Rechtsgeh?lfen anzuweisen, der ihr, bei ihrer Erscheinung vor dem von dem Kaiser eingesetzten Gericht, mit klugem und besonnenen Rat, gegen jene sch?ndliche Beschuldigung, zur Seite stehen k?nne. Sie versicherte, dass ihr aus dem Munde eines Parthers oder Persers, den sie nie mit Augen gesehen, eine solche Behauptung nicht h?tte unerwarteter kommen k?nnen, als aus dem Munde des Grafen Jakobs des Rotbarts, indem ihr derselbe seines schlechten Rufs sowohl, als seiner ?usseren Bildung wegen, immer in der tiefsten Seele verhasst gewesen sei, und sie die Artigkeiten, die er sich, bei den Festgelagen des vergangenen Sommers, zuweilen die Freiheit genommen ihr zu sagen, stets mit der gr?ssten K?lte und Verachtung abgewiesen habe. "Genug, meine teuerste Littegarde!" rief Herr Friedrich, indem er mit edlem Eifer ihre Hand nahm, und an seine Lippen dr?ckte: "verliert kein Wort zur Verteidigung und Rechtfertigung Eurer Unschuld! In meiner Brust spricht eine Stimme f?r Euch, weit lebhafter und ?berzeugender, als alle Versicherungen, ja selbst als alle Rechtsgr?nde und Beweise, die Ihr vielleicht aus der Verbindung der Umst?nde und Begebenheiten, vor dem Gericht zu Basel f?r Euch aufzubringen verm?gt. Nehmt mich, weil Eure ungerechten und ungrossm?tigen Br?der Euch verlassen, als Euren Freund und Bruder an, und g?nnt mir den Ruhm, Euer Anwalt in dieser Sache zu sein; ich will den Glanz Eurer Ehre vor dem Gericht zu Basel und vor dem Urteil der ganzen Welt wiederherstellen!" Damit f?hrte er Littegarden, deren Tr?nen vor Dankbarkeit und R?hrung, bei so edelm?tigen ?usserungen heftig flossen, zu Frau Helenen, seiner Mutter hinauf, die sich bereits in ihr Schlafzimmer zur?ckgezogen hatte; er stellte sie dieser w?rdigen alten Dame, die ihr mit besonderer Liebe zugetan war, als eine Gastfreundin vor, die sich, wegen eines Zwistes, der in ihrer Familie ausgebrochen, entschlossen habe, ihren Aufenthalt w?hrend einiger Zeit auf seiner Burg zu nehmen; man r?umte ihr noch in derselben Nacht einen ganzen Fl?gel des weitl?ufigen Schlosses ein, erf?llte, aus dem Vorrat der Schwestern, die Schr?nke, die sich darin befanden, reichlich mit Kleidern und W?sche f?r sie, wies ihr auch, ganz ihrem Range gem?ss, eine anst?ndige ja pr?chtige Dienerschaft an: und schon am dritten Tage befand sich Herr Friedrich von Trota, ohne sich ?ber die Art und Weise, wie er seinen Beweis vor Gericht zu f?hren gedachte, auszulassen, mit einem zahlreichen Gefolge von Reisigen und Knappen auf der Strasse nach Basel.

Inzwischen war, von den Herren von Breda, Littegardens Br?dern, ein Schreiben, den auf der Burg statt gehabten Vorfall anbetreffend, bei dem Gericht zu Basel eingelaufen, worin sie das arme Weib, sei es nun, dass sie dieselbe wirklich f?r schuldig hielten, oder dass sie sonst Gr?nde haben mochten, sie zu verderben, ganz und gar, als eine ?berwiesene Verbrecherin, der Verfolgung der Gesetze preis gaben. Wenigstens nannten sie die Verstossung derselben aus der Burg, unedelm?tiger und unwahrhaftiger Weise, eine freiwillige Entweichung; sie beschrieben, wie sie sogleich, ohne irgend etwas zur Verteidigung ihrer Unschuld aufbringen zu k?nnen, auf einige entr?stete ?usserungen, die ihnen entfahren w?ren, das Schloss verlassen habe; und waren, bei der Vergeblichkeit aller Nachforschungen, die sie beteuerten, ihrethalb angestellt zu haben, der Meinung, dass sie jetzt wahrscheinlich, an der Seite eines dritten Abenteurers, in der Welt umirre, um das Mass ihrer Schande zu erf?llen. Dabei trugen sie, zur Ehrenrettung der durch sie beleidigten Familie, darauf an, ihren Namen aus der Geschlechtstafel des Bredaschen Hauses auszustreichen, und begehrten, unter weitl?ufigen Rechtsdeduktionen, sie, zur Strafe wegen so unerh?rter Vergehungen, aller Anspr?che auf die Verlassenschaft des edlen Vaters, den ihre Schande ins Grab gest?rzt, f?r verlustig zu erkl?ren. Nun waren die Richter zu Basel zwar weit entfernt, diesem Antrag, der ohnehin gar nicht vor ihr Forum geh?rte, zu willfahren; da inzwischen der Graf Jakob, beim Empfang dieser Nachricht, von seiner Teilnahme an dem Schicksal Littegardens die unzweideutigsten und entscheidendsten Beweise gab, und heimlich, wie man erfuhr, Reuter ausschickte, um sie aufzusuchen und ihr einen Aufenthalt auf seiner Burg anzubieten: so setzte das Gericht in die Wahrhaftigkeit seiner Aussage keinen Zweifel mehr, und beschloss die Klage die wegen Ermordung des Herzogs ?ber ihn schwebte, sofort aufzuheben. Ja, diese Teilnahme, die er der Ungl?cklichen in diesem Augenblick der Not schenkte, wirkte selbst h?chst vorteilhaft auf die Meinung des in seinem Wohlwollen f?r ihn sehr wankenden Volks; man entschuldigte jetzt, was man fr?herhin schwer gemissbilligt hatte, die Preisgebung einer ihm in Liebe ergebenen Frau, vor der Verachtung aller Welt, und fand, dass ihm unter so ausserordentlichen und ungeheuren Umst?nden, da es ihm nichts Geringeres, als Leben und Ehre galt, nichts ?brig geblieben sei, als r?cksichtslose Aufdeckung des Abenteuers, das sich in der Nacht des heiligen Remigius zugetragen hatte. Demnach ward, auf ausdr?cklichen Befehl des Kaisers, der Graf Jakob der Rotbart von neuem vor Gericht geladen, um feierlich, bei offnen T?ren, von dem Verdacht, zur Ermordung des Herzogs mitgewirkt zu haben, freigesprochen zu werden. Eben hatte der Herold, unter den Hallen des weitl?ufigen Gerichtssaals, das Schreiben der Herren von Breda abgelesen, und das Gericht machte sich bereit, dem Schluss des Kaisers gem?ss, in Bezug auf den ihm zur Seite stehenden Angeklagten, zu einer f?rmlichen Ehrenerkl?rung zu schreiten: als Herr Friedrich von Trota vor die Schranken trat, und sich, auf das allgemeine Recht jedes unparteiischen Zuschauers gest?tzt, den Brief auf einen Augenblick zur Durchsicht ausbat. Man willigte, w?hrend die Augen alles Volks auf ihn gerichtet waren, in seinen Wunsch; aber kaum hatte Herr Friedrich aus den H?nden des Herolds das Schreiben erhalten, als er es, nach einem fl?chtig hinein geworfenen Blick, von oben bis unten zerriss, und die St?cken, samt seinem Handschuh, die er zusammen wickelte, mit der Erkl?rung dem Grafen Jakob dem Rotbart ins Gesicht warf: dass er ein sch?ndlicher und niedertr?chtiger Verleumder, und er entschlossen sei, die Schuldlosigkeit Frau Littegardens an dem Frevel, den er ihr vorgeworfen, auf Tod und Leben, vor aller Welt, im Gottesurteil zu beweisen!--Graf Jakob der Rotbart, nachdem er, blass im Gesicht, den Handschuh aufgenommen, sagte: "so gewiss als Gott gerecht, im Urteil der Waffen, entscheidet, so gewiss werde ich dir die Wahrhaftigkeit dessen, was ich, Frau Littegarden betreffend, notgedrungen verlautbart, im ehrlichen ritterlichen Zweikampf beweisen! Erstattet, edle Herren", sprach er, indem er sich zu den Richtern wandte, "kaiserlicher Majest?t Bericht von dem Einspruch, welchen Herr Friedrich getan, und ersucht sie, uns Stunde und Ort zu bestimmen, wo wir uns, mit dem Schwert in der Hand, zur Entscheidung dieser Streitsache begegnen k?nnen!" Dem gem?ss schickten die Richter, unter Aufhebung der Session, eine Deputation, mit dem Bericht ?ber diesen Vorfall an den Kaiser ab; und da dieser durch das Auftreten Herrn Friedrichs, als Verteidiger Littegardens, nicht wenig in seinem Glauben an die Unschuld des Grafen irre geworden war: so rief er, wie es die Ehrengesetze erforderten, Frau Littegarden, zur Beiwohnung des Zweikampfs, nach Basel, und setzte zur Aufkl?rung des sonderbaren Geheimnisses, das ?ber dieser Sache schwebte, den Tag der heiligen Margarethe als die Zeit, und den Schlossplatz zu Basel als den Ort an, wo beide, Herr Friedrich von Trota und der Graf Jakob der Rotbart, in Gegenwart Frau Littegardens einander treffen sollten.

Eben ging, diesem Schluss gem?ss, die Mittagssonne des Margarethentages ?ber die T?rme der Stadt Basel, und eine unermessliche Menschenmenge, f?r welche man B?nke und Ger?ste zusammen gezimmert hatte, war auf dem Schlossplatz versammelt, als auf den dreifachen Ruf des vor dem Altan der Kampfrichter stehenden Herolds, beide, von Kopf zu Fuss in schimmerndes Erz ger?stet, Herr Friedrich und der Graf Jakob, zur Ausfechtung ihrer Sache, in die Schranken traten. Fast die ganze Ritterschaft von Schwaben und der Schweiz war auf der Rampe des im Hintergrund befindlichen Schlosses gegenw?rtig; und auf dem Balkon desselben sass, von seinem Hofgesinde umgeben, der Kaiser selbst, nebst seiner Gemahlin, und den Prinzen und Prinzessinnen, seinen S?hnen und T?chtern. Kurz vor Beginn des Kampfes, w?hrend die Richter Licht und Schatten zwischen den K?mpfern teilten, traten Frau Helena und ihre beiden T?chter Bertha und Kunigunde, welche Littegarden nach Basel begleitet hatten, noch einmal an die Pforten des Platzes, und baten die W?chter, die daselbst standen, um die Erlaubnis, eintreten, und mit Frau Littegarden, welche, einem uralten Gebrauch gem?ss, auf einem Ger?st innerhalb der Schranken sass, ein Wort sprechen zu d?rfen. Denn obschon der Lebenswandel dieser Dame die vollkommenste Achtung und ein ganz uneingeschr?nktes Vertrauen in die Wahrhaftigkeit ihrer Versicherungen zu erfordern schien, so st?rzte doch der Ring, den der Graf Jakob aufzuweisen hatte, und noch mehr der Umstand, dass Littegarde ihre Kammerzofe, die einzige, die ihr h?tte zum Zeugnis dienen k?nnen, in der Nacht des heiligen Remigius beurlaubt hatte, ihre Gem?ter in die lebhafteste Besorgnis; sie beschlossen die Sicherheit des Bewusstseins, das der Angeklagten inwohnte, im Drang dieses entscheidenden Augenblicks, noch einmal zu pr?fen, und ihr die Vergeblichkeit, ja Gottesl?sterlichkeit des Unternehmens, falls wirklich eine Schuld ihre Seele dr?ckte, auseinander zu setzen, sich durch den heiligen Ausspruch der Waffen, der die Wahrheit unfehlbar ans Licht bringen w?rde, davon reinigen zu wollen. Und in der Tat hatte Littegarde alle Ursache, den Schritt, den Herr Friedrich jetzt f?r sie tat, wohl zu ?berlegen; der Scheiterhaufen wartete ihrer sowohl, als ihres Freundes, des Ritters von Trota, falls Gott sich im eisernen Urteil nicht f?r ihn, sondern f?r den Grafen Jakob den Rotbart, und f?r die Wahrheit der Aussage entschied, die derselbe vor Gericht gegen sie abgeleistet hatte. Frau Littegarde, als sie Herrn Friedrichs Mutter und Schwestern zur Seite eintreten sah, stand, mit dem ihr eigenen Ausdruck von W?rde, der durch den Schmerz, welcher ?ber ihr Wesen verbreitet war, noch r?hrender ward, von ihrem Sessel auf, und fragte sie, indem sie ihnen entgegen ging: was sie in einem so verh?ngnisvollen Augenblick zu ihr f?hre? "Mein liebes T?chterchen", sprach Frau Helena, indem sie dieselbe auf die Seite f?hrte: "wollt Ihr einer Mutter, die keinen Trost im ?den Alter, als den Besitz ihres Sohnes hat, den Kummer ersparen, ihn an seinem Grabe beweinen zu m?ssen; Euch, ehe noch der Zweikampf beginnt, reichlich beschenkt und ausgestattet, auf einen Wagen setzen, und eins von unsern G?tern, das jenseits des Rheins liegt, und Euch anst?ndig und freundlich empfangen wird, von uns zum Geschenk annehmen?" Littegarde, nachdem sie ihr, mit einer Bl?sse, die ihr ?ber das Antlitz flog, einen Augenblick starr ins Gesicht gesehen hatte, bog, sobald sie die Bedeutung dieser Worte in ihrem ganzen Umfang verstanden hatte, ein Knie vor ihr. Verehrungsw?rdigste und vortreffliche Frau! sprach sie; kommt die Besorgnis, dass Gott sich, in dieser entscheidenden Stunde, gegen die Unschuld meiner Brust erkl?ren werde, aus dem Herzen Eures edlen Sohnes?--"Weshalb?" fragte Frau Helena.--Weil ich ihn in diesem Falle beschw?re das Schwert, das keine vertrauensvolle Hand f?hrt, lieber nicht zu z?cken, und die Schranken, unter welchem schicklichen Vorwand es sei, seinem Gegner zu r?umen: mich aber, ohne dem Gef?hl des Mitleids, von dem ich nichts annehmen kann, ein unzeitiges Geh?r zu geben, meinem Schicksal, das ich in Gottes Hand stelle, zu ?berlassen!--"Nein!" sagte Frau Helena verwirrt; "mein Sohn weiss von nichts! Es w?rde ihm, der vor Gericht sein Wort gegeben hat, Eure Sache zu verfechten, wenig anstehen, Euch jetzt, da die Stunde der Entscheidung schl?gt, einen solchen Antrag zu machen. Im festen Glauben an Eure Unschuld steht er, wie Ihr seht, bereits zum Kampf ger?stet, dem Grafen Eurem Gegner gegen?ber; es war ein Vorschlag, den wir uns, meine T?chter und ich, in der Bedr?ngnis des Augenblicks, zur Ber?cksichtigung aller Vorteile und Vermeidung alles Ungl?cks ausgedacht haben."--Nun, sagte Frau Littegarde, indem sie die Hand der alten Dame, unter einem heissen Kuss, mit ihren Tr?nen befeuchtete: so lasst ihn sein Wort l?sen! Keine Schuld befleckt mein Gewissen; und ginge er ohne Helm und Harnisch in den Kampf, Gott und alle seine Engel beschirmen ihn! Und damit stand sie vom Boden auf, und f?hrte Frau Helena und ihre T?chter auf einige, innerhalb des Ger?stes befindliche Sitze, die hinter dem, mit roten Tuch beschlagenen Sessel, auf dem sie sich selbst niederliess, aufgestellt waren.

Hierauf blies der Herold, auf den Wink des Kaisers, zum Kampf, und beide Ritter, Schild und Schwert in der Hand, gingen auf einander los. Herr Friedrich verwundete gleich auf den ersten Hieb den Grafen; er verletzte ihn mit der Spitze seines, nicht eben langen Schwertes da, wo zwischen Arm und Hand die Gelenke der R?stung in einander griffen; aber der Graf, der, durch die Empfindung geschreckt, zur?cksprang, und die Wunde untersuchte, fand, dass, obschon das Blut heftig floss, doch nur die Haut obenhin geritzt war: dergestalt, dass er auf das Murren der auf den Rampe befindlichen Ritter, ?ber die Unschicklichkeit dieser Auff?hrung, wieder vordrang, und den Kampf, mit erneuerten Kr?ften, einem v?llig Gesunden gleich, wieder fortsetzte. Jetzt wogte zwischen beiden K?mpfern der Streit, wie zwei Sturmwinde einander begegnen, wie zwei Gewitterwolken, ihre Blitze einander zusendend, sich treffen, und, ohne sich zu vermischen, unter dem Gekrach h?ufiger Donner, get?rmt um einander herumschweben. Herr Friedrich stand, Schild und Schwert vorstreckend, auf dem Boden, als ob er darin Wurzel fassen wollte, da; bis an die Sporen grub er sich, bis an die Kn?chel und Waden, in dem, von seinem Pflaster befreiten, absichtlich aufgelockerten, Erdreich ein, die t?ckischen St?sse des Grafen, der, klein und behend, gleichsam von allen Seiten zugleich angriff, von seiner Brust und seinem Haupt abwehrend. Schon hatte der Kampf, die Augenblicke der Ruhe, zu welcher Entatmung beide Parteien zwang, mitgerechnet, fast eine Stunde gedauert. als sich von neuem ein Murren unter den auf dem Ger?st befindlichen Zuschauern erhob. Es schien, es galt diesmal nicht den Grafen Jakob, der es an Eifer, den Kampf zu Ende zu bringen nicht fehlen liess, sondern Herrn Friedrichs Einpf?hlung auf einem und demselben Fleck, und seine seltsame, im Anschein nach fast eingesch?chterte, wenigstens starrsinnige Enthaltung alles eignen Angriffs. Herr Friedrich, obschon sein Verfahren auf guten Gr?nden beruhen mochte, f?hlte dennoch zu leise, als dass er es nicht sogleich gegen die Forderung derer, die in diesem Augenblick ?ber seine Ehre entschieden, h?tte aufopfern sollen; er trat mit einem mutigen Schritt aus dem, sich von Anfang herein gew?hlten Standpunkt, und der Art nat?rlicher Verschanzung, die sich um seinen Fusstritt gebildet hatte, hervor, ?ber das Haupt seines Gegners, dessen Kr?fte schon zu sinken anfingen, mehrere derbe und ungeschw?chte Streiche, die derselbe jedoch unter geschickten Seitenbewegungen mit seinem Schild aufzufangen wusste, danieder schmetternd. Aber schon in den ersten Momenten dieses dergestalt ver?nderten Kampfs, hatte Herr Friedrich ein Ungl?ck, das die Anwesenheit h?herer, ?ber den Kampf waltender M?chte nicht eben anzudeuten schien; er st?rzte, den Fusstritt in seinen Sporen verwickelnd, stolpernd abw?rts, und w?hrend er, unter der Last des Helms und des Harnisches, die seine oberen Teile beschwerten, mit in dem Staub vorgest?tzter Hand, in die Kniee sank, stiess ihm Graf Jakob der Rotbart, nicht eben auf die edelm?tigste und ritterlichste Weise, das Schwert in die dadurch blossgegebene Seite. Herr Friedrich sprang, mit einem Laut des augenblicklichen Schmerzes, von der Erde empor. Er dr?ckte sich zwar den Helm in die Augen, und machte, das Antlitz rasch seinem Gegner wieder zuwendend, Anstalten, den Kampf fortzusetzen: aber w?hrend er sich, mit vor Schmerz krummgebeugtem Leibe auf seinen Degen st?tzte, und Dunkelheit seine Augen umfloss: stiess ihm der Graf seinen Flammberg noch zweimal, dicht unter dem Herzen, in die Brust; worauf er, von seiner R?stung umrasselt, zu Boden schmetterte, und Schwert und Schild neben sich niederfallen liess. Der Graf setzte ihm, nachdem er die Waffen ?ber die Seite geschleudert, unter einem dreifachen Tusch der Trompeten, den Fuss auf die Brust; und inzwischen alle Zuschauer, der Kaiser selbst an der Spitze, unter dumpfen Ausrufungen des Schreckens und Mitleidens, von ihren Sitzen aufstanden: st?rzte sich Frau Helena, im Gefolge ihrer beiden T?chter, ?ber ihren teuern, sich in Staub und Blut w?lzenden Sohn. "O mein Friedrich!" rief sie, an seinem Haupt jammernd niederknieend; w?hrend Frau Littegarde ohnm?chtig und besinnungslos, durch zwei H?scher, von dem Boden des Ger?stes, auf welchen sie herab gesunken war, aufgehoben und in ein Gef?ngnis getragen ward. "Und o die Verruchte", setzte sie hinzu, "die Verworfene, die, das Bewusstsein der Schuld im Busen, hierher zu treten, und den Arm des treusten und edelm?tigsten Freundes zu bewaffnen wagt, um ihr ein Gottesurteil, in einem ungerechten Zweikampf zu erstreiten!" Und damit hob sie den geliebten Sohn, inzwischen die T?chter ihn von seinem Harnisch befreiten, wehklagend vom Boden auf, und suchte ihm das Blut, das aus seiner edlen Brust vordrang, zu stillen. Aber H?scher traten auf Befehl des Kaisers herbei, die auch ihn, als einen dem Gesetz Verfallenen, in Verwahrsam nahmen; man legte ihn, unter Beih?lfe einiger ?rzte, auf eine Bahre, und trug ihn, unter der Begleitung einer grossen Volksmenge gleichfalls in ein Gef?ngnis, wohin Frau Helena jedoch und ihre T?chter, die Erlaubnis bekamen, ihm, bis an seinen Tod, an dem niemand zweifelte, folgen zu d?rfen.

Es zeigte sich aber gar bald, dass Herrn Friedrichs Wunden, so lebensgef?hrliche und zarte Teile sie auch ber?hrten, durch eine besondere F?gung des Himmels nicht t?dlich waren; vielmehr konnten die ?rzte, die man ihm zugeordnet hatte, schon wenige Tage darauf die bestimmte Versicherung an die Familie geben, dass er am Leben erhalten werden w?rde, ja, dass er, bei der St?rke seiner Natur, binnen wenigen Wochen, ohne irgend eine Verst?mmlung an seinem K?rper zu erleiden, wieder hergestellt sein w?rde. Sobald ihm seine Besinnung, deren ihn der Schmerz w?hrend langer Zeit beraubte, wiederkehrte, war seine an die Mutter gerichtete Frage unaufh?rlich: was Frau Littegarde mache? Er konnte sich der Tr?nen nicht enthalten, wenn er sich dieselbe in der ?de des Gef?ngnisses, der entsetzlichsten Verzweiflung zum Raube hingegeben dachte, und forderte die Schwestern, indem er ihnen liebkosend das Kinn streichelte, auf, sie zu besuchen und sie zu tr?sten. Frau Helena, ?ber diese ?usserung betroffen, bat ihn, diese Sch?ndliche und Niedertr?chtige zu vergessen; sie meinte, dass das Verbrechen, dessen der Graf Jakob vor Gericht Erw?hnung getan, und das nun durch den Ausgang des Zweikampfs ans Tageslicht gekommen, verziehen werden k?nne, nicht aber die Schamlosigkeit und Frechheit, mit dem Bewusstsein dieser Schuld, ohne R?cksicht auf den edelsten Freund, den sie dadurch ins Verderben st?rze, das geheiligte Urteil Gottes, gleich einer Unschuldigen, f?r sich aufzurufen. Ach, meine Mutter, sprach der K?mmerer, wo ist der Sterbliche, und w?re die Weisheit aller Zeiten sein, der es wagen darf, den geheimnisvollen Spruch, den Gott in diesem Zweikampf getan hat, auszulegen? "Wie?" rief Frau Helena: "blieb der Sinn dieses g?ttlichen Spruchs dir dunkel? Hast du nicht, auf eine nur leider zu bestimmte und unzweideutige Weise, dem Schwert deines Gegners im Kampf unterlegen?"--Sei es! versetzte Herr Friedrich: auf einen Augenblick unterlag ich ihm. Aber ward ich durch den Grafen ?berwunden? Leb ich nicht? Bl?he ich nicht, wie unter dem Hauch des Himmels, wunderbar wieder empor, vielleicht in wenig Tagen schon mit der Kraft doppelt und dreifach ausger?stet, den Kampf, in dem ich durch einen nichtigen Zufall gest?rt ward, von neuem wieder aufzunehmen?--"T?richter Mensch!" rief die Mutter. "Und weisst du nicht, dass ein Gesetz besteht, nach welchem ein Kampf, der einmal nach dem Ausspruch der Kampfrichter abgeschlossen ist, nicht wieder zur Ausfechtung derselben Sache vor den Schranken des g?ttlichen Gerichts aufgenommen werden darf?" Gleichviel! versetzte der K?mmerer unwillig. Was k?mmern mich diese willk?rlichen Gesetze der Menschen? Kann ein Kampf, der nicht bis an den Tod eines der beiden K?mpfer fortgef?hrt worden ist, nach jeder vern?nftigen Sch?tzung der Verh?ltnisse f?r abgeschlossen gehalten werden? und d?rfte ich nicht, falls mir ihn wieder aufzunehmen gestattet w?re, hoffen, den Unfall, der mich betroffen, wieder herzustellen, und mir mit dem Schwert einen ganz andern Spruch Gottes zu erk?mpfen, als den, der jetzt beschr?nkter und kurzsichtiger Weise daf?r angenommen wird? "Gleichwohl", entgegnete die Mutter bedenklich, "sind diese Gesetze, um welche du dich nicht zu bek?mmern vorgibst, die waltenden und herrschenden; sie ?ben, verst?ndig oder nicht, die Kraft g?ttlicher Satzungen aus, und ?berliefern dich und sie, wie ein verabscheuungsw?rdiges Frevelpaar, der ganzen Strenge der peinlichen Gerichtsbarkeit."--Ach, rief Herr Friedrich; das eben ist es, was mich Jammervollen in Verzweiflung st?rzt! Der Stab ist, einer ?berwiesenen gleich, ?ber sie gebrochen; und ich, der ihre Tugend und Unschuld vor der Welt erweisen wollte, bin es, der dies Elend ?ber sie gebracht: ein heilloser Fehltritt in die Riemen meiner Sporen, durch den Gott mich vielleicht, ganz unabh?ngig von ihrer Sache, der S?nden meiner eignen Brust wegen, strafen wollte, gibt ihre bl?henden Glieder der Flamme und ihr Andenken ewiger Schande preis!--Bei diesen Worten stieg ihm die Tr?ne heissen m?nnlichen Schmerzes ins Auge; er kehrte sich, indem er ein Tuch ergriff, der Wand zu, und Frau Helena und ihre T?chter knieten in stiller R?hrung an seinem Bett nieder, und mischten, indem sie seine Hand k?ssten, ihre Tr?nen mit den seinigen. Inzwischen war der Turmw?chter, mit Speisen f?r ihn und die Seinigen, in sein Zimmer getreten, und da Herr Friedrich ihn fragte, wie sich Frau Littegarde befinde: vernahm er in abgerissenen und nachl?ssigen Worten desselben, dass sie auf einem B?ndel Stroh liege, und noch seit dem Tage, da sie eingesetzt worden, kein Wort von sich gegeben habe. Herr Friedrich ward durch diese Nachricht in die ?usserste Besorgnis gest?rzt; er trug ihm auf, der Dame, zu ihrer Beruhigung zu sagen, dass er, durch eine sonderbare Schickung des Himmels, in seiner v?lligen Besserung begriffen sei, und bat sich von ihr die Erlaubnis aus, sie nach Wiederherstellung seiner Gesundheit, mit Genehmigung des Schlossvogts, einmal in ihrem Gef?ngnis besuchen zu d?rfen. Doch die Antwort, die der Turmw?chter von ihr, nach mehrmaligem R?tteln derselben am Arm, da sie wie eine Wahnsinnige, ohne zu h?ren und zu sehen, auf dem Stroh lag, empfangen zu haben, vorgab, war: nein, sie wolle, so lange sie auf Erden sei, keinen Menschen mehr sehen;--ja, man erfuhr, dass sie noch an demselben Tage dem Schlossvogt, in einer eigenh?ndigen Zuschrift, befohlen hatte, niemanden, wer es auch sei, den K?mmerer von Trota aber am allerwenigsten, zu ihr zu lassen; dergestalt, dass Herr Friedrich, von der heftigsten Bek?mmernis ?ber ihren Zustand getrieben, an einem Tage, an welchem er seine Kraft besonders lebhaft wiederkehren f?hlte, mit Erlaubnis des Schlossvogts aufbrach, und sich, ihrer Verzeihung gewiss, ohne bei ihr angemeldet worden zu sein, in Begleitung seiner Mutter und beiden Schwestern, nach ihrem Zimmer verf?gte.

Aber wer beschreibt das Entsetzen der ungl?cklichen Littegarde, als sie sich, bei dem an der T?r entstehenden Ger?usch, mit halb offner Brust und aufgel?stem Haar, von dem Stroh, das ihr untergesch?ttet war, erhob und statt des Turmw?chters, den sie erwartete, den K?mmerer, ihren edlen und vortrefflichen Freund, mit manchen Spuren der ausgestandenen Leiden, eine wehm?tige und r?hrende Erscheinung, an Berthas und Kunigundens Arm bei sich eintreten sah. "Hinweg!" rief sie, indem sie sich mit dem Ausdruck der Verzweiflung r?ckw?rts auf die Decken ihres Lagers zur?ckwarf, und die H?nde vor ihr Antlitz dr?ckte: "wenn dir ein Funken von Mitleid im Busen glimmt, hinweg! "--Wie, meine teuerste Littegarde? versetzte Herr Friedrich. Er stellte sich ihr, gest?tzt auf seine Mutter, zur Seite und neigte sich in unaussprechlicher R?hrung ?ber sie, um ihre Hand zu ergreifen. "Hinweg!" rief sie, mehrere Schritt weit auf Knien vor ihm auf dem Stroh zur?ckbebend: "wenn ich nicht wahnsinnig werden soll, so ber?hre mich nicht! Du bist mir ein Greuel; loderndes Feuer ist mir minder schrecklich, als du!"--Ich dir ein Greuel? versetzte Herr Friedrich betroffen. Womit, meine edelm?tige Littegarde, hat dein Friedrich diesen Empfang verdient?--Bei diesen Worten setzte ihm Kunigunde, auf den Wink der Mutter, einen Stuhl hin, und lud ihn, schwach wie er war, ein, sich darauf zu setzen. "O Jesus!" rief jene, indem sie sich, in der entsetzlichsten Angst, das Antlitz ganz auf den Boden gestreckt, vor ihm niederwarf: "r?ume das Zimmer, mein Geliebter, und verlass mich! Ich umfasse in heisser Inbrunst deine Kniee, ich wasche deine F?sse mit meinen Tr?nen, ich flehe dich, wie ein Wurm vor dir im Staube gekr?mmt, um die einzige Erbarmung an: r?ume, mein Herr und Gebieter, r?ume mir das Zimmer, r?ume es augenblicklich und verlass mich!"--Herr Friedrich stand durch und durch ersch?ttert vor ihr da. Ist dir mein Anblick so unerfreulich Littegarde? fragte er, indem er ernst auf sie niederschaute. "Entsetzlich, unertr?glich, vernichtend!" antwortete Littegarde, ihr Gesicht mit verzweiflungsvoll vorgest?tzten H?nden, ganz zwischen die Sohlen seiner F?ss bergend. "Die H?lle, mit allen Schauern und Schrecknissen, ist s?sser mir und anzuschauen lieblicher, als der Fr?hling deines mir in Huld und Liebe zugekehrten Angesichts!"--Gott im Himmel! rief der K?mmerer; was soll ich von dieser Zerknirschung deiner Seele denken? Sprach das Gottesurteil, Ungl?ckliche, die Wahrheit, und bist du des Verbrechens, dessen dich der Graf vor Gericht geziehen hat, bist du dessen schuldig?--"Schuldig, ?berwiesen, verworfen, in Zeitlichkeit und Ewigkeit verdammt und verurteilt!" rief Littegarde, indem sie sich den Busen, wie eine Rasende zerschlug: "Gott ist wahrhaftig und untr?glich; geh, meine Sinne reissen, und meine Kraft bricht. Lass mich mit meinem Jammer und meiner Verzweiflung allein!"--Bei diesen Worten fiel Herr Friedrich in Ohnmacht; und w?hrend Littegarde sich mit einem Schleier das Haupt verh?llte, und sich, wie in g?nzlicher Verabschiedung von der Welt, auf ihr Lager zur?cklegte, st?rzten Bertha und Kunigunde jammernd ?ber ihren entseelten Bruder, um ihn wieder ins Leben zur?ck zu rufen. "O sei verflucht!" rief Frau Helena, da der K?mmerer wieder die Augen aufschlug: "verflucht zu ewiger Reue diesseits des Grabes, und jenseits desselben zu ewiger Verdammnis: nicht wegen der Schuld, die du jetzt eingestehst, sondern wegen der Unbarmherzigkeit und Unmenschlichkeit, sie eher nicht, als bis du meinen schuldlosen Sohn mit dir ins Verderben herabgerissen, einzugestehn! Ich T?rin!" fuhr sie fort, indem sie sich verachtungsvoll von ihr abwandte, "h?tte ich doch einem Wort, das mir, noch kurz vor Er?ffnung des Gottesgerichts, der Prior des hiesigen Augustinerklosters anvertraut, bei dem der Graf, in frommer Vorbereitung zu der entscheidenden Stunde, die ihm bevorstand, zur Beichte gewesen, Glauben geschenkt! ihm hat er, auf die heilige Hostie, die Wahrhaftigkeit der Angabe, die er vor Gericht in Bezug auf die Elende, niedergelegt, beschworen; die Gartenpforte hat er ihm bezeichnet, an welcher sie ihn, der Verabredung gem?ss, beim Einbruch der Nacht erwartet und empfangen, das Zimmer ihm, ein Seitengemach des unbewohnten Schlossturms, beschrieben, worin sie ihn, von den W?chtern unbemerkt, eingef?hrt, das Lager, von Polstern bequem und pr?chtig unter einem Thronhimmel aufgestapelt, worauf sie sich, in schamloser Schwelgerei, heimlich mit ihm gebettet! Ein Eidschwur in einer solchen Stunde getan, enth?lt keine L?ge: und h?tte ich, Verblendete, meinem Sohn, auch nur noch in dem Augenblick des ausbrechenden Zweikampfs, eine Anzeige davon gemacht: so w?rde ich ihm die Augen ge?ffnet haben, und er vor dem Abgrund an welchem er stand, zur?ckgebebt sein.--Aber komm!" rief Frau Helena, indem sie Herrn Friedrich sanft umschloss, und ihm einen Kuss auf die Stirne dr?ckte: "Entr?stung, die sie der Worte w?rdigt, ehrt sie; unsern R?cken mag sie erschaun, und vernichtet durch die Vorw?rfe, womit wir sie verschonen, verzweifeln!"--Der Elende! versetzte Littegarde, indem sie sich gereizt durch diese Worte emporrichtete. Sie st?tzte ihr Haupt schmerzvoll auf ihre Kniee, und indem sie heisse Tr?nen auf ihr Tuch niederweinte, sprach sie: Ich erinnere mich, dass meine Br?der und ich, drei Tage vor jener Nacht des heiligen Remigius, auf seinem Schlosse waren; er hatte, wie er oft zu tun pflegte, ein Fest mir zu Ehren veranstaltet, und mein Vater, der den Reiz meiner aufbl?henden Jugend gern gefeiert sah, mich bewogen, die Einladung, in Begleitung meiner Br?der, anzunehmen. Sp?t, nach Beendigung des Tanzes, da ich mein Schlafzimmer besteige, finde ich einen Zettel auf meinem Tisch liegen, der, von unbekannter Hand geschrieben und ohne Namensunterschrift, eine f?rmliche Liebeserkl?rung enthielt. Es traf sich, dass meine beiden Br?der grade wegen Verabredung unserer Abreise, die auf den kommenden Tag festgesetzt war, in dem Zimmer gegenw?rtig waren; und da ich keine Art des Geheimnisses vor ihnen zu haben gewohnt war, so zeigte ich ihnen, von sprachlosem Erstaunen ergriffen, den sonderbaren Fund, den ich soeben gemacht hatte. Diese, welche sogleich des Grafen Hand erkannten, sch?umten vor Wut, und der ?ltere war willens, sich Augenblicks mit dem Papier in sein Gemach zu verf?gen; doch der j?ngere stellte ihm vor, wie bedenklich dieser Schritt sei, da der Graf die Klugheit gehabt, den Zettel nicht zu unterschreiben; worauf beide in der tiefsten Entw?rdigung ?ber eine so beleidigende Auff?hrung, sich noch in derselben Nacht mit mir in den Wagen setzten, und mit dem Entschluss, seine Burg nie wieder mit ihrer Gegenwart zu beehren, auf das Schloss ihres Vaters zur?ck kehrten.--Dies ist die einzige Gemeinschaft, setzte sie hinzu, die ich jemals mit diesem Nichtsw?rdigen und Niedertr?chtigen gehabt! --"Wie?" sagte der K?mmerer, indem er ihr sein tr?nenvolles Gesicht zukehrte: "diese Worte waren Musik meinem Ohr!--Wiederhole sie mir!" sprach er nach einer Pause, indem er sich auf Knieen vor ihr niederliess, und seine H?nde faltete: "Hast du mich, um jenes Elenden willen, nicht verraten, und bist du rein von der Schuld, deren er dich vor Gericht geziehen?" Lieber! fl?sterte Littegarde, indem sie seine Hand an ihre Lippen dr?ckte--"Bist dus?" rief der K?mmerer: "bist dus?--? Wie die Brust eines neugebornen Kindes, wie das Gewissen eines aus der Beichte kommenden Menschen, wie die Leiche einer, in der Sakristei, unter der Einkleidung, verschiedenen Nonne! --"O Gott, der Allm?chtige!" rief Herr Friedrich, ihre Kniee umfassend: "habe Dank! Deine Worte geben mir das Leben wieder; der Tod schreckt mich nicht mehr, und die Ewigkeit, soeben noch wie ein Meer unabsehbaren Elends vor mir ausgebreitet, geht wieder, wie ein Reich voll tausend gl?nziger Sonnen, vor mir auf!"--Du Ungl?cklicher, sagte Littegarde, indem sie sich zur?ck zog: wie kannst du dem, was dir mein Mund sagt, Glauben schenken?--"Warum nicht?" fragte Herr Friedrich gl?hend.--Wahnsinniger! Rasender! rief Littegarde; hat das geheiligte Urteil Gottes nicht gegen mich entschieden? Hast du dem Grafen nicht in jenem verh?ngnisvollen Zweikampf unterlegen, und er nicht die Wahrhaftigkeit dessen, was er vor Gericht gegen mich angebracht, ausgek?mpft?--"O meine teuerste Littegarde", rief der K?mmerer: "bewahre deine Sinne vor Verzweiflung! t?rme das Gef?hl, das in deiner Brust lebt, wie einen Felsen empor: halte dich daran und wanke nicht, und wenn Erd und Himmel unter dir und ?ber dir zu Grunde gingen! Lass uns, von zwei Gedanken, die die Sinne verwirren, den verst?ndlicheren und begreiflicheren denken, und ehe du dich schuldig glaubst, lieber glauben, dass ich in dem Zweikampf, den ich f?r dich gefochten, siegte!--Gott, Herr meines Lebens", setzte er in diesem Augenblick hinzu, indem er seine H?nde vor sein Antlitz legte, "bewahre meine Seele selbst vor Verwirrung! Ich meine, so wahr ich selig werden will, vom Schwert meines Gegners nicht ?berwunden worden zu sein, da ich schon unter den Staub seines Fusstritts hingeworfen, wieder ins Dasein erstanden bin. Wo liegt die Verpflichtung der h?chsten g?ttlichen Weisheit, die Wahrheit im Augenblick der glaubensvollen Anrufung selbst, anzuzeigen und auszusprechen? O Littegarde", beschloss er, indem er ihre Hand zwischen die seinigen dr?ckte: "im Leben lass uns auf den Tod, und im Tode auf die Ewigkeit hinaus sehen, und des festen, unersch?tterlichen Glaubens sein: deine Unschuld wird, und wird durch den Zweikampf, den ich f?r dich gefochten, zum heitern, hellen Licht der Sonne gebracht werden!"--Bei diesen Worten trat der Schlossvogt ein; und da er Frau Helena, welche weinend an einem Tisch sass, erinnerte, dass so viele Gem?tsbewegungen ihrem Sohne sch?dlich werden k?nnten: so kehrte Herr Friedrich, auf das Zureden der Seinigen, nicht ohne das Bewusstsein, einigen Trost gegeben und empfangen zu haben, wieder in sein Gef?ngnis zur?ck.

Inzwischen war, vor dem zu Basel von dem Kaiser eingesetzten Tribunal, gegen Herrn Friedrich von Trota sowohl, als seine Freundin, Frau Littegarde von Auerstein, die Klage wegen s?ndhaft angerufenen g?ttlichen Schiedsurteils eingeleitet, und beide, dem bestehenden Gesetz gem?ss, verurteilt worden, auf dem Platz des Zweikampfs selbst, den schm?hlichen Tod der Flammen zu erleiden. Man schickte eine Deputation von R?ten ab, um es den Gefangenen anzuk?ndigen, und das Urteil w?rde auch, gleich nach Wiederherstellung des K?mmerers an ihnen vollstreckt worden sein, wenn es des Kaisers geheime Absicht nicht gewesen w?re, den Grafen Jakob den Rotbart, gegen den er eine Art von Misstrauen nicht unterdr?cken konnte, dabei gegenw?rtig zu sehen. Aber dieser lag, auf eine in der Tat sonderbare und merkw?rdige Weise, an der kleinen, dem Anschein nach unbedeutenden Wunde, die er, zu Anfang des Zweikampfs, von Herrn Friedrich erhalten hatte, noch immer krank; ein ?usserst verderbter Zustand seiner S?fte verhinderte, von Tage zu Tage, und von Woche zu Woche, die Heilung derselben, und die ganze Kunst der ?rzte, die man nach und nach aus Schwaben und der Schweiz herbeirief, vermochte nicht, sie zu schliessen. Ja, ein ?tzender der ganzen damaligen Heilkunst unbekannter Eiter, frass auf eine krebsartige Weise, bis auf den Knochen herab im ganzen System seiner Hand um sich, dergestalt, dass man zum Entsetzen aller seiner Freunde gen?tigt gewesen war, ihm die ganze schadhafte Hand, und sp?terhin, da auch hierdurch dem Eiterfrass kein Ziel gesetzt ward, den Arm selbst abzunehmen. Aber auch dies, als eine Radikalkur gepriesene Heilmittel vergr?sserte nur, wie man heutzutage leicht eingesehen haben w?rde, statt ihm abzuhelfen, das ?bel; und die ?rzte, da sich sein ganzer K?rper nach und nach in Eiterung und F?ulnis aufl?ste, erkl?rten, dass keine Rettung f?r ihn sei, und er noch, vor Abschluss der laufenden Woche, sterben m?sse. Vergebens forderte ihn der Prior des Augustinerklosters, der in dieser unerwarteten Wendung der Dinge die furchtbare Hand Gottes zu erblicken glaubte, auf, im Bezug auf den zwischen ihm und der Herzogin Regentin bestehenden Streit, die Wahrheit einzugestehen; der Graf nahm, durch und durch ersch?ttert, noch einmal das heilige Sakrament auf die Wahrhaftigkeit seiner Aussage, und gab, unter allen Zeichen der entsetzlichsten Angst, falls er Frau Littegarden verleumderischer Weise angeklagt h?tte, seine Seele der ewigen Verdammnis preis. Nun hatte man, trotz der Sittenlosigkeit seines Lebenswandels, doppelte Gr?nde, an die innerliche Redlichkeit dieser Versicherung zu glauben: einmal, weil der Kranke in der Tat von einer gewissen Fr?mmigkeit war, die einen falschen Eidschwur, in solchem Augenblick getan, nicht zu gestatten schien, und dann, weil sich aus einem Verh?r, das ?ber den Turmw?chter des Schlosses derer von Breda angestellt worden war, welchen er, behufs eines heimlichen Eintritts in die Burg, bestochen zu haben vorgegeben hatte, bestimmt ergab, dass dieser Umstand gegr?ndet, und der Graf wirklich in der Nacht des heiligen Remigius, im Innern des Bredaschen Schlosses gewesen war. Demnach blieb dem Prior fast nichts ?brig, als an eine T?uschung des Grafen selbst, durch eine dritte ihm unbekannte Person zu glauben; und noch hatte der Ungl?ckliche, der, bei der Nachricht von der wunderbaren Wiederherstellung des K?mmerers, selbst auf diesen schrecklichen Gedanken geriet, das Ende seines Lebens nicht erreicht, als sich dieser Glaube schon zu seiner Verzweiflung vollkommen best?tigte. Man muss n?mlich wissen, dass der Graf schon lange, ehe seine Begierde sich auf Frau Littegarden stellte, mit Rosalien, ihrer Kammerzofe, auf einem nichtsw?rdigen Fuss lebte; fast bei jedem Besuch, den ihre Herrschaft auf seinem Schlosse abstattete, pflegte er dies M?dchen, welches ein leichtfertiges und sittenloses Gesch?pft war, zur Nachtzeit auf sein Zimmer zu ziehen. Da nun Littegarde, bei dem letzten Aufenthalt, den sie mit ihren Br?dern auf seiner Burg nahm, jenen z?rtlichen Brief, worin er ihr seine Leidenschaft erkl?rte, von ihm empfing: so erweckte dies die Empfindlichkeit und Eifersucht dieses seit mehreren Monden schon von ihm vernachl?ssigten M?dchens; sie liess, bei der bald darauf erfolgten Abreise Littegardens, welche sie begleiten musste, im Namen derselben einen Zettel an den Grafen zur?ck, worin sie ihm meldete, dass die Entr?stung ihrer Br?der ?ber den Schritt, den er getan, ihr zwar keine unmittelbare Zusammenkunft gestattete: ihn aber einlud, sie zu diesem Zweck, in der Nacht des heiligen Remigius, in den Gem?chern ihrer v?terlichen Burg zu besuchen. Jener, voll Freude ?ber das Gl?ck seiner Unternehmung, fertigte sogleich einen zweiten Brief an Littegarden ab, worin er ihr seine bestimmte Ankunft in der gesagten Nacht meldete, und sie nur bat, ihm, zur Vermeidung aller Irrung, einen treuen F?hrer, der ihn nach ihren Zimmern geleiten k?nne, entgegen zu schicken; und da die Zofe, in jeder Art der R?nke ge?bt, auf eine solche Anzeige rechnete, so gl?ckte es ihr, dies Schreiben aufzufangen, und ihm in einer zweiten falschen Antwort zu sagen, dass sie ihn selbst an der Gartenpforte erwarten w?rde. Darauf, am Abend vor der verabredeten Nacht, bat sie sich unter dem Vorwand, dass ihre Schwester krank sei, und dass sie dieselbe besuchen wolle, von Littegarden einen Urlaub aufs Land aus; sie verliess auch, da sie denselben erhielt, wirklich, sp?t am Nachmittag, mit einem B?ndel W?sche den sie unter dem Arm trug, das Schloss, und begab sich, vor aller Augen nach der Gegend, wo jene Frau wohnte, auf den Weg. Statt aber diese Reise zu vollenden, fand sie sich bei Einbruch der Nacht, unter dem Vorgeben, dass ein Gewitter heranziehe, wieder auf der Burg ein, und mittelte sich, um ihre Herrschaft, wie sie sagte, nicht zu st?ren, indem es ihre Absicht sei in der Fr?he des kommenden Morgens ihre Wanderung anzutreten, ein Nachtlager in einem der leerstehenden Zimmer des ver?deten und wenig besuchten Schlossturms aus. Der Graf, der sich bei dem Turmw?chter durch Geld den Eingang in die Burg zu verschaffen wusste, und in der Stunde der Mitternacht, der Verabredung gem?ss, von einer verschleierten Person an der Gartenpforte empfangen ward, ahndete, wie man leicht begreift, nichts von dem ihm gespielten Betrug; das M?dchen dr?ckte ihm fl?chtig einen Kuss auf den Mund, und f?hrte ihn, ?ber mehrere Treppen und G?nge des ver?deten Seitenfl?gels, in eines der pr?chtigsten Gem?cher des Schlosses selbst, dessen Fenster vorher sorgsam von ihr verschlossen worden waren. Hier, nachdem sie seine Hand haltend, auf geheimnisvolle Weise an den T?ren umhergehorcht, und ihm, mit fl?sternder Stimme, unter dem Vorgeben, dass das Schlafzimmer des Bruders ganz in der N?he sei, Schweigen geboten hatte, liess sie sich mit ihm auf dem zur Seite stehenden Ruhebette nieder; der Graf, durch ihre Gestalt und Bildung get?uscht, schwamm im Taumel des Vergn?gens, in seinem Alter noch eine solche Eroberung gemacht zu haben; und als sie ihn beim ersten D?mmerlicht des Morgens entliess, und ihm zum Andenken an die verflossene Nacht einen Ring, den Littegarde von ihrem Gemahl empfangen und den sie ihr am Abend zuvor zu diesem Zweck entwendet hatte, an den Finger steckte, versprach er ihr, sobald er zu Hause angelangt sein w?rde, zum Gegengeschenk einen anderen, der ihm am Hochzeitstage von seiner verstorbenen Gemahlin verehrt worden war. Drei Tage darauf hielt er auch Wort, und schickte diesen Ring, den Rosalie wieder geschickt genug war aufzufangen, heimlich auf die Burg; liess aber, wahrscheinlich aus Furcht, dass dies Abenteuer ihn zu weit f?hren k?nne, weiter nichts von sich h?ren, und wich, unter mancherlei Vorw?nden, einer zweiten Zusammenkunft aus. Sp?terhin war das M?dchen eines Diebstahls wegen, wovon der Verdacht mit ziemlicher Gewissheit auf ihr ruhte, verabschiedet und in das Haus ihrer Eltern, welche am Rhein wohnten, zur?ckgeschickt worden, und da, nach Verlauf von neun Monaten, die Folgen ihres ausschweifenden Lebens sichtbar wurden, und die Mutter sie mit grosser Strenge verh?rte, gab sie den Grafen Jakob den Rotbart, unter Entdeckung der ganzen geheimen Geschichte, die sie mit ihm gespielt hatte, als den Vater ihres Kindes an. Gl?cklicherweise hatte sie den Ring, der ihr von dem Grafen ?bersendet worden war, aus Furcht, f?r eine Diebin gehalten zu werden, nur sehr sch?chtern zum Verkauf ausbieten k?nnen, auch in der Tat, seines grossen Werts wegen, niemand gefunden, der ihn zu erstehen Lust gezeigt h?tte: dergestalt, dass die Wahrhaftigkeit ihrer Aussage nicht in Zweifel gezogen werden konnte, und die Eltern, auf dies augenscheinliche Zeugnis gest?tzt, klagbar, wegen Unterhaltung des Kindes, bei den Gerichten gegen den Grafen Jakob einkamen. Die Gerichte, welche von dem sonderbaren Rechtsstreit, der in Basel anh?ngig gemacht worden war, schon geh?rt hatten, beeilten sich, diese Entdeckung, die f?r den Ausgang desselben von der gr?ssten Wichtigkeit war, zur Kenntnis des Tribunals zu bringen; und da eben ein Ratsherr in ?ffentlichen Gesch?ften nach dieser Stadt abging, so gaben sie ihm, zur Aufl?sung des f?rchterlichen R?tsels, das ganz Schwaben und die Schweiz besch?ftigte, einen Brief mit der gerichtlichen Aussage des M?dchens, dem sie den Ring beif?gten, f?r den Grafen Jakob den Rotbart mit.

Es war eben an dem zur Hinrichtung Herrn Friedrichs und Littegardens bestimmten Tage, welche der Kaiser, unbekannt mit den Zweifeln, die sich in der Brust des Grafen selbst erhoben hatten, nicht mehr aufschieben zu d?rfen glaubte, als der Ratsherr zu dem Kranken, der sich in jammervoller Verzweiflung auf seinem Lager w?lzte, mit diesem Schreiben ins Zimmer trat. "Es ist genug!" rief dieser, da er den Brief ?berlesen, und den Ring empfangen hatte: "ich bin das Licht der Sonne zu schauen, m?de! Verschafft mir", wandte er sich zum Prior, "eine Bahre, und f?hrt mich Elenden, dessen Kraft zu Staub versinkt, auf den Richtplatz hinaus: ich will nicht, ohne eine Tat der Gerechtigkeit ver?bt zu haben, sterben!" Der Prior, durch diesen Vorfall tief ersch?ttert, liess ihn sogleich, wie er begehrte, durch vier Knechte auf ein Traggestell heben; und zugleich mit einer unermesslichen Menschenmenge, welche das Glockengel?ut um den Scheiterhaufen, auf welchen Herr Friedrich und Littegarde bereits festgebunden waren, versammelte, kam er, mit dem Ungl?cklichen, der ein Kruzifix in der Hand hielt, daselbst an. "Halt!" rief der Prior, indem er die Bahre, dem Altan des Kaisers gegen?ber, niedersetzen liess: "bevor ihr das Feuer an jenen Scheiterhaufen legt, vernehmt ein Wort, das euch der Mund dieses S?nders zu er?ffnen hat!"--Wie? rief der Kaiser, indem er sich leichenblass von seinem Sitz erhob, hat das geheiligte Urteil Gottes nicht f?r die Gerechtigkeit seiner Sache entschieden, und ist es, nach dem was vorgefallen, auch nur zu denken erlaubt, dass Littegarde an dem Frevel, dessen er sie geziehen, unschuldig sei?--Bei diesen Worten stieg er betroffen vom Altan herab; und mehr denn tausend Ritter, denen alles Volk, ?ber B?nke und Schranken herab, folgte, dr?ngten sich um das Lager des Kranken zusammen. "Unschuldig", versetzte dieser, indem er sich gest?tzt auf den Prior, halb darauf emporrichtete: "wie es der Spruch des h?chsten Gottes, an jenem verh?ngnisvollen Tage, vor den Augen aller versammelten B?rger von Basel entschieden hat! Denn er, von drei Wunden, jede t?dlich, getroffen, bl?ht, wie ihr seht, in Kraft und Lebensf?lle; indessen ein Hieb von seiner Hand, der kaum die ?usserste H?lle meines Lebens zu ber?hren schien, in langsam f?rchterlicher Fortwirkung den Kern desselben selbst getroffen, und meine Kraft, wie der Sturmwind eine Eiche, gef?llt hat. Aber hier, falls ein Ungl?ubiger noch Zweifel n?hren sollte, sind die Beweise: Rosalie, ihre Kammerzofe, war es, die mich in jener Nacht des heiligen Remigius empfing, w?hrend ich Elender in der Verblendung meiner Sinne, sie selbst, die meine Antr?ge stets mit Verachtung zur?ckgewiesen hat, in meinen Armen zu halten meinte!" Der Kaiser stand erstarrt wie zu Stein, bei diesen Worten da. Er schickte, indem er sich nach dem Scheiterhaufen umkehrte, einen Ritter ab, mit dem Befehl, selbst die Leiter zu besteigen, und den K?mmerer sowohl als die Dame, welche letztere bereits in den Armen ihrer Mutter in Ohnmacht lag, loszubinden und zu ihm heranzuf?hren. "Nun, jedes Haar auf eurem Haupt bewacht ein Engel!" rief er, da Littegarde, mit halb offner Brust und entfesselten Haaren, an der Hand Herrn Friedrichs, ihres Freundes, dessen Kniee selbst, unter dem Gef?hl dieser wunderbaren Rettung, wankten, durch den Kreis des in Ehrfurcht und Erstaunen ausweichenden Volks, zu ihm herantrat. Er k?sste beiden, die vor ihm niederknieten, die Stirn; und nachdem er sich den Hermelin, den seine Gemahlin trug, erbeten, und ihn Littegarden um die Schultern geh?ngt hatte, nahm er, vor den Augen aller versammelten Ritter, ihren Arm, in der Absicht, sie selbst in die Gem?cher seines kaiserlichen Schlosses zu f?hren. Er wandte sich, w?hrend der K?mmerer gleichfalls statt des S?nderkleids, das ihn deckte, mit Federhut und ritterlichem Mantel geschm?ckt ward, gegen den auf der Bahre jammervoll sich w?lzenden Grafen zur?ck, und von einem Gef?hl des Mitleidens bewegt, da derselbe sich doch in den Zweikampf, der ihn zu Grunde gerichtet, nicht eben auf frevelhafte und gottesl?sterliche Weise eingelassen hatte, fragte er den ihm zur Seite stehenden Arzt: ob keine Rettung f?r den Ungl?cklichen sei?--"Vergebens!" antwortete Jakob der Rotbart, indem er sich, unter schrecklichen Zuckungen, auf den Schoss seines Arztes st?tzte: "und ich habe den Tod, den ich erleide, verdient. Denn wisst, weil mich doch der Arm der weltlichen Gerechtigkeit nicht mehr ereilen wird, ich bin der M?rder meines Bruders, des edeln Herzogs Wilhelm von Breysach: der B?sewicht, der ihn mit dem Pfeil aus meiner R?stkammer nieder warf, war sechs Wochen vorher, zu dieser Tat, die mir die Krone verschaffen sollte, von mir gedungen!"--Bei dieser Erkl?rung sank er auf die Bahre zur?ck und hauchte seine schwarze Seele aus. "Ha, die Ahndung meines Gemahls, des Herzogs, selbst!" rief die an der Seite des Kaisers stehende Regentin, die sich gleichfalls vom Altan des Schlosses herab, im Gefolge der Kaiserin, auf den Schlossplatz begeben hatte: "mir noch im Augenblick des Todes, mit gebrochenen Worten, die ich gleichwohl damals nur unvollkommen verstand, kund getan!"--Der Kaiser versetzte in Entr?stung: so soll der Arm der Gerechtigkeit noch deine Leiche ereilen! nehmt ihn, rief er, indem er sich umkehrte, den H?schern zu, und ?bergebt ihn gleich, gerichtet wie er ist, den Henkern: er m?ge, zur Brandmarkung seines Andenkens, auf jenem Scheiterhaufen verderben, auf welchem wir eben, um seinetwillen, im Begriff waren, zwei Unschuldige zu opfern! Und damit, w?hrend die Leiche des Elenden in r?tlichen Flammen aufprasselnd, vom Hauche des Nordwindes in alle L?fte verstreut und verweht ward, f?hrte er Frau Littegarden, im Gefolge aller seiner Ritter, auf das Schloss. Er setzte sie, durch einen kaiserlichen Schluss, wieder in ihr v?terliches Erbe ein, von welchem die Br?der in ihrer unedelm?tigen Habsucht schon Besitz genommen hatten; und schon nach drei Wochen ward, auf dem Schlosse zu Breysach, die Hochzeit der beiden trefflichen Brautleute gefeiert, bei welcher die Herzogin Regentin, ?ber die ganze Wendung, die die Sache genommen hatte, sehr erfreut, Littegarden einen grossen Teil der Besitzungen des Grafen, die dem Gesetz verfielen, zum Brautgeschenk machte. Der Kaiser aber hing Herrn Friedrich, nach der Trauung, eine Gnadenkette um den Hals; und sobald er, nach Vollendung seiner Gesch?fte mit der Schweiz, wieder in Worms angekommen war, liess er in die Statuten des geheiligten g?ttlichen Zweikampfs, ?berall wo vorausgesetzt wird, dass die Schuld dadurch unmittelbar ans Tageslicht komme, die Worte einr?cken: "wenn es Gottes Wille ist."

Die heilige C?cilie oder die Gewalt der Musik

Um das Ende des sechzehnten Jahrhunderts, als die Bilderst?rmerei in den Niederlanden w?tete, trafen drei Br?der, junge in Wittenberg studierende Leute, mit einem vierten, der in Antwerpen als Pr?dikant angestellt war, in der Stadt Aachen zusammen. Sie wollten daselbst eine Erbschaft erheben, die ihnen von Seiten eines alten, ihnen allen unbekannten Oheims zugefallen war, und kehrten, weil niemand in dem Ort war, an den sie sich h?tten wenden k?nnen, in einem Gasthof ein. Nach Verlauf einiger Tage, die sie damit zugebracht hatten, den Pr?dikanten ?ber die merkw?rdigen Auftritte, die in den Niederlanden vorgefallen waren, anzuh?ren, traf es sich, dass von den Nonnen im Kloster der heiligen C?cilie, das damals vor den Toren dieser Stadt lag, der Fronleichnamstag festlich begangen werden sollte; dergestalt, dass die vier Br?der, von Schw?rmerei, Jugend und dem Beispiel der Niederl?nder erhitzt, beschlossen, auch der Stadt Aachen das Schauspiel einer Bilderst?rmerei zu geben. Der Pr?dikant, der dergleichen Unternehmungen mehr als einmal schon geleitet hatte, versammelte, am Abend zuvor, eine Anzahl junger, der neuen Lehre ergebener Kaufmannss?hne und Studenten, welche, in dem Gasthofe, bei Wein und Speisen, unter Verw?nschungen des Papsttums, die Nacht zubrachten; und, da der Tag ?ber die Zinnen der Stadt aufgegangen, versahen sie sich mit ?xten und Zerst?rungswerkzeugen aller Art, um ihr ausgelassenes Gesch?ft zu beginnen. Sie verabredeten frohlockend ein Zeichen, auf welches sie damit anfangen wollten, die Fensterscheiben, mit biblischen Geschichten bemalt, einzuwerfen; und eines grossen Anhangs, den sie unter dem Volk finden w?rden, gewiss, verf?gten sie sich, entschlossen keinen Stein auf dem andern zu lassen, in der Stunde, da die Glocken l?uteten, in den Dom. Die ?btissin, die, schon beim Anbruch des Tages, durch einen Freund von der Gefahr, in welcher das Kloster schwebte, benachrichtigt worden war, schickte vergebens, zu wiederholten Malen, zu dem kaiserlichen Offizier, der in der Stadt kommandierte, und bat sich, zum Schutz des Klosters, eine Wache aus; der Offizier, der selbst ein Feind des Papsttums, und als solcher, wenigstens unter der Hand, der neuen Lehre zugetan war, wusste ihr unter dem staatsklugen Vorgeben, dass sie Geister s?he, und f?r ihr Kloster auch nicht der Schatten einer Gefahr vorhanden sei, die Wache zu verweigern. Inzwischen brach die Stunde an, da die Feierlichkeiten beginnen sollten, und die Nonnen schickten sich, unter Angst und Beten, und jammervoller Erwartung der Dinge, die da kommen sollten, zur Messe an. Niemand besch?tzte sie, als ein alter, siebenzigj?hriger Klostervogt, der sich, mit einigen bewaffneten Trossknechten, am Eingang der Kirche aufstellte. In den Nonnenkl?stern f?hren, auf das Spiel jeder Art der Instrumente ge?bt, die Nonnen, wie bekannt, ihre Musiken selber auf; oft mit einer Pr?zision, einem Verstand und einer Empfindung, die man in m?nnlichen Orchestern vermisst. Nun f?gte es sich, zur Verdoppelung der Bedr?ngnis, dass die Kapellmeisterin, Schwester Antonia, welche die Musik auf dem Orchester zu dirigieren pflegte, wenige Tage zuvor, an einem Nervenfieber heftig erkrankte; dergestalt, dass abgesehen von den vier gottesl?sterlichen Br?dern, die man bereits, in M?nteln geh?llt, unter den Pfeilern der Kirche erblickte, das Kloster auch, wegen Auff?hrung eines schicklichen Musikwerks, in der lebhaftesten Verlegenheit war. Die ?btissin, die am Abend des vorhergehenden Tages befohlen hatte, dass eine uralte von einem unbekannten Meister herr?hrende, italienische Messe aufgef?hrt werden m?chte, mit welcher die Kapelle mehrmals schon, einer besondern Heiligkeit und Herrlichkeit wegen, mit welcher sie gedichtet war, die gr?ssesten Wirkungen hervorgebracht hatte, schickte, mehr als jemals auf ihren Willen beharrend, noch einmal zur Schwester Antonia herab, um zu h?ren, wie sich dieselbe befinde; die Nonne aber, die dies Gesch?ft ?bernahm, kam mit der Nachricht zur?ck, dass die Schwester in g?nzlich bewusstlosem Zustande daniederliege, und dass an ihre Direktionsf?hrung, bei der vorhabenden Musik, auf keine Weise zu denken sei. Inzwischen waren in dem Dom, in welchem sich nach und nach mehr denn hundert, mit Beilen und Brechstangen versehene Frevler, von allen St?nden und Altern, eingefunden hatten, bereits die bedenklichsten Auftritte vorgefallen; man hatte einige Trossknechte, die an den Port?len standen, auf die unanst?ndigste Weise geneckt, und sich die frechsten und unversch?mtesten ?usserungen gegen die Nonnen erlaubt, die sich hin und wieder, in frommen Gesch?ften, einzeln in den Hallen blicken liessen: dergestalt, dass der Klostervogt sich in die Sakristei verf?gte, und die ?btissin auf Knieen beschwor, das Fest einzustellen und sich in die Stadt, unter den Schutz des Kommandanten zu begeben. Aber die ?btissin bestand unersch?tterlich darauf, dass das zur Ehre des h?chsten Gottes angeordnete Fest begangen werden m?sse; sie erinnerte den Klostervogt an seine Pflicht, die Messe und den feierlichen Umgang, der in dem Dom gehalten werden w?rde, mit Leib und Leben zu beschirmen; und befahl, weil eben die Glocke schlug, den Nonnen, die sie, unter Zittern und Beben umringten, ein Oratorium, gleichviel welches und von welchem Wert es sei, zu nehmen, und mit dessen Auff?hrung sofort den Anfang zu machen.

Eben schickten sich die Nonnen auf dem Altan der Orgel dazu an; die Partitur eines Musikwerks, das man schon h?ufig gegeben hatte, ward verteilt, Geigen, Hoboen und B?sse gepr?ft und gestimmt: als Schwester Antonia pl?tzlich, frisch und gesund, ein wenig bleich im Gesicht, von der Treppe her erschien; sie trug die Partitur der uralten, italienischen Messe, auf deren Auff?hrung die ?btissin so dringend bestanden hatte, unter dem Arm. Auf die erstaunte Frage der Nonnen. "Wo sie herkomme? Und wie sie sich pl?tzlich so erholt habe?" antwortete sie: gleichviel, Freundinnen, gleichviel! verteilte die Partitur, die sie bei sich trug, und setzte sich selbst, von Begeisterung gl?hend, an die Orgel, um die Direktion des vortrefflichen Musikst?cks zu ?bernehmen. Demnach kam es, wie ein wunderbarer, himmlischer Trost, in die Herzen der frommen Frauen; sie stellten sich augenblicklich mit ihren Instrumenten an die Pulte; die Beklemmung selbst, in der sie sich befanden, kam hinzu, um ihre Seelen, wie auf Schwingen, durch alle Himmel des Wohlklangs zu f?hren; das Oratorium ward mit der h?chsten und herrlichsten musikalischen Pracht ausgef?hrt; es regte sich, w?hrend der ganzen Darstellung, kein Odem in den Hallen und B?nken; besonders bei dem salve regina und noch mehr bei dem gloria in excelsis, war es, als ob die ganze Bev?lkerung der Kirche tot sei: dergestalt, dass den vier gottverdammten Br?dern und ihrem Anhang zum Trotz, auch der Staub auf dem Estrich nicht verweht ward, und das Kloster noch bis an den Schluss des dreissigj?hrigen Krieges bestanden hat, wo man es, verm?ge eines Artikels im westf?lischen Frieden, gleichwohl s?kularisierte.

Sechs Jahre darauf, da diese Begebenheit l?ngst vergessen war, kam die Mutter dieser vier J?nglinge aus dem Haag an, und stellte, unter dem betr?bten Vorgeben, dass dieselben g?nzlich verschollen w?ren, bei dem Magistrat zu Aachen, wegen der Strasse, die sie von hier aus genommen haben mochten, gerichtliche Untersuchungen an. Die letzten Nachrichten, die man von ihnen in den Niederlanden, wo sie eigentlich zu Hause geh?rten, gehabt hatte, waren, wie sie meldete, ein vor dem angegebenen Zeitraum, am Vorabend eines Fronleichnamsfestes, geschriebener Brief des Pr?dikanten, an seinen Freund, einen Schullehrer in Antwerpen, worin er demselben, mit vieler Heiterkeit oder vielmehr Ausgelassenheit, von einer gegen das Kloster der heiligen C?cilie entworfenen Unternehmung, ?ber welche sich die Mutter jedoch nicht n?her auslassen wollte, auf vier dichtgedr?ngten Seiten vorl?ufige Anzeige machte. Nach mancherlei vergeblichen Bem?hungen, die Personen, welche diese bek?mmerte Frau suchte, auszumitteln, erinnerte man sich endlich, dass sich schon seit einer Reihe von Jahren, welche ohngef?hr auf die Angabe passte, vier junge Leute, deren Vaterland und Herkunft unbekannt sei, in dem durch des Kaisers Vorsorge unl?ngst gestifteten Irrenhause der Stadt befanden. Da dieselben jedoch an der Ausschweifung einer religi?sen Idee krank lagen, und ihre Auff?hrung, wie das Gericht dunkel geh?rt zu haben meinte, ?usserst tr?bselig und melancholisch war; so passte dies so wenig auf den, der Mutter nur leider zu bekannten Gem?tsstand ihrer S?hne, als dass sie auf diese Anzeige, besonders da es fast herauskam, als ob die Leute katholisch w?ren, viel h?tte geben sollen. Gleichwohl, durch mancherlei Kennzeichen, womit man sie beschrieb, seltsam getroffen, begab sie sich eines Tages, in Begleitung eines Gerichtsboten, in das Irrenhaus, und bat die Vorsteher um die Gef?lligkeit, ihr zu den vier ungl?cklichen, sinnverwirrten M?nnern, die man daselbst aufbewahre, einen pr?fenden Zutritt zu gestatten. Aber wer beschreibt das Entsetzen der armen Frau, als sie gleich auf den ersten Blick, so wie sie in die T?r trat, ihre S?hne erkannte: sie sassen, in langen, schwarzen Talaren, um einen Tisch, auf welchem ein Kruzifix stand, und schienen, mit gefalteten H?nden schweigend auf die Platte gest?tzt, dasselbe anzubeten. Auf die Frage der Frau, die ihrer Kr?fte beraubt, auf einen Stuhl niedergesunken war: was sie daselbst machten? Antworteten ihr die Vorsteher: "dass sie bloss in der Verherrlichung des Heilands begriffen w?ren, von dem sie, nach ihrem Vorgeben, besser als andre, einzusehen glaubten, dass er der wahrhaftige Sohn des alleinigen Gottes sei." Sie setzten hinzu: "dass die J?nglinge, seit nun schon sechs Jahren, dies geisterartige Leben f?hrten; dass sie wenig schliefen und wenig gen?ssen; dass kein Laut ?ber ihre Lippen k?me; dass sie sich bloss in der Stunde der Mitternacht einmal von ihren Sitzen erh?ben; und dass sie alsdann, mit einer Stimme, welche die Fenster des Hauses bersten machte, das gloria in excelsis intonierten." Die Vorsteher schlossen mit der Versicherung: dass die jungen M?nner dabei k?rperlich vollkommen gesund w?ren; dass man ihnen sogar eine gewisse, obschon sehr ernste und feierliche, Heiterkeit nicht absprechen k?nnte; dass sie, wenn man sie f?r verr?ckt erkl?rte, mitleidig die Achseln zuckten, und dass sie schon mehr als einmal ge?ussert h?tten: "wenn die gute Stadt Aachen w?sste, was sie, so w?rde dieselbe ihre Gesch?fte bei Seite legen, und sich gleichfalls, zur Absingung des gloria, um das Kruzifix des Herrn niederlassen."

Die Frau, die den schauderhaften Anblick dieser Ungl?cklichen nicht ertragen konnte und sich bald darauf, auf wankenden Knieen, wieder hatte zu Hause f?hren lassen, begab sich, um ?ber die Veranlassung dieser ungeheuren Begebenheit Auskunft zu erhalten, am Morgen des folgenden Tages, zu Herrn Veit Gotthelf, ber?hmten Tuchh?ndler der Stadt; denn dieses Mannes erw?hnte der von dem Pr?dikanten geschriebene Brief, und es ging daraus hervor, dass derselbe an dem Projekt, das Kloster der heiligen C?cilie am Tage des Fronleichnamsfestes zu zerst?ren, eifrigen Anteil genommen habe. Veit Gotthelf, der Tuchh?ndler, der sich inzwischen verheiratet, mehrere Kinder gezeugt, und die betr?chtliche Handlung seines Vaters ?bernommen hatte, empfing die Fremde sehr liebreich: und da er erfuhr, welch ein Anliegen sie zu ihm f?hre, so verriegelte er die T?r, und liess sich, nachdem er sie auf einen Stuhl niedergen?tigt hatte, folgendermassen vernehmen: "Meine liebe Frau! Wenn Ihr mich, der mit Euren S?hnen vor sechs Jahren in genauer Verbindung gestanden, in keine Untersuchung deshalb verwickeln wollt, so will ich Euch offenherzig und ohne R?ckhalt gestehen: ja, wir haben den Vorsatz gehabt, dessen der Brief erw?hnt! Wodurch diese Tat, zu deren Ausf?hrung alles, auf das Genaueste, mit wahrhaft gottlosem Scharfsinn, angeordnet war, gescheitert ist, ist mir unbegreiflich; der Himmel selbst scheint das Kloster der frommen Frauen in seinen heiligen Schutz genommen zu haben. Denn wisst, dass sich Eure S?hne bereits, zur Einleitung entscheidenderer Auftritte, mehrere mutwillige, den Gottesdienst st?rende Possen erlaubt hatten: mehr denn dreihundert, mit Beilen und Pechkr?nzen versehene B?sewichter, aus den Mauern unserer damals irregeleiteten Stadt, erwarteten nichts als das Zeichen, das der Pr?dikant geben sollte, um den Dom der Erde gleich zu machen. Dagegen, bei Anhebung der Musik, nehmen Eure S?hne pl?tzlich, in gleichzeitiger Bewegung, und auf eine uns auffallende Weise, die H?te ab, sie legen, nach und nach, wie in tiefer unaussprechlicher R?hrung, die H?nde vor ihr herabgebeugtes Gesicht, und der Pr?dikant, indem er sich, nach einer ersch?tternden Pause, pl?tzlich umwendet, ruft uns allen mit lauter f?rchterlicher Stimme zu: gleichfalls unsere H?upter zu entbl?ssen! Vergebens fordern ihn einige Genossen fl?sternd, indem sie ihn mit ihren Armen leichtfertig anstossen, auf, das zur Bilderst?rmerei verabredete Zeichen zu geben: der Pr?dikant, statt zu antworten, l?sst sich, mit kreuzweis auf die Brust gelegten H?nden, auf Knieen nieder und murmelt, samt den Br?dern, die Stirn inbr?nstig in den Staub herab gedr?ckt, die ganze Reihe noch kurz vorher von ihm verspotteter Gebete ab. Durch diesen Anblick tief im Innersten verwirrt, steht der Haufen der j?mmerlichen Schw?rmer, seiner Anf?hrer beraubt, in Unschl?ssigkeit und Unt?tigkeit, bis an den Schluss des, vom Altan wunderbar herabrauschenden Oratoriums da; und da, auf Befehl des Kommandanten, in eben diesem Augenblick mehrere Arretierungen verf?gt, und einige Frevler, die sich Unordnungen erlaubt hatten, von einer Wache aufgegriffen und abgef?hrt wurden, so bleibt der elenden Schar nichts ?brig, als sich schleunigst, unter dem Schutz der gedr?ngt aufbrechenden Volksmenge, aus dem Gotteshause zu entfernen. Am Abend, da ich in dem Gasthofe vergebens mehrere Mal nach Euren S?hnen, welche nicht wiedergekehrt waren, gefragt hatte, gehe ich, in der entsetzlichsten Unruhe, mit einigen Freunden wieder nach dem Kloster hinaus, um mich bei den T?rstehern, welche der kaiserlichen Wache hilfreich an die Hand gegangen waren, nach ihnen zu erkundigen. Aber wie schildere ich Euch mein Entsetzen, edle Frau, da ich diese vier M?nner nach wie vor, mit gefalteten H?nden, den Boden mit Brust und Scheiteln k?ssend, als ob sie zu Stein erstarrt w?ren, heisser Inbrunst voll vor dem Altar der Kirche daniedergestreckt liegen sehe! Umsonst forderte sie der Klostervogt, der in eben diesem Augenblick herbeikommt, indem er sie am Mantel zupft und an den Armen r?ttelt, auf, den Dom, in welchem es schon ganz finster werde, und kein Mensch mehr gegenw?rtig sei, zu verlassen: sie h?ren, auf tr?umerische Weise halb aufstehend, nicht eher auf ihn, als bis er sie durch seine Knechte unter den Arm nehmen, und vor das Portal hinaus f?hren l?sst: wo sie uns endlich, obschon unter Seufzern und h?ufigem herzzerreissenden Umsehen nach der Kathedrale, die hinter uns im Glanz der Sonne pr?chtig funkelte, nach der Stadt folgen. Die Freunde und ich, wir fragen sie, zu wiederholten Malen, z?rtlich und liebreich auf dem R?ckwege, was ihnen in aller Welt Schreckliches, f?hig, ihr innerstes Gem?t dergestalt umzukehren, zugestossen sei; sie dr?cken uns, indem sie uns freundlich ansehen, die H?nde, schauen gedankenvoll auf den Boden nieder und wischen sich--ach! von Zeit zu Zeit, mit einem Ausdruck, der mir noch jetzt das Herz spaltet, die Tr?nen aus den Augen. Drauf, in ihre Wohnungen angekommen, binden sie sich ein Kreuz, sinnreich und zierlich von Birkenreisern zusammen, und setzen es, einem kleinen H?gel von Wachs eingedr?ckt, zwischen zwei Lichtern, womit die Magd erscheint, auf dem grossen Tisch in des Zimmers Mitte nieder, und w?hrend die Freunde, deren Schar sich von Stunde zu Stunde vergr?ssert, h?nderingend zur Seite stehen, und in zerstreuten Gruppen, sprachlos vor Jammer, ihrem stillen, gespensterartigen Treiben zusehen: lassen sie sich, gleich als ob ihre Sinne vor jeder andern Erscheinung verschlossen w?ren, um den Tisch nieder, und schicken sich still, mit gefalteten H?nden, zur Anbetung an. Weder des Essens begehren sie, das ihnen, zur Bewirtung der Genossen, ihrem am Morgen gegebenen Befehl gem?ss, die Magd bringt, noch sp?terhin, da die Nacht sinkt, des Lagers, das sie ihnen, weil sie m?de scheinen, im Nebengemach aufgestapelt hat; die Freunde, um die Entr?stung des Wirts, den diese Auff?hrung befremdet, nicht zu reizen, m?ssen sich an einen, zur Seite ?ppig gedeckten Tisch niederlassen, und die, f?r eine zahlreiche Gesellschaft zubereiteten Speisen, mit dem Salz ihrer bitterlichen Tr?nen gebeizt, einnehmen. Jetzt pl?tzlich schl?gt die Stunde der Mitternacht; Eure vier S?hne, nachdem sie einen Augenblick gegen den dumpfen Klang der Glocke aufgehorcht, heben sich pl?tzlich in gleichzeitiger Bewegung, von ihren Sitzen empor; und w?hrend wir, mit niedergelegten Tischt?chern, zu ihnen hin?berschauen, ?ngstlicher Erwartung voll, was auf so seltsames und befremdendes Beginnen erfolgen werde: fangen sie, mit einer entsetzlichen und gr?sslichen Stimme, das gloria in excelsis zu intonieren an. So m?gen sich Leoparden und W?lfe anh?ren lassen, wenn sie zur eisigen Winterzeit, das Firmament anbr?llen: die Pfeiler des Hauses, versichere ich Euch, ersch?tterten, und die Fenster, von ihrer Lungen sichtbarem Atem getroffen, drohten klirrend, als ob man H?nde voll schweren Sandes gegen ihre Fl?chen w?rfe, zusammen zu brechen. Bei diesem grausenhaften Auftritt st?rzen wir besinnungslos, mit str?ubenden Haaren auseinander; wir zerstreuen uns, M?ntel und H?te zur?cklassend, durch die umliegenden Strassen, welche in kurzer Zeit, statt unsrer, von mehr denn hundert, aus dem Schlaf geschreckter Menschen, angef?llt waren; das Volk dr?ngt sich, die Haust?re sprengend, ?ber die Stiege dem Saale zu, um die Quelle dieses schauderhaften und emp?renden Gebr?lls, das, wie von den Lippen ewig verdammter S?nder, aus dem tiefsten Grund der flammenvollen H?lle, jammervoll um Erbarmung zu Gottes Ohren heraufdrang, aufzusuchen. Endlich, mit dem Schlage der Glocke Eins, ohne auf das Z?rnen des Wirts, noch auf die ersch?tterten Ausrufungen des sie umringenden Volks geh?rt zu haben, schliessen sie den Mund; sie wischen sich mit einem Tuch den Schweiss von der Stirn, der ihnen, in grossen Tropfen, auf Kinn und Brust niedertr?uft; und breiten ihre M?ntel aus, und legen sich, um eine Stunde von so qualvollen Gesch?ften auszuruhen, auf das Get?fel des Bodens nieder. Der Wirt, der sie gew?hren l?sst, schl?gt, sobald er sie schlummern sieht, ein Kreuz ?ber sie; und froh, des Elends f?r den Augenblick erledigt zu sein, bewegt er, unter der Versicherung, der Morgen werde eine heilsame Ver?nderung herbeif?hren, den M?nnerhaufen, der gegenw?rtig ist, und der geheimnisvoll mit einander murmelt, das Zimmer zu verlassen. Aber leider! schon mit dem ersten Schrei des Hahns, stehen die Ungl?cklichen wieder auf, um dem auf dem Tisch befindlichen Kreuz gegen?ber, dasselbe ?de, gespensterartige Klosterleben, das nur Ersch?pfung sie auf einen Augenblick auszusetzen zwang, wieder anzufangen. Sie nehmen von dem Wirt, dessen Herz ihr jammervoller Anblick schmelzt, keine Ermahnung, keine H?lfe an; sie bitten ihn, die Freunde liebreich abzuweisen, die sich sonst regelm?ssig am Morgen jedes Tages bei ihnen zu versammeln pflegten; sie begehren nichts von ihm, als Wasser und Brot, und eine Streu, wenn es sein kann, f?r die Nacht: dergestalt, dass dieser Mann, der sonst viel Geld von ihrer Heiterkeit zog, sich gen?tigt sah, den ganzen Vorfall den Gerichten anzuzeigen und sie zu bitten, ihm diese vier Menschen, in welchen ohne Zweifel der b?se Geist walten m?sse, aus dem Hause zu schaffen. Worauf sie, auf Befehl des Magistrats, in ?rztliche Untersuchung genommen, und, da man sie verr?ckt befand, wie Ihr wisst, in die Gem?cher des Irrenhauses untergebracht wurden, das die Milde des letzt verstorbenen Kaisers, zum Besten der Ungl?cklichen dieser Art, innerhalb der Mauern unserer Stadt gegr?ndet hat." Dies und noch Mehreres sagte Veit Gotthelf, der Tuchh?ndler, das wir hier, weil wir zur Einsicht in den inneren Zusammenhang der Sache genug gesagt zu haben meinen, unterdr?cken; und forderte die Frau nochmals auf, ihn auf keine Weise, falls es zu gerichtlichen Nachforschungen ?ber diese Begebenheit kommen sollte, darin zu verstricken.

Drei Tage darauf, da die Frau, durch diesen Bericht tief im Innersten ersch?ttert, am Arm einer Freundin nach dem Kloster hinausgegangen war, in der wehm?tigen Absicht, auf einem Spaziergang, weil eben das Wetter sch?n war, den entsetzlichen Schauplatz in Augenschein zu nehmen, auf welchem Gott ihre S?hne wie durch unsichtbare Blitze zu Grunde gerichtet hatte: fanden die Weiber den Dom, weil eben gebaut wurde, am Eingang durch Planken versperrt, und konnten, wenn sie sich m?hsam erhoben, durch die ?ffnungen der Bretter hindurch von dem Inneren nichts, als die pr?chtig funkelnde Rose im Hintergrund der Kirche wahrnehmen. Viele hundert Arbeiter, welche fr?hliche Lieder sangen, waren auf schlanken, vielfach verschlungenen Ger?sten besch?ftigt, die T?rme noch um ein gutes Dritteil zu erh?hen, und die D?cher und Zinnen derselben, welche bis jetzt nur mit Schiefer bedeckt gewesen waren, mit starkem, hellen, im Strahl der Sonne gl?nzigen Kupfer zu belegen. Dabei stand ein Gewitter, dunkelschwarz, mit vergoldeten R?ndern, im Hintergrunde des Baus; dasselbe hatte schon ?ber die Gegend von Aachen ausgedonnert, und nachdem es noch einige kraftlose Blitze, gegen die Richtung, wo der Dom stand, geschleudert hatte, sank es, zu D?nsten aufgel?st, missvergn?gt murmelnd in Osten herab. Es traf sich, dass da die Frauen von der Treppe des weitl?ufigen kl?sterlichen Wohngeb?udes herab, in mancherlei Gedanken vertieft, dies doppelte Schauspiel betrachteten, eine Klosterschwester, welche vor?berging, zuf?llig erfuhr, wer die unter dem Portal stehende Frau sei; dergestalt, dass die ?btissin, die von einem, den Fronleichnamstag betreffenden Brief, den dieselbe bei sich trug, geh?rt hatte, unmittelbar darauf die Schwester zu ihr herabschickte, und die niederl?ndische Frau ersuchen liess, zu ihr herauf zu kommen. Die Niederl?nderin, obschon einen Augenblick dadurch betroffen, schickte sich nichts desto weniger ehrfurchtsvoll an, dem Befehl, den man ihr angek?ndigt hatte, zu gehorchen; und w?hrend die Freundin, auf die Einladung der Nonne, in ein dicht an dem Eingang befindliches Nebenzimmer abtrat, ?ffnete man der Fremden, welche die Treppe hinaufsteigen musste, die Fl?gelt?ren des sch?n gebildeten S?llers selbst. Daselbst fand sie die ?btissin, welches eine edle Frau, von stillem k?niglichen Ansehn war, auf einem Sessel sitzen, den Fuss auf einem Schemel gest?tzt, der auf Drachenklauen ruhte; ihr zur Seite, auf einem Pulte, lag die Partitur einer Musik. Die ?btissin, nachdem sie befohlen hatte, der Fremden einen Stuhl hinzusetzen, entdeckte ihr, dass sie bereits durch den B?rgermeister von ihrer Ankunft in der Stadt geh?rt; und nachdem sie sich, auf menschenfreundliche Weise, nach dem Befinden ihrer ungl?cklichen S?hne erkundigt, auch sie ermuntert hatte, sich ?ber das Schicksal, das dieselben betroffen, weil es einmal nicht zu ?ndern sei, m?glichst zu fassen: er?ffnete sie ihr den Wunsch, den Brief zu sehen, den der Pr?dikant an seinen Freund, den Schullehrer in Antwerpen geschrieben hatte. Die Frau, welche Erfahrung genug besass, einzusehen, von welchen Folgen dieser Schritt sein konnte, f?hlte sich dadurch auf einen Augenblick in Verlegenheit gest?rzt; da jedoch das ehrw?rdige Antlitz der Dame unbedingtes Vertrauen erforderte, und auf keine Weise schicklich war, zu glauben, dass ihre Absicht sein k?nne, von dem Inhalt desselben einen ?ffentlichen Gebrauch zu machen; so nahm sie, nach einer kurzen Besinnung, den Brief aus ihrem Busen, und reichte ihn, unter einem heissen Kuss auf ihre Hand, der f?rstlichen Dame dar. Die Frau, w?hrend die ?btissin den Brief ?berlas, warf nunmehr einen Blick auf die nachl?ssig ?ber dem Pult aufgeschlagene Partitur; und da sie, durch den Bericht des Tuchh?ndlers, auf den Gedanken gekommen war, es k?nne wohl die Gewalt der T?ne gewesen sein, die, an jenem schauerlichen Tage, das Gem?t ihrer armen S?hne zerst?rt und verwirrt habe: so fragte sie die Klosterschwester, die hinter ihrem Stuhle stand, indem sie sich zu ihr umkehrte, sch?chtern: "ob dies das Musikwerk w?re, das vor sechs Jahren, am Morgen jenes merkw?rdigen Fronleichnamsfestes, in der Kathedrale aufgef?hrt worden sei?" Auf die Antwort der jungen Klosterschwester: ja! sie erinnere sich davon geh?rt zu haben, und es pflege seitdem, wenn man es nicht brauche, im Zimmer der hochw?rdigsten Frau zu liegen: stand, lebhaft ersch?ttert, die Frau auf, und stellte sich, von mancherlei Gedanken durchkreuzt, vor den Pult. Sie betrachtete die unbekannten zauberischen Zeichen, womit sich ein f?rchterlicher Geist geheimnisvoll den Kreis abzustecken schien, und meinte, in die Erde zu sinken, da sie grade das gloria in excelsis aufgeschlagen fand. Es war ihr, als ob das ganze Schrecken der Tonkunst, das ihre S?hne verderbt hatte, ?ber ihrem Haupte rauschend daherz?ge; sie glaubte, bei dem blossen Anblick ihre Sinne zu verlieren, und nachdem sie schnell, mit einer unendlichen Regung von Demut und Unterwerfung unter die g?ttliche Allmacht, das Blatt an ihre Lippen gedr?ckt hatte, setzte sie sich wieder auf ihren Stuhl zur?ck. Inzwischen hatte die ?btissin den Brief ausgelesen und sagte, indem sie ihn zusammen faltete: "Gott selbst hat das Kloster, an jenem wunderbaren Tage, gegen den ?bermut Eurer schwer verirrten S?hne beschirmt. Welcher Mittel er sich dabei bedient, kann Euch, die Ihr eine Protestantin seid, gleichg?ltig sein: Ihr w?rdet auch das, was ich Euch dar?ber sagen k?nnte, schwerlich begreifen. Denn vernehmt, dass schlechterdings niemand weiss, wer eigentlich das Werk, das Ihr dort aufgeschlagen findet, im Drang der schreckenvollen Stunde, da die Bilderst?rmerei ?ber uns hereinbrechen sollte, ruhig auf dem Sitz der Orgel dirigiert habe. Durch ein Zeugnis, das am Morgen des folgenden Tages, in Gegenwart des Klostervogts und mehrerer anderen M?nner aufgenommen und im Archiv niedergelgt ward, ist erwiesen, dass Schwester Antonia, die das Werk dirigieren konnte, w?hrend des ganzen Zeitraums seiner Auff?hrung, krank, bewusstlos, ihrer Glieder schlechthin unm?chtig, im Winkel ihrer Klosterzelle darniedergelegen habe; eine Klosterschwester, die ihr als leibliche Verwandte zur Pflege ihres K?rpers beigeordnet war, ist w?hrend des ganzen Vormittags, da das Fronleichnamsfest in der Kathedrale gefeiert worden, nicht von ihrem Bette gewichen. Ja, Schwester Antonia w?rde ohnfehlbar selbst den Umstand, dass sie es nicht gewesen sei, die, auf so seltsame und befremdende Weise, auf dem Altan der Orgel erschien, best?tigt und bewahrheitet haben: wenn ihr g?nzlich sinnberaubter Zustand erlaubt h?tte, sie darum zu befragen, und die Kranke nicht noch am Abend desselben Tages, an dem Nervenfieber, an dem sie danieder lag, und welches fr?herhin gar nicht lebensgef?hrlich schien, verschieden w?re. Auch hat der Erzbischof von Trier, an den dieser Vorfall berichtet ward, bereits das Wort ausgesprochen, das ihn allein erkl?rt, n?mlich, ?dass die heilige C?cilie selbst dieses zu gleicher Zeit schreckliche und herrliche Wunder vollbracht habe?; und von dem Papst habe ich soeben ein Breve erhalten, wodurch er dies best?tigt." Und damit gab sie der Frau den Brief, den sie sich bloss von ihr erbeten hatte, um ?ber das, was sie schon wusste, n?here Auskunft zu erhalten, unter dem Versprechen, dass sie davon keinen Gebrauch machen w?rde, zur?ck; und nachdem sie dieselbe noch gefragt hatte, ob zur Wiederherstellung ihrer S?hne Hoffnung sei, und ob sie ihr vielleicht mit irgend etwas, Geld oder eine andere Unterst?tzung, zu diesem Zweck dienen k?nne, welches die Frau, indem sie ihr den Rock k?sste, weinend verneinte: gr?sste sie dieselbe freundlich mit der Hand und entliess sie.

Hier endigt diese Legende. Die Frau, deren Anwesenheit in Aachen g?nzlich nutzlos war, ging mit Zur?cklassung eines kleinen Kapitals, das sie zum Besten ihrer armen S?hne bei den Gerichten niederlegte, nach dem Haag zur?ck, wo sie ein Jahr darauf, durch diesen Vorfall tief bewegt, in den Schoss der katholischen Kirche zur?ckkehrte: die S?hne aber starben, im sp?ten Alter, eines heitern und vergn?gten Todes, nachdem sie noch einmal, ihrer Gewohnheit gem?ss, das gloria in excelsis abgesungen hatten.

Die Marquise von O...

Eben als die russischen Truppen, unter einem heftigen Haubitzenspiel, von aussen eindrangen, fing der linke Fl?gel des Kommandantenhauses Feuer und n?tigte die Frauen, ihn zu verlassen. Die Obristin, indem sie der Tochter, die mit den Kindern die Treppe hinabfloh, nacheilte, rief, dass man zusammenbleiben, und sich in die unteren Gew?lbe fl?chten m?chte; doch eine Granate, die, eben in diesem Augenblicke, in dem Hause zerplatzte, vollendete die g?nzliche Verwirrung in demselben. Die Marquise kam, mit ihren beiden Kindern, auf den Vorplatz des Schlosses, wo die Sch?sse schon, im heftigsten Kampf, durch die Nacht blitzten, und sie, besinnungslos, wohin sie sich wenden solle, wieder in das brennende Geb?ude zur?ckjagten. Hier, ungl?cklicher Weise, begegnete ihr, da sie eben durch die Hintert?r entschl?pfen wollte, ein Trupp feindlicher Scharfsch?tzen, der, bei ihrem Anblick, pl?tzlich still ward, die Gewehre ?ber die Schultern hing, und sie, unter abscheulichen Geb?rden, mit sich fortf?hrte. Vergebens rief die Marquise, von der entsetzlichen, sich unter einander selbst bek?mpfenden, Rotte bald hier, bald dorthin gezerrt, ihre zitternden, durch die Pforte zur?ckfliehenden Frauen, zu H?lfe. Man schleppte sie in den hinteren Schlosshof, wie sie eben, unter den sch?ndlichsten Misshandlungen, zu Boden sinken wollte, als, von dem Zetergeschrei der Dame herbeigerufen, ein russischer Offizier erschien, und die Hunde, die nach solchem Raub l?stern waren, mit w?tenden Hieben zerstreute. Der Marquise schien er ein Engel des Himmels zu sein. Er stiess noch dem letzten viehischen Mordknecht, der ihren schlanken Leib umfasst hielt, mit dem Griff des Degens ins Gesicht, dass er, mit aus dem Mund vorquellendem Blut, zur?cktaumelte; bot dann der Dame, unter einer verbindlichen, franz?sischen Anrede den Arm, und f?hrte sie, die von allen solchen Auftritten sprachlos war, in den anderen, von der Flamme noch nicht ergriffenen, Fl?gel des Palastes, wo sie auch v?llig bewusstlos niedersank. Hier traf er, da bald darauf ihre erschrockenen Frauen erschienen, Anstalten, einen Arzt zu rufen; versicherte, indem er sich den Hut aufsetzte, dass sie sich bald erholen w?rde; und kehrte in den Kampf zur?ck.

Der Platz war in kurzer Zeit v?llig erobert, und der Kommandant, der sich nur noch wehrte, weil man ihm keinen Pardon geben wollte, zog sich eben mit sinkenden Kr?ften nach dem Portal des Hauses zur?ck, als der russische Offizier, sehr erhitzt im Gesicht, aus demselben hervortrat, und ihm zurief, sich zu ergeben. Der Kommandant antwortete, dass er auf diese Aufforderung nur gewartet habe, reichte ihm seinen Degen dar, und bat sich die Erlaubnis aus, sich ins Schloss begeben, und nach seiner Familie umsehen zu d?rfen. Der russische Offizier, der, nach der Rolle zu urteilen, die er spielte, einer der Anf?hrer des Sturms zu sein schien, gab ihm, unter Begleitung einer Wache, diese Freiheit; setzte sich, mit einiger Eilfertigkeit, an die Spitze eines Detachements, entschied, wo er noch zweifelhaft sein mochte, den Kampf, und bemannte schleunigst die festen Punkte des Forts. Bald darauf kehrte er auf den Waffenplatz zur?ck, gab Befehl, der Flamme, welche w?tend um sich zu greifen anfing, Einhalt zu tun, und leistete selbst hierbei Wunder der Anstrengung, als man seine Befehle nicht mit dem geh?rigen Eifer befolgte. Bald kletterte er, den Schlauch in der Hand, mitten unter brennenden Giebeln umher, und regierte den Wasserstrahl; bald steckte er, die Naturen der Asiaten mit Schaudern erf?llend, in den Arsen?len, und w?lzte Pulverf?sser und gef?llte Bomben heraus. Der Kommandant, der inzwischen in das Haus getreten war, geriet auf die Nachricht von dem Unfall, der die Marquise betroffen hatte, in die ?usserste Best?rzung. Die Marquise, die sich schon v?llig, ohne Beih?lfe des Arztes, wie der russische Offizier vorher gesagt hatte, aus ihrer Ohnmacht wieder erholt hatte, und bei der Freude, alle die Ihrigen gesund und wohl zu sehen, nur noch, um die ?berm?ssige Sorge derselben zu beschwichtigen, das Bett h?tete, versicherte ihn, dass sie keinen andern Wunsch habe, als aufstehen zu d?rfen, um ihrem Retter ihre Dankbarkeit zu bezeugen. Sie wusste schon, dass er der Graf F..., Obristlieutenant vom t...n J?gerkorps, und Ritter eines Verdienst- und mehrerer anderen Orden war. Sie bat ihren Vater, ihn inst?ndigst zu ersuchen, dass er die Zitadelle nicht verlasse, ohne sich einen Augenblick im Schloss gezeigt zu haben. Der Kommandant, der das Gef?hl seiner Tochter ehrte, kehrte auch unges?umt in das Fort zur?ck, und trug ihm, da er unter unaufh?rlichen Kriegsanordnungen umherschweifte, und keine bessere Gelegenheit zu finden war, auf den W?llen, wo er eben die zerschossenen Rotten revidierte, den Wunsch seiner ger?hrten Tochter vor. Der Graf versicherte ihn, dass er nur auf den Augenblick warte, den er seinen Gesch?ften w?rde abm?ssigen k?nnen, um ihr seine Ehrerbietigkeit zu bezeugen. Er wollte noch h?ren, wie sich die Frau Marquise befinde? Als ihn die Rapporte mehrerer Offiziere schon wieder in das Gew?hl des Krieges zur?ckrissen. Als der Tag anbrach, erschien der Befehlshaber der russischen Truppen, und besichtigte das Fort. Er bezeugte dem Kommandanten seine Hochachtung, bedauerte, dass das Gl?ck seinen Mut nicht besser unterst?tzt habe, und gab ihm, auf sein Ehrenwort, die Freiheit, sich hinzubegeben, wohin er wolle. Der Kommandant versicherte ihn seiner Dankbarkeit, und ?usserte, wie viel er, an diesem Tage, den Russen ?berhaupt, und besonders dem jungen Grafen F..., Obristlieutenant vom t...n J?gerkorps, schuldig geworden sei. Der General fragte, was vorgefallen sei; und als man ihn von dem frevelhaften Anschlag auf die Tochter desselben unterrichtete, zeigte er sich auf das ?usserste entr?stet. Er rief den Grafen F... bei Namen vor. Nachdem er ihm zuv?rderst wegen seines eignen edelm?tigen Verhaltens eine kurze Lobrede gehalten hatte: wobei der Graf ?ber das ganze Gesicht rot ward; schloss er, dass er die Schandkerle, die den Namen des Kaisers brandmarkten, niederschiessen lassen wolle; und befahl ihm, zu sagen, wer sie seien? Der Graf F... antwortete, in einer verwirrten Rede, dass er nicht im Stande sei, ihre Namen anzugeben, indem es ihm, bei dem schwachen Schimmer der Reverberen im Schlosshof, unm?glich gewesen w?re, ihre Gesichter zu erkennen. Der General, welcher geh?rt hatte, dass damals schon das Schloss in Flammen stand, wunderte sich dar?ber; er bemerkte, wie man wohl bekannte Leute in der Nacht an ihren Stimmen erkennen k?nnte; und gab ihm, da er mit einem verlegenen Gesicht die Achseln zuckte, auf, der Sache auf das allereifrigste und strengste nachzusp?ren. In diesem Augenblick berichtete jemand, der sich aus dem hintern Kreise hervordr?ngte, dass einer von den, durch den Grafen F... verwundeten, Frevlern, da er in dem Korridor niedergesunken, von den Leuten des Kommandanten in ein Beh?ltnis geschleppt worden, und darin noch befindlich sei. Der General liess diesen hierauf durch eine Wache herbeif?hren, ein kurzes Verh?r ?ber ihn halten; und die ganze Rotte, nachdem jener sie genannt hatte, f?nf an der Zahl zusammen, erschiessen. Dies abgemacht, gab der General, nach Zur?cklassung einer kleinen Besatzung, Befehl zum allgemeinen Aufbruch der ?brigen Truppen; die Offiziere zerstreuten sich eiligst zu ihren Korps; der Graf trat, durch die Verwirrung der Auseinander-Eilenden, zum Kommandanten, und bedauerte, dass er sich der Frau Marquise, unter diesen Umst?nden, gehorsamst empfehlen m?sse: und in weniger, als einer Stunde, war das ganze Fort von Russen wieder leer.

Die Familie dachte nun darauf, wie sie in der Zukunft eine Gelegenheit finden w?rde, dem Grafen irgend eine ?usserung ihrer Dankbarkeit zu geben; doch wie gross war ihr Schrecken, als sie erfuhr, dass derselbe noch am Tage seines Aufbruchs aus dem Fort, in einem Gefecht mit den feindlichen Truppen, seinen Tod gefunden habe. Der Kurier, der diese Nachricht nach M... brachte, hatte ihn mit eignen Augen, t?dlich durch die Brust geschossen, nach P... tragen sehen, wo er, wie man sichere Nachricht hatte, in dem Augenblick, da ihn die Tr?ger von den Schultern nehmen wollten, verblichen war. Der Kommandant, der sich selbst auf das Posthaus verf?gte, und sich nach den n?heren Umst?nden dieses Vorfalls erkundigte, erfuhr noch, dass er auf dem Schlachtfeld, in dem Moment, da ihn der Schuss traf, gerufen habe: "Julietta! Diese Kugel r?cht dich!" und nachher seine Lippen auf immer geschlossen h?tte. Die Marquise war untr?stlich, dass sie die Gelegenheit hatte vorbeigehen lassen, sich zu seinen F?ssen zu werfen. Sie machte sich die lebhaftesten Vorw?rfe, dass sie ihn, bei seiner, vielleicht aus Bescheidenheit, wie sie meinte, herr?hrenden Weigerung, im Schlosse zu erscheinen, nicht selbst aufgesucht habe; bedauerte die Ungl?ckliche, ihre Namensschwester, an die er noch im Tode gedacht hatte; bem?hte sich vergebens, ihren Aufenthalt zu erforschen, um sie von diesem ungl?cklichen und r?hrenden Vorfall zu unterrichten; und mehrere Monden vergingen, ehe sie selbst ihn vergessen konnte.

Die Familie musste nun das Kommandantenhaus r?umen, um dem russischen Befehlshaber darin Platz zu machen. Man ?berlegte anfangs, ob man sich nicht auf die G?ter des Kommandanten begeben sollte, wozu die Marquise einen grossen Hang hatte; doch da der Obrist das Landleben nicht liebte, so bezog die Familie ein Haus in der Stadt, und richtete sich dasselbe zu einer immerw?hrenden Wohnung ein. Alles kehrte nun in die alte Ordnung der Dinge zur?ck. Die Marquise kn?pfte den lange unterbrochenen Unterricht ihrer Kinder wieder an, und suchte, f?r die Feierstunden, ihre Staffelei und B?cher hervor: als sie sich, sonst die G?ttin der Gesundheit selbst, von wiederholten Unp?sslichkeiten befallen f?hlte, die sie ganze Wochen lang, f?r die Gesellschaft untauglich machten. Sie litt an ?belkeiten, Schwindeln und Ohnmachten, und wusste nicht, was sie aus diesem sonderbaren Zustand machen solle. Eines Morgens, da die Familie beim Tee sass, und der Vater sich, auf einen Augenblick, aus dem Zimmer entfernt hatte, sagte die Marquise, aus einer langen Gedankenlosigkeit erwachend, zu ihrer Mutter: wenn mir eine Frau sagte, dass sie ein Gef?hl h?tte, ebenso, wie ich jetzt, da ich die Tasse ergriff, so w?rde ich bei mir denken, dass sie in gesegneten Leibesumst?nden w?re. Frau von G... sagte, sie verst?nde sie nicht. Die Marquise erkl?rte sich noch einmal, dass sie eben jetzt eine Sensation gehabt h?tte, wie damals, als sie mit ihrer zweiten Tochter schwanger war. Frau von G... sagte, sie w?rde vielleicht den Phantasus geb?ren, und lachte. Morpheus wenigstens, versetzte die Marquise, oder einer der Tr?ume aus seinem Gefolge w?rde sein Vater sein; und scherzte gleichfalls. Doch der Obrist kam, das Gespr?ch ward abgebrochen, und der ganze Gegenstand, da die Marquise sich in einigen Tagen wieder erholte, vergessen.

Bald darauf ward der Familie, eben zu einer Zeit, da sich auch der Forstmeister von G..., des Kommandanten Sohn, in dem Hause eingefunden hatte, der sonderbare Schrecken, durch einen Kammerdiener, der ins Zimmer trat, den Grafen F... anmelden zu h?ren. Der Graf F.. .! sagte der Vater und die Tochter zugleich; und das Erstaunen machte alle sprachlos. Der Kammerdiener versicherte, dass er recht gesehen und geh?rt habe, und dass der Graf schon im Vorzimmer stehe, und warte. Der Kommandant sprang sogleich selbst auf, ihm zu ?ffnen, worauf er, sch?n, wie ein junger Gott, ein wenig bleich im Gesicht, eintrat. Nachdem die Szene unbegreiflicher Verwunderung vor?ber war, und der Graf, auf die Anschuldigung der Eltern, dass er ja tot sei, versichert hatte, dass er lebe; wandte er sich, mit vieler R?hrung im Gesicht, zur Tochter, und seine erste Frage war gleich, wie sie sich befinde? Die Marquise versicherte, sehr wohl, und wollte nur wissen, wie er ins Leben erstanden sei? Doch er, auf seinem Gegenstand beharrend, erwiderte: dass sie ihm nicht die Wahrheit sage; auf ihrem Antlitz dr?cke sich eine seltsame Mattigkeit aus; ihn m?sse alles tr?gen, oder sie sei unp?sslich, und leide. Die Marquise, durch die Herzlichkeit, womit er dies vorbrachte, gut gestimmt, versetzte: nun ja; diese Mattigkeit, wenn er wolle, k?nne f?r die Spur einer Kr?nklichkeit gelten, an welcher sie vor einigen Wochen gelitten h?tte; sie f?rchte inzwischen nicht, dass diese weiter von Folgen sein w?rde. Worauf er, mit einer aufflammenden Freude, erwiderte: er auch nicht! und hinzusetzte, ob sie ihn heiraten wolle? Die Marquise wusste nicht, was sie von dieser Auff?hrung denken solle. Sie sah, ?ber und ?ber rot, ihre Mutter, und diese, mit Verlegenheit, den Sohn und den Vater an; w?hrend der Graf vor die Marquise trat, und indem er ihre Hand nahm, als ob er sie k?ssen wollte, wiederholte: ob sie ihn verstanden h?tte? Der Kommandant sagte: ob er nicht Platz nehmen wolle; und setzte ihm, auf eine verbindliche, obschon etwas ernsthafte, Art einen Stuhl hin. Die Obristin sprach: in der Tat, wir werden glauben, dass Sie ein Geist sind, bis Sie uns werden er?ffnet haben, wie Sie aus dem Grabe, in welches man Sie zu P... gelegt hatte, erstanden sind. Der Graf setzte sich, indem er die Hand der Dame fahren liess, nieder, und sagte, dass er, durch die Umst?nde gezwungen, sich sehr kurz fassen m?sse; dass er, t?dlich durch die Brust geschossen, nach P... gebracht worden w?re; dass er mehrere Monate daselbst an seinem Leben verzweifelt h?tte; dass w?hrend dessen die Frau Marquise sein einziger Gedanke gewesen w?re; dass er die Lust und den Schmerz nicht beschreiben k?nnte, die sich in dieser Vorstellung umarmt h?tten; dass er endlich, nach seiner Wiederherstellung, wieder zur Armee gegangen w?re; dass er daselbst die lebhafteste Unruhe empfunden h?tte; dass er mehrere Male die Feder ergriffen, um in einem Briefe, an den Herrn Obristen und die Frau Marquise, seinem Herzen Luft zu machen; dass er pl?tzlich mit Depeschen nach Neapel geschickt worden w?re; dass er nicht wisse, ob er nicht von dort weiter nach Konstantinopel werde abgeordert werden; dass er vielleicht gar nach St. Petersburg werde gehen m?ssen; dass ihm inzwischen unm?glich w?re, l?nger zu leben, ohne ?ber eine notwendige Forderung seiner Seele ins Reine zu sein; dass er dem Drang bei seiner Durchreise durch M..., einige Schritte zu diesem Zweck zu tun, nicht habe widerstehen k?nnen; kurz, dass er den Wunsch hege, mit der Hand der Frau Marquise begl?ckt zu werden, und dass er auf das ehrfurchtsvollste, inst?ndigste und dringendste bitte, sich ihm hier?ber g?tig zu erkl?ren.--Der Kommandant, nach einer langen Pause, erwiderte: dass ihm dieser Antrag zwar, wenn er, wie er nicht zweifle, ernsthaft gemeint sei, sehr schmeichelhaft w?re. Bei dem Tode ihres Gemahls, des Marquis von O..., h?tte sich seine Tochter aber entschlossen, in keine zweite Verm?hlung einzugehen. Da ihr jedoch k?rzlich von ihm eine so grosse Verbindlichkeit auferlegt worden sei: so w?re es nicht unm?glich, dass ihr Entschluss dadurch, seinen W?nschen gem?ss, eine Ab?nderung erleide; er bitte sich inzwischen die Erlaubnis f?r sie aus, dar?ber im Stillen w?hrend einiger Zeit nachdenken zu d?rfen. Der Graf versicherte, dass diese g?tige Erkl?rung zwar alle seine Hoffnungen befriedige; dass sie ihn, unter anderen Umst?nden, auch v?llig begl?cken w?rde; dass er die ganze Unschicklichkeit f?hle, sich mit derselben nicht zu beruhigen: dass dringende Verh?ltnisse jedoch, ?ber welche er sich n?her auszulassen nicht im Stande sei, ihm eine bestimmtere Erkl?rung ?usserst w?nschenswert machten; dass die Pferde, die ihn nach Neapel tragen sollten, vor seinem Wagen st?nden; und dass er inst?ndigst bitte, wenn irgend etwas in diesem Hause g?nstig f?r ihn spreche,--wobei er die Marquise ansah--ihn nicht, ohne eine g?tige ?usserung dar?ber, abreisen zu lassen. Der Obrist, durch diese Auff?hrung ein wenig betreten, antwortete, dass die Dankbarkeit, die die Marquise f?r ihn empf?nde, ihn zwar zu grossen Voraussetzungen berechtige: doch nicht zu so grossen; sie werde bei einem Schritte, bei welchem es das Gl?ck ihres Lebens gelte, nicht ohne die geh?rige Klugheit verfahren. Es w?re unerl?sslich, dass seiner Tochter, bevor sie sich erkl?re, das Gl?ck seiner n?heren Bekanntschaft w?rde. Er lade ihn ein, nach Vollendung seiner Gesch?ftsreise, nach M... zur?ckzukehren, und auf einige Zeit der Gast seines Hauses zu sein. Wenn alsdann die Frau Marquise hoffen k?nne, durch ihn gl?cklich zu werden, so werde auch er, eher aber nicht, mit Freuden vernehmen, dass sie ihm eine bestimmte Antwort gegeben habe. Der Graf ?usserte, indem ihm eine R?te ins Gesicht stieg, dass er seinen ungeduldigen W?nschen, w?hrend seiner ganzen Reise, dies Schicksal vorausgesagt habe; dass er sich inzwischen dadurch in die ?usserste Bek?mmernis gest?rzt sehe; dass ihm, bei der ung?nstigen Rolle, die er eben jetzt zu spielen gezwungen sei, eine n?here Bekanntschaft nicht anders als vorteilhaft sein k?nne; dass er f?r seinen Ruf, wenn anders diese zweideutigste aller Eigenschaften in Erw?gung gezogen werden solle, einstehen zu d?rfen glaube; dass die einzige nichtsw?rdige Handlung, die er in seinem Leben begangen h?tte, der Welt unbekannt, und er schon im Begriff sei, sie wieder gut zu machen; dass er, mit einem Wort, ein ehrlicher Mann sei, und die Versicherung anzunehmen bitte, dass diese Versicherung wahrhaftig sei.--Der Kommandant erwiderte, indem er ein wenig, obschon ohne Ironie, l?chelte, dass er alle diese ?usserungen unterschreibe. Noch h?tte er keines jungen Mannes Bekanntschaft gemacht, der, in so kurzer Zeit, so viele vortreffliche Eigenschaften des Charakters entwickelt h?tte. Er glaube fast, dass eine kurze Bedenkzeit die Unschl?ssigkeit, die noch obwalte, heben w?rde; bevor er jedoch R?cksprache genommen h?tte, mit seiner sowohl, als des Herrn Grafen Familie, k?nne keine andere Erkl?rung, als die gegebene, erfolgen. Hierauf ?usserte der Graf, dass er ohne Eltern und frei sei. Sein Onkel sei der General K..., f?r dessen Einwilligung er stehe. Er setzte hinzu, dass er Herr eines ansehnlichen Verm?gens w?re, und sich w?rde entschliessen k?nnen, Italien zu seinem Vaterlande zu machen.--Der Kommandant machte ihm eine verbindliche Verbeugung, erkl?rte seinen Willen noch einmal; und bat ihn, bis nach vollendeter Reise, von dieser Sache abzubrechen. Der Graf, nach einer kurzen Pause, in welcher er alle Merkmale der gr?ssten Unruhe gegeben hatte, sagte, indem er sich zur Mutter wandte, dass er sein ?usserstes getan h?tte, um dieser Gesch?ftsreise auszuweichen; dass die Schritte, die er deshalb beim General en Chef, und dem General K..., seinem Onkel, gewagt h?tte, die entscheidendsten gewesen w?ren, die sich h?tten tun lassen; dass man aber geglaubt h?tte, ihn dadurch aus einer Schwermut aufzur?tteln, die ihm von seiner Krankheit noch zur?ckgeblieben w?re; und dass er sich jetzt v?llig dadurch ins Elend gest?rzt sehe.--Die Familie wusste nicht, was sie zu dieser ?usserung sagen sollte. Der Graf fuhr fort, indem er sich die Stirn rieb, dass wenn irgend Hoffnung w?re, dem Ziele seiner W?nsche dadurch n?her zu kommen, er seine Reise auf einen Tag, auch wohl noch etwas dar?ber, aussetzen w?rde, um es zu versuchen.--Hierbei sah er, nach der Reihe, den Kommandanten, die Marquise und die Mutter an. Der Kommandant blickte missvergn?gt vor sich nieder, und antwortete ihm nicht. Die Obristin sagte: gehn Sie, gehn Sie, Herr Graf; reisen Sie nach Neapel; schenken Sie uns, wenn Sie wiederkehren, auf einige Zeit das Gl?ck Ihrer Gegenwart; so wird sich das ?brige finden.--Der Graf sass einen Augenblick, und schien zu suchen, was er zu tun habe. Drauf, indem er sich erhob, und seinen Stuhl wegsetzte: da er die Hoffnungen, sprach er, mit denen er in dies Haus getreten sei, als ?bereilt erkennen m?sse, und die Familie, wie er nicht missbillige, auf eine n?here Bekanntschaft bestehe: so werde er seine Depeschen, zu einer anderweitigen Expedition, nach Z..., in das Hauptquartier, zur?ckschicken, und das g?tige Anerbieten, der Gast dieses Hauses zu sein, auf einige Wochen annehmen. Worauf er noch, den Stuhl in der Hand, an der Wand stehend, einen Augenblick verharrte, und den Kommandanten ansah. Der Kommandant versetzte, dass es ihm ?usserst leid tun w?rde, wenn die Leidenschaft, die er zu seiner Tochter gefasst zu haben scheine, ihm Unannehmlichkeiten von der ernsthaftesten Art zuz?ge: dass er indessen wissen m?sse, was er zu tun und zu lassen habe, die Depeschen abschicken, und die f?r ihn bestimmten Zimmer, beziehen m?chte. Man sah ihn bei diesen Worten sich entf?rben, der Mutter ehrerbietig die Hand k?ssen, sich gegen die ?brigen verneigen und sich entfernen.

Als er das Zimmer verlassen hatte, wusste die Familie nicht, was sie aus dieser Erscheinung machen solle. Die Mutter sagte, es w?re wohl nicht m?glich, dass er Depeschen, mit denen er nach Neapel ginge, nach Z... zur?ckschicken wolle, bloss, weil es ihm nicht gelungen w?re, auf seiner Durchreise durch M..., in einer f?nf Minuten langen Unterredung, von einer ihm ganz unbekannten Dame ein Jawort zu erhalten. Der Forstmeister ?usserte, dass eine so leichtsinnige Tat ja mit nichts Geringerem, als Festungsarrest, bestraft werden w?rde! Und Kassation obenein, setzte der Kommandant hinzu. Es habe aber damit keine Gefahr, fuhr er fort. Es sei ein blosser Schreckschuss beim Sturm; er werde sich wohl noch, ehe er die Depeschen abgeschickt, wieder besinnen. Die Mutter, als sie von dieser Gefahr unterrichtet ward, ?usserte die lebhafteste Besorgnis, dass er sie abschicken werde. Sein heftiger, auf einen Punkt hintreibender Wille, meinte sie, scheine ihr gerade einer solchen Tat f?hig. Sie bat den Forstmeister auf das dringendste, ihm sogleich nachzugehen, und ihn von einer so ungl?ckdrohenden Handlung abzuhalten. Der Forstmeister erwiderte, dass ein solcher Schritt gerade das Gegenteil bewirken, und ihn nur in der Hoffnung, durch seine Kriegslist zu siegen, best?rken w?rde. Die Marquise war derselben Meinung, obschon sie versicherte, dass ohne ihn die Absendung der Depeschen unfehlbar erfolgen w?rde, indem er lieber werde ungl?cklich werden, als sich eine Bl?sse geben wollen. Alle kamen darin ?berein, dass sein Betragen sehr sonderbar sei, und dass er Damenherzen durch Anlauf, wie Festungen, zu erobern gewohnt scheine. In diesem Augenblick bemerkte der Kommandant den angespannten Wagen des Grafen vor seiner T?r. Er rief die Familie ans Fenster, und fragte einen eben eintretenden Bedienten, erstaunt, ob der Graf noch im Hause sei? Der Bediente antwortete, dass er unten, in der Domestikenstube, in Gesellschaft eines Adjutanten, Briefe schreibe und Pakete versiegle. Der Kommandant, der seine Best?rzung unterdr?ckte, eilte mit dem Forstmeister hinunter, und fragte den Grafen, da er ihn auf dazu nicht schicklichen Tischen seine Gesch?fte betreiben sah, ob er nicht in seine Zimmer treten wolle? Und ob er sonst irgend etwas befehle? Der Graf erwiderte, indem er mit Eilfertigkeit fortschrieb, dass er untert?nigst danke, und dass sein Gesch?ft abgemacht sei; fragte noch, indem er den Brief zusiegelte, nach der Uhr; und w?nschte dem Adjutanten, nachdem er ihm das ganze Portefeuille ?bergeben hatte, eine gl?ckliche Reise. Der Kommandant, der seinen Augen nicht traute, sagte, indem der Adjutant zum Hause hinausging: Herr Graf, wenn Sie nicht sehr wichtige Gr?nde haben--Entscheidende! fiel ihm der Graf ins Wort; begleitete den Adjutanten zum Wagen, und ?ffnete ihm die T?r. In diesem Fall w?rde ich wenigstens, fuhr der Kommandant fort, die Depeschen--Es ist nicht m?glich, antwortete der Graf, indem er den Adjutanten in den Sitz hob. Die Depeschen gelten nichts in Neapel ohne mich. Ich habe auch daran gedacht. Fahr zu!--Und die Briefe Ihres Herrn Onkels? rief der Adjutant, sich aus der T?r hervorbeugend. Treffen mich, erwiderte der Graf, in M... Fahr zu, sagte der Adjutant, und rollte mit dem Wagen dahin.

Hierauf fragte der Graf F..., indem er sich zum Kommandanten wandte, ob er ihm gef?lligst sein Zimmer anweisen lassen wolle? Er w?rde gleich selbst die Ehre haben, antwortete der verwirrte Obrist; rief seinen und des Grafen Leuten, das Gep?ck desselben aufzunehmen: und f?hrte ihn in die f?r fremden Besuch bestimmten Gem?cher des Hauses, wo er sich ihm mit einem trocknen Gesicht empfahl. Der Graf kleidete sich um; verliess das Haus, um sich bei dem Gouverneur des Platzes zu melden, und f?r den ganzen weiteren Rest des Tages im Hause unsichtbar, kehrte er erst kurz vor der Abendtafel dahin zur?ck.

Inzwischen war die Familie in der lebhaftesten Unruhe. Der Forstmeister erz?hlte, wie bestimmt, auf einige Vorstellungen des Kommandanten, des Grafen Antworten ausgefallen w?ren; meinte, dass sein Verhalten einem v?llig ?berlegten Schritt ?hnlich sehe; und fragte, in aller Welt, nach den Ursachen einer so auf Kurierpferden gehenden Bewerbung. Der Kommandant sagte, dass er von der Sache nichts verstehe, und forderte die Familie auf, davon weiter nicht in seiner Gegenwart zu sprechen. Die Mutter sah alle Augenblicke aus dem Fenster, ob er nicht kommen, seine leichtsinnige Tat bereuen, und wieder gut machen werde. Endlich, da es finster ward, setzte sie sich zur Marquise nieder, welche, mit vieler Emsigkeit, an einem Tisch arbeitete, und das Gespr?ch zu vermeiden schien. Sie fragte sie halblaut, w?hrend der Vater auf und niederging, ob sie begreife, was aus dieser Sache werden solle? Die Marquise antwortete, mit einem sch?chtern nach dem Kommandanten gewandten Blick: wenn der Vater bewirkt h?tte, dass er nach Neapel gereist w?re, so w?re alles gut. Nach Neapel! rief der Kommandant, der dies geh?rt hatte. Sollt ich den Priester holen lassen? Oder h?tt ich ihn schliessen lassen und arretieren, und mit Bewachung nach Neapel schicken sollen?--Nein, antwortete die Marquise, aber lebhafte und eindringliche Vorstellungen tun ihre Wirkung; und sah, ein wenig unwillig, wieder auf ihre Arbeit nieder.--Endlich gegen die Nacht erschien der Graf. Man erwartete nur, nach den ersten H?flichkeitsbezeugungen, dass dieser Gegenstand zur Sprache kommen werde, um ihn mit vereinter Kraft zu best?rmen, den Schritt, den er gewagt hatte, wenn es noch m?glich sei, wieder zur?ckzunehmen. Doch vergebens, w?hrend der ganzen Abendtafel, erharrte man diesen Augenblick. Geflissentlich alles, was darauf f?hren konnte, vermeidend, unterhielt er den Kommandanten vom Kriege, und den Forstmeister von der Jagd. Als er des Gefechts bei P..., in welchem er verwundet worden war, erw?hnte, verwickelte ihn die Mutter bei der Geschichte seiner Krankheit, fragte ihn, wie es ihm an diesem kleinen Orte ergangen sei, und ob er die geh?rigen Bequemlichkeiten gefunden h?tte. Hierauf erz?hlte er mehrere, durch seine Leidenschaft zur Marquise interessanten, Z?ge: wie sie best?ndig, w?hrend seiner Krankheit, an seinem Bette gesessen h?tte; wie er die Vorstellung von ihr, in der Hitze des Wundfiebers, immer mit der Vorstellung eines Schwans verwechselt h?tte, den er, als Knabe, auf seines Onkels G?tern gesehen; dass ihm besonders eine Erinnerung r?hrend gewesen w?re, da er diesen Schwan einst mit Kot beworfen, worauf dieser still untergetaucht, und rein aus der Flut wieder emporgekommen sei; dass sie immer auf feurigen Fluten umhergeschwommen w?re, und er Thinka gerufen h?tte, welches der Name jenes Schwans gewesen, dass er aber nicht im Stande gewesen w?re, sie an sich zu locken, indem sie ihre Freude gehabt h?tte, bloss am Rudern und In-die-Brust-sich-werfen; versicherte pl?tzlich, blutrot im Gesicht, dass er sie ausserordentlich liebe: sah wieder auf seinen Teller nieder, und schwieg. Man musste endlich von der Tafel aufstehen; und da der Graf, nach einem kurzen Gespr?ch mit der Mutter, sich sogleich gegen die Gesellschaft verneigte, und wieder in sein Zimmer zur?ckzog: so standen die Mitglieder derselben wieder, und wussten nicht, was sie denken sollten. Der Kommandant meinte: man m?sse der Sache ihren Lauf lassen. Er rechne wahrscheinlich auf seine Verwandten bei diesem Schritte. Infame Kassation st?nde sonst darauf. Frau von G... fragte ihre Tochter, was sie denn von ihm halte? Und ob sie sich wohl zu irgend einer ?usserung, die ein Ungl?ck vermiede, w?rde verstehen k?nnen? Die Marquise antwortete: Liebste Mutter! Das ist nicht m?glich. Es tut mir leid, dass meine Dankbarkeit auf eine so harte Probe gestellt wird. Doch es war mein Entschluss, mich nicht wieder zu verm?hlen; ich mag mein Gl?ck nicht, und nicht so un?berlegt, auf ein zweites Spiel setzen. Der Forstmeister bemerkte, dass wenn dies ihr fester Wille w?re, auch diese Erkl?rung ihm Nutzen schaffen k?nne, und dass es fast notwendig scheinen ihm irgend eine bestimmte zu geben. Die Obristin versetzte, dass da dieser junge Mann, den so viele ausserordentliche Eigenschaften empfehlen, seinen Aufenthalt in Italien nehmen zu wollen, erkl?rt habe, sein Antrag, nach ihrer Meinung, einige R?cksicht, und der Entschluss der Marquise Pr?fung verdiene. Der Forstmeister, indem er sich bei ihr niederliess, fragte, wie er ihr denn, was seine Person anbetreffe, gefalle? Die Marquise antwortete, mit einiger Verlegenheit: er gef?llt und missf?llt mir; und berief sich auf das Gef?hl der anderen. Die Obristin sagte: wenn er von Neapel zur?ckkehrt, und die Erkundigungen, die wir inzwischen ?ber ihn einziehen k?nnten, dem Gesamteindruck, den du von ihm empfangen hast, nicht widerspr?chen: wie w?rdest du dich, falls er alsdann seinen Antrag wiederholte, erkl?ren? In diesem Fall, versetzte die Marquise, w?rd ich--da in der Tat seine W?nsche so lebhaft scheinen, diese W?nsche--sie stockte, und ihre Augen gl?nzten, indem sie dies sagte--um der Verbindlichkeit willen, die ich ihm schuldig bin, erf?llen. Die Mutter, die eine zweite Verm?hlung ihrer Tochter immer gew?nscht hatte, hatte M?he, ihre Freude ?ber diese Erkl?rung zu verbergen, und sann, was sich wohl daraus machen lasse. Der Forstmeister sagte, indem er unruhig vom Sitz wieder aufstand, dass wenn die Marquise irgend an die M?glichkeit denke, ihn einst mit ihrer Hand zu erfreuen, jetzt gleich notwendig ein Schritt dazu geschehen m?sse, um den Folgen seiner rasenden Tat vorzubeugen. Die Mutter war derselben Meinung, und behauptete, dass zuletzt das Wagst?ck nicht gross w?re, indem bei so vielen vortrefflichen Eigenschaften, die er in jener Nacht, da das Fort von den Russen erst?rmt ward, entwickelte, kaum zu f?rchten sei, dass sein ?briger Lebenswandel ihnen nicht entsprechen sollte. Die Marquise sah, mit dem Ausdruck der lebhaftesten Unruhe, vor sich nieder. Man k?nnte ihm ja, fuhr die Mutter fort, indem sie ihre Hand ergriff, etwa eine Erkl?rung, dass du, bis zu seiner R?ckkehr von Neapel, in keine andere Verbindung eingehen wollest, zukommen lassen. Die Marquise sagte: diese Erkl?rung, liebste Mutter, kann ich ihm geben; ich f?rchte nur, dass sie ihn nicht beruhigen, und uns verwickeln wird. Das sei meine Sorge! erwiderte die Mutter, mit lebhafter Freude; und sah sich nach dem Kommandanten um. Lorenzo! fragte sie, was meinst du? Und machte Anstalten, sich vom Sitz zu erheben. Der Kommandant, der alles geh?rt hatte, stand am Fenster, sah auf die Strasse hinaus, und sagte nichts. Der Forstmeister versicherte, dass er, mit dieser unsch?dlichen Erkl?rung, den Grafen aus dem Hause zu schaffen, sich anheischig mache. Nun so macht! macht! macht! rief der Vater, indem er sich umkehrte: ich muss mich diesem Russen schon zum zweitenmal ergeben!--Hierauf sprang die Mutter auf, k?sste ihn und die Tochter, und fragte, indem der Vater ?ber ihre Gesch?ftigkeit l?chelte, wie man dem Grafen jetzt diese Erkl?rung augenblicklich hinterbringen solle? Man beschloss, auf den Vorschlag des Forstmeisters, ihn bitten zu lassen, sich, falls er noch nicht entkleidet sei, gef?lligst auf einen Augenblick zur Familie zu verf?gen. Er werde gleich die Ehre haben zu erscheinen! liess der Graf antworten, und kaum war der Kammerdiener mit dieser Meldung zur?ck, als er schon selbst, mit Schritten, die die Freude befl?gelte, ins Zimmer trat, und zu den F?ssen der Marquise, in der allerlebhaftesten R?hrung niedersank. Der Kommandant wollte etwas sagen: doch er, indem er aufstand, versetzte, er wisse genug! k?sste ihm und der Mutter die Hand, umarmte den Bruder, und bat nur um die Gef?lligkeit, ihm sogleich zu einem Reisewagen zu verhelfen. Die Marquise, obschon von diesem Auftritt bewegt, sagte doch: ich f?rchte nicht, Herr Graf, dass Ihre rasche Hoffnung Sie zu weit--Nichts! Nichts! versetzte der Graf; es ist nichts geschehen, wenn die Erkundigungen, die Sie ?ber mich einziehen m?gen, dem Gef?hl widersprechen, das mich zu Ihnen in dies Zimmer zur?ckberief. Hierauf umarmte der Kommandant ihn auf das herzlichste, der Forstmeister bot ihm sogleich seinen eigenen Reisewagen an, ein J?ger flog auf die Post, Kurierpferde auf Pr?mien zu bestellen, und Freude war bei dieser Abreise, wie noch niemals bei einem Empfang. Er hoffe, sagte der Graf, die Depeschen in B... einzuholen, von wo er jetzt einen n?heren Weg nach Neapel, als ?ber M... einschlagen w?rde; in Neapel w?rde er sein M?glichstes tun, die fernere Gesch?ftsreise nach Konstantinopel abzulehnen; und da er, auf den ?ussersten Fall, entschlossen w?re, sich krank anzugeben, so versicherte er, dass wenn nicht unvermeidliche Hindernisse ihn abhielten, er in Zeit von vier bis sechs Wochen unfehlbar wieder in M... sein w?rde. Hierauf meldete sein J?ger, dass der Wagen angespannt, und alles zur Abreise bereit sei. Der Graf nahm seinen Hut, trat vor die Marquise, und ergriff ihre Hand. Nun denn, sprach er, Julietta, so bin ich einigermassen beruhigt; und legte seine Hand in die ihrige; obschon es mein sehnlichster Wunsch war, mich noch vor meiner Abreise mit Ihnen zu verm?hlen. Verm?hlen! riefen alle Mitglieder der Familie aus. Verm?hlen, wiederholte der Graf, k?sste der Marquise die Hand, und versicherte, da diese fragte, ob er von Sinnen sei: es w?rde ein Tag kommen, wo sie ihn verstehen w?rde! Die Familie wollte auf ihn b?se werden; doch er nahm gleich auf das w?rmste von allen Abschied, bat sie, ?ber diese ?usserung nicht weiter nachzudenken, und reiste ab.

Mehrere Wochen, in welchen die Familie, mit sehr verschiedenen Empfindungen, auf den Ausgang dieser sonderbaren Sache gespannt war, verstrichen. Der Kommandant empfing vom General K..., dem Onkel des Grafen, eine h?fliche Zuschrift; der Graf selbst schrieb aus Neapel; die Erkundigungen, die man ?ber ihn einzog, sprachen ziemlich zu seinem Vorteil; kurz, man hielt die Verlobung schon f?r so gut, wie abgemacht: als sich die Kr?nklichkeiten der Marquise, mit gr?sserer Lebhaftigkeit, als jemals, wieder einstellten. Sie bemerkte eine unbegreifliche Ver?nderung ihrer Gestalt. Sie entdeckte sich mit v?lliger Freim?tigkeit ihrer Mutter, und sagte, sie wisse nicht, was sie von ihrem Zustand denken solle. Die Mutter, welche so sonderbare Zuf?lle f?r die Gesundheit ihrer Tochter ?usserst besorgt machten, verlangte, dass sie einen Arzt zu Rate ziehe. Die Marquise, die durch ihre Natur zu siegen hoffte, str?ubte sich dagegen; sie brachte mehrere Tage noch, ohne dem Rat der Mutter zu folgen, unter den empfindlichsten Leiden zu: bis Gef?hle, immer wiederkehrend und von so wunderbarer Art, sie in die lebhafteste Unruhe st?rzten. Sie liess einen Arzt rufen, der das Vertrauen ihres Vaters besass, n?tigte ihn, da gerade die Mutter abwesend war, auf den Diwan nieder, und er?ffnete ihm, nach einer kurzen Einleitung, scherzend, was sie von sich glaube. Der Arzt warf einen forschenden Blick auf sie; schwieg noch, nachdem er eine genaue Untersuchung vollendet hatte, eine Zeitlang: und antwortete dann mit einer sehr ernsthaften Miene, dass die Frau Marquise ganz richtig urteile. Nachdem er sich auf die Frage der Dame, wie er dies verstehe, ganz deutlich erkl?rt, und mit einem L?cheln, das er nicht unterdr?cken konnte, gesagt hatte, dass sie ganz gesund sei, und keinen Arzt brauche, zog die Marquise, und sah ihn sehr streng von der Seite an, die Klingel, und bat ihn, sich zu entfernen. Sie ?usserte halblaut, als ob er der Rede nicht wert w?re, vor sich nieder murmelnd: dass sie nicht Lust h?tte, mit ihm ?ber Gegenst?nde dieser Art zu scherzen. Der Doktor erwiderte empfindlich: er m?sse w?nschen, dass sie immer zum Scherz so wenig aufgelegt gewesen w?re, wie jetzt; nahm Stock und Hut, und machte Anstalten, sich sogleich zu empfehlen. Die Marquise versicherte, dass sie von diesen Beleidigungen ihren Vater unterrichten w?rde. Der Arzt antwortete, dass er seine Aussage vor Gericht beschw?ren k?nne: ?ffnete die T?r, verneigte sich, und wollte das Zimmer verlassen. Die Marquise fragte, da er noch einen Handschuh, den er hatte fallen lassen, von der Erde aufnahm: und die M?glichkeit davon, Herr Doktor? Der Doktor erwiderte, dass er ihr die letzten Gr?nde der Dinge nicht werde zu erkl?ren brauchen; verneigte sich ihr noch einmal, und ging ab.

Die Marquise stand, wie vom Donner ger?hrt. Sie raffte sich auf, und wollte zu ihrem Vater eilen; doch der sonderbare Ernst des Mannes, von dem sie sich beleidigt sah, l?hmte alle ihre Glieder. Sie warf sich in der gr?ssten Bewegung auf den Diwan nieder. Sie durchlief, gegen sich selbst misstrauisch, alle Momente des verflossenen Jahres, und hielt sich f?r verr?ckt, wenn sie an den letzten dachte. Endlich erschien die Mutter; und auf die best?rzte Frage, warum sie so unruhig sei? erz?hlte ihr die Tochter, was ihr der Arzt soeben er?ffnet hatte. Frau von G... nannte ihn einen Unversch?mten und Nichtsw?rdigen, und best?rkte die Tochter in dem Entschluss, diese Beleidigung dem Vater zu entdecken. Die Marquise versicherte, dass es sein v?lliger Ernst gewesen sei, und dass er entschlossen scheine, dem Vater ins Gesicht seine rasende Behauptung zu wiederholen. Frau von G... fragte, nicht wenig erschrocken, ob sie denn an die M?glichkeit eines solchen Zustandes glaube? Eher, antwortete die Marquise, dass die Gr?ber befruchtet werden, und sich dem Schosse der Leichen eine Geburt entwickeln wird! Nun, du liebes wunderliches Weib, sagte die Obristin, indem sie sie fest an sich dr?ckte: was beunruhigt dich denn? Wenn dein Bewusstsein dich rein spricht: wie kann dich ein Urteil, und w?re es das einer ganzen Konsulta von ?rzten, nur k?mmern? Ob das seinige aus Irrtum, ob es aus Bosheit entsprang: gilt es dir nicht v?llig gleichviel? Doch schicklich ist es, dass wir es dem Vater entdecken.--O Gott! sagte die Marquise, mit einer konvulsivischen Bewegung: wie kann ich mich beruhigen. Hab ich nicht mein eignes, innerliches, mir nur allzuwohlbekanntes Gef?hl gegen mich? W?rd ich nicht, wenn ich in einer andern meine Empfindung w?sste, von ihr selbst urteilen, dass es damit seine Richtigkeit habe? Es ist entsetzlich, versetzte die Obristin. Bosheit! Irrtum! fuhr die Marquise fort. Was kann dieser Mann, der uns bis auf den heutigen Tag sch?tzensw?rdig erschien, f?r Gr?nde haben, mich auf eine so mutwillige und niedertr?chtige Art zu kr?nken? Mich, die ihn nie beleidigt hatte? Die ihn mit Vertrauen, und dem Vorgef?hl zuk?nftiger Dankbarkeit, empfing? Bei der er, wie seine ersten Worte zeugten, mit dem reinen und unverf?lschten Willen erschien, zu helfen, nicht Schmerzen, grimmigere, als ich empfand, erst zu erregen? Und wenn ich in der Notwendigkeit der Wahl, fuhr sie fort, w?hrend die Mutter sie unverwandt ansah, an einen Irrtum glauben wollte: ist es wohl m?glich, dass ein Arzt, auch nur von mittelm?ssiger Geschicklichkeit, in solchem Falle irre? Die Obristin sagte ein wenig spitz: und gleichwohl muss es doch notwendig eins oder das andere gewesen sein. Ja! versetzte die Marquise, meine teuerste Mutter, indem sie ihr, mit dem Ausdruck der gekr?nkten W?rde, hochrot im Gesicht gl?hend, die Hand k?sste: das muss es! Obschon die Umst?nde so ausserordentlich sind, dass es mir erlaubt ist, daran zu zweifeln. Ich schw?re, weil es doch einer Versicherung bedarf, dass mein Bewusstsein, gleich dem meiner Kinder ist; nicht reiner, Verehrungsw?rdigste, kann das Ihrige sein. Gleichwohl bitte ich Sie, mir eine Hebamme rufen zu lassen, damit ich mich von dem, was ist, ?berzeuge, und gleichviel alsdann, was es sei, beruhige. Eine Hebamme! rief Frau von G... mit Entw?rdigung. Ein reines Bewusstsein, und eine Hebamme! Und die Sprache ging ihr aus. Eine Hebamme, meine teuerste Mutter, wiederholte die Marquise, indem sie sich auf Knieen vor ihr niederliess; und das augenblicklich, wenn ich nicht wahnsinnig werden soll. O sehr gern, versetzte die Obristin; nur bitte ich, das Wochenlager nicht in meinem Hause zu halten. Und damit stand sie auf, und wollte das Zimmer verlassen. Die Marquise, ihr mit ausgebreiteten Armen folgend, fiel ganz auf das Gesicht nieder, und umfasste ihre Kniee. Wenn irgend ein unstr?fliches Leben, rief sie, mit der Beredsamkeit des Schmerzes, ein Leben, nach Ihrem Muster gef?hrt, mir ein Recht auf Ihre Achtung gibt, wenn irgend ein m?tterliches Gef?hl auch nur, so lange meine Schuld nicht sonnenklar entschieden ist, in Ihrem Busen f?r mich spricht: so verlassen Sie mich in diesen entsetzlichen Augenblicken nicht.--Was ist es, das dich beunruhigt? fragte die Mutter. Ist es weiter nichts, als der Ausspruch des Arztes? Weiter nichts, als dein innerliches Gef?hl? Nichts weiter, meine Mutter, versetzte die Marquise, und legte ihre Hand auf die Brust. Nichts, Julietta? fuhr die Mutter fort. Besinne dich. Ein Fehltritt, so uns?glich er mich schmerzen w?rde, er liesse sich, und ich m?sste ihn zuletzt verzeihn; doch wenn du, um einem m?tterlichen Verweis auszuweichen, ein M?rchen von der Umw?lzung der Weltordnung ersinnen, und gottesl?sterliche Schw?re h?ufen k?nntest, um es meinem, dir nur allzugerngl?ubigen, Herzen aufzub?rden: so w?re das sch?ndlich; ich w?rde dir niemals wieder gut werden.--M?ge das Reich der Erl?sung einst so offen vor mir liegen, wie meine Seele vor Ihnen, rief die Marquise. Ich verschwieg Ihnen nichts, meine Mutter. --Diese ?usserung, voll Pathos getan, ersch?tterte die Mutter. O Himmel! rief sie: mein liebensw?rdiges Kind! Wie r?hrst du mich! Und hob sie auf, und k?sste sie, und dr?ckte sie ihre Brust. Was denn, in aller Welt, f?rchtest du? Komm, du bist sehr krank. Sie wollte sie in ein Bett f?hren. Doch die Marquise, welcher die Tr?nen h?ufig flossen, versicherte, dass sie sehr gesund w?re, und das ihr gar nichts fehle, ausser jenem sonderbaren und unbegreiflichen Zustand. --Zustand! rief die Mutter wieder; welch ein Zustand? Wenn dein Ged?chtnis ?ber die Vergangenheit so sicher ist, welch ein Wahnsinn der Furcht ergriff dich? Kann ein innerliches Gef?hl denn, das doch nur dunkel sich regt, nicht tr?gen? Nein! Nein! sagte die Marquise, es tr?gt mich nicht! Und wenn Sie die Hebamme rufen lassen wollen, so werden Sie h?ren, dass das Entsetzliche, mich Vernichtende, wahr ist. Komm, meine liebste Tochter, sagte Frau von G..., die f?r ihren Verstand zu f?rchten anfing. Komm, folge mir, und lege dich zu Bett. Was meintest du, dass dir der Arzt gesagt hat? Wie dein Gesicht gl?ht! Wie du an allen Gliedern so zitterst! Was war es schon, das dir der Arzt gesagt hat? Und damit zog sie die Marquise, ungl?ubig nunmehr an den ganzen Auftritt, den sie ihr erz?hlt hatte, mit sich fort.--Die Marquise sagte: Liebe! Vortreffliche! indem sie mit weinenden Augen l?chelte. Ich bin meiner Sinne m?chtig. Der Arzt hat mir gesagt, dass ich in gesegneten Leibesumst?nden bin. Lassen Sie die Hebamme rufen: und sobald sie sagt, dass es nicht wahr ist, bin ich wieder ruhig. Gut, gut! erwiderte die Obristin, die ihre Angst unterdr?ckte. Sie soll gleich kommen; sie soll gleich, wenn du dich von ihr willst auslachen lassen, erscheinen, und dir sagen, dass du eine Tr?umerin, und nicht recht klug bist. Und damit zog sie die Klingel, und schickte augenblicklich einen ihrer Leute, der die Hebamme rufe.

Die Marquise lag noch, mit unruhig sich hebender Brust, in den Armen ihrer Mutter, als diese Frau erschien, und die Obristin ihr, an welcher seltsamen Vorstellung ihre Tochter krank liege, er?ffnete. Die Frau Marquise schw?re, dass sie sich tugendhaft verhalten habe, und gleichwohl halte sie, von einer unbegreiflichen Empfindung get?uscht, f?r n?tig, dass eine sachverst?ndige Frau ihren Zustand untersuche. Die Hebamme, w?hrend sie sich von demselben unterrichtete, sprach von jungem Blut und der Arglist der Welt; ?usserte, als sie ihr Gesch?ft vollendet hatte, dergleichen F?lle w?ren ihr schon vorgekommen; die jungen Witwen, die in ihre Lage k?men, meinten alle auf w?sten Inseln gelebt zu haben; beruhigte inzwischen die Frau Marquise, und versicherte sie, dass sich der muntere Korsar, der zur Nachtzeit gelandet, schon finden w?rde. Bei diesen Worten fiel die Marquise in Ohnmacht. Die Obristin, die ihr m?tterliches Gef?hl nicht ?berw?ltigen konnte, brachte sie zwar, mit H?lfe der Hebamme, wieder ins Leben zur?ck. Doch die Entr?stung siegte, da sie erwacht war. Julietta! rief die Mutter mit dem lebhaftesten Schmerz. Willst du dich mir entdecken, willst du den Vater mir nennen? Und schien noch zur Vers?hnung geneigt. Doch als die Marquise sagte, dass sie wahnsinnig werden w?rde, sprach die Mutter, indem sie sich vom Diwan erhob: geh! geh! du bist nichtsw?rdig! Verflucht sei die Stunde, da ich dich gebar! und verliess das Zimmer.

Die Marquise, der das Tageslicht von neuem schwinden wollte, zog die Geburtshelferin vor sich nieder, und legte ihr Haupt heftig zitternd an ihre Brust. Sie fragte, mit gebrochener Stimme, wie denn die Natur auf ihren Wegen walte? Und ob die M?glichkeit einer unwissentlichen Empf?ngnis sei?--Die Hebamme l?chelte, machte ihr das Tuch los, und sagte, das w?rde ja doch der Frau Marquise Fall nicht sein. Nein, nein, antwortete die Marquise, sie habe wissentlich empfangen, sie wolle nur im allgemeinen wissen, ob diese Erscheinung im Reiche der Natur sei? Die Hebamme versetzte, dass dies, ausser der heiligen Jungfrau, noch keinem Weibe auf Erden zugestossen w?re. Die Marquise zitterte immer heftiger. Sie glaubte, dass sie augenblicklich niederkommen w?rde, und bat die Geburtshelferin, indem sie sich mit krampfhafter Be?ngstigung an sie schloss, sie nicht zu verlassen. Die Hebamme beruhigte sie. Sie versicherte, dass das Wochenbett noch betr?chtlich entfernt w?re, gab ihr auch die Mittel an, wie man, in solchen F?llen, dem Leumund der Welt ausweichen k?nne, und meinte, es w?rde noch alles gut werden. Doch da diese Trostgr?nde der ungl?cklichen Dame v?llig wie Messerstiche durch die Brust fuhren, so sammelte sie sich, sagte, sie bef?nde sich besser, und bat ihre Gesellschafterin sich zu entfernen.

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