bell notificationshomepageloginedit profileclubsdmBox

Read Ebook: Malmedy und die preußische Wallonie by Kellen Tony

More about this book

Font size:

Background color:

Text color:

Add to tbrJar First Page Next Page

Ebook has 190 lines and 24853 words, and 4 pages

Release date: October 4, 2023

Original publication: Essen : Fredebeul & Koenen, 1897

####################################################################

Anmerkungen zur Transkription

Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1897 so weit wie m?glich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungew?hnliche und heute nicht mehr verwendete Schreibweisen bleiben gegen?ber dem Original unver?ndert; fremdsprachliche Ausdr?cke wurden nicht korrigiert.

Verschiedene Schreibweisen, insbesondere bei Personen- und Ortsnamen, wurden nicht vereinheitlicht, sofern die Varianten mehrmals im Text auftreten. Auch die Verwendung der Umlaute ? und ?, bzw. deren Umschreibung Ae und Ue, ist nicht einheitlich; dies wurde ebenso belassen.

Die Fussnoten wurden an das Ende des jeweiligen Kapitels verschoben.

Das Original wurde in Frakturschrift gesetzt; besondere Schriftschnitte werden im vorliegenden Text mit Hilfe der folgenden Sonderzeichen gekennzeichnet:

~ ####################################################################

Malmedy und die preussische Wallonie.

Skizzen und Studien

von

A. Kellen.

Essen 1897.

Verlag von Fredebeul & Koenen.

Alle Rechte vorbehalten.

Druck von Fredebeul & Koenen in Essen.

Inhalts-Verzeichnis.

Seite

~A.~ Das Thal mit der Inselquelle 25

~B.~ Das Thal von Mon-Bijou mit der G?romontquelle 26

~C.~ Das Thal von B?verc? mit den Felsenquellen 27

~D.~ Weitere Ausfl?ge 28

Vorwort.

Die vorliegende Schrift soll zum ersten Mal den Versuch machen, die Aufmerksamkeit weiterer Kreise in Deutschland auf Malmedy, den Hauptort der preussischen Wallonie, zu lenken. Dieser vorgeschobene Posten in des deutschen Reiches Westmark, der einst eine hervorragende St?tte der Kultur war, aber durch die Ungunst der Verh?ltnisse das Schicksal der vom grossen Verkehr abseits liegenden Eifel teilte, verdient wohl, dass seine Geschichte und seine Eigent?mlichkeiten bekannt werden. Die Stadt selbst, die in einer an Natursch?nheiten reichen Gegend liegt, entwickelt sich jetzt, dank der Thatkraft ihrer B?rger, zu einem Badeort, dessen Mineralquellen denjenigen der unweit an der Grenze gelegenen belgischen Stadt Spa erfolgreiche Konkurrenz machen k?nnen.

Durch einen mehrmaligen Aufenthalt in Malmedy habe ich die dortigen Verh?ltnisse aus eigener Anschauung kennen gelernt; auch haben Einheimische wie Altdeutsche mir in bereitwilligster Weise Material f?r dieses Werkchen, von dem voriges Jahr ein Teil in der Unterhaltungsbeilage zur ,,T?glichen Rundschau" erschienen ist, zur Verf?gung gestellt.

M?ge es dieser Schrift gelingen, in Deutschland einiges Interesse f?r das bis jetzt so wenig beachtete Malmedy und die preussische Wallonie zu wecken!

Einleitung.

Einige Jahre hindurch hatte ich die Verh?ltnisse in Elsass-Lothringen studiert und besonders dem Vordringen des Deutschtums in den franz?sischen Sprachgegenden mein Augenmerk zugewandt. Es wurde nun der Wunsch in mir rege, auch eine andere Gegend kennen zu lernen, die, abgesehen von ihrer geringeren Ausdehnung, ?hnliche Verh?ltnisse aufweist, n?mlich die preussische Wallonie. Diese Bezeichnung mag manchem Leser wenig oder gar nicht bekannt sein. Thats?chlich ist aber ein bedeutender Teil des Kreises Malmedy wallonisch und die Stadt gleichen Namens ist der Hauptort der sogenannten preussischen Wallonie. Die Bewohner dieser seit 1815 zu Preussen geh?rigen Gegend sprechen wallonisch und franz?sisch, ein Teil beherrscht auch das Deutsche. Wenn Malmedy in den Zeitungen nicht oft genannt wird, so ist das sehr begreiflich: deutschfeindliche Umtriebe kommen dort nicht vor, und man hat auch zuviel mit den Polen im Osten und den D?nen im Norden zu thun, als dass man sich mit einer verh?ltnissm?ssig geringen Zahl Wallonen im Westen des preussischen Staates besch?ftigen sollte. Dann sind auch im S?dwesten des Deutschen Reiches die Els?sser und Lothringer, mit denen sich die ?ffentliche Meinung noch oft genug zu befassen hat. Aber merkw?rdig sind die Verh?ltnisse doch auch in Malmedy und der Umgegend; die wenigen Notizen, die es mir gelungen war, vor meiner Reise in jene Gegend dar?ber zu sammeln, gaben mir keinen Aufschluss ?ber die Fragen, die mich besonders interessirten, und so f?hrte ich den l?ngst gefassten Entschluss aus, an Ort und Stelle mich ?ber die Verh?ltnisse zu erkundigen.

Von Strassburg fuhr ich nach Luxemburg und von dort brachte ein gem?thlicher Bummelzug mich nach dem n?rdlichen Theile des Grossherzogtums, dem Oesling. Die Gegend ist dort gebirgiger und rauher, als im Gutlande. Die letzte einigermassen bedeutende Ortschaft auf grossherzoglichem Boden ist Ulflingen, von den Luxemburgern Elwen genannt, w?hrend die franz?sische Bezeichnung ~Trois-Vierges~ lautet . Von dort hat man bald die Grenze ?berschritten, und man w?rde im Zuge den Uebergang gar nicht gemerkt haben, wenn nicht ein Grenzaufseher nach Branntwein gefragt h?tte. An der luxemburgisch-deutschen Grenze war n?mlich damals noch f?r Branntwein eine Kontrole, weil Luxemburg, das bekanntlich zum deutschen Zollverein geh?rt, sich fr?her weigerte, die Branntweinsteuer auf gleiche H?he zu bringen, wie in Deutschland. Dieses ist jetzt geschehen, so dass der Grenzkordon wegfallen konnte. Auch ?ber die Grenze hinaus wird noch die Luxemburger Mundart gesprochen; die Gegend geh?rte ?brigens fr?her zum Luxemburger Lande. Die Zugverbindung war dort nicht gerade eine sehr gl?nzende, und so musste ich mich schon entschliessen, in St. Vith zu ?bernachten, weil der Nachmittags- bezw. Abendzug nicht weiter fuhr. Jetzt sind die Zugverbindungen besser.

+St. Vith+ ist ein h?bsches St?dtchen, und so abgelegen es auch ist, so findet man doch ein gutes Unterkommen dort. Es liegt auf einer Anh?he und z?hlt ungef?hr 2000 Einwohner, die mit R?cksicht auf jene Gegend als ziemlich beh?big gelten k?nnen. Ausser der Viehzucht wird besonders die Gerberei eifrig betrieben. In dem St?dtchen findet man eine alte Pfarrkirche, ein Kloster mit Haushaltungsschule und Touristenheim, sowie einen alten Thurm als letzten Ueberrest der fr?heren Umwallung. Die Mundart, die dort gesprochen wird, ist schon die Eifeler Mundart, die der Luxemburgischen ?hnelt. Die Stadt selbst nennt das Volk ,,Sankt Veit" oder z'm Vekt. Wer sich ?ber die Bev?lkerung dieser Gegend unterrichten will, muss schon mit den Leuten selbst verkehren. Greift man zu einem F?hrer, so findet man meistens gar keine Angabe dar?ber. Heinrich Pflips, ein Eifeler Lehrer, der die Gegend beschrieben hat, beschr?nkt sich auf eine landschaftliche Schilderung mit d?rftigen geschichtlichen Notizen. Einige h?bsche Seiten widmet Heinrich Freimuth in seinen anregend geschriebenen ,,Ardenner Wanderungen" der Geschichte des St?dtchens St. Vith.

Vormittags fuhr ich nach Malmedy weiter. Die Gegend um St. Vith ist ziemlich ?rmlich, man sieht meist nur Haide und Ginster. Die n?chste Station ist +Montenau+, eine h?bsch gelegene Ortschaft mit W?ldern in der N?he. In +Weismes+ verl?sst man den nach Montjoie-Aachen weiterfahrenden Zug, um auf einer kleinen Zweigbahn abseits nach Malmedy zu gelangen. Ich musste in Weismes fast eine Stunde warten, und so benutzte ich die Gelegenheit, das Dorf zu besichtigen, das schon ganz im wallonischen Sprachgebiet liegt. Der Name selbst ist wallonisch und wird ,,U?m" ausgesprochen; die deutschen Bahnbeamten sprechen ihn allerdings aus, so wie er geschrieben wird: Weismes, und das kann einen Philologen schon sehr nerv?s machen. Das Dorf hat gar nichts Merkw?rdiges; man sagte mir nur, es sei wegen seines Kirchweihfestes bekannt. Mehr interessirte mich die Schule, wo ich deutsch singen h?rte. Die Bewohner gr?ssten mich aber meistens wallonisch oder franz?sisch. In den wenigen Gesch?ften, die der Ort ausser einer Strohhutfabrik aufzuweisen hat, wird auch deutsch gesprochen.

In Malmedy findet man in mehreren alten Gasth?fen, wo man deutsch, franz?sisch oder, wenn's beliebt, auch wallonisch sprechen kann, eine gute Unterkunft. Ein modernes Hotel wird jetzt dort errichtet. Es gefiel mir bei meinem ersten Aufenthalt so gut in dem behaglichen St?dtchen, dass ich im Herbst, wo ich eine Ferienreise durch die Eifel machte, noch einmal dorthin zur?ckkehrte.

Bevor ich die Stadt und ihre Umgebung beschreibe, auf die Sitten und Gebr?uche der Einwohner, die Sprachenverh?ltnisse usw. eingehe, will ich eine kurze Geschichte der Stadt Malmedy entwerfen.

~Dr.~ Hecking: Die Eifel in ihrer Mundart. Pr?m, P. Plaum. 1890.

Mit f?nf Bildern nach Skizzen von Prof. W. Altenburg, einem Tourenverzeichnis und einer Karte. K?ln, J. P. Bachem.

Aus Malmedys Vergangenheit.

Malmedy, der Hauptort der preussischen Wallonie, hat bis jetzt keinen deutschen Geschichtsschreiber gefunden. Die Vergangenheit dieser Stadt bietet aber schon deshalb ein besonderes Interesse, weil noch jetzt dort das Wallonische und Franz?sische vorherrschend sind, obschon Stadt und Umgebung bereits seit Anfang dieses Jahrhunderts zu Preussen geh?ren. Die jetzigen Verh?ltnisse in Malmedy sind wirklich sehr merkw?rdig. Die Bewohner der Stadt und einer Anzahl benachbarter Ortschaften sprechen unter sich wallonisch; viele beherrschen auch die franz?sische Schriftsprache sehr gut. Daneben ist, besonders in den letzten Jahrzehnten, das Deutsche aufgekommen, nachdem diese Sprache in der Volksschule eingef?hrt wurde. Wir wollen im Nachfolgenden einen kurzen R?ckblick auf die Vergangenheit Malmedy's werfen; es wird uns dann auch manches erkl?rlich, was uns sonst ein R?tsel bleiben w?rde.

Malmedy war von jeher mit dem bei Belgien verbliebenen Stavelot ethnographisch und geschichtlich verbunden. Deshalb sind die Beziehungen zwischen beiden St?dten trotz der politischen Trennung immer sehr lebhaft geblieben. Die Geschichte Malmedy's schildern heisst auch die Stavelot's erz?hlen, denn beider Geschichte war bis zum Beginn unseres Jahrhunderts eng verbunden. Nur die besonderen Ereignisse in Stavelot, die keine R?ckwirkung auf die Abtei aus?bten, lasse ich unber?cksichtigt.

Zu der nachfolgenden kurzen Geschichte von Malmedy habe ich haupts?chlich die Werke der beiden ~de No?e~ benutzt, besonders: ,,~Etudes historiques sur l'ancien pays de Stavelot et Malm?dy, par Ars?ne de No?e, docteur en droit~" und ,,~La L?gislation de l'ancienne principaut? de Stavelot-Malm?dy, par Paul de No?e, docteur en droit, r?f?rendaire de r?gence, membre correspondant de l'Acad?mie d'arch?ologie de Belgique~".

Die Abteien Stavelot und Malmedy wurden im 7. Jahrhundert im Ardennerwalde gegr?ndet. In der Gegend hatte der deutsche Stamm der Eburonen gewohnt, der von den R?mern unterjocht wurde. Der Teil der Ardennen geh?rte zur ~Germania inferior~, die von den Franken besetzt wurde. Die austrasischen K?nige betonen in mehreren Urkunden, dass der Ardennerwald ihnen geh?rte . Siegebert liess eine Anzahl Kl?ster gr?nden, worunter auch Malmedy und Stavelot. Er betraute mit der Errichtung derselben den heil. +Remaclus+, der am Hofe des K?nigs Dagobert gelebt hatte. Der Apostel der Ardennen, wie er sp?ter genannt wurde, verbreitete um die Mitte des 7. Jahrhunderts das Christenthum in Aquitanien. Er baute also mit Unterst?tzung des K?nigs Siegebert im Jahre 648 ein Kloster, in welchem S?hne des hl. Benediktus ihren Aufenthalt nahmen. Dasselbe geh?rte zum K?lner Sprengel. Von dieser Stiftung ~Malmundarium~ oder ~Malmidarium~ soll die Stiftung ihren Namen erhalten haben. Als Remaclus Bischof von Tongern wurde und eine eigene Di?zese besass, gefiel es ihm nicht, sein Kloster einem fremden Sprengel einverleibt zu sehen, und er beschloss deshalb, sich einen zweiten Konvent zu gr?nden, n?mlich in dem 1 1/2 Stunden westlich von Malmedy gelegenen, zu seinem Bistum geh?rigen Stavelot. Dort entstand bald eine weitere pr?chtige Abtei, und von da an blieben die beiden hochangesehenen, mit vielen Vorrechten ausgestatteten Schwesterkl?ster Stavelot-Malmedy, deren sp?tere F?rst?bte souver?ne Herrscher waren, vereinigt.

Bei der Teilung des Reiches Karls des Grossen kam das Land, in welchem die beiden Kl?ster lagen, mit zu Lothringen, das so lange ein Zankapfel zwischen Frankreich und Deutschland sein sollte. Dass Stavelot und Malmedy bald zu dem einen, bald zu dem andern Lande geh?rten, beweisen die Urkunden aus jener Zeit. Beide Abteien wurden im 10. Jahrhundert unabh?ngig, ebenso wie die von Trier, Pr?m, Echternach u. s. w. Besonders Malmedy lag in einer sch?nen Gegend, denn der hl. Bernhard sagt: ~Malmundarium totius Arduennae vallis amoenissima~. Man wird wohl nicht irre gehen in der Annahme, dass schon damals die nationalen Gegens?tze sich wenigstens in der N?he von Malmedy bemerkbar machten. W?hrend die Ober- und Niederfranken die Th?ler der Mosel, Saar, Sauer, Ur, Ahr, Erft und Ruhr besetzten, blieben die Th?ler der Amel und Warche im Besitze der zur?ckgedr?ngten Kelto-Romanen, wo diese noch heute den romanischen Volksstamm der Wallonen bilden. Malmedy und Umgebung wird also schon damals ein Vorposten des sp?teren Wallonentums gewesen sein.

Die beiden Kl?ster waren seit ihrer Gr?ndung eng mit einander verbunden und bildeten eine freie f?rstliche Abtei. Diese war abgabefrei, hatte aber die Verpflichtung, dem Kaiser Heeresdienste zu leisten. Zwei Punkte in der Geschichte der Abtei sind bemerkenswert, zun?chst, dass Stavelot das einzige Kloster war, dessen Oberhaupt Rang und Rechte eines F?rsten hatte und gleichzeitig zum Kriegsdienst verpflichtet war, dann dass der Doppelkonvent, obgleich eines und desselben Ursprungs, zwei verschiedenen Di?zesen zugeh?rig war. Die Einweihung der Kirche und Alt?re von Stavelot geschah durch den Bischof von L?ttich, w?hrend der Erzbischof von K?ln diese Handlungen im Abteibezirk von Malmedy vornahm. Bis zur franz?sischen Revolution hatte jedes Kloster sein eigenes Kapitel, seine eigenen Novizen usw. Beide Kapitel waren gleich und von einander unabh?ngig. Das zu den Kl?stern geh?rige Gebiet war gemeinschaftlich, ebenso wie sie nur einen Abt hatten, zu dessen Wahl beide gleichberechtigt waren. Aber schon der hl. Remaclus zog Stavelot vor, wo er auch begraben wurde. Seither mussten auch die M?nche von Malmedy ihre Gel?bde am Grabe des Heiligen ablegen. In Stavelot residierte gew?hnlich der Abt und dort hielten die Kapitel ihre Versammlungen ab. Diese Bevorzugung Stavelots wurde in Malmedy nur ungern gesehen und gab zu manchen Differenzen Anlass, die sp?ter sogar zu der Teilung der G?ter f?hrte.

Im Uebrigen war das geistliche F?rstentum ein kleines selbst?ndiges Staatswesen, das weltlich nur vom Kaiser und geistlich direkt von Rom abhing. Es vereinigte Jahrhunderte hindurch ein gl?ckliches, draussen in der Welt fast unbekannt gebliebenes V?lkchen. Die Benediktinerm?nche rodeten die W?lder aus und bebauten die Felder. Reich waren sie urspr?nglich nicht; dieses bezeugt ausdr?cklich Christian Druthmare , der mehrere Jahre bei ihnen gelebt hatte. Ihre Klosterschulen zeichneten sich durch ber?hmte Lehrer aus, wie Druthmare, Notger, Everhelm, Theodorich, Wibald, Zantfliet usw. Nicht lange hatte Remaclus seinen Bischofssitz inne; schon im Jahre 660 leistete er auf denselben Verzicht und kehrte nach seiner Abtei zu Stavelot zur?ck, wo er um das Jahr 669 starb; noch heute werden die Gebeine des heiligen Ordensmannes in der Pfarrkirche daselbst aufbewahrt. Mit dem Tode des Gr?nders endete aber sein Werk nicht; nicht weniger als 77 F?rst?bte z?hlt man als Nachfolger des hl. Remaclus, von denen neun heilig gesprochen wurden, w?hrend viele andere es in den Wissenschaften und in der Politik zu hohem Ansehen brachten. Die Grossen Europas, insbesondere die deutschen Kaiser und K?nige, wetteiferten darin, die F?rst?bte von Stavelot-Malmedy mit Ehren- und Gunstbezeugungen auszuzeichnen. Leider ist durch die Verw?stungen, denen die Abteien zu verschiedenen Zeiten unterworfen waren, wohl nicht zum Mindesten durch die franz?sischen Vandalen, die schliesslich den Untergang des F?rstentums herbeif?hrten, sehr viel Material aus den Archiven der Abteien vernichtet oder zerstreut worden.

Die Nachfolger des hl. Remaclus sind nicht alle dem Namen nach bekannt; ihre vollst?ndige Aufz?hlung w?re auch ohne besonderes Interesse. Mehrere von ihnen gelangten zu hohen W?rden, so der hl. +Agilolfus+, der Erzbischof von K?ln wurde. In einer dichterischen Beschreibung des Todes dieses Heiligen wird auch die Schlacht bei Amel im Jahre 716 geschildert, die die Vorl?uferin der grossen K?mpfe Karl Martells werden sollte. Amel wird als ein Ort im Ardennergau, 2 Meilen von Malmedy entfernt bezeichnet. Der hl. Agilolfus soll dort den Martertod erlitten haben. Die Abtei musste in der folgenden Zeit manche Widerw?rtigkeiten erleben, die die Folgen der Kriegswirren waren. Im Jahre 877 wurden die beiden Kl?ster von den Normannen in Brand gesteckt und der Abt +Hildebald+ musste mit den M?nchen in die Ardennen fl?chten; bei seiner R?ckkehr fand er nur mehr Tr?mmer vor. Als Heinrich der Vogler Lothringen erhielt wurde das F?rstentum Stavelot-Malmedy, das bis dahin die Schicksale Austrasiens und Lothringens getheilt hatte, dem deutschen Reiche einverleibt. ~Ars?ne de No?e~ hebt in seiner Geschichte ausdr?cklich hervor, dass nach dem Anschluss an das deutsche Reich die Abtei Stavelot-Malmedy aufbl?hte . Der hl. +Odilon+ richtete die Kl?ster wieder auf, deren b?rgerliche und religi?se Verwaltung in Verfall geraten war. Er berief dorthin den ber?hmten Notker aus St. Gallen, der sp?ter Bischof von L?ttich wurde und das Leben des hl. Remaclus schrieb. Er leitete die Schulen der Abtei, die damals in hohem Ansehen standen. Er predigte in lateinischer und jener romanischen Sprache, die sp?ter das Wallonische wurde . Erst der Abt +Werinfrid+ liess die Klosterkirche von Malmedy, welche von den Ungarn nach dem Einfall der Normannen zerst?rt worden war, wieder aufbauen. Unter seinem Nachfolger +Raveng?re+ wurde sie vollendet und am 10. September 992 vom Erzbischof von K?ln geweiht zu Ehren der Heiligen Petrus, Paulus, Johannes, Quirinus und Justus. Der neue Abt liess in Malmedy, das inzwischen eine Stadt geworden war, die St. Gereons-Pfarrkirche bauen und am 2. November 1007 von dem Erzbischof Heribert weihen. Die von dem hl. Agilolfus gegr?ndete St. Laurentiuskirche, die als gemeinsame Kirche diente, wurde 1661 zur Versch?nerung der Abteikirche, an die sie angelehnt war, abgerissen. Sp?ter wieder aufgebaut, wurde sie mit der Abteikirche ein Raub der Flammen bei dem grossen Brande von 1689.

Sein Nachfolger wurde +Theodorich+, ein M?nch von Stavelot, unter welchem der Streit ?ber den Vorrang der beiden Abteien -- denn auch Malmedy f?hrte den Namen Abtei -- zu lebhaftem Ausdruck kam, so dass es beinahe zu einer Trennung gekommen w?re.

Einer der Nachfolger Theodorich's war der Abt +Wibald+ , der als der bedeutendste aller Aebte bezeichnet wird und der auch einer der gr?ssten M?nner seines Jahrhunderts war. Wibald fand die Abteien in trostlosem Zustande, doch seiner Thatkraft gelang es, bessere Zeiten herbeizuf?hren, indem er die geistlichen und weltlichen Angelegenheiten regelte. Seine Wirksamkeit beschr?nkte sich nicht auf sein F?rstentum; es gab keine Frage in der Kirche und im Reiche, in der Wibald nicht zu Rate gezogen wurde, und es dauerte nicht lange, da machte Kaiser Lothar den Abt von Stavelot-Malmedy zu seinem geheimen Rate. Auf allen seinen Reisen und Kriegsz?gen begleitete nun Wibald den Kaiser; er nahm am Kriege gegen Italien 1133 Anteil und wurde sodann vom Kaiser nach Neapel geschickt, um den Befehl ?ber die Flotte zu ?bernehmen. Bei dieser Gelegenheit besuchte Wibald die ber?hmte Abtei des hl. Benediktus auf dem Monte Cassino; den dortigen M?nchen machte er ernste Vorhaltungen ?ber die zur Zeit im Kloster herrschenden Missst?nde. Nach dem Kriege wurde Wibald trotz seines Str?ubens zum Abte dieser Abtei gew?hlt, schlug aber die Wahl aus; vergebens baten die M?nche ihn, er m?ge sie nicht verlassen und die Leitung der Abtei ?bernehmen. Als der Kaiser dies h?rte, liess er Wibald gewaltsam in den Kapitelsaal bringen und wiederum wurde derselbe einstimmig gew?hlt und als Abt von Monte Cassino eingef?hrt. Die Verh?ltnisse zwangen ihn jedoch schon nach 44 Tagen die ehemalige Abtei des hl. Benediktus zu verlassen; er kehrte nach Stavelot zur?ck, nahm hier selbst wieder die Leitung der Regierungsgesch?fte in die H?nde und ordnete insbesondere die Verh?ltnisse der Grafschaft Logne zum F?rstentume. Auch in der Folge erfreute sich Wibald einer stets wachsenden Gunst des Kaisers. F?r die Hochachtung, die er bei demselben genoss, gibt eine auf rotem Pergament in Goldschrift geschriebene Urkunde, welche gegenw?rtig im Provinzialarchiv zu D?sseldorf aufbewahrt wird, einen sprechenden Beweis. Durch diese Urkunde erhebt Kaiser Lothar Stavelot-Malmedy zu reichsunmittelbaren Abteien, er r?hmt Wibald's Verdienste um das Reich und schenkte ihm grosse Besitzungen in Aachen, namentlich eine Anzahl H?user der damaligen Adelgundis-Kapelle gegen?ber . Sp?ter finden wir Wibald wieder als Erzkanzler des deutschen Reiches unter Friedrich Barbarossa, und er ist es wieder, auf den der Kaiser fast die ganze Last der Regierungsgesch?fte abw?lzt, dem er die wichtigsten und vertraulichsten Sendungen an fremde M?chte ?bertr?gt. Auf der R?ckreise von einer Mission nach Konstantinopel, wohin ihn die Gesch?fte des Reiches gef?hrt hatten, starb Wibald, angeblich von den Feinden des Reiches vergiftet, am 19. Juli 1156 in Paphlagonien, im Alter von 61 Jahren. Wibald, dessen Leben und Wirken durch Prof. Johannes Janssen eine liebevolle Darstellung gefunden hat, war ein Mann von hervorragender Bildung, Staatsmann, Dichter und Redner. Ars?ne de No?e sagt, nachdem er sein Leben erz?hlt und seine Eigenschaften ger?hmt: ~Gloire donc ? Wibald! Gloire au pays de Stavelot qui a produit ce grand homme, l'honneur de l'?tat monastique, la lumi?re de l'Empire, le sublime pilote suscit? par la main du Tr?s-Haut pour diriger et soutenir le vaisseau de l'Eglise romaine au milieu des ?pouvantables temp?tes qui mena?aient de l'engloutir.~

Auf Wibald folgte sein Bruder +Erlebald+, als F?rstabt von Stavelot-Malmedy. Er liess die sterblichen Reste seines Bruders aus Griechenland nach Stavelot bringen und vor dem Hauptaltar der Abteikirche beisetzen. Derselbe liess 1190 in Malmedy ein Haus f?r die Auss?tzigen und eine der hl. Maria Magdalena gewidmete Kapelle bauen. Nach dem Verschwinden der Pest wurden in dem Spital andere Kranke aufgenommen. Die Kapelle wurde im 16. Jahrhundert neugebaut und am 6. September 1554 geweiht. Die Verwaltung des Spitals wurde dem Kloster von Malmedy ?bertragen. Im Jahre 1640 gr?ndete Abt +Ferdinand+ Lateinschulen in Malmedy; das Kloster musste die Lehrer stellen und durfte von den Sch?lern keine Verg?tung fordern. Die Krankenkapelle , die noch jetzt an dem Wege nach dem ~Pouhon des Iles~ steht, diente als Pfarrkirche, als 1689 die Stadt Malmedy mit ihren Kirchen durch einen grossen Brand zerst?rt worden. Bei der Epidemie von 1741, wo w?hrend 8 Monaten 800 Einwohner von der Pest hingerafft wurden, str?mten zahlreiche Gl?ubige dorthin und ein Bauer aus Faimonville, N. Lejeune, schenkte derselben eine Marienstatue, die sich noch jetzt dort befindet. In einer 1167 ausgestellten Urkunde wird Stavelot zum ersten Mal als Stadt bezeichnet. Abt Erlebald starb hochbetagt 1193, nachdem er 34 Jahre dem Doppelkonvent vorgestanden. Sein Nachfolger +Gerard+ schloss einen ,,ewigen Frieden" zwischen den beiden Kl?stern. Aus der einzigen Urkunde ?ber die Civilverwaltung, die aus seiner Zeit erhalten ist, geht hervor, dass die Grafen und Herzoge von Luxemburg Erbvogte von Stavelot waren. +Jean d'Enghien+, Bischof von Tournai, F?rst-Bischof von L?ttich, wurde auch F?rst-Abt von Stavelot in einer unruhigen Zeit. Nach Beendigung des verh?ngnisvollen ,,Kuhkrieges" wurde er ein Opfer der Rachsucht seines abgesetzten Vorg?ngers +Heinrich von Geldern+, der zugleich Bischof von L?ttich war, aber zuletzt aller seiner kirchlichen Aemter und W?rden entsetzt wurde. Dieser lockte ihn in eine Falle, liess ihn halbnackt auf ein wildes Pferd binden, das ihn fortschleppte, bis er zu Boden fiel und tot blieb . In der folgenden Zeit fehlte es nicht an kriegerischen Verwickelungen, und manche Aebte vergeudeten die G?ter der beiden Kl?ster. Im 15. Jahrhundert sah es geradezu trostlos dort aus; von den ehemals so ber?hmten Schulen war kaum noch die Erinnerung ?brig geblieben, und die hervorragenden M?nner waren verschwunden. In der Kirche von Stavelot hieb man von dem Grabstein des Abtes +Jean de Geuzaine+ die vier Ecken ab, um anzudeuten, dass er die vier Ecken seines Landes ver?ussert hatte.

Bald aber erstand in +Heinrich von Merode+, der Stiftsherr von Aachen war und als Abt nach Stavelot berufen wurde, ein Reformator in weltlicher und kirchlicher Beziehung . Von ihm r?hrt die Verfassung des damals etwa 30,000 Einwohner z?hlenden F?rstentums her, die ganz erhalten ist. Sowohl ~Ars?ne~ als ~Paul de No?e~ besprechen dieselbe eingehend; eine Wiedergabe der Bestimmungen w?rde uns aber zu weit f?hren.

Am Ende des 17. Jahrhunderts hatte das F?rstentum ein Drittel seines fr?heren Gebietes verloren. Besonders die Herzoge von Luxemburg hatten anscheinend ihre Stellung als V?gte missbraucht, um sich eine Anzahl Ortschaften anzueignen. Ueberdies befand sich das Land infolge von Kriegen, Feuersbr?nsten, r?uberischen Einf?llen u. s. w. in einem trostlosen Zustande: es z?hlte nur mehr 1693 H?user . Im Jahre 1686 finden wir als Nachfolger des hl. Remaclus den +Kardinal Wilhelm Egon von F?rstenberg+ auf dem Abbatialsitze von Stavelot, unter dessen Regierung die Franzosen sich auf das wehrlose L?ndchen warfen. Am 4. October 1689 steckten franz?sische Truppen Stavelot und Malmedy in Brand, und in den beiden St?dten konnten von 1020 H?usern nur etwa 100 gerettet werden. Dadurch hatte das Land so grosse Verluste erlitten, dass es eine allgemeine Anleihe von 134,000 Thaler in L?ttich, Verviers und anderen Orten aufnehmen musste und ausserdem f?r die Kl?ster eine solche von 100,000 Thaler. Die reichsten und m?chtigsten Familien waren ?berdies ausgewandert. Schnell erhob sich ein neues St?dtchen aus dem Tr?mmerhaufen, und auf ein Gesuch wurde dem Lande ein Teil der Steuern nachgelassen und auf 3 Jahre Befreiung von der Milit?rpflicht bewilligt. Diese Verg?nstigung wurde 1715 noch auf vier weitere Jahre ausgedehnt.

Das F?rstentum vermochte inmitten der Kriegswirren der Zeit seine Neutralit?t nicht geltend zu machen; immer wieder zogen Heerschaaren durch dasselbe, raubend, pl?ndernd und mordend. In den Jahren 1741 bis 1753 stand das F?rstentum unter der Regierung von +Joseph de Nollet+, der wieder in Malmedy residirte und dem es sogar gelang, dieser Stadt den Vorrang ?ber Stavelot vom p?pstlichen Stuhle zuerkennen zu lassen. Ihm folgten noch die beiden F?rst?bte +Delmotte+ und +H?bin+; unter ihrem Nachfolger schlug f?r das Land des hl. Remaclus die Stunde der Aufl?sung als selbst?ndiges Staatengebilde; der im Jahre 1787 am 4. Januar gew?hlte 77. F?rstabt +C?lestin Thys+ sollte der letzte sein. Malmedy feierte diese Wahl als ein freudiges Ereignis, weil Thys Prior dort war. Er wurde in K?ln geweiht und leistete den Eid in Stavelot. Er war gebildet, aber schwach und wenig in Verwaltungssachen erfahren. Uebrigens h?tte er auch ohnehin den franz?sischen Revolution?ren nicht widerstehen k?nnen. Die Unzufriedenheit, ,,~le mal fran?ais~", ergriff auch die Bewohner des F?rstentums, die eine f?rmliche National-Versammlung bildeten, welche dem F?rstabt ihre Forderungen vortrug. Es war eine Art Miniatur-Revolution, die zugleich den Todeskampf des F?rstentums bedeutete. ~Ars?ne de No?e~ nennt sie eine ,,~pitoyable parodie de la r?volution fran?aise, augment?e de la contrefa?on de la r?volte li?geoise~." In L?ttich, der bedeutendsten Nachbarstadt, hatte es n?mlich so gewaltig geg?hrt, dass man die Wirkung selbst in Stavelot und Malmedy versp?rte. Ausw?rtige Emiss?re durchzogen das Land, um die Bewohner aufzuwiegeln. Im Kapuzinerkloster trat die Nationalversammlung zusammen, deren Mitglieder ihre Person als heilig und unverletzlich erkl?rten. Inzwischen trafen auf Veranlassung des Abtes, der sich nicht mehr sicher f?hlte, 450 Mann aus K?ln in Malmedy ein unter dem Befehl des Oberstlieutenants Frhr. v. Wolzogen. Die B?rgerschaft forderte aber den R?ckzug der Truppen und weigerte sich, f?r den Unterhalt derselben aufzukommen. Sie wurde bald darauf von 2000 ,,Patrioten" aus Franchimont unterst?tzt; und als die deutschen Truppen nun auf die Bitte des Abtes sich zur?ckzogen, war auch seine Autorit?t vollends geschwunden und der eigentliche Aufruhr brach los. Die M?nche liessen ihre Archive und Kostbarkeiten auf Wagen nach Deutschland transportieren. Das Volk wollte zwar seinen F?rsten nicht vertreiben, aber es verlangte zahlreiche Rechte und Freiheiten, Aenderungen in der Verwaltung u. s. w. Im Februar 1792 zog ein ?sterreichisches Regiment durch Malmedy, und in den folgenden Monaten kamen franz?sische Truppen und Emigranten dort an. Im November fl?chteten der Abt sowie eine Anzahl M?nche aus Malmedy. Franz?sische Dragoner pl?nderten die Abtei und errichteten einen Freiheitsbaum. Die Franzosen mussten aber am 3. M?rz 1793 wieder abziehen. Der Abt kehrte bald darauf inkognito zur?ck und liess eine Untersuchung ?ber die Anh?nger der Revolution er?ffnen. Die Bewohner weigerten sich aber, ihr Land von den Oesterreichern besetzen zu lassen. Nach einer kurzen ruhigen Periode emp?rten sich die Bewohner der Grafschaft Logne, welche zu Stavelot-Malmedy geh?rte, und der Abt rief deshalb die W?rttemberger zu Hilfe. Am 21. Juli verliess er sein Land f?r immer. Er starb am 1. November 1796 in Hanau bei Frankfurt a. M. und wurde in Gross-Steinheim begraben.

Add to tbrJar First Page Next Page

 

Back to top