Read Ebook: Das Käthchen von Heilbronn: Oder die Feuerprobe by Kleist Heinrich Von
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Ebook has 1399 lines and 27343 words, and 28 pages
Wenzel. Da er auf f?nf Minuten in deine Werkstatt kam, um sich eine Brustschiene anheften zu lassen?
Graf Otto. Fasse dich, Alter, und erz?hle den Hergang.
Theobald . Es mochte ohngef?hr eilf Uhr morgens sein, als er, mit einem Tross Reisiger, vor mein Haus sprengte, rasselnd, der Erzgepanzerte, vom Pferd stieg, und in meine Werkstatt trat: das Haupt tief herab neigt' er, um mit den Reiherb?schen, die ihm vom Helm niederwankten, durch die T?r zu kommen. Meister, schau her, spricht er: dem Pfalzgrafen, der eure W?lle niederreissen will, zieh ich entgegen; die Lust, ihn zu treffen, sprengt mir die Schienen; nimm Eisen und Draht, ohne dass ich mich zu entkleiden brauche, und heft sie mir wieder zusammen. Herr! sag ich: wenn Euch die Brust so die R?stung zerschmeisst, so l?sst der Pfalzgraf unsere W?lle ganz; n?tig ihn auf einen Sessel, in des Zimmers Mitte nieder, und: Wein! ruf ich in die T?re, und vom frischger?ucherten Schinken, zum Imbiss! und setz einen Schemel, mit Werkzeugen versehn, vor ihn, um ihm die Schiene wieder herzustellen. Und w?hrend draussen noch der Streithengst wiehert, und, mit den Pferden der Knechte, den Grund zerstampft, dass der Staub, als w?r ein Cherub vom Himmel niedergefahren, emporquoll: ?ffnet langsam, ein grosses, flaches Silbergeschirr auf dem Kopf tragend, auf welchem Flaschen, Gl?ser und der Imbiss gestellt waren, das M?dchen die T?re und tritt ein. Nun seht, wenn mir Gott der Herr aus Wolken erschiene, so w?rd ich mich ohngef?hr so fassen, wie sie. Geschirr und Becher und Imbiss, da sie den Ritter erblickt, l?sst sie fallen; und leichenbleich, mit H?nden, wie zur Anbetung verschr?nkt, den Boden mit Brust und Scheiteln k?ssend, st?rzt sie vor ihm nieder, als ob sie ein Blitz nieder geschmettert h?tte! Und da ich sage: Herr meines Lebens! Was fehlt dem Kind? und sie aufhebe: schlingt sie, wie ein Taschenmesser zusammenfallend, den Arm um mich, das Antlitz flammend auf ihn gerichtet, als ob sie eine Erscheinung h?tte. Der Graf vom Strahl, indem er ihre Hand nimmt, fragt: wes ist das Kind? Gesellen und M?gde str?men herbei und jammern: hilf Himmel! Was ist dem J?ngferlein widerfahren; doch da sie sich, mit einigen sch?chternen Blicken auf sein Antlitz, erholt, so denk ich, der Anfall ist wohl auch vor?ber, und gehe, mit Pfriemen und Nadeln, an mein Gesch?ft. Drauf sag ich: Wohlauf, Herr Ritter! Nun m?gt Ihr den Pfalzgrafen treffen; die Schiene ist eingerenkt, das Herz wird sie Euch nicht mehr zersprengen. Der Graf steht auf; er schaut das M?dchen, das ihm bis an die Brusth?hle ragt, vom Wirbel zur Sohle, gedankenvoll an, und beugt sich, und k?sst ihr die Stirn und spricht: der Herr segne dich, und beh?te dich, und schenke dir seinen Frieden, Amen! Und da wir an das Fenster treten: schmeisst sich das M?dchen, in dem Augenblick, da er den Streithengst besteigt, dreissig Fuss hoch, mit aufgehobenen H?nden, auf das Pflaster der Strasse nieder: gleich einer Verlorenen, die ihrer f?nf Sinne beraubt ist! Und bricht sich beide Lenden, ihr heiligen Herren, beide zarten Lendchen, dicht ?ber des Knierunds elfenbeinernem Bau; und ich, alter, bejammernsw?rdiger Narr, der mein versinkendes Leben auf sie st?tzen wollte, muss sie, auf meinen Schultern, wie zu Grabe tragen; indessen er dort, den Gott verdamme! zu Pferd, unter dem Volk, das herbeistr?mt, her?berruft von hinten, was vorgefallen sei!--Hier liegt sie nun, auf dem Todbett, in der Glut des hitzigen Fiebers, sechs endlose Wochen, ohne sich zu regen. Keinen Laut bringt sie hervor; auch nicht der Wahnsinn, dieser Dietrich aller Herzen, er?ffnet das ihrige; kein Mensch vermag das Geheimnis, das in ihr waltet, ihr zu entlocken. Und pr?ft, da sie sich ein wenig erholt hat, den Schritt, und schn?rt ihr B?ndel, und tritt, beim Strahl der Morgensonne, in die T?r: wohin? fragt sie die Magd; zum Grafen Wetter vom Strahl, antwortet sie, und verschwindet.
Wenzel. Es ist nicht m?glich!
Hans. Verschwindet?
Wenzel. Und l?sst alles hinter sich zur?ck?
Hans. Eigentum, Heimat und den Br?utigam, dem sie verlobt war?
Wenzel. Und begehrt auch deines Segens nicht einmal?
Theobald. Verschwindet, ihr Herren--Verl?sst mich und alles, woran Pflicht, Gewohnheit und Natur sie kn?pften--K?sst mir die Augen, die schlummernden, und verschwindet; ich wollte, sie h?tte sie mir zugedr?ckt.
Wenzel. Beim Himmel! Ein seltsamer Vorfall.-Theobald. Seit jenem Tage folgt sie ihm nun, gleich einer Metze, in blinder Ergebung, von Ort zu Ort; gef?hrt am Strahl seines Angesichts, f?nfdr?htig, wie einen Tau, um ihre Seele gelegt; auf nackten, jedem Kiesel ausgesetzten, F?ssen, das kurze R?ckchen, das ihre H?fte deckt, im Winde flatternd, nichts als den Strohhut auf, sie gegen der Sonne Stich, oder den Grimm emp?rter Witterung zu sch?tzen. Wohin sein Fuss, im Lauf seiner Abenteuer, sich wendet: durch den Dampf der Kl?fte, durch die W?ste, die der Mittag versengt, durch die Nacht verwachsener W?lder: wie ein Hund, der von seines Herren Schweiss gekostet, schreitet sie hinter ihm her; und die gewohnt war, auf weichen Kissen zu ruhen, und das Kn?tlein sp?rte, in des Bettuchs Faden, das ihre Hand unachtsam darin eingesponnen hatte: die liegt jetzt, einer Magd gleich, in seinen St?llen, und sinkt, wenn die Nacht k?mmt, erm?det auf die Streu nieder, die seinen stolzen Rossen untergeworfen wird.
Graf Otto. Graf Wetter vom Strahl! Ist dies gegr?ndet?
Der Graf vom Strahl. Wahr ists, ihr Herren; sie geht auf der Spur, die hinter mir zur?ckbleibt. Wenn ich mich umsehe, erblick ich zwei Dinge: meinen Schatten und sie.
Graf Otto. Und wie erkl?rt Ihr Euch diesen sonderbaren Umstand?
Der Graf vom Strahl. Ihr unbekannten Herren der Vehme! Wenn der Teufel sein Spiel mit ihr treibt, so braucht er mich dabei, wie der Affe die Pfoten der Katze; ein Schelm will ich sein, holt er den Nusskern f?r mich. Wollt ihr meinem Wort schlechthin, wies die heilige Schrift vorschreibt, glauben: ja, ja, nein, nein; gut! Wo nicht, so will ich nach Worms, und den Kaiser bitten, dass er den Theobald ordiniere. Hier werf ich ihm vorl?ufig meinen Handschuh hin!
Graf Otto. Ihr sollt hier Rede stehn, auf unsre Frage! Womit rechtfertigt Ihr, dass sie unter Eurem Dache schl?ft? Sie, die in das Haus hingeh?rt, wo sie geboren und erzogen ward?
Der Graf vom Strahl. Ich war, es m?gen ohngef?hr zw?lf Wochen sein, auf einer Reise, die mich nach Strassburg f?hrte, erm?det, in der Mittagshitze, an einer Felswand, eingeschlafen--nicht im Traum gedacht ich des M?dchens mehr, das in Heilbronn aus dem Fenster gest?rzt war--da liegt sie mir, wie ich erwache, gleich einer Rose, entschlummert zu F?ssen; als ob sie vom Himmel herabgeschneit w?re! Und da ich zu den Knechten, die im Grase herumliegen, sage: Ei, was der Teufel! Das ist ja das K?thchen von Heilbronn! schl?gt sie die Augen auf, und bindet sich das H?tlein zusammen, das ihr schlafend vom Haupt herabgerutscht war. Katharine! ruf ich: M?del! Wo k?mmst auch her? Auf funfzehn Meilen von Heilbronn, fernab am Gestade des Rheins? "Hab ein Gesch?ft, gestrenger Herr", antwortet sie, "das mich gen Strassburg f?hrt; schauert mich im Wald so einsam zu wandern, und schlug mich zu Euch." Drauf lass ich ihr zur Erfrischung reichen, was mir Gottschalk, der Knecht, mit sich f?hrt, und erkundige mich: wie der Sturz abgelaufen; auch, was der Vater macht? Und was sie in Strassburg zu erschaffen denke? Doch da sie nicht freiherzig mit der Sprache herausr?ckt: was auch gehts dich an, denk ich; ding ihr einen Boten, der sie durch den Wald f?hre, schwing mich auf den Rappen, und reite ab. Abends, in der Herberg, an der Strassburger Strass, will ich mich eben zur Ruh niederlegen: da kommt Gottschalk, der Knecht, und spricht: das M?dchen sei unten und begehre in meinen St?llen zu ?bernachten. Bei den Pferden? frag ich. Ich sage: wenns ihr weich genug ist, mich wirds nicht dr?cken. Und f?ge noch, indem ich mich im Bett wende, hinzu: magst ihr wohl eine Streu unterlegen, Gottschalk, und sorgen, dass ihr nichts widerfahre. Drauf, wandert sie, kommenden Tages fr?her aufgebrochen, als ich, wieder auf der Heerstrasse, und lagert sich wieder in meinen St?llen, und lagert sich Nacht f?r Nacht, so wie mir der Streifzug fortschreitet, darin, als ob sie zu meinem Tross geh?rte. Nun litt ich das, ihr Herren, um jenes grauen, unwirschen Alten willen, der mich jetzt darum straft; denn der Gottschalk, in seiner Wunderlichkeit, hatte das M?dchen lieb gewonnen, und pflegte ihrer, in der Tat, als seiner Tochter; f?hrt dich die Reise einst, dacht ich, durch Heilbronn, so wird der Alte dirs danken. Doch da sie sich auch in Strassburg, in der erzbisch?flichen Burg, wieder bei mir einfindet, und ich gleichwohl sp?re, dass sie nichts im Orte erschafft. denn mir hatte sie sich ganz und gar geweiht, und wusch und flickte, als ob es sonst am Rhein nicht zu haben w?re: so trete ich eines Tages, da ich sie auf der Stallschwelle finde, zu ihr und frage: was f?r ein Gesch?ft sie in Strassburg betreibe? Ei, spricht sie, gestrenger Herr, und eine R?te, dass ich denke, ihre Sch?rze wird angehen, flammt ?ber ihr Antlitz empor: "was fragt Ihr doch? Ihr wissts ja!"--Holla! denk ich, steht es so mit dir? und sende einen Boten flugs nach Heilbronn, dem Vater zu, mit folgender Meldung: das K?thchen sei bei mir; ich h?tete seiner; in kurzem k?nne er es, vom Schlosse zu Strahl, wohin ich es zur?ckbringen w?rde, abholen.
Graf Otto. Nun? Und hierauf?
Wenzel. Der Alte holte die Jungfrau nicht ab?
Der Graf vom Strahl. Drauf, da er am zwanzigsten Tage, um sie abzuholen, bei mir erscheint, und ich ihn in meiner V?ter Saal f?hre: erschau ich mit Befremden, dass er, beim Eintritt in die T?r, die Hand in den Weihkessel steckt, und mich mit dem Wasser, das darin befindlich ist, besprengt. Ich arglos, wie ich von Natur bin, n?tge ihn auf einen Stuhl nieder; erz?hle ihm, mit Offenherzigkeit, alles, was vorgefallen; er?ffne ihm auch, in meiner Teilnahme, die Mittel, wie er die Sache, seinen W?nschen gem?ss, wieder ins Geleis r?cken k?nne; und tr?ste ihn und f?hr ihn, um ihm das M?dchen zu ?bergeben, in den Stall hinunter, wo sie steht, und mir eine Waffe von Rost s?ubert. So wie er in die T?r tritt, und die Arme mit tr?nenvollen Augen ?ffnet, sie zu empfangen, st?rzt mir das M?dchen leichenbleich zu F?ssen, alle Heiligen anrufend, dass ich sie vor ihm sch?tze. Gleich einer Salzs?ule steht er, bei diesem Anblick, da; und ehe ich mich noch gefasst habe, spricht er schon, das entsetzensvolle Antlitz auf mich gerichtet: das ist der leibhaftige Satan! und schmeisst mir den Hut, den er in der Hand h?lt, ins Gesicht, als wollt er ein Greuelbild verschwinden machen, und l?uft, als setzte die ganze H?lle ihm nach, nach Heilbronn zur?ck.
Graf Otto. Du wunderlicher Alter! Was hast du f?r Einbildungen?
Wenzel. Was war in dem Verfahren des Ritters, das Tadel verdient? Kann er daf?r, wenn sich das Herz deines t?richten M?dchens ihm zuwendet?
Hans. Was ist in diesem ganzen Vorfall, das ihn anklagt?
Theobald. Was ihn anklagt? O du--Mensch, entsetzlicher, als Worte fassen, und der Gedanke ermisst: stehst du nicht rein da, als h?tten die Cherubim sich entkleidet, und ihren Glanz dir, funkelnd wie Mailicht, um die Seele gelegt!--Musst ich vor dem Menschen nicht erbeben, der die Natur, in dem reinsten Herzen, das je geschaffen ward, dergestalt umgekehrt hat, dass sie vor dem Vater, zu ihr gekommen, seiner Liebe Brust ihren Lippen zu reichen, kreideweissen Antlitzes entweicht, wie vor dem Wolfe, der sie zerreissen will? Nun denn, so walte, Hekate, F?rstin des Zaubers, moorduftige K?nigin der Nacht! Sprosst, ihr d?monischen Kr?fte, die die menschliche Satzung sonst auszuj?ten bem?ht war, bl?ht auf, unter dem Atem der Hexen, und schosst zu W?ldern empor, dass die Wipfel sich zerschlagen, und die Pflanze des Himmels, die am Boden keimt, verwese; rinnt, ihr S?fte der H?lle, tr?pfelnd aus St?mmen und Stielen gezogen, fallt, wie ein Katarakt, ins Land, dass der erstickende Pestqualm zu den Wolken empordampft; fliesst und ergiesst euch durch alle R?hren des Lebens, und schwemmt, in allgemeiner S?ndflut, Unschuld und Tugend hinweg!
Graf Otto. Hat er ihr Gift eingefl?sst?
Wenzel. Meinst du, dass er ihr verzauberte Tr?nke gereicht?
Hans. Opiate, die des Menschen Herz, der sie geniesst, mit geheimnisvoller Gewalt umstricken?
Theobald. Gift? Opiate? Ihr hohen Herren, was fragt ihr mich? Ich habe die Flaschen nicht gepfropft, von welchen er ihr, an der Wand des Felsens, zur Erfrischung reichte; ich stand nicht dabei, als sie in der Herberge, Nacht f?r Nacht, in seinen St?llen schlief. Wie soll ich wissen, ob er ihr Gift eingefl?sst? habt neun Monate Geduld; alsdann sollt ihr sehen, wies ihrem jungen Leibe bekommen ist.
Der Graf vom Strahl. Der alte Esel, der! Dem entgegn' ich nichts, als meinen Namen! Ruft sie herein; und wenn sie ein Wort sagt, auch nur von fern duftend, wie diese Gedanken, so nennt mich den Grafen von der stinkenden Pf?tze, oder wie es sonst eurem gerechten Unwillen beliebt.
Zweiter Auftritt
K?thchen mit verbundenen Augen, gef?hrt von zwei H?schern.--Die H?scher nehmen ihr das Tuch ab, und gehen wieder fort.--Die Vorigen.
K?thchen . Mein hoher Herr!
Der Graf vom Strahl. Was willst du?
K?thchen. Vor meinen Richter hat man mich gerufen.
Der Graf vom Strahl. Dein Richter bin nicht ich. Steh auf, dort sitzt er; Hier steh ich, ein Verklagter, so wie du.
K?thchen. Mein hoher Herr! Du spottest.
Der Graf vom Strahl. Nein! Du h?rst! Was neigst du mir dein Angesicht in Staub? Ein Zaubrer bin ich, und gestand es schon Und lass, aus jedem Band, das ich dir wirkte, Jetzt deine junge Seele los.
Graf Otto. Hier Jungfrau, wenns beliebt; hier ist die Schranke!
Hans. Hier sitzen deine Richter!
K?thchen . Ihr versucht mich.
Wenzel. Hier tritt heran! Hier sollst du Rede stehn.
K?thchen .
Graf Otto. Nun?
Wenzel. Wirds?
Hans. Wirst du gef?llig dich bem?hn?
Graf Otto. Wirst dem Gebot dich deiner Richter f?gen?
K?thchen . Sie rufen mich
Wenzel. Nun, ja!
Hans. Was sagte sie?
Graf Otto . Ihr Herrn, was fehlt dem sonderbaren Wesen?
K?thchen . Vermummt von Kopf zu F?ssen sitzen sie, Wie das Gericht, am j?ngsten Tage, da!
Der Graf vom Strahl . Du wunderliche Maid! Was tr?umst, was treibst du? Du stehst hier vor dem heimlichen Gericht! Auf jene b?se Kunst bin ich verklagt, Mit der ich mir, du weisst, dein Herz gewann, Geh hin, und melde jetzo, was geschehn!
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