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Read Ebook: Mozart auf der Reise nach Prag by M Rike Eduard

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Ebook has 247 lines and 22421 words, and 5 pages

Er ging und hatte bald den kurzen Weg bis zu dem offenen Gattertor zur?ckgelegt, dann langsam einen hohen alten Lindengang durchmessen, an dessen Ende linker Hand er in geringer Entfernung das Schloss von seiner Fronte auf einmal vor sich hatte. Es war von italienischer Bauart, hell get?ncht, mit weit vorliegender Doppeltreppe; das Schieferdach verzierten einige Statuen in ?blicher Manier, G?tter und G?ttinnen, samt einer Balustrade.

Von der Mitte zweier grossen, noch reichlich bl?henden Blumenparterre ging unser Meister nach den buschigen Teilen der Anlagen zu, ber?hrte ein paar sch?ne dunkle Piniengruppen und lenkte seine Schritte auf vielfach gewundenen Pfaden, indem er sich allm?hlich den lichteren Partien wieder n?herte, dem lebhaften Rauschen eines Springbrunnens nach, den er sofort erreichte.

Das ansehnlich weite, ovale Bassin war rings von einer sorgf?ltig gehaltenen Orangerie in K?beln, abwechselnd mit Lorbeeren und Oleandern, umstellt; ein weicher Sandweg, gegen den sich eine schmale Gitterlaube ?ffnete, lief rund umher. Die Laube bot das angenehmste Ruhepl?tzchen dar; ein kleiner Tisch stand vor der Bank, und Mozart liess sich vorn am Eingang nieder.

Das Ohr behaglich dem Gepl?tscher des Wassers hingegeben, das Aug auf einen Pomeranzenbaum von mittlerer Gr?sse geheftet, der ausserhalb der Reihe, einzeln, ganz dicht an seiner Seite auf dem Boden stand und voll der sch?nsten Fr?chte hing, ward unser Freund durch diese Anschauung des S?dens alsbald auf eine liebliche Erinnerung aus seiner Knabenzeit gef?hrt. Nachdenklich l?chelnd reicht er hin?ber nach der n?chsten Frucht, als wie um ihre herrliche R?nde, ihre saftige K?hle in hohler Hand zu f?hlen. Ganz im Zusammenhang mit jener Jugendszene aber, die wieder vor ihm aufgetaucht, stand eine l?ngst vermischte musikalische Reminiszenz, auf deren unbestimmter Spur er sich ein Weilchen tr?umerisch erging. Jetzt gl?nzen seine Blicke, sie irren da und dort umher, er ist von einem Gedanken ergriffen, den er sogleich eifrig verfolgt. Zerstreut hat er zum zweiten Mal die Pomeranze angefasst, sie geht vom Zweige los und bleibt ihm in der Hand. Er sieht und sieht es nicht; ja so weit geht die k?nstlerische Geistesabwesenheit, dass er, die duftige Frucht best?ndig unter der Nase hin und her wirbelnd und bald den Anfang, bald die Mitte einer Weise unh?rbar zwischen den Lippen bewegend, zuletzt instinktm?ssig ein emalliertes Etui aus der Seitentasche des Rocks hervorbringt, ein kleines Messer mit silbernem Heft daraus nimmt und die gelbe kugelige Masse von oben nach unten langsam durchschneidet. Es mochte ihn dabei entfernt ein dunkles Durstgef?hl geleitet haben, jedoch begn?gten sich die angeregten Sinne mit Einatmung des k?stlichen Geruchs. Er starrt minutenlang die beiden innern Fl?chen an, f?gt sie sachte wieder zusammen, ganz sachte, trennt und vereinigt sie wieder.

Da h?rt er Tritte in der N?he, er erschrickt, und das Bewusstsein, wo er ist, was er getan, stellt sich urpl?tzlich bei ihm ein. Schon im Begriff, die Pomeranze zu verbergen, h?lt er doch gleich damit inne, sei es aus Stolz, sei's, weil es zu sp?t dazu war. Ein grosser, breitschulteriger Mann in Livree, der G?rtner des Hauses, stand vor ihm. Derselbe hatte wohl die letzte verd?chtige Bewegung noch gesehen und schwieg betroffen einige Sekunden. Mozart, gleichfalls sprachlos, auf seinem Sitz wie angenagelt, schaute ihm halb lachend, unter sichtbarem Err?ten, doch gewissermassen keck und gross mit seinen blauen Augen ins Gesicht; dann setzte - er f?r einen Dritten w?re es h?chst komisch anzusehn gewesen - die scheinbar unverletzte Pomeranze mit einer Art von trotzig couragiertem Nachdruck in die Mitte des Tisches.

>>Um Vergebung<<, fing jetzt der G?rtner, nachdem er den wenig versprechenden Anzug des Fremden gemustert, mit unterdr?cktem Unwillen an: >>ich weiss nicht, wen ich hier...<<

>>Kapellmeister Mozart aus Wien.<<

>>Sind ohne Zweifel bekannt im Schloss?<<

>>Ich bin hier fremd und auf der Durchreise. Ist der Herr Graf anwesend?<<

>>Nein.<<

>>Seine Gemahlin?<<

>>Sind besch?ftigt und schwerlich zu sprechen.<<

Mozart stand auf und machte Miene zu gehen.

>>Mit Erlaubnis, mein Herr - wie kommen Sie dazu, an diesem Ort auf solche Weise zuzugreifen?<<

>>Was?<< rief Mozart, >>zugreifen? Zum Teufel, glaubt Er denn, ich wollte stehlen und das Ding da fressen?<<

>>Mein Herr, ich glaube, was ich sehe. Diese Fr?chte sind gez?hlt, ich bin daf?r verantwortlich. Der Baum ist vom Herrn Grafen zu einem Fest bestimmt, soeben soll er weggebracht werden. Ich lasse Sie nicht fort, ehbevor ich die Sache gemeldet und Sie mir selbst bezeugten, wie das da zugegangen ist.<<

>>Sei's drum. Ich werde hier so lange warten. Verlass Er sich darauf!<<

Der G?rtner sah sich z?gernd um, und Mozart, in der Meinung, es sei vielleicht nur auf ein Trinkgeld abgesehn, griff in die Tasche, allein er hatte das geringste nicht bei sich.

Zwei Gartenknechte kamen nun wirklich herbei, luden den Baum auf eine Bahre und trugen ihn hinweg. Inzwischen hatte unser Meister seine Brieftasche gezogen, ein weisses Blatt herausgenommen und, w?hrend dass der G?rtner nicht von der Stelle wich, mit Bleistift angefangen zu schreiben:

>Gn?digste Frau! Hier sitze ich Unseliger in Ihrem Paradiese, wie weiland Adam, nachdem er den Apfel gekostet. Das Ungl?ck ist geschehen, und ich kann nicht einmal die Schuld auf eine gute Eva schieben, die eben jetzt, von Grazien und Amoretten eines Himmelbetts umgaukelt, im Gasthof sich des unschuldigsten Schlafes erfreut. Befehlen Sie, und ich stehe pers?nlich Ihro Gnaden Rede ?ber meinen mir selbst unfasslichen Frevel. Mit aufrichtiger Besch?mung

Hochdero untert?nigster Diener W. A. Mozart, auf dem Wege nach Prag.<

Er ?bergab das Billett, ziemlich ungeschickt zusammengefaltet, dem peinlich wartenden Diener mit der n?tigen Weisung. Der Unhold hatte sich nicht sobald entfernt, als man an der hinteren Seite des Schlosses ein Gef?hrt in den Hof rollen h?rte. Es war der Graf, der eine Nichte und ihren Br?utigam, einen jungen, reichen Baron, vom benachbarten Gut her?berbrachte. Da die Mutter des letztern seit Jahren das Haus nicht mehr verliess, war die Verlobung heute bei ihr gehalten worden; nun sollte dieses Fest in einer fr?hlichen Nachfeier mit einigen Verwandten auch hier begangen werden, wo Eugenie gleich einer eigenen Tochter seit ihrer Kindheit eine zweite Heimat fand. Die Gr?fin war mit ihrem Sohne Max, dem Leutnant, etwas fr?her nach Hause gefahren, um noch verschiedene Anordnungen zu treffen. Nun sah man in dem Schlosse alles, auf G?ngen und Treppen, in voller Bewegung, und nur mit M?he gelang es dem G?rtner, im Vorzimmer endlich den Zettel der Frau Gr?fin einzuh?ndigen, die ihn jedoch nicht auf der Stelle ?ffnete, sondern, ohne genau auf die Worte des ?berbringers zu achten, gesch?ftig weitereilte. Er wartete und wartete, sie kam nicht wieder. Eins um das andere von der Dienerschaft, Aufw?rter, Zofe, Kammerdiener, rannte an ihm vorbei; er fragte nach dem Herrn - der kleidete sich um; er suchte nun und fand den Grafen Max auf seinem Zimmer, der aber unterhielt sich angelegentlich mit dem Baron und schnitt ihm, wie in Sorge, er wolle etwas melden oder fragen, wovon noch nichts verlauten sollte, das Wort vom Munde ab: >>Ich komme schon - geht nur!-<< Es stand noch eine gute Weile an, bis endlich Vater und Sohn zugleich herauskamen und die fatale Nachricht empfingen.

>>Das w?r ja h?llenm?ssig!<< rief der dicke, gutm?tige, doch etwas j?he Mann; >>das geht ja ?ber alle Begriffe! Ein Wiener Musikus, sagt Ihr? Vermutlich irgend solch ein Lump, der um ein Viatikum l?uft und mitnimmt, was er findet?<<

>>Verzeihen Euer Gnaden, darnach sieht er gerad nicht aus. Er deucht mir nicht richtig im Kopf; auch ist er sehr hochm?tig. Moser nennt er sich. Er wartet unten auf Bescheid; ich hiess den Franz um den Weg bleiben und ein Aug auf ihn haben.<<

>>Was hilft es hintendrein, zum Henker? Wenn ich den Narren auch einstecken lasse, der Schaden ist nicht mehr zu reparieren! Ich sagt Euch tausendmal, das vordere Tor soll allezeit geschlossen bleiben. Der Streich w?r aber jedenfalls verh?tet worden, h?ttet Ihr zur rechten Zeit Eure Zur?stungen gemacht.<<

Hier trat die Gr?fin hastig und mit freudiger Aufregung, das offene Billett in der Hand, aus dem anstossenden Kabinett. >>Wisst ihr<<, rief sie, >>wer unten ist? Um Gottes willen, lest den Brief - Mozart aus Wien, der Komponist! Man muss gleich gehen, ihn heraufzubitten - ich f?rchte nur, er ist schon fort! Was wird er von mir denken! Ihr, Velten, seid ihm doch h?flich begegnet? Was ist denn eigentlich geschehen?<<

>>Geschehn?<< versetzte der Gemahl, dem die Aussicht auf den Besuch eines ber?hmten Mannes unm?glich allen ?rger auf der Stelle niederschlagen konnte: >>der tolle Mensch hat von dem Baum, den ich Eugenien bestimmte, eine der neun Orangen abgerissen, hm! das Ungeheuer! Somit ist unserm Spass geradezu die Spitze abgebrochen, und Max mag sein Gedicht nur gleich kassieren.<<

>>O nicht doch!<< sagte die dringende Dame. >>Die L?cke l?sst sich leicht ausf?llen, ?berlasst es nur mir. Geht beide jetzt, erl?st, empfangt den guten Mann, so freundlich und so schmeichelhaft ihr immer k?nnt. Er soll, wenn wir ihn irgend halten k?nnen, heut nicht weiter. Trefft ihr ihn nicht im Garten mehr, sucht ihn im Wirtshaus auf und bringet ihn mit seiner Frau. Ein gr?sseres Geschenk, eine sch?nere ?berraschung f?r Eugenien h?tte der Zufall uns an diesem Tag nicht machen k?nnen.<<

>>Gewiss!<< erwiderte Max, >>dies war auch mein erster Gedanke. Geschwinde, kommen Sie, Papa! Und<< - sagte er, indem sie eilends nach der Treppe liefen - >>der Verse wegen seien Sie ganz ruhig. Die neunte Muse soll nicht zu kurz kommen; im Gegenteil, ich werde aus dem Ungl?ck noch besonderen Vorteil ziehen.<< - >>Das ist unm?glich!<< - >>Ganz gewiss.<< - >>Nun, wenn das ist - allein ich nehme dich beim Wort - so wollen wir dem Querkopf alle erdenkliche Ehre erzeigen.<<

Solange dies im Schloss vorging, hatte sich unser Quasi-Gefangener, ziemlich unbesorgt ?ber den Ausgang der Sache, geraume Zeit schreibend besch?ftigt. Weil sich jedoch gar niemand sehen liess, fing er an, unruhig hin und her zu gehen; dar?ber kam dringliche Botschaft vom Wirtshaus, der Tisch sei schon lange bereit, er m?chte ja gleich kommen, der Postillon pressiere. So suchte er denn seine Sachen zusammen und wollte ohne weiteres aufbrechen, als beide Herren vor der Laube erschienen.

Der Graf begr?sste ihn, beinah wie einen fr?heren Bekannten, lebhaft mit seinem kr?ftig schallenden Organ, liess ihn zu gar keiner Entschuldigung kommen, sondern erkl?rte sogleich seinen Wunsch, das Ehepaar zum wenigsten f?r diesen Mittag und Abend im Kreis seiner Familie zu haben.

>>Sie sind uns, mein liebster Maestro, so wenig fremd, dass ich wohl sagen kann, der Name Mozart wird schwerlich anderswo mit mehr Begeisterung und h?ufiger genannt als hier. Meine Nichte singt und spielt, sie bringt fast ihren ganzen Tag am Fl?gel zu, kennt Ihre Werke auswendig und hat das gr?sste Verlangen, Sie einmal in mehrerer N?he zu sehen, als es vorigen Winter in einem Ihrer Konzerte anging. Da wir nun demn?chst auf einige Wochen nach Wien gehen werden, so war ihr eine Einladung beim F?rsten Gallizin, wo man Sie ?fter findet, von den Verwandten versprochen. Jetzt aber reisen Sie nach Prag, werden so bald nicht wiederkehren, und Gott weiss, ob Sie der R?ckweg zu uns f?hrt. Machen Sie heute und morgen Rasttag! Das Fuhrwerk schicken wir sogleich nach Hause, und mir erlauben Sie die Sorge f?r Ihr Weiterkommen.<<

Der Komponist, welcher in solchen F?llen der Freundschaft oder dem Vergn?gen leicht zehnmal mehr, als hier gefordert war, zum Opfer brachte, besann sich nicht lange; er sagte diesen einen halben Tag mit Freuden zu, dagegen sollte morgen mit dem fr?hesten die Reise fortgesetzt werden. Graf Max erbat sich das Vergn?gen, Madame Mozart abzuholen und alles N?tige im Wirtshaus abzumachen. Er ging, ein Wagen sollte ihm gleich auf dem Fusse nachfolgen.

Von diesem jungen Mann bemerken wir beil?ufig, dass er mit einem von Vater und Mutter angeerbten heitern Sinn Talent und Liebe f?r sch?ne Wissenschaften verband und ohne wahre Neigung zum Soldatenstand sich doch als Offizier durch Kenntnisse und gute Sitten hervortat. Er kannte die franz?sische Literatur und erwarb sich, zu einer Zeit, wo deutsche Verse in der h?heren Gesellschaft wenig galten, Lob und Gunst durch eine nicht gemeine Leichtigkeit der poetischen Form in der Muttersprache nach guten Mustern, wie er sie in Hagedorn, in G?tz und andern fand. F?r heute war ihm nun, wie wir bereits vernahmen, ein besonders erfreulicher Anlass geworden, seine Gabe zu nutzen.

Er traf Madame Mozart, mit der Wirtstochter plaudernd, vor dem gedeckten Tisch, wo sie sich einen Teller Suppe vorausgenommen hatte. Sie war an ausserordentliche Zwischenf?lle, an kecke Stegreifspr?nge ihres Manns zu sehr gew?hnt, als dass sie ?ber die Erscheinung und den Auftrag des jungen Offiziers mehr als billig h?tte betreten sein k?nnen. Mit unverstellter Heiterkeit, besonnen und gewandt, besprach und ordnete sie unges?umt alles Erforderliche selbst. Es wurde umgepackt, bezahlt, der Postillon entlassen, sie machte sich, ohne zu grosse ?ngstlichkeit in Herstellung ihrer Toilette, fertig und fuhr mit dem Begleiter wohlgemut dem Schlosse zu, nicht ahnend, auf welche sonderbare Weise ihr Gemahl sich dort eingef?hrt hatte.

Der befand sich inzwischen bereits sehr behaglich daselbst und auf das beste unterhalten. Nach kurzer Zeit sah er Eugenien mit ihrem Verlobten; ein bl?hendes, h?chst anmutiges, inniges Wesen. Sie war blond, ihre schlanke Gestalt in karmoisinrote, leuchtende Seide mit kostbaren Spitzen festlich gekleidet, um ihre Stirn ein weisses Band mit edlen Perlen. Der Baron, nur wenig ?lter als sie, von sanftem, offenem Charakter, schien ihrer wert in jeder R?cksicht.

Den ersten Aufwand des Gespr?chs bestritt, fast nur zu freigebig, der gute launige Hausherr verm?ge seiner etwas lauten, mit Sp?ssen und Hist?rchen sattsam gespickten Unterhaltungsweise. Es wurden Erfrischungen gereicht, die unser Reisender im mindesten nicht schonte.

Eines hatte den Fl?gel ge?ffnet, >Figaros Hochzeit< lag aufgeschlagen, und das Fr?ulein schickte sich an, von dem Baron akkompagniert, die Arie Susannas in jener Gartenszene zu singen, wo wir den Geist der s?ssen Leidenschaft stromweise, wie die gew?rzte sommerliche Abendluft, einatmen. Die feine R?te auf Eugeniens Wangen wich zwei Atemz?ge lang der ?ussersten Bl?sse; doch mit dem ersten Ton, der klangvoll ?ber ihre Lippen kam, fiel ihr jede beklemmende Fessel vom Busen. Sie hielt sich l?chelnd, sicher auf der hohen Woge, und das Gef?hl dieses Moments, des einzigen in seiner Art vielleicht f?r alle Tage ihres Lebens, begeisterte sie billig.

Mozart war offenbar ?berrascht. Als sie geendigt hatte, trat er zu ihr und fing mit seinem ungezierten Herzensausdruck an: >>Was soll man sagen, liebes Kind, hier, wo es ist wie mit der lieben Sonne, die sich am besten selber lobt, indem es gleich jederman wohl in ihr wird! Bei solchem Gesang ist der Seele zumut wie dem Kindchen im Bad: es lacht und wundert sich und weiss sich in der Welt nichts Besseres. ?brigens glauben Sie mir, unsereinem in Wien begegnet es nicht jeden Tag, dass er so lauter, ungeschminkt und warm, ja so komplett sich selber zu h?ren bekommt.<< - Damit erfasste er ihre Hand und k?sste sie herzlich. Des Mannes hohe Liebensw?rdigkeit und G?te nicht minder als das ehrenvolle Zeugnis, wodurch er ihr Talent auszeichnete, ergriff Eugenien mit jener unwiderstehlichen R?hrung, die einem leichten Schwindel gleicht, und ihre Augen wollten sich pl?tzlich mit Tr?nen anf?llen.

Hier trat Madame Mozart zur T?re herein, und gleich darauf erschienen neue G?ste, die man erwartet hatte: eine dem Haus sehr eng verwandte freiherrliche Familie aus der N?he, mit einer Tochter, Franziska, die seit den Kinderjahren mit der Braut durch die z?rtlichste Freundschaft verbunden und hier wie daheim war.

Man hatte sich allerseits begr?sst, umarmt, begl?ckw?nscht, die beiden Wiener G?ste vorgestellt, und Mozart setzte sich an den Fl?gel. Er spielte einen Teil eines Konzerts von seiner Komposition, welches Eugenie soeben einstudierte.

Die Wirkung eines solchen Vortrags in einem kleinen Kreis wie der gegenw?rtige unterscheidet sich nat?rlicherweise von jedem ?hnlichen an einem ?ffentlichen Orte durch die unendliche Befriedigung, die in der unmittelbaren Ber?hrung mit der Person des K?nstlers und seinem Genius innerhalb der h?uslichen bekannten W?nde liegt.

Es war eines jener gl?nzenden St?cke, worin die reine Sch?nheit sich einmal, wie aus Laune, freiwillig in den Dienst der Eleganz begibt, so aber, dass sie, gleichsam nur verh?llt in diese mehr willk?rlich spielenden Formen und hinter eine Menge blendender Lichter versteckt, doch in jeder Bewegung ihren eigensten Adel verr?t und ein herrliches Pathos verschwenderisch ausgiesst.

Die Gr?fin machte f?r sich die Bemerkung, dass die meisten Zuh?rer, vielleicht Eugenie selbst nicht ausgenommen, trotz der gespanntesten Aufmerksamkeit und aller feierlichen Stille w?hrend eines bezaubernden Spiels, doch zwischen Auge und Ohr gar sehr geteilt waren. In unwillk?rlicher Beobachtung des Komponisten, seiner schlichten, beinahe steifen K?rperhaltung, seines gutm?tigen Gesichts, der rundlichen Bewegung dieser kleinen H?nde war es gewiss auch nicht leicht m?glich, dem Zudrang tausendfacher Kreuzundquergedanken ?ber den Wundermann zu widerstehen.

Zu Madame Mozart gewendet, sagte der Graf, nachdem der Meister aufgestanden war: >>Einem ber?hmten K?nstler gegen?ber, wenn es ein Kennerlob zu spitzen gilt, das halt nicht eines jeden Sache ist, wie haben es die K?nige und Kaiser gut! Es nimmt sich eben alles einzig und ausserordentlich in einem solchen Munde aus. Was d?rfen sie sich nicht erlauben, und wie bequem ist es zum Beispiel, dicht hinterm Stuhl Ihres Herrn Gemahls, beim Schlussakkord einer brillanten Phantasie dem bescheidenen klassischen Mann auf die Schulter zu klopfen und zu sagen: >Sie sind ein Tausensasa, lieber Mozart!< Kaum ist das Wort heraus, so gehts wie ein Lauffeuer durch den Saal: >Was hat er ihm gesagt?< - >Er sei ein Tausendsasa, hat er zu ihm gesagt!< Und alles, was da geigt und fistuliert und komponiert, ist ausser sich von diesem einen Wort; kurzum, es ist der grosse Stil, der famili?re Kaiser-Stil, der unnachahmliche, um welchen ich die Josephs und die Friedrichs von je beneidet habe, und das nie mehr als eben jetzt, wo ich ganz in Verzweiflung bin, von anderweitiger geistreicher M?nze zuf?llig keinen Deut in allen meinen Taschen anzutreffen.<< Die Art, wie der Sch?fer dergleichen vorbrachte, bestach immerhin und rief unausbleiblich ein Lachen hervor.

Nun aber, auf die Einladung der Hausfrau, verf?gte die Gesellschaft sich nach dem geschm?ckten runden Speisesalon, aus welchem den Eintretenden ein festlicher Blumengeruch und eine k?hlere, dem Appetit willkommene Luft entgegenwehte.

Man nahm die schicklich ausgeteilten Pl?tze ein, und zwar der distinguierte Gast den seinigen dem Brautpaar gegen?ber. Von einer Seite hatte er eine kleine ?ltliche Dame, eine unverheiratete Tante Franziskas, von der andern die junge reizende Nichte selbst zur Nebensitzerin, die sich durch Geist und Munterkeit ihm bald besonders zu empfehlen wusste. Frau Konstanze kam zwischen den Hauswirt und ihren freundlichen Geleitsmann, den Leutnant; die ?brigen reihten sich ein, und so sass man zu elfen nach M?glichkeit bunt an der Tafel, deren unteres Ende leer blieb. Auf ihr erhoben sich mitten zwei m?chtig grosse Porzellanaufs?tze mit gemalten Figuren, breite Schalen, geh?uft voll nat?rlicher Fr?chte und Blumen, ?ber sich haltend. An den W?nden des Saals hingen reiche Festons. Was sonst da war oder nach und nach folgte, schien einen ausgedehnten Schmaus zu verk?nden. Teils auf der Tafel, zwischen Sch?sseln und Platten, teils vom Serviertisch her?ber im Hintergrund blinkte verschiedenes edle Getr?nk vom schw?rzesten Rot bis hinauf zu dem gelblichen Weiss, dessen lustiger Schaum herk?mmlich erst die zweite H?lfte eines Festes kr?nt.

Bis gegen diesen Zeitpunkt hin bewegte sich die Unterhaltung, von mehreren Seiten gleich lebhaft gen?hrt, in allen Richtungen. Weil aber der Graf gleich anfangs einigemal von weitem und jetzt nur immer n?her und mutwilliger auf Mozarts Gartenabenteuer anspielte, so dass die einen heimlich l?chelten, die andern sich umsonst den Kopf zerbrachen, was er denn meine, so ging unser Freund mit der Sprache heraus.

>>Ich will in Gottes Namen beichten<<, fing er an, >>auf was Art mir eigentlich die Ehre der Bekanntschaft mit diesem edlen Haus geworden ist. Ich spiele dabei nicht die w?rdigste Rolle, und um ein Haar, so s?ss ich jetzt, statt hier vergn?gt zu tafeln, in einem abgelegenen Arrestantenwinkel des gr?flichen Schlosses und k?nnte mir mit leerem Magen die Spinneweben an der Wand herum betrachten.<<

>>Nun ja,<< rief Madame Mozart, >>da werd ich sch?ne Dinge h?ren.<<

Ausf?hrlich nun beschrieb er erst, wie er im >Weissen Ross< seine Frau zur?ckgelassen, die Promenade in den Park, den Unstern in der Laube, den Handel mit der Gartenpolizei, kurz, ungef?hr was wir schon wissen, gab er alles mit gr?sster Treuherzigkeit und zum h?chsten Erg?tzen der Zuh?rer preis. Das Lachen wollte fast kein Ende nehmen; selbst die gem?ssigte Eugenie enthielt sich nicht, es sch?ttelte sie ordentlich.

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